TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/28 Ra 2018/15/0030

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §184
BAO §34
BAO §35 Abs2
KommStG 1993 §8 Z2

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/15/0034 E 28.05.2019

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der T gemeinnützige Gesellschaft mbH in L, vertreten durch die F.X. Priester GesmbH Steuer- und Wirtschaftsberatung in 4400 Steyr, Stelzhammerstraße 14a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 18. Jänner 2018, Zl. E G16/05/2015.001/020, betreffend Kommunalsteuer 2008 bis 2013 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Oberwart hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende GmbH wurde - nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Burgenland (LVwG) - mit Erklärung vom 18. Dezember 2006 errichtet. In Punkt 2 des entsprechenden Notariatsaktes sind Gegenstand, Zweck und Ziele des Unternehmens folgendermaßen festgelegt:

"Gegenstand, Zweck und Ziele des Unternehmens

Die Gesellschaft, deren Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, verfolgt im Sinne der Bundesabgabenordnung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und stellt sich die berufliche und soziale Förderung von Personen und Personengruppen zum Ziel, die aufgrund von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch aufgrund von individuellen Problemstellungen in ihrer beruflichen und sozialen Dimension beeinträchtigt sind.

Die Gesellschaft erreicht ihre Ziele durch:

(l) Entwicklung von Bildungs- und Förderungsmodellen für Personen und Personengruppen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

(2) Betreuung von Bildungsveranstaltungen, die im Auftrag des AMS von Trägern der Erwachsenenbildung im weitesten Sinn durchgeführt werden.

(3) Strukturierung und Koordinierung von Bildungs- und Entwicklungsmaßnahmen für Personen mit besonderer Problematik in Bezug auf die Veränderung am Arbeitsmarkt sowie in Bezug auf individuell bedingte Benachteiligungen.

(4) Beratung von Maßnahmeträgern, arbeitsmarktpolitisch geförderter Bildungs- und Entwicklungsmaßnahmen in organisatorischer, inhaltlich oder zielgruppenspezifischer Hinsicht.

(5) Vergleich und Evaluierung von Bildungs- und Entwicklungsmaßnahmen für Problemgruppen des Arbeitsmarktes.

(6) Sammlung und Dokumentation von Bildungs- und Entwicklungsinitiativen und durchgeführten Maßnahmen/Modellen zum Zweck der Analyse, der Verbesserung allfälliger Weiter- und Neuentwicklung.

(7) Fachberatung von Förderungen benachteiligter Personen (Gruppen) im Bereich der sozialen- und Bildungsentwicklung.

(8) Eigenständige Konzeption und Durchführung von Modellveranstaltungen für die genannten Problemgruppen sowie deren Überprüfung in fachlicher und maßnahmenpolitischer Hinsicht auf deren arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Relevanz.

(9) Durchführung von Beschäftigungsmaßnahmen für beschäftigungslose Arbeitnehmer, und zwar Langzeitarbeitslose bzw. schwer vermittelbare Arbeitskräfte (Transitarbeitskräfte), die mit finanzieller Unterstützung von AMS oder anderer öffentlich rechtlicher Körperschaften, einschließlich Institutionen der EU, einer Beschäftigung, insbesondere der temporären Beschäftigung als überlassene Arbeitskraft, zugeführt und damit wieder in den Arbeitsprozess integriert werden.

Die erforderlichen materiellen Mittel sollen aufgebracht werden durch:

(a)      Einnahmen aus der Umsetzung des § 2 der Statuten des

Vereins (...)

(b)      Ansprechen von Förderungsmittel aus dem AMSG

(c)      Zuwendungen durch Fördernde, insbesondere Subventionen;

(d)      Veranstaltung von Seminaren;

(e)      Kostenersatz für die Teilnahme an Veranstaltungen;

(f)      Die entgeltliche Abgabe von Büchern, Ton- und

Videoaufzeichnungen, die der Vermittlung der Inhalte des

Gesellschaftszweckes dienen;

(h)      Spenden, Vermächtnisse und sonstige Zuwendungen;

(i)      Errichtung eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes zur

praktischen Erprobung der erworbenen Kenntnisse;

(j)      Fördermittel der Europäischen Institutionen (Union) oder

Ähnliche.

