TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/13 I405 2213792-1

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Veröffentlicht am 13.02.2019
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Entscheidungsdatum

13.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3

Spruch

I405 2213792-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z. 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein ägyptischer Staatsangehöriger, ist am 09.01.2019 mit Flug OS 850 aus Tirana kommend in Wien Schwechat gelandet. Im Zuge einer Identitätsfeststellung stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte er vor, dass er ein schweres Leben und nichts zu Essen hätte.

2. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag vor den Organen SPK Schwechat gab der BF an, dass er Ägypten verlassen habe, weil er einen behinderten Bruder habe, sein Vater verstorben sei und er für die Familie zu sorgen hätte. Er habe in Jordanien Geld verdienen wollen. Dort sei ihm immer wieder von Personen mitgeteilt worden, dass er in Europa bessere Chancen hätte, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Derzeit könne er nicht arbeiten, er wolle einfach als Asylwerber hier in Österreich leben. Er habe im Bauchbereich Schmerzen und müsse öfters erbrechen. Des Weiteren könne er nicht lesen und schreiben und habe auch keinen Beruf erlernt. Er wolle hier in Österreich leben. Er habe hiermit alle seine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum er nach Österreich gereist sei. Er habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung.

3. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14.01.2019 vor der Erstaufnahmestelle Flughafen gab der BF zunächst zu seinem Gesundheitszustand an, dass er seit etwa zwei Jahren Probleme mit dem Magen und Darm habe. Er habe gegen die Schmerzen Medikamente eingenommen, deren Namen er nicht kenne, da diese auf Englisch gewesen seien. Nach der Diagnose befragt, gab der BF an, dass sein Magen entzündet sei. Er vertrage keine salzigen oder heißen Speisen. Er habe hier zwar eine Untersuchung gehabt, jedoch keine Medikamente erhalten.

Seine bisherigen Angaben im Verfahren hätten der Wahrheit entsprochen.

Befragt, wie er auf die Idee gekommen sei, hierher zu kommen, gab der BF an, dass er in Jordanien gelebt und gearbeitet habe, wo ein Bekannter ihm gesagt habe, dass er jemanden kennen würde, der ihn nach Europa bringen würde. Zu Österreich habe er gewusst, dass es hier Menschenrechte gebe und dass man hier ein würdevolles Leben führen könne.

Nach dem Verbleib seines Reisepasses befragt, führte er an, dass er nicht wüsste, wo dieser sei. Er habe ihn zuletzt beim Einsteigen in den Flieger gesehen. Vielleicht sei er ihm runtergefallen, er wisse es nicht.

Auf Nachfrage, ob er mit seinem Reisepass und einem Visum ausgereist sei, erklärte er, dass er aus Jordanien mit seinem in Ägypten ausgestellten Reisepass ausgereist sei und einen Zwischenstopp in einem ihm unbekannten Ort gehabt habe. Sein Reisepass sei vermutlich vor fünf Jahren ausgestellt worden, als er nach Jordanien ausgereist sei. Er habe ihn in Jordanien verlängern lassen.

Den mit ihm gereisten Asylwerber kenne er nicht.

Befragt, führte er an, dass er an einer konkreten Adresse mit seiner Familie, seiner Mutter, seinen zwei Schwestern und zwei Brüdern gelebt habe. Sein Vater sei bereits verstorben. Er habe telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

Zu seiner Schulbildung führte er an, dass er vier oder fünf Jahre zur Schule gegangen sei. Danach habe er begonnen auf dem Bau zu arbeiten, um seine Mutter zu unterstützen.

Sein Vater sei gestorben, als er ca. acht oder neun Jahre alt gewesen sei.

Bezüglich seiner Tätigkeit führte er aus, dass er auf dem Bau alles gemacht habe, was man von ihm verlangt habe. Er habe als Fliesenleger, Maurer etc. gearbeitet.

Hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Lage führte er an, dass sie kein eigenes Haus, keine Arbeit und kein Eigentum gehabt hätten. Es sei vielen so gegangen, nicht nur ihm.

