TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/27 98/16/0228

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Veröffentlicht am 27.01.1999
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Index

E1E;
E1N;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;
39/03 Doppelbesteuerung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E073B EGV Art73b;
11992E177 EGV Art177;
11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2;
BAO §4 Abs1;
BAO §48;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
ErbStG §12 Abs1 Z1;
ErbStG §6 Abs3;
OECD-MusterAbk 1977 Art4 Z2;
OECD-MusterAbk 1977 Art7;
VwGG §38a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des O in A, Niederlande, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, Mühlbachweg 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 14. Juli 1998, GZ D 59/2-IV/4/97, betreffend Vermeidung einer Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschafts- und Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe nach seiner am 9. Juni 1994 verstorbenen Ehefrau Meina Tjetje Dermois-Frankena. Der Beschwerdeführer war zusammen mit seiner verstorbenen Ehefrau Eigentümer von 551/23002 Anteilen an der Liegenschaft EZ 282 Grundbuch Farmach, Gerichtsbezirk Saalfelden.

In einer Eingabe vom 17. Oktober 1995 wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, er habe auch in Holland gelegenes Nachlaßvermögen und bewegliches Nachlaßvermögen von seiner Ehefrau geerbt. Der Lebensmittelpunkt der Ehegatten sei in Holland gelegen. Zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung und zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung werde der Antrag gestellt, das niederländische Nachlaßvermögen zur Gänze auszuscheiden.

In einem Bericht der Finanzlandesdirektion vom 29. November 1995 wurde dazu ausgeführt, die gegenständliche Eigentumswohnung in Österreich sei lediglich für Ferienzwecke genutzt und nicht vermietet worden.

Im Zuge des Verwaltungsverfahrens legte der Beschwerdeführer nach entsprechender Aufforderung eine Note des Niederländischen Finanzministeriums vom 4. Dezember 1997 vor, wonach für den Fall, daß sowohl der Erblasser als auch der Erbe Österreicher und in Österreich wohnhaft sind und der Erblasser Eigentümer einer Ferienwohnung in Österreich war, in den Niederlanden nur das niederländische Liegenschaftsvermögen und nicht das österreichische Nachlaßvermögen besteuert werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zunächst gemäß § 48 BAO verfügt, daß der Erwerb von Todes wegen nach Meina Tjetje Dermois-Frankena hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens in Holland einschließlich der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden aus der Abgabepflicht (Erbschafts- und Schenkungssteuer) ausgeschieden werde. Diese Begünstigung werde unter der Bedingung erteilt, daß der Erwerb in Holland einer vergleichbaren tatsächlichen Besteuerung unterliegt. Die erteilte Begünstigung stehe der Berücksichtigung der ausgeschiedenen Vermögenswerte bei der Ermittlung des Steuersatzes nicht entgegen, der auf allfällige übrige, im Inland zu besteuernde Vermögenswerte anzuwenden ist (Progressionsvorbehalt). Weiters wurde im angefochtenen Bescheid im Sinne des § 6 Abs 3 ErbStG angeordnet, daß hinsichtlich des beweglichen Vermögens in Holland die von Holland von diesem Erwerbsvorgang erhobene Erbschaftssteuer auf die österreichische Erbschafts- und Schenkungssteuer anzurechnen sei. Die ausländische Steuer sei aber nur insoweit anzurechnen, als sie auf Vermögenswerte entfällt, die sich zum Zeitpunkt des Erwerbsvorganges im anderen Staat befunden haben. Der anzurechnende Betrag dürfe jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die im anderen Staat besteuerten Vermögenswerte entfällt.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, es sei Praxis des Bundesministeriums für Finanzen, im Ausland gelegenen Grundbesitz und Betriebsvermögen nach § 48 BAO aus der Abgabepflicht auszunehmen. Hinsichtlich anderen ausländischen Vermögens werde nach der Praxis des Bundesministeriums für Finanzen dann, wenn weder der Erblasser noch der Erbe in Österreich ansässig seien, nur gemäß § 6 Abs 3 ErbStG die ausländische Steuer auf die inländische Steuer angerechnet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, daß der in den Niederlanden befindliche Teil des Nachlasses "ganz, unbedingt und ohne Progressionsvorbehalt" aus der Erbschaftssteuerpflicht ausgeschieden werde.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs 1 Z 1 ErbStG ist die Steuerpflicht gegeben für den gesamten Erbanfall, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit des Eintrittes der Steuerpflicht ein Inländer ist. Nach Abs 2 Z 2 dieser Gesetzesstelle gelten als Inländer im Sinne dieses Bundesgesetzes unter anderem Ausländer, die im Inland einen Wohnsitz haben.

Im § 6 Abs 3 ErbStG werden Bestimmungen über den Abzug einer ausländischen Steuer als Nachlaßverbindlichkeit getroffen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung bestimmt "das Bundesministerium für Finanzen", inwieweit statt dessen bei Gewährung der Gegenseitigkeit eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer erfolgt.

Nach § 48 BAO kann das Bundesministerium für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid werden auf § 6 Abs 3 Satz 2 ErbStG und auf § 48 BAO gestützte Begünstigungen hinsichtlich der Erbschaftssteuer auf Grund des Erbfalles nach der Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt. Die Abgabenschuld für diesen Erwerbsvorgang ist gemäß § 12 Abs 1 Z 1 ErbStG mit dem Tod der Erblasserin am 9. Juni 1994 entstanden. Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben, sodaß die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage heranzuziehen ist. Da der in Rede stehende Abgabenanspruch somit vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entstanden ist, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, näherhin gegen die Bestimmungen der Art 73a (gemeint wohl Art 73b) - 73h EGV, unzutreffend. Die Anregung des Beschwerdeführers, ein Vorabentscheidungsverfahren im Sinne des Art 177 EGV einzuleiten, ist daher schon deshalb unbegründet.

Im übrigen ist im Beschwerdefall davon auszugehen, daß mit dem Königreich der Niederlande kein Abkommen über die Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit Erbschaftssteuern abgeschlossen wurde. Bei Vornahme einer unilateralen Entlastungsmaßnahme, wie sie insbesondere auf der Grundlage des § 48 BAO vorzunehmen ist, erscheint es dabei sachgerecht, die Ermessensübung an der üblichen Staatenpraxis beim Abschluß von Doppelbesteuerungsabkommen - wie dies insbesondere im OECD-Musterabkommen zum Ausdruck kommt - zu orientieren (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1998, 95/15/0043).

Im Beschwerdefall wurde im Entlastungsantrag explizit vorgebracht, "Lebensmittelpunkt" der Erblasserin sei Holland gewesen. Nach Art 7 iVm Art 4 Z 2 OECD-Musterabkommen steht die Besteuerung von "anderem Vermögen" eines Erblassers mit zwei Wohnsitzen (einem "Doppelwohnsitzer") dem Staat zu, zu dem er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Mit dem Vorbringen, daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Erblasserin in den Niederlanden gelegen sei, hat sich die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Ebensowenig hat sich die belangte Behörde mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, zur Erzielung von Gegenseitigkeit sei das niederländische Nachlaßvermögen zur Gänze auszuscheiden. Dabei wurde von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der von ihr neben dem § 48 BAO angewendeten § 6 Abs 3 ErbStG anerkannt, daß die Gegenseitigkeit entsprechend bescheinigt worden sei. Der Hinweis auf eine der begehrten Entlastungsmaßnahme entgegenstehende "Praxis" der belangten Behörde konnte dabei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag des Beschwerdeführers nicht ersetzen. Die belangte Behörde hat damit aber Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998160228.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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