TE OGH 2019/7/10 15Os62/19k

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Veröffentlicht am 10.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Philipp-Markus N***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 4. März 2019, GZ 11 Hv 148/18b-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Philipp-Markus N***** in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs 1 StGB aufgehoben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Philipp-Markus N***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (A./1./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (A./2./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B./1./), der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (B./2./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./3./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ am 29. Juni 2018 in G*****

1./ Katrin K***** und Markus Ka***** absichtlich schwer am Körper zu verletzten versucht, indem er mit einem 23 cm langen, abgebrochenen Regenschirmstiel aus Metall und mit scharfer Spitze, den er mit einer Schlaufe an seiner rechten Hand befestigt hatte, gezielt von unten nach oben zunächst gegen den Hals der Katrin K***** und sodann des Markus Ka***** stach, während er wiederholt schrie: „I stich eich ob! I bring eich um!“, wobei es infolge der Abwehr der Stiche durch Markus Ka***** jeweils nur beim Versuch blieb;

2./ Sylvia T*****, Katrin K***** und Markus Ka***** mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihnen gegenüber äußerte: „Schleichts eich … i bring euch um … was wollts ihr überhaupt ... i daschlog eich!“;

B./ am 10. Mai 2018 in F***** und F***** auf der Landesstraße ***** im Bereich Strkm 66.200 bis Strkm 73.527

1./ Martina M***** dadurch, dass er, nachdem er mit dem von ihm gelenkten PKW zunächst mehrmals und für längere Fahrtstrecken auf die Gegenfahrbahn neben den von ihr gelenkten PKW wechselte und jeweils bis zum Entgegenkommen anderer Verkehrsteilnehmer herfuhr, sie schließlich überholte und plötzlich, ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit, abrupt abbremste, mithin durch Gewalt zu Handlungen, nämlich zum Abbremsen ihres PKW genötigt;

2./ durch die unter Punkt 1./ dargestellten Taten vorsätzlich eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der Martina M***** und der weiteren Fahrzeuginsassen Verena Ma***** und Ahmed Ma***** herbeigeführt;

3./ eine fremde Sache, nämlich den PKW der Martina M***** beschädigt und dadurch einen 5.000 Euro nicht übersteigenden Schaden in Höhe von 3.792,59 Euro herbeigeführt, indem er im Anschluss an die unter Punkt 1./ dargestellten Handlungen mit einem Faustschlag den linken Außenspiegel des PKW ein- bzw herunterschlug, auf die Motorhaube des PKW sprang und diese durch weitere Sprünge an mehreren Stellen verbeulte und schließlich durch einen Sprung mit beiden Beinen und voller Wucht gegen die Windschutzscheibe des PKW diese zertrümmerte.

Das Gericht verhängte über N***** unter Bedachtnahme auf ein Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. Juli 2018 gemäß § 31 StGB eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von drei Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs 1 StGB an.

Rechtliche Beurteilung

Ausschließlich gegen die Anordnung der Maßnahme nach § 22 Abs 1 StGB richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 13 erster Fall StPO gestützte, zum Vorteil des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – Berechtigung zukommt:

Nach § 22 Abs 2 StGB ist von der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher unter anderem dann abzusehen, wenn der Verurteilte
– abzüglich der angerechneten Vorhaftzeiten, somit noch (Ratz in WK² StGB § 22 Rz 2, 5) – mehr als zwei Jahre in Strafhaft zu verbüßen hat.

Der Angeklagte wurde mit dem vorliegenden Urteil vom 4. März 2019 zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 14. April 2018, 20:43 Uhr, bis 2. Mai 2018, 10:30 Uhr, und vom 29. Juni 2018, 17:10 Uhr, bis 4. März 2019, 18:10 Uhr, auf die Strafe angerechnet (US 3).

Da (bereits) aufgrund der vom Erstgericht über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren unter Berücksichtigung der anzurechnenden Vorhaft im maßgeblichen Urteilszeitpunkt (Fabrizy, StGB13 § 22 Rz 5) der zu verbüßende Strafrest mehr als zwei Jahre betrug, hätte nach § 22 Abs 2 erster Fall StGB von der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher abgesehen und dieser Umstand gemäß § 439 Abs 3 StPO in den Entscheidungsgründen ausgesprochen werden müssen.

Die Anordnung der Unterbringung des Philipp-Markus N***** nach § 22 Abs 1 StGB ist daher mit dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 erster Fall StPO behaftet (vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 8 f).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

Textnummer

E125768

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00062.19K.0710.000

Im RIS seit

08.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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