TE Vwgh Beschluss 2019/6/27 Ra 2019/15/0054

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Veröffentlicht am 27.06.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §52 Abs1
VStG §24
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §52 Abs8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des H L in D, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 6. Februar 2019, Zl. KLVwG- 599-611/5/2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Kärnten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Kärnten vom 31. Jänner 2018 wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ zweier näher bezeichneter Gesellschaften wegen zehnfacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) (Spruchpunkt 2.) sowie wegen dreifacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 GSpG (Spruchpunkt 1.) schuldig erkannt. Über ihn wurden zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils 6.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafen) sowie drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 4.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) der Beschwerde insofern Folge, als es den Spruch des Straferkenntnisses auf den Tatvorwurf des unternehmerisch Zugänglichmachens reduzierte und den Revisionswerber nur wegen dieser Tat bestrafte (Spruchpunkt I.). Im Übrigen wies es die Beschwerde dagegen als unbegründet ab. Das LVwG gab der Beschwerde bezüglich des Vorwurfs des Veranstaltens statt, hob das Straferkenntnis diesbezüglich auf und stellte das Beschwerdeverfahren ein (Spruchpunkt II.). Es legte dem Revisionswerber die Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 12.000 EUR (Spruchpunkt III.) auf und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt IV.). 3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. 7 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff). 8 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotteriekonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

9 Der Revisionswerber bringt weiters vor, es fehle Rechtsprechung zur Abgrenzung der Straftatbestände des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu jenen des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG. Das LVwG habe einen Feststellungsmangel verwirklicht, der in rechtlicher Hinsicht jedenfalls zur Abgrenzung der genannten Straftatbestände relevant sei. Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass bei Geräten mit Internetverbindung die Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu erfolgen hat (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0123 mit Hinweis auf VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0096 bis 0097).

10 Zum Zulässigkeitsvorbringen, das LVwG habe seine Feststellungen in Bezug auf die im Spruch genannten Geräte 6. bis 8. nicht ausreichend begründet, ist zu sagen, dass das LVwG seine Feststellungen zum Spielablauf dezidiert insbesondere auf die Aussage zweier Zeugen in der Verhandlung gründete. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung zeigt die Revision nicht auf.

11 Die Revision macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht habe - im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - einen vom Revisionswerber beantragten Sachverständigenbeweis nicht aufgenommen. Der Revisionswerber habe beantragt, die Geräte durch einen Glücksspiel-Sachverständigen zu begutachten. Bei Aufnahme dieses Beweises wäre das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei diesen Geräten um Geschicklichkeitsspielapparate zur bloßen Unterhaltung und insbesondere ohne Gewinnmöglichkeit gehandelt habe. 12 Nach § 38 VwGVG iVm § 24 VStG iVm § 52 Abs. 1 AVG sind Sachverständige beizuziehen, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige "notwendig" ist (vgl. hiezu VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0474, mwN; weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, § 52 Rz 8 ff; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 52 AVG E 16 ff). Ein Sachverständigenbeweis ist demnach dann aufzunehmen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist oder wenn zur Erforschung der materiellen Wahrheit besondere Fachkenntnisse nötig sind. Reichen die allgemeine Lebenserfahrung oder die Fachkenntnisse der Behörde (des Verwaltungsgerichts) zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes aus, liegt kein Verfahrensmangel darin, dass kein Sachverständigenbeweis eingeholt wird.

13 Dass im vorliegenden Fall zu den durch den beantragten Beweis zu klärenden Sachverhaltsfragen die Beiziehung eines Sachverständigen in diesem Sinne notwendig gewesen wäre, wird vom Revisionswerber nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. 14 Mit dem Vorbringen zur behaupteten Verfolgungsverjährung zeigt der Revisionswerber ebenfalls keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Der Bestimmung des § 44a Z 1 VStG wird - aus Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Strafbescheides bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, die beschuldigte Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch für die Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gegeben ist. Das bedeutet, dass die der beschuldigten Person vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit diese in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 14.12.2016, Ra 2015/17/0109, mwN). 15 Im Revisionsfall entspricht das Straferkenntnis vom 31. Jänner 2018 diesem Konkretisierungsgebot.

16 Dem Zulässigkeitsvorbringen, es wären gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren aufzuerlegen gewesen, weil das Verwaltungsgericht der Beschwerde teilweise Folge gegeben habe, ist Folgendes zu erwidern:

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt der Erfolg eines Rechtsmittels hinsichtlich einer von mehreren in einem Straferkenntnis geahndeten Übertretungen nicht zur Anwendung des § 65 VStG auch hinsichtlich der übrigen Übertretungen. Diese Rechtsprechung zu § 65 VStG ist in Bezug auf die Vorschreibung des Kostenbeitrags für das Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 8 VwGVG auf die neue Rechtslage zu übertragen (vgl. VwGH 20.9.2018, Ra 2018/09/0072, mwN). Auch insofern wird somit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG weder aufgezeigt, noch ist eine solche ersichtlich.

18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150054.L00

Im RIS seit

24.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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