TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/9 I404 2187241-1

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Veröffentlicht am 09.05.2019
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Entscheidungsdatum

09.05.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I404 2187241-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) vom 11.01.2018, Zl. 182018CLB10005599600, betreffend Beitragshaftungshaftung in der Höhe von € 844,53 gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben der Tiroler Gebietskrankenkasse (in der Folge: belangte Behörde) vom 12.12.2017 wurde Herrn XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) mitgeteilt, dass die Firma XXXX (in der Folge: Primärschuldnerin) die restlichen Dienstnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung für Oktober 2016 bis Jänner 2017 sowie die Nachrechnung aufgrund der Beitragsprüfung vom 03. Juli 2017 (Prüfzeitraum berücksichtigt von Dezember 2016 bis Jänner 2017) in der Höhe von € 844,53 schulde. Im Rahmen seiner Vertretungsmacht als Geschäftsführer sei er verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit zu entrichten. Er werde ersucht, entsprechende Schuldausschließungsgründe darzulegen und insbesondere den Nachweis zu erbringen, dass die offenen Sozialversicherungsbeiträge im Zeitraum 01.10.2016 bis 09.03.2017 nicht in geringerem Ausmaß bezahlt worden seien, als die sonstigen Verbindlichkeiten (Aufstellung der Zahlungsbewegungen in diesem Zeitraum samt Belegen, Status der Verbindlichkeiten per 09.03.2017 und Aufstellung der bis heute neu hinzugekommenen Verbindlichkeiten). Für den Fall, dass im gegenständlichen Haftungszeitraum keine Löhne bezahlt worden seien, werde um Vorlage entsprechender Unterlagen (zB. Anmeldung im Konkursverfahren) ersucht. Diesem Schreiben war eine Aufstellung über den Haftungsbetrag beigegeben.

In der Folge langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein.

2. Mit Bescheid vom 11.01.2018 hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG die Dienstnehmerbeiträge für die Zeiträume Oktober 2016 und Dezember 2016 sowie die Beiträge aufgrund der Beitragsprüfung vom 03. Juli 2017 somit insgesamt einen Betrag in der Höhe von € 844,53 schuldet und verpflichtet ist, der belangten Behörde diesen Betrag binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides zu bezahlen. Die Dienstnehmerbeiträge der oben bezeichneten Beitragsmonate seien aus der vom Dienstgeber bzw. dessen Steuerberater selbst erstellten Beitragsnachweisung ermittelt worden. Die Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin sei nicht möglich gewesen. Der beim Landesgericht Innsbruck eingebrachte Insolvenzantrag sei am 09.03.2017 zu 19 S 90/16g mangels Vermögen abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei im fraglichen Zeitraum (23.05.2016 bis 21.03.2017) im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck als Geschäftsführer eingetragen und daher zur Vertretung des Beitragsschuldners und auch zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Obliegenheiten des Dienstgebers der belangten Behörde gegenüber berufen gewesen. Mit Schreiben vom 12.12.2017 sei der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Haftungsbestimmungen des § 67 Abs. 10 ASVG ersucht worden, die aushaftende Beitragsschuld zu bezahlen bzw. Schuldausschließungsgründe darzulegen. Zudem sei der Nachweis gefordert worden, dass die offenen Sozialversicherungsbeiträge im Zeitraum 01.10.2016 bis 09.03.2017 nicht in geringerem Ausmaß bezahlt worden seien wie die sonstigen Verbindlichkeiten. Dieser Aufforderung zur Zahlung bzw. Stellungnahme sei er bis heute nicht nachgekommen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde und führte aus, dass die Überweisung der Dienstnehmeranteile für 12/2016 in der Höhe von € 759,12 am 23.12.2016 von ihm persönlich getätigt worden sei. Die offene Summe von

