TE OGH 2019/7/5 4Ob119/19g

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Veröffentlicht am 05.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Wien, wegen 2.877.436 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 3.110.436 EUR), aus Anlass des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. Mai 2019, GZ 6 R 51/19s-16, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 18. März 2019, GZ 5 Cg 98/18p-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren 4 Ob 119/19g wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Landesgericht Klagenfurt am 17. April 2019 zu AZ 21 Cg 74/18v gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Text

Begründung:

Der klagende Verein macht im Zusammenhang mit behaupteten „VW-Abgasmanipulationen“ der in Deutschland ansässigen Beklagten gegen diese Schadenersatzansprüche auf Leistung und Feststellung geltend. Diese Ansprüche wurden dem Kläger von 515 Verbrauchern als (zum Teil ehemalige) Eigentümer von betroffenen Fahrzeugen abgetreten. Der Kläger wirft der Beklagten vor, dass sie durch den Einbau einer Manipulationssoftware schadensstiftende, unerlaubte Handlungen gesetzt habe. Die internationale Zuständigkeit stützt der Kläger auf Art 7 Nr 2 EuGVVO. Diese Bestimmung eröffne den besonderen Gerichtsstand vor dem Gericht jenes Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutreten drohe. Sämtliche Verbraucher hätten ihre Fahrzeuge in Österreich gekauft und im Sprengel des angerufenen Erstgerichts übernommen, weshalb dort der Erfolgsort liege, an dem sich die Schädigung zuerst auswirke. Mangels Abschlusses eines Kaufvertrags und Übergabe der Fahrzeuge in Deutschland habe den Verbrauchern dort noch kein Schaden entstehen können.

Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts. Für den Erfolgsort sei einzig der Ort der ersten Rechtsgutverletzung (in Deutschland) entscheidend, auf einen Folgeschaden (in Österreich) komme es nicht an.

Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Bei einem reinen Vermögensschaden gebe es keinen Erfolgsort iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge. Der Vermögensabfluss am Sitz des Geschädigten reiche zwar für sich genommen noch nicht aus, um einen Schadenseintrittsort zu etablieren. Es läge jedoch ein weiteres Element der unerlaubten Handlung in Österreich vor, sodass der Geschädigte an seinem Interessensmittelpunkt klagen könne. Die geschädigten Verbraucher hätten ihre Fahrzeuge jeweils in Österreich erworben. Dies sei nach dem klägerischen Vorbringen aufgrund unrichtiger bzw täuschender Werbeaussagen der Beklagten geschehen, wobei auch auf Österreich ausgerichtete Werbeaussagen gemeint seien. Die nach der Klage jeweils schadhaften Fahrzeuge seien allen Verbrauchern erstmals im Sprengel des Erstgerichts übergeben worden.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Beklagte zusammengefasst geltend, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände der Erfolgsort in Deutschland zu lokalisieren sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.

Über seine Berechtigung wird nach dem Einlangen der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache des Landesgerichts Klagenfurt AZ 21 Cg 74/18v zu entscheiden sein:

Dem Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt liegt ein ganz vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, die Parteien und Parteienvertreter sind ident, die gegenseitigen Vorbringen decken sich; die dortige Klage ist (abgesehen vom Klagsbetrag und den geschädigten Verbrauchern) wortident mit der hier vorliegenden Klage.

Unter Darlegung des wechselseitigen Vorbringens und der gegenseitigen Anträge hat das Landesgericht Klagenfurt den Europäischen Gerichtshof um Klärung der Frage ersucht, ob als Ort, an dem das schädigende Ereignis unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eingetreten ist, auch dann jener Ort in einem Mitgliedstaat angesehen werden kann, an dem der Schaden eingetreten ist, wenn dieser Schaden ausschließlich in einem finanziellen Verlust besteht, der die unmittelbare Folge einer unerlaubten Handlung ist, die sich in einem anderen Mitgliedstaat ereignet hat.

Das vorliegende Verfahren betrifft einen vergleichbaren Sachverhalt, weshalb sich auch dieselben Rechtsfragen stellen wie im Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt.

Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist dieses Verfahren daher zu unterbrechen (RIS-Justiz RS0110583).

Textnummer

E125614

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00119.19G.0705.000

Im RIS seit

23.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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