TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/15 VGW-242/028/2083/2019/VOR

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.05.2019

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §5 Abs2
WMG §7 Abs2
WMG §8 Abs1
WMG §8 Abs2
WMG §10 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Zotter in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 15.04.2019 über die Beschwerde der Frau A. B. und des Herrn C. D., vertreten durch E. Gem. GmbH, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 20.11.2018, Zl. ..., in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes nach Entscheidung des Landesrechtspflegers und einer dagegen erhobenen Vorstellung, zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird für den Zeitraum 16.08.2018 bis 28.03.2019 abgewiesen.

II.

Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin A. B. aufgrund der Anträge vom 16.8.2018 und 05.09.2018 für den Zeitraum 16.08.2018 bis 31.03.2019 bedarfsorientierte Mindestsicherung zuerkannt. Der Berechnung wurde der Mindeststandard gemäß § 8 Abs. 2 Z. 2 WMG iVm. § 1 Abs. 3 WMG-VO für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die mit anderen Personen in einer Lebensgemeinschaft leben zugrunde gelegt. Laut Begründung des Bescheides sei der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin in die Berechnung nicht einbezogen worden, da er nur über eine Niederlassungsbewilligung mit dem Vermerk „nur selbstständige Erwerbstätigkeit zulässig“ verfüge.

In der dagegen erhobenen Beschwerde sowie in der nach deren Abweisung in der gegen die Entscheidung eines Landesrechtspflegers erhobenen Vorstellung wird vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin A. B. somalische Staatsbürgerin sei und in Österreich asylberechtigt. Ihr Lebensgefährte, der Beschwerdeführer Herr C. D., und der Vater ihrer Kinder verfügten in Österreich über eine Niederlassungsbewilligung mit welcher er keinen Anspruch auf Mindestsicherung habe. Aktuell erhalte er keine staatlichen Leistungen und sei zur Gänze auf Mitunterstützung durch die Beschwerdeführerin angewiesen. Mit dem angefochtenen Bescheid sei die vormals zuerkannte Leistung per 30.09.2018 eingestellt und ab 16.08.2018 derart neu berechnet worden, dass nur mehr der um 25% verminderte Paarrichtsatz zum Tragen käme. Nachdem die mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides gerügt wird, wird dazu ausgeführt, dass der gemeinsame Haushalt mit einer nicht anspruchsberechtigten Person, die derzeit lediglich theoretisch einen Anspruch auf Grundversorgung habe und über kein nennenswertes Einkommen verfüge, nicht dazu führen könne, dass der Richtsatz für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt lebten zu Anwendung gelange. Bei Schaffung des eigenen Richtsatzes für im gemeinsamen Haushalt lebende Paare sei der Gesetzgeber von wirtschaftlichen Synergieeffekten ausgegangen, die normalerweise beim Zusammenleben von Ehepaaren entstünden. Diese Synergien setzten jedoch eine gewisse Kostenersparnis im Vergleich zur Situation von Alleinstehenden voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte setzte ein gemeinsamer Haushalt nicht nur eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, sondern werde grundsätzlich auch gefordert, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt würden. Dieses zweite Element liege im gegenständlichen Fall nicht vor, da der Beschwerdeführer C. D. bisher keine Leistungen beziehe und auch in Zukunft ausschließlich Grundversorgung erhalten könnte, womit er keinerlei wirtschaftliche Unterstützung bieten könne. Die Gesetzesauslegung der belangten Behörde führe daher zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung anspruchsberechtigter Personen im gemeinsamen Haushalt mit Personen, die keinen Anspruch auf Mindestsicherung hätten, was zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führe.

