TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 I406 1415847-3

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Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2 Z2
FPG §57 Abs2 Z5
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 1415847-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ALGERIEN, vertreten durch RA Mag. Nikolaus RAST, Schottengasse 10, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, stellte am 05.08.2010 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er vor allem mit wirtschaftlichen Motiven begründete. Mit Bescheid vom 30.09.2010, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.07.2011, Zl. XXXX abgewiesen.

2. Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.07.2012 wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.07.2012 wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen und neuerlich die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Algerien ausgesprochen.

3. Der Beschwerdeführer verlieb illegal in Österreich und stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK, welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 29.09.2016, Zl. XXXX abwies. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien für zulässig erklärt und eine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche beim Bundesverwaltungsgericht zur GZ I405 1415847-2 anhängig ist.

4. Mit Bescheid vom 16.04.2018 trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG auf, an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken, im Konkreten einen Interviewtermin durch eine Experten-Delegation Algerien am 18.04.2018 wahrzunehmen und in seinem Besitz befindliche relevante, seine Identität bescheinigende Dokumente mitzubringen. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 16.04.2018 zugestellt, doch der Beschwerdeführer leistete dieser Aufforderung nicht Folge.

5. Mit Mandatsbescheid vom 30.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung "XXXX" zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

6. Gegen den Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 19.06.2018 Vorstellung. Die Wohnsitzauflage sei weder zweckmäßig, noch dringend geboten und greife in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein, welcher gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Wien lebe. Der Beschwerdeführer lebe seit beinahe acht Jahren durchgehend in Österreich. Er habe sich dem Verfahren nicht entzogen, sei sämtlichen Ladungen nachgegangen und habe der belangten Behörde immer seinen Wohnsitz gemeldet. Der Tatbestand des § 57 Abs. 2 Z 2 FPG sei nicht erfüllt.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheid vom 18.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung "XXXX" zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

8. Der Beschwerdeführer leistete der Wohnsitzauflage keine Folge und erhob gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid fristgerecht Beschwerde und begründete dies damit, dass der angefochtene Bescheid in sein Privat- und Familienleben eingreife, die Unterkunftnahme in Tirol sei weder zweckmäßig noch dringend geboten. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin an der gleichen Adresse in Wien und führe mit dieser ein gemeinsames Familienleben. Zudem wies er auf seine Integration in Österreich hingewiesen.

9. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.01.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer befindet sich nach illegaler Einreise seit mindestens 05.08.2010 im österreichischen Bundesgebiet. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.09.2010 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.07.2011, Zl. A4 415.847-1/2010/5E abgewiesen.

Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.07.2012 wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.07.2012 wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen und neuerlich die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Algerien ausgesprochen.

Der Beschwerdeführer verlieb illegal in Österreich und stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK, welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 29.09.2016, Zl. XXXX abwies. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, seine Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt und eine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche beim Bundesverwaltungsgericht zur Gz. I405 1415847-2 anhängig ist.

Der Beschwerdeführer nahm bislang kein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein gültiges Reisedokument. Die belangte Behörde beantragte daher bei der algerischen Botschaft dir Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid zu einer Einvernahme und Vorführung bei der Vertretungsbehörde am 16.04.2018 geladen, leistete dem jedoch nicht Folge.

Der Beschwerdeführer wechselte seinen Wohnsitz, informierte die Behörde nicht darüber und verfügte von 15.08.2011 bis 28.11.2012 über keine Meldeadresse und war von 29.11.2012 bis 01.04.2014 obdachlos. Seit dem 01.04.2014 ist der Beschwerdeführer durchgehend in Wien aufrecht gemeldet und lebt am gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin XXXX.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang der Verfahren über seine Anträge auf internationalen Schutz sowie zum in Beschwerde befindlichen Verfahren bezüglich Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK ergeben sich unstrittig aus den von der belangten Behörde vorgelegten Akten und durch Einsichtnahme in den Akt des BVwG zur den Gz I405 1415847-2.

Es ist nicht aktenkundig, dass der Beschwerdeführer ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen hätte. Auch die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid (zentral) davon aus, dass er ein solches nicht in Anspruch nahm. Dies wurde in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nicht bestritten, sodass der Feststellung der belangten Behörde gefolgt werden konnte.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfügt und sich um die Ausstellung eines solchen nicht bemüht hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung zu den Meldevergehen des Beschwerdeführers, sowie zu seinem Zusammenleben seit dem 01.04.2014 mit seiner Lebensgefährtin XXXX ergibt sich aus einer aktuellen ZMR-Abfrage in Zusammenschau mit dem Beschwerdeschriftsatz und durch Einsichtnahme in den Akt des BVwG zur Gz I405 1415847-2.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug vom 04.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich, dass die Erlassung einer Wohnsitzauflage nicht systematisch erfolgen soll, sondern jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Die belangte Behörde stützt die Verhängung der Wohnsitzauflage auf § 57 Abs. 1 iVM § 57 Abs. 1 Z. 2 iVm mit § 57 Abs. 2 Z. 2, Z. 3, und Z. 5 FPG.