Bei allen diesen Mitteln muss darauf Bedacht genommen werden, dass die gesamte Tätigkeit ausschließlich auf die Erfüllung des gemeinnützigen Zweckes eingestellt ist, und nur jene Tätigkeiten ausgeübt werden, ohne die die genannten Zwecke nicht erreichbar wären, und die Tätigkeit darf zu abgabepflichtigen Betrieben derselben oder ähnliche Arten nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als dies bei Erfüllung der Zwecke unvermeidbar ist.

Überschüsse aus all diesen angeführten Tätigkeiten müssen ausschließlich und unmittelbar zur Förderung der gemeinnützigen Zwecke der Gesellschaft dienen. Die Gesellschafter der Gesellschaft dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten. Gleiches gilt bei Ausscheiden aus der Gesellschaft, bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütung begünstigt werden.

Soweit die Zuwendungen an die Gesellschaft ausdrücklich gewidmet werden, dürfen diese Mittel nur zur Erreichung dieses konkreten Zwecks verwendet werden. Die Mittel der Gesellschaft dürfen überdies nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschafter dürfen in dieser Eigenschaft keine Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten.

Die Gesellschaft ist berechtigt, sich zur Erfüllung des Gesellschaftszweckes mehrerer anderer natürlicher oder juristischer Personen, insbesondere Gesellschaften des Handelsrechts zu bedienen sowie Beteiligungen an derartigen Gesellschaften einzugehen und Zweigniederlassungen zu gründen. Die Gesellschaft stellt diesbezüglich sicher, dass sie die durch Dritte erfolgende Aufgabenverwirklichung hinsichtlich Inhalt und Umfang jedoch selbst bestimmt."

2 Die solcherart errichtete revisionswerbende Gesellschaft betreibt einen vom AMS geförderten Sozialökonomischen Betrieb. Die Förderung erfolgt im Rahmen der vom AMS Österreich erlassenen Bundesrichtlinie, die auf Regelungen des AMSG beruht, und betrifft die "Förderung der Beschäftigung von arbeitslosen und schwer vermittelbaren Personen (in der Folge Transitarbeitskräfte - TAK genannt), in Produktions- und Dienstleistungsbetrieben von gemeinnützigen Trägern". "Sozialökonomische Betriebe" werden nach der zitierten Bundesrichtlinie des AMS "von gemeinnützigen oder öffentlichen Rechtsträgern (in der Regel Vereinen, Gemeinnützige GesmbH) geführt" und folgendermaßen definiert:

"Der Begriff Sozialökonomischer Betrieb (SOB) bezeichnet ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das durch die Bereitstellung von marktnahen, aber doch relativ geschützten, befristeten Arbeitsplätzen die nachhaltige Integration von schwer vermittelbaren Personen in den Arbeitsmarkt fördern soll (Vermittlungsunterstützung). Sozialökonomische Betriebe operieren unter Marktbedingungen. Sie haben den sozialen Auftrag, vor allem Personen mit eingeschränkter Produktivität bei der Wiedererlangung jener Fähigkeiten zu unterstützen, die Einstiegsvoraussetzung in den regulären Arbeitsmarkt sind.

