TE OGH 2019/6/3 16Ok1/19m

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Veröffentlicht am 03.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin Dr. Solé als weitere Richter in der Kartellrechtssache des Antragstellers F*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin D***** AG, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Abstellung einer Zuwiderhandlung gemäß § 26 KartG, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 4. März 2019, GZ 27 Kt 13/16p-85, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrte

I. die Abstellung der Zuwiderhandlung durch Untersagung

1. der Vorschreibung oder Einhebung einer Distribution Cost Charge (DCC) bei Verkäufen von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich und Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros, jeweils unter Verwendung eines Global Distribution Systems (GDS),

in eventu, die Vorschreibung oder Einhebung einer solchen oder einer gleichgerichteten Gebühr in unangemessener Höhe, sowie

2. der Geltendmachung unterschiedlicher Preise bzw Konditionen bei Buchungen von Flugtickets durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern bei sonst (bezüglich Strecke, Buchungszeit und Ticketkategorie/Beförderungsklasse) gleichwertigen Buchungsanfragen;

II. hilfsweise die Feststellung, dass die Antragsgegnerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Fall von Verkäufen von Flugtickets durch Reisebüros an österreichische Kunden unter Verwendung eines GDS durch Einhebung einer Distribution Cost Charge oder einer gleichgerichteten Gebühr ihre marktbeherrschende Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG und/oder Art 102 AEUV missbraucht habe.

Die Antragstellerin bestritt sämtliche Begehren.

Mit Beschluss vom 6. 12. 2017 (ON 58) des Kartellgerichts wurde der Antrag I.1. auf Untersagung der Vorschreibung einer Distribution Cost Charge samt Eventualbegehren abgewiesen. Hingegen wurde Punkt I.2. des Antrags stattgegeben und der Antragsgegnerin untersagt, bei Buchungen von Flugtickets über GDS durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden einerseits und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern andererseits bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen unterschiedliche Preise bzw Konditionen, insbesondere höhere Preise, zu verlangen. Das Eventualfeststellungsbegehren wurde abgewiesen.

Dem Rekurs des Antragstellers gegen die Abweisung von Punkt I.1. des Antrags wurde vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht in der Entscheidung 16 Ok 1/18k, 16 Ok 2/18g, keine Folge gegeben. Dem Rekurs der Antragsgegnerin wurde hingegen teilweise Folge gegeben und ein Teilbeschluss für die Preisbildung auf der Strecke Graz-Frankfurt laut Antrag erlassen. Hinsichtlich der übrigen von der Antragsgegnerin angebotenen Flugstrecken wurde der angefochtene Beschluss in seinem Punkt I.2. aufgehoben und dem Kartellgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

In der Folge zog der Antragsteller den von der Aufhebung betroffenen noch offenen Antrag zurück (ON 77).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss setzte das Erstgericht die gerichtliche Rahmengebühr für Punkt I.1. des Antrags mit 20.000 EUR fest und erlegte die Zahlungspflicht dem Antragsteller auf. Für Punkt I.2. des Antrags setzte es die gerichtliche Rahmengebühr mit 10.000 EUR fest und erklärte die Antragsgegnerin für zahlungspflichtig. Weiters sprach es aus, dass die aus Amtsgeldern zu berichtigenden Gebühren und Kosten vom Antragsteller zu zwei Dritteln und von der Antragsgegnerin zu einem Drittel zu bezahlen sind.

Zwischen dem Abstellungsantrag laut Punkt I.1. und der Geltendmachung unterschiedlicher Preise laut Punkt I.2. bestehe kein innerer Zusammenhang. Daher sei von einer objektiven Antragshäufung auszugehen, die eine gesonderte Gebührenpflicht für die beiden Anträge zur Folge habe.

Die Antragsgegnerin sei mit ihrem Begehren hinsichtlich Punkt I.1. des Antrags zur Gänze unterlegen. Hingegen sei sie mit Punkt I.2. im Wesentlichen durchgedrungen. Daher sei der Verfahrenserfolg iSd § 52 Abs 2 KartG so zu gewichten, dass Punkt I.1. des Antrags zugunsten der Antragsgegnerin und Punkt I.2. zugunsten des Antragstellers entschieden worden sei. Daher seien die Rahmengebühren für Punkt I.1. vom Antragsteller, jene für Punkt I.2. des Antrags von der Antragsgegnerin zu tragen.