Die Frage, ob er jemals Probleme mit den Behörden, dem Gesetz, mit Gerichten oder Polizei gehabt hätte, verneinte der BF. Er habe auch nichts mit Politik zu tun gehabt. Ihm sei es nur darum gegangen, dass sie etwas zu Essen und Trinken gehabt hätten. Seinen Militärdienst habe er bereits abgeleistet.

Zu seinen Fluchtgründen führte er an, dass er während seiner Arbeit ein Mädchen kennen gelernt habe, mit dem er geschlafen hätte, wovon dann dessen Vater Kenntnis erlangt hätte. Er habe das bei der Erstbefragung nicht erwähnt, weil er gedacht habe, man solle es nicht sagen. Erst in den Informationsblättern habe er gesehen, dass man alles sagen könne, und nichts zu befürchten habe.

Aufgefordert genauer zu erzählen, was passiert sei, gab der BF an, dass es bei der Familie gewesen sei, für die ein Haus gebaut worden sei. Es sei nicht so, dass man eine Firma beauftrage, man hole sich halt Arbeiter und die würden sich die Arbeit teilen. Er habe dort Verschiedenes, alles, was man ihm gesagt habe, gemacht; er habe Fliesen gelegt.

Er habe für einen Mann gearbeitet, der H. geheißen habe. Sie seien zu zweit oder zu dritt je nach Bedarf auf der Baustelle gewesen.

Befragt, welche Umstände dazu geführt hätten, dass er Probleme bekommen habe, gab der BF an, dass das Mädchen Tee serviert hätte. Es sei in Ägypten üblich, dass man bewirtet werde. Auf die Frage, ob da die Tochter des Hauses allein komme und den Arbeitern Tee serviere, entgegnete der BF: "Ja, wenn niemand da war, ihr Bruder oder so." Die weitere Frage, ob dies in Jordanien auch üblich sei, verneinte der BF. Dort gebe es Baufirmen.

Nach dem Namen des Mannes befragt, der das Haus gebaut habe, gab der BF S. an, den Nachnamen kenne er nicht. Die Tochter habe B. geheißen. Er habe S. nicht gekannt, zumal er über H. zur Baustelle gekommen sei. H. habe den Hausbesitzer gekannt.

Er habe S. nie persönlich kennen gelernt, er wisse nur, dass er S. heiße. Auf Nachfrage führte der BF an, dass S. auf der Baustelle ein paar Mal vorbeigeschaut habe. Er habe ihn aber nie kennen gelernt. Befragt, woher er gewusst habe, dass dieser S. sei, gab der BF an, dass er ihn ja gesehen habe. Es seien auch seine Söhne gekommen und hätten geschaut.

Er sei ca. 45 Tage auf dieser Baustelle beschäftigt gewesen. Das sei vor seiner Ausreise aus Ägypten gewesen. Das sei seine letzte Arbeit gewesen. Er sei von dort geflüchtet und habe einen Arbeitsvertrag in Jordanien bekommen, der auch die Reisekosten abgedeckt hätte. Es sei eine fixe Anstellung gewesen, so wie er es gewollt habe. Das Einkommen sei jedoch gering gewesen, es habe nicht gereicht. Er habe dann für andere Leute auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Einen Arbeitsvertrag habe er nicht gehabt, da man damit wenig verdient habe.