Die sich daraus ergebenden Aufgaben für SOB sind:

? die Bereitstellung von befristeten Arbeitsplätzen;

? die Organisation von Betreuungs- und Trainingsmöglichkeiten für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen im Rahmen eines Wirtschaftsbetriebes;

? die Beseitigung von Vermittlungshemmnissen und die Reintegration der befristet Beschäftigten in den regulären Arbeitsmarkt;

? die Verbesserung der Reintegrationschancen der Transitarbeitskräfte durch gezielte Qualifizierung". 3 Mit Eingaben vom 23. März 2012 und vom 8. Mai 2013 beantragte die revisionswerbende Gesellschaft die bescheidmäßige Festsetzung der Kommunalsteuer für die Zeiträume 2008 bis 2013 mit 0 EUR und die Rückerstattung der zu Unrecht abgeführten Kommunalsteuer. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die revisionswerbende Gesellschaft die Kommunalsteuer an die Stadtgemeinde Oberwart entsprechend der Bekanntgabe der monatlichen Kommunalsteuerabgaben über Finanzonline abgeführt habe, es sich bei ihr aber um eine gemeinnützige Körperschaft im Sinn des § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG) handle, die von der Kommunalsteuer befreit sei.

4 Mit Schreiben vom 22. Mai 2014 teilte die Revisionswerberin mit, dass vom Magistrat Wien bescheidmäßig festgestellt worden sei, dass von der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage für die gemeinnützige Gesellschaft ein Betrag von 30 % der Kommunalsteuer unterliege. Da österreichweit dieselben Voraussetzungen für diese Tätigkeit vorlägen, werde ersucht, diesen Wert auch für die gegenständliche Bemessung heranzuziehen.

5 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberwart wurde diesem Antrag auf Reduzierung der Kommunalsteuerbemessungsgru ndlage nicht stattgegeben, und die Kommunalsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 ohne Reduktion bescheidmäßig festgesetzt. Die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerberin wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart als unbegründet abgewiesen. 6 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Sie sei gemeinnützig auf dem Gebiet der Familienfürsorge tätig. Speziell gehe es um den Versuch der Resozialisierung nicht vermittelbarer Langzeitarbeitsloser (Alkoholiker, Suchtkranke oder geistig bzw. körperlich behinderte Personen). Im angefochtenen Zeitraum bis 2014 sei die revisionswerbende Gesellschaft zur Gänze und ausschließlich gemeinnützig tätig gewesen. Erst seit 2015 bediene sie sich zur Erfüllung ihrer gemeinnützigen Zwecke zweier Hilfsbetriebe, nämlich zweier Ausbildungsbetriebe für Langzeitarbeitslose in Form einer Druckerei und einer Autowerkstätte.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde ab. Begründend führte es aus, die Revisionswerberin nehme ausschließlich Aufträge des AMS an. Arbeitsmarktpolitische Zielsetzung sei die nachhaltige Integration von schwer vermittelbaren Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Die Bedingungen der Richtlinie gäben vor, welche Personen in die Betreuung kämen. Die Personen würden vom Arbeitsmarktservice und nicht von der Revisionswerberin ausgesucht. Sie könne höchstens jemanden ablehnen, weil er beispielsweise eine zu starke Behinderung aufweise. Die Revisionswerberin erstelle jeweils ein Programm, wie sie die Personen in den Arbeitsmarkt integrieren wolle. Sei das AMS damit einverstanden, bekomme sie den Auftrag. Das Projekt werde vom AMS überwacht.