€ 55,02 für 10/2016 sei für ihn nicht erklärbar, denn Herr XXXX (in der Folge: Herr Hans Peter W) hätte die komplette Summe bezahlen sollen. Da er anschließend einen Insolvenzantrag gestellt habe und er das Amt niedergelegt habe, könne er weiter keine Aussagen zu der Firma treffen. Da er als Liquidator eingesetzt worden sei, hätten lediglich die kriminellen Handlungen des Inhabers der Primärschuldnerin, Herr Hans Peter W, zu verantworten. Dieser habe keinen Ersatz für ihn als geschäftsführenden Gesellschafter finden wollen und sich üppig nach dem Ausstieg des Beschwerdeführers am Firmenkonto bedient. Es sei für ihn als deutschen Staatsbürger unverständlich, warum ein angeblich offener Betrag von € 199,82 auf € 844,53 anwachse und zwar alleinig durch die "Mitarbeit" des österreichischen Staates. Er habe am 23.12.2016 den Insolvenzantrag gestellt. Das Landesgericht Innsbruck habe diesen mangels Vermögens am 09.03.2017 abgewiesen. Er verstehe nicht, warum die belangte Behörde keine Beiträge für Jänner und Februar 2017 wolle, obwohl in diesen Zeitraum noch Mitarbeiter versichert gewesen seien.

4. Am 27.02.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Stellungnahme der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt.

In der Stellungnahme vom 21.02.2018 führte die belangte Behörde aus, dass der vom Beschwerdeführer bezahlte Betrag in Höhe von € 759,12 bereits berücksichtigt worden sei. Ersichtlich sei dies auch aus dem Beitragskonto der Primärschuldnerin. Aus den im Akt befindlichen Unterlagen (Rückstandsausweis vom 11.1.2018, Aufstellung über den Haftungsbetrag vom 12.12.2017, Beitragskonto der Primärschuldnerin vom 12.12.2017, Prüfbericht vom 5.7.2017 sowie die Aufstellung über die Beitragsdifferenzen vom 5.7.2017) sei die Aufschlüsselung des verfahrensgegenständlich aushaftenden Betrages ersichtlich. Die Nachverrechnung der Beiträge sei aufgrund der Beitragsnachweisung der Lohnsummen der relevanten Dienstnehmer für die Primärschuldnerin vom 12.12.2017 erfolgt. Weiters habe die belangte Behörde unter anderem auch betreffend den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Primärschuldnerin eine GPLA Prüfung durchgeführt. Die Einbringlichmachung der Beiträge bei der Primärschuldnerin sei nicht möglich gewesen, weiters seien die Beiträge nicht an dem im ASVG vorgesehenen Fälligkeitstermin einbezahlt worden. Der beim Landesgericht Innsbruck eingebrachte Insolvenzantrag sei am 9.3.2017 mangels hinreichendem Vermögen abgewiesen worden. Dem Beschwerdeführer würden als Geschäftsführer Überwachungs- und Kontrollpflichten treffen und er habe all jene Pflichten zu erfüllen, die den Dienstgeber nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gemäß den §§ 33 und 58 ASVG obliegen würden. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genüge bereits leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verschuldens bei der Nichtabfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen. Leichte Fahrlässigkeit sei schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermöge, wonach ihm die Erfüllung von der Verpflichtung für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen und hätte er auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum jene Pflichten zu erfüllen, welche dem Dienstgeber nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften obliegen würden. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung, die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend den Bestimmungen des ASVG vorzunehmen, nicht nachgekommen.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der belangten Behörde samt Beilagen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Außerdem wurde er aufgefordert, dem Gericht bekannt zu geben, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt werde.