Der Beschwerdeführer hat sich - wie von der belangten Behörde festgestellt - im bisherigen Verfahren unkooperativ verhalten und ist der ihm auferlegten Ausreiseverpflichtung, durchsetzbar seit 04.08.2011 bzw. 20.07.2012, nicht nachgekommen; dies obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand und der Beschwerdeführer nachweislich darüber informiert und belehrt wurde. Er hat die Ausreise aus Österreich verweigert und ist auch dem verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch nicht nachgekommen, obwohl ihm am 21.01.2016 nachweislich die Anordnung, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen, ausgehändigt wurde. Zudem hat er falsche und verschiedene Angaben zu seiner Person gemacht, war nicht durchgehend behördlich gemeldet und hat im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mitgewirkt. Dies wurde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Daher ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird - die Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 FPG sind gegeben.

Wird durch eine Wohnsitzauflage in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Es ist daher zu prüfen, ob der Eingriff verhältnismäßig und auch mit Art. 8 EMRK vereinbar ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Verhängung von Wohnsitzauflagen nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG liegt hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensmittelpunkt derzeit in Wien, sodass durch die Wohnsitzauflage in das (in Wien) bestehende Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird.

Zu den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen:

Der Beschwerdeführer lebt seit 01.04.2014 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Wien. Darüber hinaus bestehen keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich.

Trotz Vorliegens eines gemeinsamen Wohnsitzes mit seiner Lebensgefährtin ist jedoch von keiner derart engen Bindung des Beschwerdeführers an seinen bisherigen Wohnort auszugehen, die einer Wohnsitzauflage entgegenstehen würde.

Auch hinsichtlich sonstiger sozialer Bindungen ist keine besondere Beziehungsintensität hervorgekommen. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer gesellschaftlich, beruflich oder in einer sonstigen Weise an seinen Wohnort gebunden ist.

Demgegenüber wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten.

Zudem muss sich der Beschwerdeführer spätestens seit der rechtskräftigen Abweisung seines (ersten) Asylantrages mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.07.2011 aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Wien nicht aufrechterhalten wird können. Bei der Interessenabwägung ist unter anderem auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, S. 282ff).

Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Maßnahme aus öffentlichen Interessen notwendig ist.

In den rechtskräftigen Bescheiden zur Rückkehrentscheidung vom 30.09.2010 bzw. 12.02.2012 wurde bereits eingehend auf den Kriterienkatalog des § 9 Abs. 2 BFA-VG im konkreten Fall des Beschwerdeführers eingegangen und es wurde eine Rückkehrentscheidung sowie eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien für zulässig erklärt.

Die in der Beschwerde geltend gemachten Bindungen des Beschwerdeführers an seinen Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher abzuweisen.

Die Beschwerde war daher gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist auszuführen, dass die belangte Behörde einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkennen kann, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Wie unter Punkt 3.1 aufgezeigt, ist ein sofortiger Vollzug des Bescheides im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend erforderlich ist.

Anhaltspunkte dahingehend, dass im gegenständlichen Fall konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen würden, die das öffentliche Interesse an einer raschen Durchsetzung der Wohnsitzauflage allenfalls überwiegen würden, sind nicht hervorgekommen.

Hinzu kommt, dass sich aufgrund der unter einem ergehenden Entscheidung in der Sache selbst eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung faktisch erübrigt.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BFA-VG sind daher erfüllt, womit die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im gegenständlichen Fall wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Feststellungen (weder im Mandatsbescheid noch im nunmehr angefochtenen Bescheid) substantiiert bestritten. Es sind im Verfahren vor dem BFA auch keine neuen, in Beurteilung zu ziehenden Aspekte hervorgekommen. Zudem bestreitet die Beschwerde den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur völlig unsubstantiiert, sodass sich daraus kein relevanter bzw. über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinausgehender Sachverhalt ergibt.

Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Ausreiseverpflichtung,
Ausreisewilligkeit, Gefährdung der Sicherheit, illegaler Aufenthalt,
Interessenabwägung, Mandatsbescheid, öffentliche Ordnung,
öffentliche Sicherheit, öffentliches Interesse, Privat- und
Familienleben, private Interessen, Unterkunft, Verhältnismäßigkeit,
Vorstellungsbescheid, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I406.1415847.3.00

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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