8 Mit den teilnehmenden Personen würden von der Revisionswerberin Dienstverhältnisse begründet. Dann erfolgten Schulungsmaßnahmen und Arbeitstraining, es werde psychologische Hilfe und Hilfestellung (Beratungsgespräche) im Zusammenhang mit Schulden gewährt. Eine vormals arbeitslose Person habe eine/n oder mehrere Betreuer/innen, die ihr zur Seite stünden, sie psychologisch begleiteten und auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorbereiteten. Diese Phase dauere ca. acht Wochen. Dann beginne die Bewerbungsphase (Arbeitserprobung und Vorbereitung). Anschließend werde versucht, ein beschäftigendes Unternehmen zu finden. Dabei handle es sich um normale Gewerbebetriebe. Mit diesen würden Beschäftigungsvereinbarungen abgeschlossen, wonach die betreute Person dem Betrieb zB für drei bis vier Monate zur Verfügung gestellt werde und der Betrieb "einen Betrag zwischen 20 und 40 %" an die Revisionswerberin ersetze. Erweise sich die teilnehmende Person als nicht geeignet, werde sie wieder "zurückgenommen". Auch während der Beschäftigung werde die teilnehmende Person von der Revisionswerberin betreut. Das Ziel sei, dass die Person nach einiger Zeit vom Unternehmen normal beschäftigt werde. In der Regel fielen in dieser Vorphase bereits 50 bis 60 % der Leute aus dem System heraus und würden von der Revisionswerberin wieder an das AMS zurückgestellt. 9 Im Streitzeitraum sei die Revisionswerberin lediglich als Vermittlerin tätig gewesen und habe keinen eigenen Betrieb geführt. Bei den von ihr betreuten Personen handle es sich um schwer vermittelbare langzeitarbeitslose Personen. Keinesfalls habe es sich dabei ausschließlich um Personen gehandelt, die jugendlich oder behindert gewesen seien oder in einer Familie gelebt hätten. Auch das von der revisionswerbenden Gesellschaft verfolgte AMS-Programm sei nicht in erster Linie auf Jugend, Familie und Behinderung ausgerichtet, sondern eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, die auf aus den verschiedensten Gründen schwer vermittelbare Personen ausgerichtet sei. 10 Gemäß § 8 Z 2 KommStG seien Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen von der Kommunalsteuer befreit, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienten (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 BAO). Durch den Verweis auf die angeführten Bestimmungen der BAO werde klargestellt, dass zur Beurteilung des Vorliegens von Gemeinnützigkeit die entsprechenden Bestimmungen der BAO heranzuziehen seien. Gemäß § 35 Abs. 1 BAO seien gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert werde, wobei § 35 Abs. 2 BAO einzelne Zwecke demonstrativ aufzähle. Solche gemeinnützigen Zwecke im Sinn des § 35 BAO lägen - wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergebe - gegenständlich auch vor.

11 Allerdings seien von den in § 35 Abs. 2 BAO genannten gemeinnützigen Zwecken nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die oben näher umschriebenen Fürsorgezwecke (sohin Kinder-, Jugend- , Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge) von der Kommunalsteuer befreit. Anders als in § 35 Abs. 1 BAO würden in § 8 Z 2 KommStG diejenigen gemeinnützigen Zwecke, die eine Befreiung von der Kommunalsteuer nach sich zögen, taxativ aufgezählt. Dass es sich - wie die Revisionswerberin vermeine - lediglich um eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Fürsorge handeln müsse, sei nicht ausreichend. Vielmehr müsse es nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- oder Altenfürsorge sein.

12 Im Revisionsfall liege jedoch keine Gemeinnützigkeit auf dem Gebiet der Familien-, Jugend- und Behindertenfürsorge im Sinn der BAO vor. Eine derartige Gemeinnützigkeit ergebe sich nämlich weder - wie von der BAO gefordert - aus der angeführten Errichtungserklärung, noch aus der tatsächlichen Geschäftsführung. Vielmehr sei das Ziel der Revisionswerberin laut Errichtungserklärung die "berufliche und soziale Förderung von Personen und Personengruppen", "die aufgrund von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch aufgrund von individuellen Problemstellungen in ihrer beruflichen und sozialen Dimension beeinträchtigt sind". Daraus ergebe sich aber weder eine Gemeinnützigkeit auf dem Gebiet der Familienfürsorge, noch auf einem sonstigen der in § 8 Z 2 KommStG angeführten Gebiete im Sinn der BAO, sodass schon die Voraussetzung, dass die begünstigten Zwecke nach der Rechtsgrundlage ausschließlich und unmittelbar gefördert werden müssten, nicht erfüllt sei. Auch habe das Arbeitsmarktservice als Förderungsgeber und Auftraggeber der Revisionswerberin in seiner Stellungnahme vom 7. April 2017 die Behauptung der Revisionswerberin, dass das Programm in erster Linie auf Jugend, Familie und Behinderung ausgerichtet sei, abgelehnt und festgehalten, dass die Maßnahme auf aus den verschiedensten Gründen schwer vermittelbare Personen ausgerichtet sei. Darüber hinaus könne auch aus den getroffenen Feststellungen weder eine ausschließliche und unmittelbare Förderung auf dem Gebiet der Familienfürsorge, noch auf einem sonstigen in § 8 Z 2 KommStG angeführten Gebiet abgeleitet werden.