6. Mit Schreiben vom 20.03.2018 brachte der Beschwerdeführer dazu vor, dass er bereit wäre einer Verhandlung beizuwohnen, um die Angelegenheit zu schließen. Er habe auch alles bezahlt, was ihm seine damalige Steuerkanzlei errechnet habe. Es seien im Oktober 2016 € 5.627,10 sowie im Dezember 2016 € 759,12 an die belangte Behörde geflossen. Als geschäftsführender Gesellschafter habe er sich selber mitgeteilt, dass er die Position des Geschäftsführers aufgebe. Er hätte nicht als Liquidator eingesetzt werden dürfen, vor allem weil der tatsächliche Inhaber der Primärschuldnerin Herr W. die Primärschuldnerin weitergeführt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Oktober 2016 bis 01.04.2017 alleiniger Gesellschafter der Primärschuldnerin und gleichzeitig als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck eingetragen.

1.2. Für den Monat Oktober 2016 sind Dienstnehmerbeiträge in der Höhe von € 249,23 und für den Monat Dezember 2016 in der Höhe von €

678,62 offen. Im Rahmen der Beitragsprüfung vom 03.07.2017 wurde zudem festgestellt, dass die Beiträge für XXXX betreffend die Sonderzahlung für Dezember 2016 in der Höhe von

€ 234,95 und die Beiträge für das laufende Entgelt betreffend Hans-Peter W für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.01.2017 in der Höhe von € 626,55 nicht an die belangte Behörde abgeführt wurden. Vom Insolvenz-Entgelt-Fonds wurden Beiträge in der Höhe von € 944,82 an die belangte Behörde bezahlt. Somit sind Beiträge in der Höhe von €

844,53 offen.

1.3. Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 09.03.2017 zu 19 90/16g wurde das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet.

1.4. Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung weder der belangten Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass im Zeitraum 01.10.2016 bis 31.01.2017 überhaupt keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren, oder die Forderungen der belangten Behörde und anderer Gläubiger gleich behandelt wurden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass schon vor dem 31.01.2017 eine allgemeine Zahlungseinstellung stattgefunden hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellung, in welchem Zeitraum der Beschwerdeführer Gesellschafter der Primärschuldnerin war und zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt war, wurde einem Auszug aus dem Firmenbuch entnommen und ist unstrittig.

2.2. Die Höhe der offenen Dienstnehmerbeiträge für die Monate Oktober und Dezember 2016 basiert auf den von der Primärschuldnerin (bzw. deren Steuerberater) selbst erstellten Beitragsnachweisungen. Die Feststellungen zu den offenen Beiträgen für die beiden Dienstnehmer wurden der Aufstellung der Beitragsdifferenzen entnommen. Zum Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer für die Dienstnehmeranteile 12/2016

€ 759,12 an die belangte Behörde überwiesen habe, hat die belangte Behörde dargelegt, dass dieser Betrag bei der Berechnung berücksichtigt wurde. Wenn der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 20.03.2018 vorbringt, dass im Oktober 2016 € 5.627,10 an die belangte Behörde geflossen seien, so geht aus diesem Vorbringen nicht hervor, für welchen Zeitraum der Betrag überwiesen wurde, und kann dies daher nicht zu einer Unschlüssigkeit des Haftungsbetrages führen. Die Höhe der Beiträge, die vom Insolvenz-Entgelt-Fonds an die belangte Behörde bezahlt wurde, wurde dem vorgelegten Akt der belangten Behörde entnommen und wurde nicht bestritten.

2.3. Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren wurden einer Abfrage aus dem Firmenbuch entnommen und sind ebenfalls unstrittig.

2.4. Der Beschwerdeführer hat trotz nachweislicher Aufforderung durch die belangte Behörde vom 12.12.2017 keinerlei Unterlagen vorgelegt, welche eine Gläubigerungleichbehandlung ausschließen können. Auch in der Beschwerde wurden keine Unterlagen oder Nachweise vorgelegt.

Dass es schon vor der Konkurseröffnung zu einer allgemeinen Zahlungseinstellung gekommen ist, wurde weder vom Beschwerdeführer behauptet noch gibt es dafür Anhaltspunkte, zumal etwa der Dienstnehmer XXXX laufendes Entgelt erst ab dem 10.03.2017 beim Insolvenz-Entgelt-Fonds geltend gemacht hat.