Unter Berücksichtigung der Ersatzpflicht für die Rahmengebühr seien die Sachverständigengebühren sowie die Vergütung der fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts vom Antragsteller zu zwei Drittel und von der Antragsgegnerin zu einem Drittel zu tragen. Wenngleich der größere Teil des Gutachtens der Frage der DCC gewidmet gewesen sei, habe sich der Sachverständige doch auch mit der Marktabgrenzung im Zusammenhang mit dem Antrag zu Punkt I.2. auseinandergesetzt. Seine Beantwortung der Frage der Marktabgrenzung habe wesentlich auf den Vorarbeiten zu Punkt I.1. des Antrags aufgebaut, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Gutachten nur zur Frage der DCC erstattet worden sei. Das Gleiche gelte für die Vergütung der fachkundigen Laienrichter. Gegenstand der Verhandlungen vor dem Kartellgericht und des Rechtsmittelverfahrens beim Kartellobergericht seien beide Anträge gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsgegnerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antragsteller auch die Zahlungspflicht für die mit 10.000 EUR festgesetzte Rahmengebühr für Punkt I.2. des Antrags auferlegt werde. Hilfsweise wird die Abänderung dahin begehrt, dass diese Gebühr zu 121/122 Teilen, somit 9.918 EUR, dem Antragsteller und zu 1/122 Teilen, somit 82 EUR, der Antragsgegnerin auferlegt werde. Weiters wird die Abänderung des Spruchpunktes II. dahin beantragt, dass die aus Amtsgeldern zu berichtigenden Gebühren und Kosten zur Gänze von dem Antragsteller zu tragen seien.

Der Antragsteller hat eine Rekursbeantwortung erstattet, in der er beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Rekurswerberin die Höhe der vom Kartellgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden (§ 54 KartG) Rahmengebühr nicht bekämpft. Die Rekurswerberin wendet sich vielmehr ausschließlich gegen die vom Erstgericht vorgenommene Aufteilung der Zahlungspflicht, soweit ihr die Zahlungspflicht für die Rahmengebühr für Punkt I.2. des Antrags und für die Kosten nach § 55 KartG auferlegt wurde.

1.2. Der Oberste Gerichtshof hält die Erwägungen des Erstgerichts für zutreffend, die Rekursausführungen hingegen für nicht zutreffend, sodass auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).

2.1. Dringt ein Antragsteller nur mit einem Teil seines Begehrens durch, wendet die Rechtsprechung die Prinzipien des § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO an. Handelt es sich um Ansprüche, die nicht in Geld bestehen und deren Verhältnis sich nicht eindeutig rechnerisch bemessen lässt, hat das Gericht das Verhältnis des erfolgreichen und des abgewiesenen Begehrens nach freiem Ermessen zu bestimmen (RS0035831). Dabei kommt dem Gericht ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Im Zuge dieser Beurteilung ist vor allem die unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der jeweiligen Teilbegehren von Bedeutung, aber auch der jeweilige Verfahrensaufwand (16 Ok 48/05; 16 Ok 11/09 – Asphaltmischanlage III, Schaller in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 52 Rz 12).

2.2. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 16 Ok 48/05 dargelegt hat, ist bei der Entscheidung über die Zahlungspflicht zu berücksichtigen, ob die Antragstellerin das „deklarierte Hauptziel“ erreicht und dieser Ausgang beträchtliche wirtschaftliche Auswirkungen hat (vgl auch Gugerbauer in Gugerbauer, Kartellgesetz und Wettbewerbsgesetz3 § 52 KartG Rz 8). Eine rein nach formalen Gesichtspunkten vorgenommene Aufteilung auf mehrere Anträge ohne Bedachtnahme auf den wirtschaftlichen Gehalt oder den verursachten Verfahrensaufwand würde diesen Kriterien nicht entsprechen.

2.3. An dieser Judikatur hat sich das Erstgericht orientiert, wenn es auf die grundsätzliche Klärung der maßgeblichen Rechtsfrage und damit auf die wirtschaftliche Bedeutung Bedacht nahm.

2.4. Zutreffend hat das Erstgericht bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass der gesamte Verfahrensaufwand bezüglich der unterschiedlichen Ticketpreise auf die Strecke Graz-Frankfurt entfiel. Die 121 weiteren benannten Flugstrecken verursachten demgegenüber keinerlei zusätzlichen Verfahrensaufwand.

2.5. Wenngleich es für die Entscheidung nach § 52 Abs 2 KartG auf den Grund für das Obsiegen grundsätzlich nicht ankommt (16 Ok 19/02; 16 Ok 4/95), ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass bereits die Stattgebung des Antrags bezüglich der Strecke Graz-Frankfurt eine grundsätzliche Klärung der Rechtslage brachte, die auch für die weiteren Flugstrecken der Antragsgegnerin Bedeutung entfaltet. Mit der Entscheidung über die Strecke Graz-Frankfurt ist nämlich klargestellt, dass auf Strecken, auf denen der Antragsgegnerin eine marktbeherrschende Stellung zukommt, das Verlangen unterschiedlicher Ticketpreise je nach Buchungsort eine unzulässige Diskriminierung bedeutet. Bei dieser Sachlage wäre es aber in Hinblick auf die im Kostenersatzrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht gerechtfertigt, den Antragsteller hinsichtlich Punkt I.2. des Antrags als (überwiegend) „unterlegen“ anzusehen. Vielmehr ist daher insoweit der Argumentation des Antragstellers beizupflichten, dass mit der (teil-)stattgebenden Entscheidung in diesem Punkt der „materielle Verfahrenserfolg“ bereits eingetreten war, sodass es plausibel erscheint, dass die Anträge hinsichtlich der weiteren Flugstrecken vom Antragsteller lediglich aus prozessökonomischen Gründen zurückgezogen wurden.

