TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/25 Ra 2017/13/0024

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

ABGB §879
BAO §23 Abs3
EStG 1988 §19 Abs1
EStG 1988 §2

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des K in W, vertreten durch seinen Sachwalter Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. Februar 2017, Zl. RV/7101409/2011, betreffend Einkommensteuer 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber brachte am 10. Jänner 2011 eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 beim Finanzamt ein, in der er die Anzahl der inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen mit acht angab.

2 Mit Bescheid vom 9. März 2011 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des Revisionswerbers für das Jahr 2010 erklärungsgemäß fest (Nachforderung von 309,65 EUR). 3 Am 8. April 2011 brachte der Sachwalter des Revisionswerbers (Aufgabenkreis finanzielle Angelegenheiten) gegen den Einkommensteuerbescheid vom 9. März 2011 das Rechtsmittel der Berufung ein und führte aus, der Revisionswerber sei geschäftsunfähig und habe trotz eindringlicher Belehrung durch den Sachwalter - soweit diesem überhaupt die Bestrebungen des Revisionswerbers, Dienstverhältnisse einzugehen, bekannt geworden seien - so oft es ihm möglich gewesen sei, Dienstverhältnisse begründet. Soweit dem Sachwalter bekannt, hätten diese meist nur Tage gedauert und der Revisionswerber "hat wirksam nie Entgelte hiefür lukriert; jedenfalls nicht über den Sachwalter". Der Sachwalter habe die Vertragsverhältnisse nie genehmigt. Die Grundlagen zur Abgabenerhebung seien nicht gegeben. 4 Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. April 2011 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, dass gemäß § 21 BAO für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend sei. Sei ein Rechtsgeschäft wegen des Mangels der Rechts- oder Handlungsfähigkeit zivilrechtlich nichtig, so sei dies für die Erhebung der Abgaben insoweit und so lange ohne Bedeutung, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen ließen (§ 23 BAO). Die faktische Verwirklichung der abgabepflichtigen Tatbestände werde in der Berufung lediglich mit formalen Anknüpfungspunkten bestritten. Dass die wirtschaftlichen Ergebnisse rückgängig gemacht worden wären, sei der Berufung nicht zu entnehmen.

5 Der Sachwalter des Revisionswerbers beantragte mit Schriftsatz vom 9. Mai 2011 die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

6 Mit einem an den Revisionswerber zu Handen des Sachwalters gerichteten Vorhalt vom 18. August 2016 ersuchte das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber, innerhalb von vier Wochen bekanntzugeben, welche Dienstgeber ihm keinen Lohn ausgezahlt hätten.

7 Der Sachwalter legte in Beantwortung des Fragenvorhalts einen Versicherungsdatenauszug des Revisionswerbers vor und führte aus, alle dort angeführten Dienstgeber seien mit dem Revisionswerber ohne Zustimmung des Sachwalters oder des Pflegschaftsgerichtes, "sohin also unwirksam Dienstverhältnisse eingegangen". Der Revisionswerber habe ohne Kenntnis des Sachwalters Zahlungen erhalten, "die er krankheitsbedingt nicht zu seinem Nutzen eingesetzt, sondern ‚irgendwie verbraucht' hat". Der Revisionswerber sei infolge zivilrechtlicher Geschäftsunfähigkeit auch nicht in der Lage, wirksam eine Zahlungsannahme zu quittieren. Dieser Sachverhalt sei Gegenstand eines Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, das der Revisionswerber gegen die Pensionsversicherungsanstalt führe. Vom Sachwalter wurde die Beischaffung des beim Arbeits- und Sozialgericht geführten Aktes und die Einvernahme aller Dienstgeber "zum Beweis dafür beantragt, dass - wenn überhaupt Zahlungen erfolgt sind - diese ohne jede rechtliche Wirkung für (den Revisionswerber) waren und rechtlich keinen Geldfluß aus einem Dienstverhältnis darstellen". Ein wirksamer Geldfluss setze voraus, dass der Empfänger "geistig, psychisch, körperlich in der Lage ist über das Geld zu verfügen". Mit "Verfügen" könne der Gesetzgeber nicht irgendeine ungesteuerte Handlung des Empfängers meinen, vielmehr müsse der Empfänger in der Lage sein, mit zielgerichteter Entscheidungsfähigkeit die Geldmittel einzusetzen. Diese Fähigkeit beschränke nicht, dass der Empfänger völlig unsinnige Ausgaben machen könne, aber diese Entscheidung müsse gewillkürt erfolgen. Diese Fähigkeit fehle dem Revisionswerber, weshalb ihm ein Sachwalter beigestellt worden sei.

8 Das Bundesfinanzgericht führte in weiterer Folge Erhebungen bei den Dienstgebern des Revisionswerbers durch.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) kein Folge. Es stellte - unter Bezugnahme auf die diesbezüglich durchgeführten Erhebungen - fest, die Dienstgeber des Revisionswerbers hätten die streitgegenständlichen Zahlungen nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht. Im Übrigen ging das Bundesfinanzgericht - wie zuvor das Finanzamt - davon aus, dass die allfällige Nichtigkeit der zwischen den Dienstgebern und dem Revisionswerber begründeten Dienstverhältnisse nichts an der Steuerpflicht der daraus resultierenden Lohnzahlungen ändere. Dem Vorbringen, ein wirksamer Geldzufluss setze voraus, dass der Empfänger geistig, psychisch, körperlich in der Lage sei, über das Geld zu verfügen, sei zu entgegnen, dass für den Zufluss die Verwendung der Einkünfte unerheblich sei. Die Lohnzahlungen der diversen Dienstgeber seien ohne Zweifel auf die diversen Bankkonten lautend auf den Revisionswerber überwiesen worden. Damit seien die Zahlungen in den Verfügungsbereich des Revisionswerbers bzw. seines Sachwalters gelangt, sodass es einer wirksamen Quittierung der Zahlungen nicht bedurft habe.