Erneut nach seinen Fluchtgründen befragt bzw. aufgefordert, darzulegen, wie er das Mädchen kennen gelernt habe, wie er die Gelegenheit gefunden habe, mit dem Mädchen zu schlafen und wie es zu dem Problem gekommen sei, entgegnete der BF, dass er sich schäme, darüber zu reden. Nach entsprechender Belehrung gab der BF an, dass sie auf die Baustelle gekommen sei, an ihn Gefallen gefunden habe und sie sich dann oft in der Nacht getroffen hätten. Dann habe er einen Fehler gemacht. Befragt, ob sie in der Nacht (zu ihm) hätte kommen können, da sie Vater und Brüder gehabt hätte, erwiderte der BF, dass sie gekommen sei. Er habe nichts über die Umstände bei ihr zu Hause gewusst. Die Eltern seien das Problem gewesen. Sie habe ihn ja auch heiraten wollen. Auf Vorhalt, dass es merkwürdig sei, wenn das Mädchen mit ihm gleich heiraten wolle und mit ihm schlafe, meinte der BF, dass ihre Eltern sehr streng gewesen seien. Auf weiteren Vorhalt, ob es nur sehr strengen Eltern in Ägypten etwas ausmache, wenn die Tochter mit einem Arbeiter schlafe, entgegnete der BF, dass es auf die Leute ankomme. Sie hätten ca. zwei bis dreimal oder öfter miteinandergeschlafen. Sie hätten sich geliebt. Auf die Frage, in welchen zeitlichen Abständen der Beischlaf gewesen sei, entgegnete der BF, dass es unterschiedlich gewesen sei. Er schäme sich, darüber zu sprechen. Es sei unterschiedlich gewesen. Es sei nicht jeden Tag gewesen. Das erste Mal sei es nach etwa einem Monat gewesen.

Auf die Frage, ob er in Jordanien auch jemanden geliebt habe, gab der BF an, er habe niemanden mehr kennenlernen wollen, weil er sich so etwas ersparen habe wollen.

Auf Nachfrage führte der BF aus, dass er mit der Arbeit noch nicht fertig gewesen sei. Sie hätten es erfahren, er wisse nicht, wie. Sie hätten ihn dann verfolgt. Nach Details befragt, legte der BF dar, als sie erfahren hätten, hätten sie nachgefragt, wo er stecke. Er sei nicht mehr zur Arbeit gegangen. Und sie hätten H. nach seinem Aufenthaltsort gefragt. So habe es H. erfahren und ihn gefragt, ob es wahr sei. Und so habe er erfahren, dass sie ihn suchen.

Eine persönliche Konfrontation verneinte der BF. Denn wenn sie ihn gefunden hätten, hätten sie ihn umgebracht.

Befragt, ob es einen (Heirats-)Antrag gegeben habe, gab der BF an, wenn er einen Antrag gestellt hätte, hätten sie ihn vor dem Haus aufgehängt.

Die Intimitäten hätten in dem Haus, wo sie gearbeitet hätten, stattgefunden. Befragt, warum er sich von der Arbeitsstätte entfernt habe, bevor er gewusst habe, dass man ihn suche, replizierte der BF, dass er ja gewusst habe, dass sie es wissen. Das Mädchen habe es ihm gesagt, dass die Familie es wisse. Auf Vorhalt, dass er zuvor angegeben habe, dass er erst von H. erfahren hätte, dass man ihn suche, entgegnete der BF, dass das Mädchen es ihm telefonisch mitgeteilt habe.

Er habe sich dann vor seiner Ausreise zu Hause versteckt. Danach sei er nach S. gegangen und habe dort ein paar Tage gearbeitet, bis er einen Arbeitsvertrag bekommen habe. Dann sei er ausgereist.

Befragt, was mit dem Mädchen passiert sei, gab der BF an, dass er das Telefon zerstört habe und keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt hätte, da er nicht gewollt habe, dass man ihn findet. Er wisse nicht, was mit ihr passiert sei. Vermutlich würden sie ihr das Leben schwermachen.

Er habe auch nicht versucht, das Mädchen zu finden, da er Angst gehabt hätte. Befragt, warum er mit ihr geschlafen habe, wenn er von Anfang an gewusst habe, dass es nichts mit der Heirat werde, führte der BF an, dass er nichts gemacht habe, was nicht andere auch machen. Alles, was er gesagt habe, habe sich so ereignet.

Auf Vorhalt, dass seitens des Bundesamtes beabsichtigt sei, seinen Antrag am Flughafen abzuweisen, entgegnete der BF, dass H. ihm gesagt habe, dass er flüchten solle. Dieser habe ihn gefragt, ob es wahr sei. Dann habe H. gesagt, es sei besser, wenn er flüchte.