Unter Hinweis auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Wien wird ausgeführt, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin A. B. keinerlei staatliche Unterstützung erhalte und die Aufnahme einer Erwerbsarbeit aufgrund der Bestimmungen des NAG und AuslBG nur unter erschwerten Bedingungen möglich sei, weshalb er bisher keinen Arbeitsplatz habe finden können. Er könne nicht zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beitragen und sei die Zuerkennung des Mindeststandards für Ehepaare verfehlt, weil der Gesetzgeber bei Einführung der Regelung von Synergieeffekten ausgegangen sei, die im gegenständlichen Fall nicht eintreten könnten. Das Wiener Mindestsicherungsgesetz betrachte Personen in Wohngemeinschaften als eigene Bedarfsgemeinschaft, weil in Wohngemeinschaften typischerweise nicht dieselben Synergieeffekte wie in Lebensgemeinschaften oder Ehen eintreten würden. Dies mache deutlich, dass eine Minderung der Richtsätze für Personen, die zwar im gemeinsamen Haushalt lebten jedoch nicht gemeinsam wirtschafteten, vom Gesetzgeber abgelehnt werde. Weshalb im Beschwerdefall nur aufgrund der Lebensgemeinschaft von Synergien ausgegangen werde, sei nicht ersichtlich. Vor Novellierung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes mit Februar 2018 sei der Richtsatz für Alleinstehende zuerkannt worden. Beantragt wird der Beschwerde stattzugegeben, den bezeichneten Bescheid im angeforderten Umfang aufzuheben und die in Beschwerde gezogene Leistungsdifferenz zu gewähren, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zu Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück zu verweisen.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und wurde eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Vertreterin der Beschwerdeführer gab zu Protokoll, dass die Beschwerdeführerin A. B. seit August 2018 mit Ihrem Lebensgefährten, dem Beschwerdeführer C. D., im gemeinsamen Haushalt lebe. Der Letztgenannte sei der Vater der gemeinsamen Kinder. Er sei sudanesischer Staatsangehöriger und kein anerkannter Flüchtling. Er verfüge über eine Niederlassungsbewilligung gültig bis 11.06.2019. Beim Mindeststandard für Lebensgefährten werde davon ausgegangen, dass durch das Zusammenleben Synergieeffekte eintreten würden, die diesen geringeren Mindeststandard rechtfertigten. Dies sei im Beschwerdefall nicht gegeben, da der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin A. B. mit seiner Niederlassungsbewilligung nur selbstständig erwerbstätig sein könne. Er beziehe auch keine Grundversorgung und sei daher nicht in der Lage zur gemeinsamen Haushaltsführung etwas beizutragen. Ab 01.03.2019 sei eine Neubemessung der Mindestsicherung infolge der Geburt eines weiteren Kindes vorgenommen worden, sodass im gegenständlichen Verfahren über den Zeitraum 16.08.2018 bis 28.02.2019 abzusprechen sei.

Aufgrund des Akteninhaltes und des im Verfahren erstatteten Vorbringens steht nachfolgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführer, zwischen denen eine Lebensgemeinschaft besteht, leben seit 16.8.2018 mit ihren beiden minderjährigen Kindern in Wien, F.-gasse im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin A. B. und die beiden minderjährigen Kinder sind anerkannte Flüchtlinge. Der Beschwerdeführer C. D. ist somalischer Staatsangehöriger und verfügt über eine bis 11.06.2019 gültige Niederlassungsbewilligung, die es ihm erlaubt in Österreich nur selbstständig erwerbstätig zu sein. Er hat im Zeitraum 01.08.2018 bis 31.08.2018 23,23 Euro, im Zeitraum 01.09.2018 bis 30.09.2018 824,36 Euro und im Zeitraum 01.10.2018 bis 31.10.2018 495,65 Euro an Erwerbseinkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt. Die Beschwerdeführerin A. B. bezieht Kinderbetreuungsgeld von 14,53 Euro täglich bzw. bis 30.09.2018 auch eine Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 Euro täglich. Die monatliche Miete beträgt 435,77 Euro.

Dieser Sachverhalt blieb beim Verfahren unbestritten.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten:

§ 5. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur volljährigen österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie volljährig sind, sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

1.       Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtige, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde sowie Personen, die Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz und Opfer von Menschenhandel, grenzüberschreitenden Prostitutionshandel oder Opfer von Gewalt sind oder die über eine Aufenthaltsberechtigung als Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder als Opfer von Gewalt verfügen (§ 57 Abs.1 Z 2 und 3 AsylG 2005);

2.       Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3.       Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ oder deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der NAG-DV weiter gilt, sowie Personen mit einem vor dem 1.1.2014 ausgestellten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt – EG“, welche gemäß § 81 Abs. 29 NAG als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter gelten;

4.       Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ eines anderen Mitgliedstaates, denen ein Aufenthaltstitel nach § 49 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 NAG erteilt wurde,

5.       Ehegattinnen und Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und eingetragene Partner von Personen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 Z 1 bis 4, die mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt leben und sich rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Personen, die nach den Bestimmungen des AsylG 2005 einen Asylantrag gestellt haben, steht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kein Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu.

§ 7. (1) Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

(2) Die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft erfolgt nach folgenden Kriterien:

1.       Volljährige Personen, zwischen denen keine unterhaltsrechtliche Beziehung oder Lebensgemeinschaft besteht, bilden jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit anderen Personen in der Wohnung leben (Wohngemeinschaft), sofern nicht Z 2, 4 oder 5 anzuwenden ist.

2.       Volljährige Personen, zwischen denen eine Ehe besteht oder volljährige Personen, zwischen denen eine eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft besteht und die im gemeinsamen Haushalt leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit einem Eltern- oder Großelternteil in der Wohnung leben.

3.       Minderjährige Personen im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil oder mit einer zur Obsorge berechtigten Person bilden mit diesem oder dieser eine Bedarfsgemeinschaft.

§ 8. (1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.