13 Die Revisionswerberin vermeine, dass jede Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess auch als Familienfürsorge zu sehen sei, weil damit die Familie wieder zusammengeführt sowie die Lebensqualität in der Familie verbessert werde, und unter Familienfürsorge auch Beratung, Unterbringung, Betreuung und Unterstützung bei der Haushaltsführung falle, was durch die Betreuung vor allem im Bereich der Schuldner- und Lebensberatung sowie bei der Finanzierungsberatung zur Haushaltsführung erfolge. Demgegenüber sei jedoch auszuführen, dass sich - wie sich auch aus der Satzung und dem Schreiben des Arbeitsmarktservice ergebe - die gegenständlichen Förderungsmaßnahmen nicht an Familien, sondern einen anderen Personenkreis, nämlich Langzeitarbeitslose, - mögen darunter durchaus auch Personen sein, die Teil einer Familie seien - richteten und sich die Fürsorgetätigkeit eben auf diese Personen beziehe. Darüber hinaus sei auch die von der Revisionswerberin geschilderte Tätigkeit nicht als Familienfürsorge zu qualifizieren, weil - laut Duden - unter Familienfürsorge soziale Maßnahmen zur Unterstützung von Familien verstanden würden, hier aber soziale Maßnahmen zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen getätigt würden. Da natürlich nicht alle langzeitarbeitslosen Personen in Familien lebten, würden mit den Maßnahmen nicht ausschließlich und unmittelbar Familien gefördert.

14 Die Revisionswerberin meine weiters, dass auch Jugendfürsorge vorliege, wenn langzeitarbeitslose Jugendliche wieder in den Arbeitsprozess und in die Gesellschaft eingegliedert würden. Zudem stellten auch psychische Krankheiten wie Alkoholsucht oder Depressionen eine Behinderung dar und führten meist zu Langzeitarbeitslosigkeit, sodass auch Behindertenfürsorge gegeben sei, denn unter Behindertenfürsorge sei jede Eingliederung, Hilfe zur geschützten Arbeit und Beschäftigungstherapie zu sehen, wozu auch der Abbau von psychosozialen Behinderungen, Alkohol- und sonstigen Suchtkrankheiten zählten. Demgegenüber sei jedoch ebenso darauf zu verweisen, dass sich die gegenständlichen Förderungsmaßnahmen nicht an Jugendliche oder Behinderte, sondern - mögen durchaus unter anderen auch solche Personen darunter sein - an einen anderen Personenkreis, nämlich Langzeitarbeitslose, richteten. Dass aber nicht alle langzeitarbeitslosen Personen auch jugendliche oder behinderte Personen seien, liege auf der Hand und sei auch nicht behauptet worden. Dazu komme, dass selbst das Vorliegen von psychischen und/oder sozialen Defiziten nicht mit dem Vorliegen einer Behinderung gleichzusetzen sei. Überdies habe die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass jemand abgelehnt werden könne, wenn er eine zu starke Behinderung aufweise. Auch daraus sei ersichtlich, dass sich die Maßnahme nicht an Behinderte richte und keine Behindertenfürsorge vorliege.

15 Die gegenteilige Auffassung würde zum vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis führen, dass beinahe jede Fürsorgemaßnahme unter den Befreiungstatbestand fiele, weil sie sich in irgendeiner Form indirekt auf einen der in § 8 Z 2 KommStG angeführten Fürsorgezwecke auswirke, womit die gesetzliche Beschränkung auf die angeführten Fürsorgezwecke ad absurdum geführt würde. Wesentlich sei daher, dass ausschließlich und unmittelbar die in § 8 Z 2 KommStG angeführten Fürsorgezwecke gefördert würden. Das sei im Revisionsfall nicht zu erblicken.