Zu den Reisekosten gab der BF an, dass die Reise $ 2.000,- gekostet habe. Er habe ca. $ 400,- bis 500,- im Monat verdient; es sei nicht konstant gewesen, manchmal sei es nur so viel gewesen, dass er über die Runden gekommen sei.

Bezüglich Österreich habe man ihm gesagt, dass es hier Menschenrechte gebe und er hier die Möglichkeit auf ein anständiges Leben habe.

Den Vorhalt, dass er aus Tirana nach Wien geflogen sei, wozu ihm eine Kopie der Grenzpolizei mit seinem Foto gezeigt wurde, bestritt der BF.

Die Niederschrift wurde rückübersetzt und hatte der BF keine Ergänzungen oder Einwände.

4. Mit Schreiben vom 15.01.2019 an das UNHCR- Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z. 2 AsylG.

5. Am 21.01.2019 übermittelte UNHCR ein Antwortschreiben, wonach bezugnehmend auf das Ersuchen vom 15.01.2019 mitgeteilt wurde, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteile, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

6. Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z. 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm unter einem auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III).

7. Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht Beschwerde erhoben, worin nach Wiedergabe des Verfahrensganges der belangten Behörde vorgeworfen wurde, ein mangelhaftes Verfahren durchgeführt zu haben. Basierend auf dem Vorbringen des BF hätte das BFA weitergehende Ermittlungen setzen müssen. Der zugrundeliegende Sachverhalt sei von der belangten Behörde nicht so ganz erhoben und keineswegs substantiiert erörtert worden. Wäre die belangte Behörde ihren Ermittlungspflichten sowie ihrer Pflicht zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nachgekommen, so hätte sie erkannt, dass dem BF in Ägypten asylrelevante Verfolgung drohe. Des Weiteren sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde ebenfalls mangelhaft. So wäre die belangte Behörde zu einer näheren Befragung des BF von einer tiefergreifenden Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall verpflichtet gewesen. Da sich die belangte Behörde in der Beweiswürdigung auf vermeintliche Widersprüche stütze, hätte sie den BF mit diesen ordnungsgemäß unverständlich konfrontieren müssen. Es könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass der ägyptische Staat dem BF Schutz vor den Verfolgern bieten würde. Weiters sei die alternative Begründung der belangten Behörde, wonach es sich lediglich um Handlungen von privater Seite handeln würde, welche nicht asylrelevant wären, unrichtig. Dem BF wäre daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Zu Spruchpunkt II. wurde ein Artikel des USDOS zitiert, wonach es in Ägypten zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gebe. Sohin drohe dem BF bei einer Rückgabe nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen: Der BF ist Staatsangehöriger von Ägypten. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und ist moslemischen Glaubens. Seine Identität steht mit maßgeblicher Wahrscheinlich fest.

Die BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und hat zuletzt in seiner Heimat im Baubereich gearbeitet. Seine Familienangehörigen leben nach wie vor in Ägypten.

Der BF leidet zwar an Gastritis, Kopfschmerzen und Ekzem an Händen und Füßen, wogegen er medikamentös behandelt wird, diese stellen jedoch keine schweren Krankheiten dar. Der BF ist auch nicht längerfristig pflege- oder rehabilationsbedürftig. Er ist arbeitsfähig.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF in seinem Heimatland Ägypten eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Ägypten der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Ägypten wird im Einklang mit der belangten Behörde Folgendes festgestellt:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:

KI vom 16.4.2018, Präsidentschaftswahlen in Ägypten (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Ägyptens autoritäres Staatsoberhaupt Abdel Fattah al-Sisi hat bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten [Anm.: die von 26. bis 28.3.2018 stattfand] nach Angaben der Wahlkommission 97,08% der gültigen Stimmen bekommen. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung in der vergangenen Woche habe 41,5% betragen, teilte die Kommission mit (TS 2.4.2018; vgl. DS 2.4.2018). Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen. Dieser kam auf 2,92% der Stimmen (DS 2.4.2018; vgl. TS 2.4.2018).