(2) Die Mindeststandards für den Bemessungszeitraum von einem Monat betragen:

1.       100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Betrages für die Krankenversicherung

a)       für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 leben (Alleinstehende);

b)

für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr (Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher), die ausschließlich mit nachfolgend genannten Personen eine Bedarfsgemeinschaft bilden:

ba)

volljährige Kinder oder volljährige Enkelkinder bis zum vollendeten 25.Lebensjahr oder

bb)

minderjährige Kinder, minderjährige Enkelkinder oder minderjährige Kinder in Obsorge.

2. 75 vH des Wertes nach Z 1 für volljährige Personen ab dem 25. Lebensjahr, die mit anderen Personen in einer Ehe, eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft § 7 Abs. 2 Z 2) leben

§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. Bei der Berechnung der Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von mehreren Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, erfolgt die Bemessung für die Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist auf die Summe der heranzuziehenden Mindeststandards die Summe der Einkommen aller anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, sofern nicht § 7 Abs. 3 anzuwenden ist. Das Einkommen eines Elternteils, einer Ehegattin, eines Ehegatten, einer eingetragenen Partnerin, eines eingetragenen Partners, einer Lebensgefährtin oder eines Lebensgefährten, die nicht anspruchsberechtigt sind, ist jeweils in dem Maß anzurechnen, das 75 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung übersteigt.

§ 39. (1) Personen, die auf Grund ihrer besonderen persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse von Armut oder sozialer Ausschließung betroffen oder bedroht sind, können Förderungen als Hilfen in besonderen Lebenslagen zugesagt werden. Eine Hilfe in besonderen Lebenslagen kommt nur in Betracht, wenn die Notlage trotz Einsatz eigener Mittel und Kräfte nicht überwunden werden kann und die Förderung eine nachhaltige Überwindung der Notlage erwarten lässt. Eine besondere Lebenslage wird insbesondere vermutet bei

1.       einmaligen, unvorhergesehenen, nicht selbst verschuldeten Aufwendungen,

2.       Mietrückständen, die bei Nichtzahlung unmittelbar zur Delogierung führen (Delogierungsprävention).

(2) Personen, die nicht den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleichgestellt sind und die sich für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Österreich aufhalten, können Leistungen der Wiener Mindestsicherung als Förderung zugesagt werden, wenn dies auf Grund ihrer persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint.

(3) Hilfen in besonderen Lebenslagen und Leistungen nach Abs. 2 erbringt das Land Wien als Träger der Wiener Mindestsicherung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.

(4) Förderwerberinnen und Förderwerber haben zur Überwindung der besonderen Lebenslage durch Einsatz ihrer Kräfte und Mittel entsprechend beizutragen und am Verfahren entsprechend mitzuwirken. Unterbleibt die erforderliche Mitwirkung, kann die Förderung eingestellt oder abgelehnt werden.

(5) Förderungen werden in Form von zweckgebundenen Geldleistungen zugesagt. Die Zusage kann von Bedingungen, insbesondere der Erbringung von Eigenleistungen, der Auszahlung an Dritte und der Verpflichtung zur Rückzahlung abhängig gemacht werden.

(6) Wurde die Zusage von der Verpflichtung zur Rückzahlung abhängig gemacht und treten später besonders berücksichtigungswürdige Umstände ein, kann auf die Rückforderung verzichtet werden.

(7) Eine Förderung ist zurückzuzahlen, wenn diese durch bewusst unwahre Angaben oder durch bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen erwirkt oder die Förderung nicht entsprechend der Zweckbindung verwendet wurde.

§1 Abs. 3 WMG-VO Für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die mit anderen Personen in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 WMG) leben, beträgt der Mindeststandard EUR 647,28.

Vorweg wird festgestellt, dass aufgrund des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Fall über den Zeitraum 16.08.2018 bis 28.02.2019 abzusprechen ist.

Im Beschwerdefall ist die Frage strittig, ob der Berechnung der Mindestsicherung der Mindeststandard für Alleinstehende (§ 8 Abs. 2 Z 1 WMG) oder jener für Personen in einer Lebensgemeinschaft (§ 8 Abs. 1 Z 2 WMG) zugrunde zu legen ist. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer C. D. keinen Gleichstellungstatbestand gemäß § 5 Abs. 2 WMG verwirklicht, da er als Drittstaatsangehöriger weder asylberechtigt noch subsidiär schutzberechtigt ist und über keinen Daueraufenthalt EU verfügt. Weiters fällt dieser Beschwerdeführer nicht unter den Personenkreis gem. § 5 Abs. 2 Z. 5 WMG, da er weder eingetragener Partner noch Ehegatte der anspruchsberechtigten Beschwerdeführerin A. B. ist. Der genannte Beschwerdeführer ist daher bei Bemessung der Mindestsicherung nicht zu berücksichtigen.

