TE Vwgh Beschluss 2019/4/30 Ra 2018/12/0059

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Index

E1P
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
65/01 Allgemeines Pensionsrecht
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §634 Abs12 Z1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
PG 1965 §41 Abs3
PG 1965 §99 Abs1
PG 1965 §99 Abs6
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
VwRallg
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2018, Zl. W217 2111335-1/14E, betreffend Bemessung von Ruhebezügen (mitbeteiligte Partei: B B in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die am 10. November 1946 geborene Mitbeteiligte trat mit Ablauf des 31. Dezember 2011 gemäß § 13 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) in den Ruhestand. 2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom 9. Mai 2012 wurde festgestellt, dass ihr vom 1. Jänner 2012 an ein Ruhegenuss in der Höhe von monatlich brutto EUR 2.483,87 sowie eine Nebengebührenzulage in der Höhe von monatlich brutto EUR 595,70 gebühre.

3 In ihrer Eingabe vom 20. Mai 2015 vertrat die Mitbeteiligte mit näherer Begründung die Auffassung, die Anwendung des § 41 Abs. 3 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, bei der Anpassung ihrer Ruhebezüge ab 1. Jänner 2015 verstoße gegen Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL).

§ 41 Abs. 3 PG 1965 benachteilige nämlich ältere (vor dem 1. Jänner 1955 geborene) Beamte gegenüber jüngeren (nach diesem Zeitpunkt geborenen) Beamten in Ansehung der für die Pensionserhöhung vorgesehenen Modalitäten. Davon ausgehend beantragte die Mitbeteiligte die bescheidmäßige Feststellung der ihr ab dem 1. Jänner 2015 zustehenden Beamtenpension und die Nachzahlung der Bezugsdifferenz.

4 Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom 24. Juni 2015 wurde auf Grund dieses Antrags gemäß § 41 Abs. 1, 2 und 3 PG 1965 festgestellt, dass der Mitbeteiligten ab 1. Jänner 2015 ein Ruhebezug in der Höhe von monatlich brutto EUR 3.176,27 gebühre. Bei dieser Bemessung brachte die Behörde auch § 41 Abs. 3 PG 1965 zur Anwendung. Dazu vertrat sie mit näherer Begründung die Rechtsauffassung, diese Bestimmung sei verfassungskonform; eine Altersdiskriminierung liege auch deshalb nicht vor, weil für die ab dem 1. Jänner 1955 geborenen Beamten das System der Parallelrechnung nach § 99 PG 1965 gelte. 5 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 19. August 2016 gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab. Das Gericht vertrat die Ansicht, die in Rede stehende unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters, nämlich die in § 41 Abs. 3 PG vorgesehene, lediglich für vor dem 1. Jänner 1955 geborene Beamte zum Tragen kommende Deckelung der Pensionsanpassung, stehe nicht im Widerspruch zu der RL. Der Umstand, dass ab dem 1. Jänner 1955 geborene Beamte bei der Bemessung ihres Ruhebezuges einer für sie ungünstigeren Parallelrechnung unterlägen, rechtfertige die bestehende Ungleichbehandlung.

6 Infolge der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision der Mitbeteiligten hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Oktober 2017, Ro 2016/12/0027, die zuletzt genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. In seinen Erwägungen führte der Verwaltungsgerichtshof auszugsweise Folgendes aus:

"Die nach dem PG 1965 dem Bundesbeamten zustehende Pension ist einem Arbeitsentgelt der Beamten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c RL gleichzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine gemäß § 99 Abs. 5 PG 1965 zustehende Gesamtpension handelt (vgl. zu all dem das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 21. Jänner 2015, Rs C-29/13, Felber, Rz 24).

Die Festlegung ihrer jeweiligen Höhe ist daher - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - an Art. 2 und 6 RL zu messen.

Wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, beruht die in § 41 Abs. 3 PG 1965 in Abweichung von den sonstigen Regeln festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung für vor dem 1. Jänner 1955 geborene Beamte auf einer unmittelbaren Ungleichbehandlung auf Grund des Alters. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen die unmittelbar anwendbare RL, sofern sie nicht aus dem Grunde des Art. 6 RL gerechtfertigt ist.

In diesem Zusammenhang vertrat das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst - die Auffassung, die hier vorliegende Schlechterstellung von Beamten, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren wurden, gegenüber jüngeren Beamten in Ansehung der Pensionsanpassung sei gerechtfertigt, weil auch diese (älteren) Beamten einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen (durch eine geringere Anpassung in den ersten drei Jahren des Pensionsbezuges) leisten sollen. Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht offenkundig davon aus, dass die zu einem solchen Beitrag nicht herangezogenen jüngeren Beamten ihren Beitrag zu diesem Ziel dadurch zu leisten haben, dass für sie die (ungünstigere) Bemessung der Ruhebezüge im Wege der Parallelrechnung gemäß § 99 Abs. 1 bis 5 PG 1965 zur Anwendung gelangt.

Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass die in der vorzitierten Gesetzesbestimmung vorgesehene Parallelrechnung nicht für alle nach dem 31. Dezember 1954 geborenen (jüngeren) Beamten gilt. Aus dem Grunde des § 99 Abs. 6 PG 1965 ist nämlich eine Parallelrechnung nicht durchzuführen, wenn der Anteil der ab 1. Jänner 2005 erworbenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit an der gesamten ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit weniger als 5 % oder weniger als 36 Monate beträgt. In diesem Fall ist der Ruhebezug nach den Bestimmungen des PG 1965 mit Ausnahme des Abschnittes XIII zu bemessen.

Daraus folgt, dass nach dem 31. Dezember 1954 geborene Beamte, welche unter die Ausnahmebestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 fallen, der Parallelrechnung ebenso wenig unterliegen wie die Revisionswerberin. Dennoch kommt für diese Beamte - weil sie nicht vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind - die ungünstige Pensionsanpassungsregel des § 41 Abs. 3 PG 1965 nicht zur Anwendung, sodass der vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführte Rechtfertigungsgrund gemäß Art. 6 RL für eine Ungleichbehandlung der Revisionswerberin im Vergleich zu dieser Gruppe jüngerer Beamter nicht zum Tragen kommt.

Jedenfalls in Ermangelung anderer vom Bundesverwaltungsgericht festgestellter bzw. ins Treffen geführter Rechtfertigungsgründe stünde aber der Anwendungsvorrang des Art. 2 RL einer Anwendung des § 41 Abs. 3 PG 1965 entgegen, weil dadurch die Altersgruppe der Revisionswerberin gegenüber nach dem 31. Dezember 1954 geborenen Beamten, auf welche die Sonderbestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 Anwendung findet, diskriminiert wäre. Die zuletzt genannte Altersgruppe erlangt nämlich nicht nur - wie die erstgenannte Altersgruppe - einen ihrer bisherigen Dienst- und Beitragsleistung angepassten, ausschließlich nach den günstigeren Regeln des PG 1965 ermittelten (Erst-)Ruhebezug, sondern darüber hinaus - anders als die erstgenannte Altersgruppe - eine günstigere Anpassung desselben während der ersten drei Jahre des Ruhestandes."

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und stellte fest, dass ihr vom 1. Jänner 2015 an ein Ruhebezug von monatlich brutto EUR 3.182,03 (bestehend aus Ruhegenuss und Nebengebührenzulage) sowie die Nachzahlung der entsprechenden Bezugsdifferenz gebühre.

8 Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

9 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Anwendungsvorrang des Art. 2 RL stehe im vorliegenden Fall der Anwendung des § 41 Abs. 3 PG 1965 entgegen. Durch die Regelung des § 41 PG 1965 würden Beamte diskriminiert, welche nach dem 31. Dezember 1954 geborenen worden seien und auf welche die Sonderbestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 anzuwenden sei. Die nach dem 31. Dezember 1954 geborenen Beamten erlangten nämlich nicht nur einen ihrer bisherigen Dienst- und Beitragsleistung angepassten, ausschließlich nach den günstigeren Regeln des PG 1965 ermittelten (Erst-)Ruhebezug, sondern darüber hinaus - anders als die vor dem 1. Jänner 1955 Geborenen - eine günstigere Anpassung desselben während der ersten drei Jahre des Ruhestandes. Im Ergebnis bewirke der Anwendungsvorrang des Unionsrechtes, dass § 41 Abs. 3 PG 1965 insoweit verdrängt werde, als diese Bestimmung die Mitbeteiligte gegenüber anderen Beamten, welche nach dem 31. Dezember 1954 geboren worden seien und auf welche die Sonderbestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 Anwendung finde bzw. gefunden habe, diskriminiere.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung und Zurückverweisung an das Bundesverwaltungsgericht beantragt wird.

11 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision geltend, es wäre vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchzuführen oder der revisionswerbenden Partei die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme einzuräumen gewesen. Die revisionswerbende Amtspartei hätte dann mit näherer Begründung dargelegt, dass eine Diskriminierung nicht vorliege bzw. Rechtfertigungsgründe gegeben seien, wenn eine Diskriminierung bloß theoretischer Natur sei und eine Pensionsanpassung auf Grund des Alters tatsächlich niemals stattgefunden habe.