2.6. Zusammenfassend ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht die Rahmengebühr für Punkt I.2. des Antrags der Antragsgegnerin auferlegt hat.

3.1. Für sonstige Kosten, insbesondere Sachverständigengebühren und nach der Anzahl der Sitzungen oder Verhandlungen bemessene Vergütungen für die fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts sind gemäß § 55 KartG die Personen zahlungspflichtig, die die Gerichtsgebühr zu entrichten haben.

3.2. Trifft die Parteien die Verpflichtung zur Zahlung der Rahmengebühr anteilig, sind auch die Sachverständigengebühren verhältnismäßig zu tragen (Gugerbauer aaO § 55 KartG Rz 1).

3.3. Im vorliegenden Fall hat das Kartellgericht jedoch – in Einklang mit den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätzen (vgl 16 Ok 5/15v) – zwei Rahmengebühren festgesetzt, weil zwischen den einzelnen Begehren kein innerer Zusammenhang besteht. Dies legt nahe, die Sachverständigenkosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die auch die Zahlungspflicht für die Gerichtsgebühr für jenen Anspruch trifft, zu dessen Klärung das Gutachten eingeholt wurde.

3.4. Auch zu § 43 Abs 1 ZPO wird vertreten, dass für die Ersatzpflicht von Sachverständigengebühren, die sich nur auf einzelne von mehreren Ansprüchen beziehen, nur das Obsiegen bzw Unterliegen mit diesem Teil des Streitgegenstands relevant ist (M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozess 205 FN 66 und 314). Dieser Auffassung haben sich zahlreiche zweitinstanzliche Entscheidungen angeschlossen (OLG Wien WR 571; RFE0000047). Für das Kartellverfahren wird dieser Ansatz von Schaller (in Petsche/Urlesberger/Vartian aaO § 55 KartG Rz 3) vertreten.

3.5. Der gegenteiligen im Rekurs vertretenen Auffassung liegt eine rein formale Betrachtungsweise zugrunde, die sich in einer numerischen Gegenüberstellung der Flugstrecken, hinsichtlich der eine stattgebende Entscheidung erfolgte, und solcher Strecken, bei denen dies nicht der Fall war, erschöpft. Eine derartige rein formale Betrachtung entspricht jedoch nicht den zuvor wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung.

3.6. Wenngleich das schriftliche Sachverständigengutachten sich nicht mit der Frage der Marktabgrenzung im Zusammenhang mit Punkt I.2. des Antrags befasste, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 11. 10. 2017 zu dieser Frage doch mündlich Stellung genommen. Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang davon ausging, dass für die Beantwortung dieser Frage auch ein Rückgriff des Sachverständigen auf seine durch Erstattung des schriftlichen Gutachtens erworbenen Vorkenntnisse erforderlich war, ist dies nicht zu beanstanden. Für die Auferlegung der auf diesen Teil des Begehrens entfallenden Kosten iSd § 55 KartG reicht bereits aus, dass das Sachverständigengutachten überhaupt (wenn auch möglicherweise in untergeordnetem Umfang) auch der Klärung des diesbezüglichen Teils des Begehrens gedient hat.

3.7. Letztlich räumt auch die Rekurswerberin selbst ein, dass die Tätigkeit des Sachverständigen auch der Klärung des Punktes I.2. des Antrags gedient hat, wenn sie ausführt, die „kurze Beantwortung einer Frage“ rechtfertige nicht die Zahlungspflicht für ein Drittel der Gebühren. Damit wird aber im Ergebnis nicht mehr eine ausschließliche Veranlassung, sondern eine unrichtige Ermessensübung hinsichtlich der Aufteilung der Kosten (analog § 52 Abs 2 KartG) releviert. Diese Argumentation ist jedoch nicht stichhaltig. Mit einer derartigen Detailprüfung, inwieweit das Gutachten auch der Klärung weiterer Begehren gedient hat, soll die Kostenentscheidung nicht belastet werden. Im Interesse der Rechtssicherheit und leichteren Handhabbarkeit ist hier vielmehr eine Orientierung an leicht handhabbaren Kriterien geboten. In diesem Sinne knüpft § 55 KartG an die Zahlungspflicht für die Rahmengebühr an, die nach dem Gesagten hinsichtlich des Punktes I.2. des Begehrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen war. Gegenteiliges würde nur für den Fall gelten, dass bestimmte Kosten ausschließlich einem anderen Begehren zuzuordnen wären. Dies ist hier in Ansehung der Sachverständigengebühr aber nicht der Fall und wird auch von der Rekurswerberin letztlich nicht behauptet.

4. Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Beschluss daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Textnummer

E125366

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0160OK00001.19M.0603.000

Im RIS seit

27.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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