Zu dem bei der Beschwerdeführerin A. B. heranzuziehenden Mindeststandard:

Die dargestellten Bestimmungen lassen nach ihrem eindeutigen Wortlaut keinen Interpretationsspielraum in die Richtung zu, dass für in einer Lebensgemeinschaft mit einer nicht gleichgestellten Person lebende Personen im Falle deren Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Richtsatz für Alleinstehende im Sinne des § 8 Abs. 2 Z. 1 WMG heranzuziehen ist.

Der Regelzusammenhang zwischen den Bestimmungen der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 und 10 Abs. 1 WMG zeigt, dass der Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ im hier zu beurteilenden Regelsystem auch für Lebensgemeinschaften, Ehen und eingetragene Partnerschaften verwendet wird, in denen einer der beiden Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten nicht im Sinne des § 5 WMG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt ist.

Gerade auch der mit der Novelle LGBI. für Wien Nr. 2/2018 neu eingeführte Klammerausdruck in § 8 Abs. 2 Z. 1 lit a WMG „(Alleinstehende)“ schließt aus, dass dieser Richtsatz auch für in einer Lebensgemeinschaft lebende Personen anzuwenden ist, wenn die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte nicht gleichgestellt ist.

Die Anrechnungsregel für das Einkommen von nicht gleichgestellten Lebenspartnern in § 10. Abs. 1 WMG zeigt auch im Sinne einer systematischen Interpretation des Regelzusammenhangs, dass der Gesetzgeber für in Partnerschaft lebende Personen nur den in § 8 Abs. 2 Z 1 lit. b WMG genannten Richtsatz in Betracht zieht.

Auch der Anwendungsvorrang gemeinschaftlicher Bestimmungen führt in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation zu keinem anderen Ergebnis.

Beim Verwaltungsgericht Wien sind auch Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität des Regelungssystems aus dem Blickwinkel der hier zu beurteilenden Fallkonstellation nicht entstanden. Der Gesetzgeber kann bei der Festsetzung von Richtsätzen im Mindestsicherungsverfahren davon ausgehen, dass typischerweise die Lebenskosten für in einer Ehe oder einer Lebensgemeinschaft lebenden Personen nicht doppelt so hoch sind, wie für zwei alleinstehende Personen und die sich aus der gemeinsamen Lebens- und Haushaltsführung ergebenden Synergieeffekte bei der Festsetzung der Richtsätze zum einen für Paare und zum anderen für Alleinstehende berücksichtigen.

Sowohl die Bestimmungen der Unionsbürgerrichtlinie als auch die innerstaatlichen fremden- und aufenthaltsrechtlichen Regelungssysteme gehen davon aus, dass Fremde, die sich nicht nur kurzfristig in Österreich aufhalten, in der Regel erwerbstätig sind oder über entsprechendes Einkommen oder Vermögen verfügen, um ihren Aufenthalt in Österreich zu finanzieren, ohne die Systeme der sozialen Sicherheit zu belasten.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien überschreitet der Gesetzgeber nicht seinen Gestaltungsspielraum, wenn er bei der unterschiedlichen Festsetzung von Richtsätzen für Alleinstehende und für Paare die Fallkonstellation, dass ein Lebenspartner nicht unterstützt werden kann, nicht berücksichtigt.

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.01.2016, Ra 2015/10/0058 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Bestimmung des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes gesehen, die für Alleinstehende einen höheren Richtsatz vorsieht, als für in Lebensgemeinschaft lebenden Personen, ohne dabei darauf Bedacht zu nehmen, ob der Lebensgefährte kein oder nur ein sehr geringfügiges Einkommen hat.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmung des § 39 Abs. 2 WMG, die es ermöglicht, in Härtefällen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zusätzliche Unterstützung zu gewähren.

Da die in Beschwerde gezogene Entscheidung nicht rechtswidrig ist, war die dagegen erhobene Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Die Revision war zuzulassen, da zu der hier aufgeworfenen Rechtsfrage, ob nach der durch die Novelle zum Wiener Mindestsicherungsgesetz LGBI. 02/2018 geschaffene Rechtslage für in Lebensgemeinschaft lebende Personen, bei denen der Partner/die Partnerin über kein Einkommen verfügt und auch nicht aus Mitteln der Mindestsicherung unterstützt wird, der Richtsatz für Alleinstehende zuerkannt werden kann, noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Dieser Frage kommt eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Es liegt daher eine die Zulassung der ordentlichen Revision rechtfertigende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Mindeststandard; Bedarfsgemeinschaft; Alleinstehende; Gleichstellung; Drittstaatsangehöriger; Lebensgemeinschaft; Auslegung; Interpretation, systematische; Wortlaut; Einkommen

Anmerkung

VfGH v. 27.11.2019, E 2415/2019; Ablehnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.242.028.2083.2019.VOR

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten