TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/17 98/16/0173

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Veröffentlicht am 17.12.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
40/01 Verwaltungsverfahren;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

AVG §37;
GGG 1984 TP9 lita;
GGG 1984 TP9 litb Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WFG 1984 §53 Abs3;
WFG 1984 §53 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der B Aktiengesellschaft in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Präsidenten des LG für ZRS Wien vom 28. Mai 1998, Zl. Jv 8481-33a/97, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 21. September 1995/30. November 1995, in der die Anschrift der Darlehensnehmerin mit 1140 Wien, Nobilegasse 3/2a, bezeichnet ist, wurde mit Beschluß des BG Hietzing vom 18. Jänner 1996, Tz 322/96 u. a. auf den 12/168 Anteilen der Mag. Andrea Bauer an der Liegenschaft EZ 216, GB 01210 Penzing (Grundstücksadresse Nobilegasse 3) ein Pfandrecht für die Beschwerdeführerin einverleibt.

Die genannte Schuld- und Pfandbestellungsurkunde enthält in ihrer einleitenden Erklärung unter anderem folgenden Satz:

"Nach Fertigstellung des Bauvorhabens wird der Darlehensnehmer seine derzeitige Wohnung ..."

Mit Zahlungsauftrag vom 9. Dezember 1997 forderte der Kostenbeamte des BG Hietzing von der Beschwerdeführerin gemäß TP 9b 4 GGG Eintragungsgebühr, gemäß TP 9a GGG Eingabengebühr und gemäß § 6 GEG Einhebungsgebühr an.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin unter Vorlage der Kopie einer Erklärung der Darlehensnehmerin vom 3. August 1995 einen Berichtigungsantrag mit dem Begehren auf Gewährung der Gebührenbefreiung gemäß § 53 Abs. 4 WFG 1984. Die Erklärung der Darlehensnehmerin lautet (im Wege von Ankreuzungen in einem Formular) u.a. dahin, daß die zu finanzierende Wohneinheit nach Fertigstellung der Darlehensnehmerin dient und daß diese derzeit keine andere Wohnung besitzt.

Aus dem am 25. Jänner 1995 zwischen der Darlehensnehmerin als Käuferin und dem Verkäufer Mag. Kögler hinsichtlich der 12/168 Anteile an der oben näher bezeichneten Liegenschaft errichteten Kaufvertrag ist ersichtlich, daß auf der Liegenschaft 1140 Wien, Nobilegasse 3 von einer Miteigentümergemeinschaft der bestehende Altbau renoviert und zugleich auf einem anderen Grundstücksteil ein Neubau errichtet wird. Aus Punkt V. des Kaufvertrages ergibt sich, daß der Käuferin die wesentlichen Vereinbarungen zwischen den ideellen Miteigentümern bekannt waren und daß die Käuferin auf dieser Grundlage mit den übrigen Miteigentümern das Wohnungseigentumsübereinkommen unterfertigen wird. Aus Punkt VI des Kaufvertrages ist weiters ersichtlich, daß die Käuferin das Kaufobjekt in jenem Zustand übernahm, in dem es sich bei Vertragsunterfertigung befunden hat, und daß der Verkäufer weder für eine bestimmte Größe noch für einen bestimmten Bauzustand haftet.

Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag mit der Begründung keine Folge, sowohl aus der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde als auch aus der Erklärung der Bausparerin vom 3. August 1995 gehe hervor, daß sie zur Zeit der Errichtung der Pfandurkunde bereits in der erworbenen Wohnung gewohnt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtentrichtung der vorgeschriebenen Gebühren verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und des Grundbuchsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 53 Abs. 4 WFG 1984 lautet:

"(4) Die Gebührenbefreiung nach Abs. 3 gilt ferner für das Bausparkassendarlehen, das eine Bausparkasse einem Bausparer zur Errichtung einer zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Bausparers oder seines Ehegatten, Lebensgefährten sowie seiner Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder bestimmten Wohnung in normaler Ausstattung gewährt."

Nach der schon zu § 35 Abs. 5 WFG 1968 ergangenen hg. Judikatur kann die Gebührenbefreiung nicht gewährt werden, wenn das Bausparkassendarlehen nicht unmittelbar zur Errichtung der Wohnung, sondern nur zum Erwerb (Kauf) einer bereits errichteten Wohnung dient (vgl. die hg Erkenntnisse vom 29. April 1982, Zl. 81/15/0046, und vom 3. April 1981, Zl. 3292/79). Ebenso kommt die Gebührenbefreiung nicht zum Tragen, wenn ein anderer als der Bausparer die Wohnung errichtet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Juni1997, Zl. 97/16/0188 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/16/0168, dargelegt hat, besteht für die Behörde dann, wenn sich aus den vorliegenden Urkunden eine unklare Sachlage ergibt, eine entsprechende Ermittlungspflicht.

Von einer solchen unklaren Sachlage kann auch im Beschwerdefall angesichts der oben zitierten Urkundeninhalte gesprochen werden. Da die Erklärung der Darlehensnehmerin vom 3. August 1995 ebenso wie die Schuld- und Pfandbestellungsurkunde u. a. den Wortlaut "nach Fertigstellung" enthalten und weil der Kaufvertrag die Frage offen läßt, wie weit der Bau, der von jener Miteigentümergemeinschaft errichtet wurde, in welche die Darlehensnehmerin im Wege des Anteilserwerbs eingetreten ist, zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages und insbesondere zur Zeit der Darlehensgewährung gediehen war (insbesondere ob damals schon von einer bereits errichteten Wohnung die Rede sein konnte, also von einer Wohnung, die durch eine Miteigentümergemeinschaft errichtet wurde, der die Darlehensnehmerin damals noch nicht angehörte), durfte die belangte Behörde allein auf Grund der Adressangabe in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde und dem übrigen Inhalt der Erklärung vom 3. August 1995 noch nicht davon ausgehen, die Darlehensnehmerin habe zur Zeit der Begründung des Darlehens die fertiggestellte Wohnung schon bewohnt. Insbesondere hätte die belangte Behörde den Widerspruch zwischen der am Ende offen gelassenen einleitenden Erklärung der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde (nach Fertigstellung ...) und der Erklärung vom 3. August 1995 ("Ich besitze derzeit keine andere Wohnung") aufklären müssen.

Da die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausdrücklich ausführt, daß sich die Wohnung zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages noch in Errichtung befand und daß die Darlehensgewährung der Errichtung der Wohnung diente, erweist sich der unterlaufene Verfahrensmangel als relevant, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Wien, am 17. Dezember 1998

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998160173.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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