TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/22 94/08/0270

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Veröffentlicht am 22.12.1998
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Stefan Vargha und Dr. Herbert Waltl, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Georg-Wagner-Gasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. Oktober 1994, Zl. 3/01-12.996/5-94, betreffend Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 10. Dezember 1993 wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Zipperer Bau GmbH (in der Folge: Z. GmbH) verpflichtet, gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die auf dem Beitragskonto der genannten Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in der Höhe von S 1,013.440,46 zuzüglich Verzugszinsen ab 7. Dezember 1993 aus dem Betrag von S 989.976,54 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Nach der Begründung hätten die im angeschlossenen Rückstandsausweis ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren nicht eingebracht werden können. Der Beschwerdeführer, welcher im Haftungszeitraum Geschäftsführer der Z. GmbH gewesen sei, habe die Aufforderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Darlegung der Gründe, welche ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer (Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge) nachzukommen, nicht befolgt.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, worin er im wesentlichen vorbrachte, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe nicht ausgeführt, worin seine schuldhafte Verletzung gesetzlicher Pflichten liege. Er sei auch nicht aufgefordert worden, Gründe für die Nichtbezahlung der Sozialversicherungsbeiträge darzulegen.

In ihrem Vorlagebericht zum Einspruch hob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hervor, der Beschwerdeführer sei nachweislich aufgefordert worden, bis längstens 27. Oktober 1993 jene Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen. Verstreiche diese Frist ohne Reaktion, werde die schuldhafte Pflichtverletzung angenommen und die persönliche Haftung festgestellt. Daraufhin habe die Ehegattin des Beschwerdeführers, die ebenfalls Geschäftsführerin der Z. GmbH sei, am 19. Oktober 1993 persönlich bei der Gebietskrankenkasse vorgesprochen und angegeben, der Gesellschaft fehlten rund 1,5 Millionen Schilling infolge Konkurses eines Auftraggebers. Für 22. Oktober 1993 und 29. Oktober 1993 sei angeboten worden, je S 200.000,-- zu überweisen und im November 1993 eine neue Regelung zu treffen. Als Mindesterfordernis sei jedoch eine wöchentliche Zahlung von S 100.000,-- angeboten worden. Die angekündigten Zahlungen von je S 200.000,-- seien, wenn auch etwas verspätet, eingehalten worden; weitere Zahlungen seien nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer habe auch keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt.

In einer Äußerung zum Vorlagebericht bestritt der Beschwerdeführer eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin. Die Zahlungsengpässe der Beitragsschuldnerin hätten ihre Ursache im wesentlichen in der Insolvenz eines Großauftragnehmers. Aufgrund der hohen Verluste im Jahre 1993 hätten die offenen Verbindlichkeiten nicht abgedeckt werden können, weshalb es zur Ausgleichseröffnung gekommen sei.

Die belangte Behörde forderte daraufhin den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13. Juli 1994 auf, eine Aufstellung der im Haftungszeitraum Juni 1993 bis Oktober 1993 geleisteten Zahlungen der Z. GmbH bis längstens 15. August 1994 zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 10. August 1994 übermittelte der Beschwerdeführer eine Aufstellung der im Haftungszeitraum an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse geleisteten Zahlungen.

Mit Schreiben vom 12. August erfolgte daher eine neuerliche Aufforderung der belangten Behörde, eine Aufstellung der im Haftungszeitraum von der Beitragsschuldnerin an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen (Liquiditätsstatus) bis längstens 15. Oktober 1994 zu übermitteln.

Der Beschwerdeführer teilte daraufhin mit Schreiben vom 29. August 1994 mit, daß sich die Z. GmbH in Konkurs befinde. "Alleine verfügungsberechtigt" über die Belege sei der (namentlich genannte) Masseverwalter. Es werde höflich gebeten, sich wegen der Aufstellung an diesen zu wenden.

Eine diesbezügliche Aufforderung der belangten Behörde an den Masseverwalter, eine Aufstellung der im Haftungszeitraum von der Z. GmbH an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen bis längstens 15. Oktober 1994 zu übermitteln, blieb unbeantwortet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers ab und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Begründend wurde nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 67 Abs. 10 ASVG ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei im Einspruchsverfahren Gelegenheit gegeben worden, bezogen auf den strittigen Zeitpunkt darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der Z. GmbH ausgehaftet seien, welche Mittel dem Beschwerdeführer an sich zur Verfügung gestanden und welche Zahlungen jeweils von ihm geleistet worden seien. Mit diesen vom Beschwerdeführer darzulegenden Berechnungsgrößen hätte durch eine Gegenüberstellung des Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der von ihr oder für sie geleisteten Zahlungen einerseits mit den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten andererseits festgestellt werden können, ob der Beschwerdeführer dem ihm obliegenden Gleichbehandlungsgebot entsprochen hätte. Eine solche Darlegung und ein entsprechender Nachweis konkreter, auf den genannten Zeitraum bezogener Berechnungsgrößen sei allerdings nicht erfolgt, weshalb die belangte Behörde zur Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers mit der Konsequenz seiner Haftung für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten berechtigt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (vgl. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025) - kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016). Bereits leichte Fahrlässigkeit reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG aus (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0331).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefaßt werden, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217).

Soweit der Beschwerdeführer für sein mangelndes Verschulden erstmals in der Beschwerde ins Treffen führt, sein Tätigkeitsbereich sei ausschließlich in der Kundenakquirierung, Baustellenbetreuung und -abrechnung gelegen, ist ihm zu erwidern, daß darauf wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 VwGG) nicht eingegangen werden kann.

Auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte zum Beweis der Liquiditätsprobleme der Z. GmbH den Steuerberater dieser Gesellschaft vernehmen müssen, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Frage des Verschuldens des Geschäftsführers am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft für die abgabenrechtliche Haftung nicht von Bedeutung (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1991, Zl. 90/15/0176).

Aktenwidrig ist schließlich die Behauptung, die belangte Behörde habe die Mitteilung des Beschwerdeführers negiert, daß sich sämtliche Unterlagen der Gesellschaft beim Masseverwalter befänden und die Aufstellung beim Masseverwalter nicht angefordert. Die von der belangten Behörde an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung, eine Aufstellung der im Haftungszeitraum von der Z. GmbH an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen der belangten Behörde bis längstens 15. Oktober 1994 zu übermitteln, hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. August 1994 dahin beantwortet, daß über die Belege "alleine verfügungsberechtigt" der Masseverwalter sei. Ferner wurde ausdrücklich gebeten, sich wegen der Aufstellung an diesen zu wenden. Eine entsprechende Aufforderung der belangten Behörde vom 14. September 1994 an den Masseverwalter blieb allerdings unbeantwortet. Es kann somit nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer den von ihm geforderten Entlastungsbeweis nicht erbracht hat. Im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung des Beschwerdeführers bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, den Beschwerdeführer darüber zu informieren, daß für ihn die Verpflichtung zur Vorlage des Vermögensstatus bestand, widrigenfalls die Behörde zur Annahme berechtigt ist, daß er seine Pflicht schuldhafterweise nicht erfüllt hat. Daß der Beschwerdeführer durch den "verfügungsberechtigten" Masseverwalter an der Erstellung eines Vermögensstatus gehindert worden wäre (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0206), wird von ihm nicht behauptet. Für die belangte Behörde bestand daher auch keine Veranlassung, dem Beschwerdeführer zur Vorlage des Vermögensstatus eine längere Frist einzuräumen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080270.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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