16 Auch aus dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010, 2004/15/0100, ergebe sich nichts Gegenteiliges. Zunächst seien darin lediglich fehlende Feststellungen zum Inhalt der Fürsorgetätigkeit gerügt worden, die gegenständlich getroffen worden seien. Darüber hinaus unterscheide sich der damalige Fall auch insofern vom Revisionsfall, als es Aufgabe des damaligen Projektes gewesen sei, den durch psychische und soziale Defizite behinderten Langzeitarbeitslosen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Im Gegensatz zu hier seien behinderte Langzeitarbeitslose somit der angesprochene Personenkreis gewesen, wohingegen gegenständlich - wie vom Förderungsgeber bestätigt - das Programm auf aus den verschiedensten Gründen schwer vermittelbare Personen ausgerichtet sei und sich nicht nur an spezielle Gruppen von Langzeitarbeitslosen (zB behinderte, jugendliche oder in Familien lebende Langzeitarbeitslose) richte.

17 Zusammengefasst sei festzuhalten, dass die Revisionswerberin zwar gemeinnützig tätig sei, durch diese gemeinnützigen Tätigkeiten aber nicht die in § 8 Z 2 KommStG taxativ aufgezählten begünstigten Zwecke sowohl nach der Rechtsgrundlage als auch nach der tatsächlichen Geschäftsführung gefördert würden, jedenfalls aber nicht ausschließlich und unmittelbar gefördert würden, sodass ihr die Befreiung von der Kommunalsteuer gemäß § 8 Z 2 KommStG nicht zukomme. 18 Der Gewährung einer partiellen Steuerbefreiung stehe einerseits der ausdrücklich anderslautende Antrag der Revisionswerberin entgegen sowie andererseits der Umstand, dass von ihr auch nicht behauptet und nachgewiesen worden sei, in welchem Ausmaß sie solche Tätigkeiten entfaltet habe, die unter den Befreiungstatbestand des § 8 Z 2 KommStG fielen. In einem - wie hier - ausschließlich auf die Erwirkung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichteten Verfahren müsse jedoch der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darlegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könne. Dass mit der Gemeinde Wien eine Vereinbarung über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer von 30 % getroffen worden sei, reiche dazu nicht. Zudem sehe § 8 Z 2 KommStG vor, dass § 5 Abs. 3 letzter Satz KommStG sinngemäß anzuwenden sei, wonach die erhebungsberechtigten Gemeinden bei Zuordnungsschwierigkeiten mit dem Steuerschuldner eine Vereinbarung über die Höhe der Bemessungsgrundlage treffen könnten. Eine derartige Vereinbarung sei gegenständlich nicht abgeschlossen worden.

19 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit bringt die revisionswerbende Gesellschaft vor, das LVwG sei insofern von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen, als es den Gemeinnützigkeitsbegriff des § 8 Z 2 KommStG zu eng interpretiere. Dies widerspreche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010, 2004/15/0100. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

22 Gemäß § 8 Z 2 KommStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen von der Kommunalsteuer befreit, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 BAO).

23 Die zitierte Bestimmung enthält eine taxative Aufzählung derjenigen gemeinnützigen Zwecke, die eine Befreiung von der Kommunalsteuer nach sich ziehen. Von den in § 35 Abs. 2 BAO - dort in einer bloß beispielhaften Aufzählung - genannten gemeinnützigen Zwecken sind nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die näher umschriebenen Fürsorgezwecke von der Kommunalsteuer befreit (vgl. VwGH 19.10.2006, 2005/14/0132, sowie 24.6.2004, 2001/15/0005). Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind in § 8 Z 2 KommStG dagegen nicht genannt.