12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 16 Die im vorliegenden Revisionsfall betreffend die Behauptung des Nichtvorliegens einer Diskriminierung gemäß der RL zu beantwortenden Rechtsfragen gleichen jenen, die der Verwaltungsgerichtshof im hg. Beschluss vom 28. Februar 2019, Ra 2018/12/0054, auf Grundlage einer Revision der auch hier revisionswerbenden Amtspartei bereits beantwortet hat. Es wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf die Begründung des genannten Beschlusses verwiesen, in der das Vorbringen der revisionswerbenden Partei bereits abvotiert wurde. Demnach gibt es nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich eine - wenn auch kleine - Gruppe gegenüber der Mitbeteiligten aufgrund des Alters begünstigter Personen. Es ist nämlich die von der revisionswerbenden Behörde anhand konkreter Beispiele illustrierte Gruppe der gemäß § 99 Abs. 6 PG 1965 von der Parallelrechnung Ausgenommenen (der die Mitbeteiligte schon deshalb nicht angehört, weil sie nicht nach dem 31. Dezember 1954 geboren wurde) zugleich von der in § 41 Abs. 3 PG 1965 vorgesehenen Deckelung der Pensionsanpassung nicht betroffen; dies weil der in § 99 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 6 PG 1965 umschriebene Personenkreis aufgrund des Lebensalters dieser Personen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 41 Abs. 3 PG 1965 fällt (siehe dazu auch VwGH 25.10.2017, Ro 2016/12/0027).

17 Hingegen kommt die Mitbeteiligte aufgrund ihres Lebensalters zwar jedenfalls in den Genuss der für die Ruhebezugsbemessung günstigeren Regeln des "Altsystems" (weil sie nicht nach dem 31. Dezember 1954 geboren wurde und ihr Ruhebezug daher nicht der Parallelrechnung unterliegt; vgl. § 99 Abs. 1 PG 1965). Allerdings zählt die Mitbeteiligte aufgrund ihres Lebensalters (weil sie vor dem 1. Jänner 1955 geboren wurde) auch jedenfalls zu jener Personengruppe, die von der Deckelung der Pensionsanpassung gemäß § 41 Abs. 3 PG 1965 potentiell betroffen ist. De facto wirkte sich die in § 41 Abs. 3 PG 1965 vorgesehene Deckelung auch nachteilig auf die Anpassung des Ruhebezugs der Mitbeteiligten aus. Bereits insofern geht daher die Zulässigkeitsbegründung, wenn sie auf eine bloß theoretische Diskriminierung der Mitbeteiligten verweist, von einer unzutreffenden Prämisse aus.

18 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision zielt darauf ab darzulegen, dass die vorliegende Ungleichbehandlung auch dann unverändert fortbestünde, wenn die die Mitbeteiligte benachteiligende Regelung des § 41 Abs. 3 PG 1965 in ihrem Anwendungsbereich auf jenen Personenkreis erstreckt würde, auf den die Bestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 zur Anwendung gelangt. Es wäre nämlich nach Ansicht der revisionswerbenden Behörde auch im Fall der hypothetischen Anwendung des § 41 Abs. 3 PG 1965 auf den in § 99 Abs. 6 PG 1965 genannten Personenkreis, die zuletzt genannte Personengruppe gegenüber der Mitbeteiligten besser gestellt, weil die tatsächlich von der Regelung des § 99 Abs. 6 PG 1965 betroffenen Personen einen Ruhebezug in geringerer Höhe bezögen und daher für sie die (an die Höhe des Ruhebezugs anknüpfenden und bei höheren Ruhebezügen für die Pensionsanpassung nachteiligen) Deckelungsbestimmungen des § 41 Abs. 3 PG 1965 nicht zum Tragen kämen.