2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Der tatsächlich entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Des Weiteren ist auf den Umstand hinzuweisen, dass gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG ein Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen hat. Ein solcher Antrag wurde im vorliegenden Beschwerdefall nicht gestellt. Des Weiterein ist darauf hinzuweisen, dass zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung gehört. Nach der Rechtsprechung wird die Unterlassung eines darauf abzielenden Antrages von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine Verhandlung gewertet. Ein solcher Verzicht liegt zwar dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer durch das erkennende Gericht aufgefordert wurde, bekanntzugeben, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt oder ob darauf verzichtet werde, nicht der Fall, so dass die unterbliebene Antragstellung als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2010, haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Entgelt

3.1.2. Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht vertritt, dass ein Tatbestandsmerkmal des § 67 Abs. 10 ASVG und primäre Haftungsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner ist bzw. der Haftungspflichtige jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden kann, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. etwa VwGH vom 19.12.2007, 2005/08/0068).

Im konkreten Fall steht fest, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 09.03.2017 zu 19 90/16g das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde. Damit wird die objektive Uneinbringlichkeit der noch offenen Sozialversicherungsbeiträge bei der Primärschuldnerin nachgewiesen.

3.1.3. Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010, BGBl I 2010/62 (in Kraft getreten am 01.08.2010), wurde eine dem § 80 BAO entsprechende Bestimmung in § 58 Abs. 5 ASVG normiert. Für Zeiträume ab 01.08.2010 gilt daher für Vertreter juristischer und natürlicher Personen der Sorgfaltsmaßstab des § 58 Abs. 5 ASVG. In den Erläuternden Bemerkungen zum Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010 ist Folgendes ausgeführt:

"Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 13 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG gebildeten versta¿rkten Senat die Zula¿ssigkeit der Geltendmachung der Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG auf nicht abgefu¿hrte, einbehaltene DienstnehmerInnenanteile und auf Beitragsausfa¿lle auf Grund schuldhafter Meldepflichtverletzungen eingeschra¿nkt. Begru¿ndend fu¿hrte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass weder § 67 Abs. 10 ASVG noch eine andere Bestimmung dieses Gesetzes weitere spezifische sozialversicherungsrechtliche, gegenu¿ber der Gebietskrankenkasse bestehende Verpflichtungen der VertreterInnen einer juristischen Person, wie dies etwa in § 80 Abs.1 BAO fu¿r das Abgabenrecht angeordnet ist, normiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich nicht in der Lage gesehen, die vom Gesetzgeber (wenn auch mo¿glicherweise versehentlich) unterlassene Bestimmung u¿ber die die VertreterInnen juristischer Personen (gegenu¿ber der Gebietskrankenkasse) treffenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten im Wege der Auslegung der Gesetze zu substituieren.

Bereits der Begru¿ndung zur Regierungsvorlage betreffend die A¿nderung des § 67 Abs. 10 ASVG im Rahmen der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, kann entnommen werden, dass es Absicht war, diese Haftungsbestimmung an jene der BAO anzugleichen. Auszugsweise heißt es dazu wie folgt: "Es wird vorgeschlagen, die bereits bewa¿hrten Bestimmungen im Bereich des Abgabewesens als Vorbild fu¿r die Lo¿sung zu u¿bernehmen (§ 9 Abs. 1 BAO). Neben den zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen sollen weiters jene Personen im § 67 Abs. 10 ASVG angefu¿hrt werden, die zur Vertretung von Personenhandelsgesellschaften berufen sind (vgl. § 81 Abs. 1 BAO). In Anlehnung an § 80 Abs. 2 BAO sollen ferner Vermo¿gensverwalter zu den haftenden Vertretern von Beitragsschuldnern geza¿hlt werden."