24 Eine allgemeine Subsumtion arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen unter den Begriff der Familienfürsorge erscheint dem Verwaltungsgerichtshof - ebenso wie bereits dem LVwG - nicht überzeugend, weil andernfalls nicht nur gezielte familienpolitische Maßnahmen, sondern jede wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahme mit positiven Reflexwirkungen auf Familien diesem Begriff zugeordnet werden könnte und er damit seine Abgrenzungsfunktion verlöre. Ebensowenig können - wie es die Revisionswerberin unter Hinweis auf die Marienthal-Studie vertritt - arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für "Langzeitarbeitslose mit sozialen und psychischen Defiziten" als "Krankenfürsorge und Gesundheitspflege" qualifiziert werden, weil (Langzeit)Arbeitslosigkeit - ungeachtet der bekannten negativen psychischen Begleitwirkungen - keine "Krankheit" darstellt. Ebensowenig stellt sie eine "Behinderung" dar.

25 Soweit sich allerdings arbeitsmarktpolitische Maßnahmen an "Jugendliche" richten, können sie Teil der Jugendfürsorge sein, wobei der Gesetzgeber - in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung und über den engen Begriff des Jugendlichen iSd § 1 Z 2 Jugendgerichtsgesetz 1988 hinaus - im Bereich steuerlicher Begünstigungsbestimmungen auch Personen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres der "Jugend" zuordnet (vgl. VwGH 24.6.2004, 2001/15/0005). Gleiches gilt für Maßnahmen zur Heranführung von Personen mit Behinderung an den Arbeitsmarkt, die der "Behindertenfürsorge" zugeordnet werden können.

26 Von den allgemeinen Regelungen über die steuerliche Behandlung gemeinnütziger Körperschaften nach §§ 34 ff BAO iVm den materiellen Abgabenvorschriften unterscheidet sich die Regelung des § 8 Z 2 KommStG auch dadurch, dass sie ausdrücklich eine besondere Form der partiellen Abgabenbefreiung vorsieht. Anwendbar ist § 8 Z 2 KommStG nämlich, "soweit" Körperschaften bestimmten, konkret umschriebenen mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecke dienen.

27 Angesichts dieser Besonderheit des § 8 Z 2 KommStG ist es verfehlt, mildtätig bzw. gemeinnützig tätige Abgabepflichtige mit der Begründung von jedweder Befreiung auszuschließen, dass die von ihnen verfolgte Tätigkeit sich nicht ausschließlich an Jugendliche oder an Menschen mit Behinderung richtet.

28 Unter Hinweis auf den Begünstigungscharakter des § 8 Z 2 KommStG hat das LVwG Feststellungen dahingehend, in welchem Ausmaß schwer vermittelbare Jugendliche oder Personen mit Behinderung seitens der Revisionswerberin unterstützt wurden und insoweit eine begünstigungsfähige Tätigkeit vorliegen könnte, nicht getroffen. Diese Feststellungen wären aber notwendig gewesen, um § 8 Z 2 KommStG im Revisionsfall rechtsrichtig anzuwenden. Sie sind auch nicht dadurch überflüssig geworden, dass die Revisionswerberin ursprünglich die gänzliche Befreiung von der Kommunalsteuer beantragt hat, hat sie doch die (teilweise) Betreuung von Jugendlichen und Personen mit Behinderung im Verfahren stets behauptet. Vor diesem Hintergrund wäre es aber Aufgabe des Verwaltungsgerichts iSd § 279 BAO gewesen, diesbezügliche Feststellungen - gegebenenfalls nach ergänzenden Ermittlungen (wie einer konkreten Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen an die Revisionswerberin) - zu treffen, wobei eine nähere Bestimmung des begünstigungsfähigen Bereichs der Höhe nach grundsätzlich auch im Schätzungswege in Betracht kommt. 29 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund unrichtiger Rechtsansicht) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

30 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150030.L00

Im RIS seit

03.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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