Quellen:

-

DS - Der Standard (2.4.2018): Offiziell: Ägyptens Präsident al-Sisi klar wiedergewählt,

https://derstandard.at/2000077191005/Offiziell-Aegyptens-Praesident-al-Sisi-klar-wiedergewaehlt, Zugriff 16.4.2018

-

TS - Tagesschau (2.4.2018): Präsidentenwahl in Ägypten - Al-Sisi bekommt 97 Prozent,

https://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-wahl-113.html, Zugriff 16.4.2018

1. Politische Lage

Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).

Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.

Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017

2. Sicherheitslage

Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).

Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05..2017)

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (02.05.2017): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html, Zugriff 02.05.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).

In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

-

AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

4. Sicherheitsbehörden

Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).

Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen worden waren. Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn missliebige politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt.

Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Nach offiziellen Darstellungen handelt es sich um gerechtfertigte Tötungen, z. B. im Zusammenhang mit Widerstand bei der Festnahme oder der Verhinderung von Terroranschlägen. Es kommt zu willkürlichen Festnahmen und erzwungenem Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Information von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 15.12.2016).

Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden (AI 22.02.2017).

Beamte der National Security Agency folterten routinemäßig und gewaltsam Verdächtige mit wenig Konsequenzen. Viele der Gefangenen, die diese Missbräuche erlitten haben, wurden der Sympathie oder der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft bezichtigt, die die Regierung im Jahr 2013 als eine terroristische Gruppe einstufte, aber die größte Oppositionsbewegung des Landes geblieben ist (HRW 12.01.2017).

Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Zwang, körperlicher Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen (USDOS 03.03.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

6. Korruption

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um. Die Korruptionsbehörde der Regierung (CAA) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 03.03.2017).

Laut Corruption Perceptions Index 2016 befindet sich Ägypten auf Platz 108 von 176 Ländern (TI 25.01.2017)

Quellen:

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

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TI - Transparency International (25.01.2017): Corruption Perceptions Index 2016,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016#table, Zugriff 27.04.2017

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).

Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).

Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).

Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

8. Ombudsmann

Das Strafgesetzbuch sorgt für einen vernünftigen Zugang zu Gefangenen. Es gab keinen offiziellen Ombudsmann für Gefangene (USDOS 03.03.2017)

Quellen:

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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ägypten hat den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 15.12.2016).

Die Behörden gingen 2016 mit willkürlichen Massenfestnahmen gegen Demonstrationen und Kritik an der Regierung vor. Sie inhaftierten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Protestierende und beschnitten die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Hunderte Gefangene, die sich in Gewahrsam des nationalen Geheimdienstes befanden, wurden Opfer des Verschwindenlassens. Angehörige des nationalen Geheimdienstes und andere Sicherheitskräfte folterten und misshandelten Häftlinge. Sicherheitskräfte setzten bei regulären Polizeieinsätzen unverhältnismäßige tödliche Gewalt ein, in einigen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Es gab weiterhin grob unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten. Die Behörden leiteten weder angemessene Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen ein, noch zogen sie die Täter zur Verantwortung. Frauen wurden weiterhin Opfer von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Regierung unterdrückte nach wie vor religiöse Minderheiten und verfolgte Personen wegen "Diffamierung der Religion". Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung fest und stellten sie wegen "Ausschweifung" vor Gericht. Tausende Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten, die das Mittelmeer überqueren wollten, wurden festgenommen. Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt (AI 22.02.2017).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren ein übermäßiger Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Die Probleme bei den bürgerlichen Freiheiten beinhalten gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 03.03.2017).

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend.

Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in Haftanstalten und auf Polizeistationen sowie von überlangen Haftzeiten unter widrigen Bedingungen ohne Anklage. Das Phänomen des Erzwungenen Verschwindenlassens nimmt in seinem Ausmaß weiter zu. Zudem können Zivilisten weiterhin für Straftaten gegen Einrichtungen der Streitkräfte der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden (AA 02.2017a).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 09.2016a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017

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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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