10 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es sich bei der Frage, ob dem Revisionswerber Lohnzahlungen zugeflossen seien, um eine auf der Tatsachenebene zu beantwortende Sachverhaltsfrage handle, die vom Gericht bejaht worden sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt wird, es gebe keine Judikatur zur Frage, ob Zahlungen aus kurzfristigen Dienstverhältnissen als gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 zugeflossen zu qualifizieren seien, wenn "der (Revisionswerber) infolge eines gerichtlich bestellten Sachwalters derartige Zahlungen wirksam nur mit und über den Sachwalter, der für diese Belange zuständig war/ist, wirksam annehmen und verfügen kann". Weiters wird gerügt, das Bundesfinanzgericht sei im angefochtenen Erkenntnis zu Unrecht davon ausgegangen, dass Zahlungen auf ein Konto des Revisionswerbers zwingend in den Verfügungsbereich des Sachwalters gelangten. Darauf aufbauend habe es die unrichtige Feststellung getroffen, dass der Sachwalter verfügungsberechtigt geworden sei. "In dieser ohne Sachgrundlage aus dem Beweisergebnis getroffenen Feststellung liegt ein Verfahrensmangel von grundsätzlicher Bedeutung für die gegenständliche Revision, weil tragende Grundsätze des Verfahrensrechts hintangestellt wurden (VwGH, Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2015/02/0156)".

12 Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

15 Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

16 Gemäß § 2 Abs. 1 EStG ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Jahres bezogen hat. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) unterliegen gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1988 der Einkommensteuer. Die Bestellung eines Sachwalters ändert für sich nichts an der Einkünftezurechnung (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel EStG Kommentar, § 2 Tz 93).

17 Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Jahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Zugeflossen ist eine Einnahme nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 dann, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich bzw. tatsächlich verfügen kann (vgl. z.B. VwGH 29.1.2014, 2009/13/0209, VwSlg 8880/F).

18 Ist ein Rechtsgeschäft wegen eines Formmangels oder wegen des Mangels der Rechts- oder Handlungsfähigkeit nichtig, so ist dies gemäß § 23 Abs. 3 BAO für die Erhebung der Abgaben insoweit und so lange ohne Bedeutung, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen lassen.

19 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass der Revisionswerber im Jahr 2010 für mehrere Dienstgeber als Dienstnehmer tätig gewesen ist und die streitgegenständlichen Lohnzahlungen auf Bankkonten des Revisionswerbers überwiesen worden sind.

20 Dass der Revisionswerber die streitgegenständlichen Lohnzahlungen erhalten hat, wird in der Revision "als faktischer Vorgang" außer Streit gestellt. Dort wird aber - wie im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren - der Standpunkt vertreten, dass hinsichtlich der Wirksamkeit eines Geldflusses bei vorliegender Geschäftsunfähigkeit des Steuerpflichtigen ein strenger Maßstab angelegt werden müsse, "sodass solche Rechtsgeschäfte (Übernahme des Geldes und Quittung) nichtig sind und auch nicht die Qualifikation eines Geldflusses iSd § 19 Abs. 1 leg cit erreichen". Diese Rechtswirkung bewirke auch, "dass der (Revisionswerber) entgegen der Entscheidung des BFG nicht abgabepflichtig wird".

21 Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes für die Abgabenerhebung solange ohne Bedeutung ist, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliche Ergebnisse eintreten und bestehen lassen (§ 23 Abs. 3 BAO). Dies gilt - ungeachtet dessen, ob diese Rechtsgeschäfte als Folge ihrer Rechtswidrigkeit (z.B. gemäß § 879 ABGB) nichtig sind oder sich die Nichtigkeit wegen eines Formmangels oder des Mangels der Rechts- und Handlungsunfähigkeit ergibt - jedenfalls dann, wenn ein Abgabentatbestand - wie im Revisionsfall - an wirtschaftliche Vorgänge anknüpft (vgl. idS Stoll, BAO - Kommentar, 276 f; ebenso Ritz, BAO6, § 23 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO5, § 23 Anm 10; sowie z. B. VwGH 22.7.2015, 2011/13/0067 und 0139, VwSlg 9018/F). 22 Der unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgetragenen Rüge, wonach das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass Zahlungen auf ein Konto des Revisionswerbers zwingend in den Verfügungsbereich des Sachwalters gelangten, ist zunächst entgegen zu halten, dass das angefochtene Erkenntnis nicht von einer solchen Feststellung ausgeht. Vielmehr stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass die Geldmittel in den Verfügungsbereich des Steuerpflichtigen oder ("bzw.") des Sachwalters gelangt seien. Entscheidend ist aber, dass der hier in Rede stehende Abgabentatbestand auch dann verwirklicht wird, wenn die Lohnzahlungen nicht in den Verfügungsbereich des Sachverwalters gelangen, sondern in den Verfügungsbereich des Steuerpflichtigen, der - wie sich dies aus der Aktenlage ergibt - auch tatsächlich über diese Geldmittel verfügt hat. 23 Die vorliegende Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. 24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017130024.L00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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