19 Dazu ist festzuhalten, dass aus dem von der Behörde ins Treffen geführten Argument nichts für ihren Rechtsstandpunkt zu gewinnen ist. Dass die in § 99 Abs. 6 PG 1965 vorgesehene Begünstigung ausschließlich Personen beträfe, deren Ruhebezug den in § 634 Abs. 12 Z 1 ASVG genannten Betrag nicht erreicht, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch enthält die Zulässigkeitsbegründung dazu ein substantiiertes Vorbringen (vgl. dazu insbesondere die Definition der direkten Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 2 lit. a RL, nach deren letztem Fall es ausreicht, dass eine andere Person eine günstigere Behandlung "erfahren würde", weshalb es auf das tatsächliche Bestehen einer Ungleichbehandlung gar nicht ankommt; zu Aspekten einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts, die sich bereits aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und infolge "rechtlicher Untersuchungen" erschließen, EuGH 8.4.1976, "Defrenne II", C-43/75; siehe dazu auch VwGH 4.8.2004, 2003/08/0249; siehe auch EuGH 15.1.2019, E.B., C- 258/17, Rn 66; vgl. auch Martin Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, 53).

20 Dass angesichts der Höhe des Ruhebezuges für die von § 99 Abs. 6 PG 1965 erfasste Personengruppe (und zwar aufgrund der in § 99 Abs. 6 PG 1965 niedergelegten Voraussetzungen) eine in maßgeblichen Punkten andere Ausgangslage gegeben wäre als für die Gruppe der von den Deckelungsregelungen des § 41 Abs. 3 PG 1965 (aufgrund der Höhe ihres Ruhebezuges) faktisch Betroffenen, ist nicht ersichtlich (vgl. zu der hier vorliegenden unmittelbaren Altersdiskriminierung und zu der daran anknüpfenden Frage nach dem Bestehen etwaiger Rechtfertigungsgründe VwGH 25.10.2017, Ro 2016/12/0027).

21 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen oder zumindest der revisionswerbenden Partei die Möglichkeit der Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme einräumen müssen. Auf Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC vermag sich die revisionswerbende Amtspartei in diesem Zusammenhang nicht zu stützen:

22 Die Vertragsstaaten sind die aus der EMRK und der Grundrechtecharta Verpflichteten, die ihrer Staatsgewalt unterstehenden Personen die Berechtigten. Die revisionswerbende Amtspartei ist als Behörde dem Staat zuzuordnen, sodass ihr Rechte - wie das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder sonstiger Verfahrensschritte - auf Grundlage des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC nicht zustehen.

Im Rahmen ihrer Aufgabe der Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des Verfahrens wäre die Amtspartei auch berechtigt gewesen, in der Amtsrevision die Verletzung von Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC zugunsten der Mitbeteiligten geltend zu machen. Dies ist im vorliegenden Revisionsfall nicht geschehen. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC wären nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fallbezogen einer Abstandnahme von einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht allerdings nicht entgegengestanden, weil dem Rechtsstandpunkt der einzigen durch Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geschützten Partei, nämlich der Mitbeteiligten, zur Gänze Rechnung getragen wurde (vgl. z.B. VwGH 18.12.2014, Ro 2014/12/0023; 19.12.2012, 2011/12/0143; 22.5.2012, 2011/12/0181; 17.10.2011, 2010/12/0170; 27.2.2009, 2008/17/0019; 23.6.2008, 2006/05/0015).

23 Im Allgemeinen führt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (oder Beschlusses), wenn das Verwaltungsgericht bei deren Einhaltung zu einem anders lautenden Erkenntnis (oder Beschluss) hätte gelangen können, also nur dann, wenn dieser Verfahrensmangel relevant im Sinne eines möglichen Einflusses auf das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses (oder Beschlusses) des Verwaltungsgerichts sein könnte, wobei es Sache der revisionswerbenden Partei ist, eine solche Relevanz aufzuzeigen. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK entspricht dies auch der hg. Rechtsprechung zum Verfahrensmangel der vor dem Verwaltungsgericht unterbliebenen mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 27.5.2015, Ra 2014/12/0021, unter Berufung auf VwGH 23.1.2013, 2010/15/0196, 27.3.2018, Ra 2015/06/0118, mwN). 24 Die revisionswerbende Amtspartei hätte daher im Sinne obiger Ausführungen die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel, nämlich der Nichtdurchführung einer - nach dem Vorgesagten zwar nicht nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC, allenfalls jedoch gemäß § 24 VwGVG zur Wahrung der öffentlichen Interessen gebotenen - mündlichen Verhandlung und der Nichteinräumung einer schriftlichen Stellungnahme aufzeigen müssen. Dass ihr mit ihrem im Zulässigkeitsvorbringen zum Nichtvorliegen einer Diskriminierung gemäß der RL erstatteten Vorbringen kein Erfolg beschieden gewesen wäre, wurde bereits dargelegt. Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wurde somit die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt.

25 Aus den dargelegten Erwägungen liegen im vorliegenden Revisionsfall die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, weshalb die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 30. April 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120059.L00

Im RIS seit

19.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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