Mit der vorgeschlagenen A¿nderung wird nunmehr eine weitestgehende Angleichung der einschla¿gigen ASVG-Bestimmung an die BAO vorgenommen, indem in § 58 Abs. 5 ASVG die sozialversicherungsrechtlichen, gegenu¿ber der Gebietskrankenkasse bestehenden Verpflichtungen der VertreterInnen juristischer Personen, der gesetzlichen VertreterInnen natu¿rlicher Personen und der Vermo¿gensverwalterInnen normiert werden (Angleichung an § 80 BAO)."

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass aufgrund des Umstandes, dass verfahrensgegenständlich Beiträge mit Fälligkeit nach dem 1. August 2010 sind - und somit nach Inkrafttreten des Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010 - die Rechtsprechung wie sie vor dem Erkenntnis des verstärkten Senats vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, sowie wie sie zur Bestimmung des § 80 BAO ergangen ist, anzuwenden ist.

3.1.4. Nach dieser Rechtsprechung ist die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung, für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. hiezu u.a. das Erkenntnis des VwGH vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025), kann z.B. darin liegen, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt (vgl. etwa Erkenntnis des VwGH vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251 und jenes vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit (bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen) aus (vgl. hiezu das Erkenntnis des VwGH vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251).

Ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung, darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Diese besondere Behauptungs- und Beweislast darf aber nicht überspannt und nicht so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung ermöglichen, ob der Geschäftsführer gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht verstoßen hat und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, Zl. 2002/08/0213, VwSlg. 16.532 A).

Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung im Hinblick auf die am Ende des Beurteilungszeitraumes unberichtigt gebliebenen Verbindlichkeiten hat der Vertreter jedenfalls die insgesamt fälligen Verbindlichkeiten im Beurteilungszeitraum sowie die im Beurteilungszeitraum darauf geleisteten Zahlungen nachvollziehbar darzustellen und zu belegen (vgl. die Rechtsprechung des VwGH zur vergleichbaren Bestimmung § 25a BUAG vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227).

Dieser Verpflichtung ist der Beschwerdeführer jedenfalls nicht nachgekommen. So hat er trotz nachweislicher Aufforderung vom 12.12.2017 zu keinem Zeitpunkt eine solche Aufstellung der insgesamt fälligen Verbindlichkeiten und der Zahlungen vorgelegt.

3.1.5. Was den im Hinblick auf die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilenden Zeitraum betrifft ist anzuführen, dass dieser spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet; er endet bereits früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung. Er beginnt mit der Fälligkeit der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraumes noch offenen Zuschlagsverbindlichkeit, wobei für die Ermittlung dieses Zeitraums alle Zuschlagszahlungen ungeachtet allfälliger Widmungen auf die jeweils älteste Forderung zu beziehen sind (vgl. etwa VwGH vom 07.10.2015, Ra 2015/08/0040).

Es auch nicht relevant, wann die Beitragsprüfung (hier im Juli 2017) stattgefunden hat, sondern ausschließlich wann die Beiträge fällig waren.

Die belangte Behörde hat ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für Beiträge für Oktober 2016 und für Dezember 2016 bis inklusive Jänner 2017 haftet. Der Beschwerdeführer war in diesem Zeitpunkt als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen und die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 09.03.2017 mangels Kostendeckung vom LG Innsbruck beschlossen. Dass es schon zuvor zu einer allgemeinen Zahlungseinstellung gekommen ist, wurde - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - weder vom Beschwerdeführer vorgebracht noch geht dies aus dem Akteninhalt hervor.

3.1.6. Der Beschwerdeführer hat den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte - an die belangte Behörde zu entrichten gewesen wäre, nicht angetreten, weshalb dem Beschwerdeführer die uneinbringlichen Beiträge zur Gänze vorgeschrieben werden konnten (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des VwGH vom 24. Februar 2004, 99/14/0278, vom 3. September 2008, 2003/13/0094, vom 23. Juni 2009, 2007/13/0014, und vom 2. September 2009, 2007/15/0039). Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I404.2187241.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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