TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W224 2212163-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
SchUG §70
SchUG §71
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2212163-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkenn durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durchXXXX, wiederum vertreten durch Freimüller Obereder Pilz Rechtsanwält_innen GmbH, Alserstraße 21, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 21.11.2018, Zl. 200.002/0594-AHS/2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2018/2019 als ordentlicher Schüler das Lycée Français in Wien.

2. Am 17.10.2018 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vater, beim Stadtschulrat für Wien eine als "Widerspruch/XXXX/Kompensationsprüfung vom 12.10.2018" bezeichnete Eingabe ein. Darin machte er geltend, er habe bei der "Externistenprüfung in Geschichte" vom 12.10.2018 im Lycée Français de Vienne die Note "Nicht genügend" erhalten. Diese Beurteilung halte er für nicht gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer nach eigener Aussage alle Fragen habe beantworten können.

3. Mit Bescheid vom 21.11.2018, Zl. 200.002/0594-AHS/2018, wies der Stadtschulrat für Wien (im Folgenden: belangte Behörde) die Eingabe zurück und begründete dies damit, das Lycée Français beruhe auf dem Übereinkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien. Das gegenständliche Übereinkommen sehe die Anwendbarkeit des Schulunterrichtsgesetzes nicht vor. Das Übereinkommen sehe auch keine vergleichbaren (schulrechtlichen) Rechtsmittel im Sinne eines Widerspruchs vor. Aus diesem Grund sei keine Entscheidung der Klassenkonferenz oder der Prüfungskommission im Sinne der §§ 70, 71 SchUG ergangen. Mangels Rechtsgrundlage könne kein schulrechtlicher Widerspruch erhoben werden.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der - nunmehr rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte dazu aus, gemäß Artikel IV Abs. 1 des Übereinkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien sei für Schüler österreichischer Staatsbürgerschaft ein ergänzender Unterricht in deutscher Sprache für österreichische Geschichte verpflichtend. Der Beschwerdeführer habe nun im Rahmen der österreichischen Reifeprüfung und der darauffolgenden Kompensationsprüfung des ergänzenden Unterrichts der österreichischen Geschichte die Note "Nicht genügend" erhalten. Da gemäß Artikel IV Abs. 1 iVm Artikel X Abs. 1 des Übereinkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien für die Beurteilung der Prüfung von Prüfungsgebieten des ergänzenden Unterrichts die österreichischen Reifeprüfungsvorschriften zur Anwendung kämen, würde nach Ansicht des Beschwerdeführers auch die Möglichkeit der Einbringung eines Widerspruchs zur Bekämpfung der Note "Nicht genügend" gemäß §§ 70 und 71 SchUG offen stehen. Die Beurteilung der Reifeprüfung des ergänzenden Unterrichts sei daher aus der Sicht der Beschwerde gemäß §§ 70, 71 SchUG bekämpfbar und die Zurückweisung des Widerspruchs des Beschwerdeführers sei sohin rechtswidrig erfolgt, weil der Widerspruch einer materiellen Überprüfung zu unterziehen gewesen wäre. Darüber hinaus erstattete der Beschwerdeführer auch ein Vorbringen in materieller Hinsicht zur Leistungsbeurteilung.

5. Die belangte Behörde übermittelte die Beschwerde samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 04.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht.

6. Mit Schreiben vom 23.01.2019 erteilte das Bundesverwaltungsgericht einen Verbesserungsauftrag in Bezug auf die Vorlage einer Vertretungsvollmacht. Diesem Auftrag kam der Beschwerdeführer fristgerecht nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß Artikel I des Übereinkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien, BGBl. Nr. 44/1983, in der Fassung BGBl. Nr. 256/1994, ist das Lycee Français in Wien eine Ausbildungsstätte der Französischen Republik im Ausland. Die Bestimmungen des Kulturübereinkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik vom 15. März 1947 über das französische Kulturinstitut in Österreich finden auf die Anstalt und auf das Personal französischer Staatsbürgerschaft des Lycee Français in Wien Anwendung.

Die Erläuterungen zu Artikel I dieses Übereinkommens besagen, dass diese Bestimmung den rechtlichen Status des Lycee Français in Wien beschreibe. Das Privatschulgesetz sei nicht anwendbar (vgl. RV 1102 BlgNR 15. GP, 7).

Gemäß Artikel IV Abs. 1 des Übereinkommens wird der Unterricht im Lycee Français in Wien nach den amtlichen französischen Lehrplänen erteilt. Für Schüler österreichischer Staatsbürgerschaft ist ein ergänzender Unterricht in deutscher Sprache für Deutsch, österreichische und deutsche Literatur, österreichische Geschichte und Sozialkunde sowie österreichische Geographie und Wirtschaftskunde zur Erreichung des Lehrziels der entsprechenden österreichischen Schulen in den genannten Bereichen verpflichtend.

Die Erläuterungen zu Artikel IV halten fest, dass in dieser Bestimmung die Lehrplanautonomie Frankreichs festgelegt werde. Der für Schüler österreichischer Staatsbürgerschaft obligatorisch vorgesehene ergänzende Unterricht trete zu dem nach französischem Lehrplan vorgesehenen Unterricht hinzu und sichere - bei positiver Beurteilung - die Erreichung des Lernziels der entsprechenden österreichischen Schule im Bereich des ergänzenden Unterrichts. Damit könne ein Schüler nach Ausscheiden aus dem Lycée Français in eine österreichische öffentliche oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule aufgenommen werden. Die inhaltliche Umschreibung des ergänzenden Unterrichts folge der Entwicklung der österreichischen Lehrpläne der letzten Jahre.

Artikel X des Übereinkommens lautet:

"(1) Die Beurteilung der Prüfungen von Prüfungsgebieten des ergänzenden Unterrichts im Rahmen der Baccalaureatsprüfung erfolgt nach den österreichischen Reifeprüfungsvorschriften.

(2) Sofern Prüfungsgebiete des ergänzenden Unterrichts auf Grund des gemäß Artikel VIII geschlossenen besonderen Übereinkommens der Regierungen Teile der Baccalauréatsprüfung ersetzen, sind diese Prüfungen auch zusätzlich nach den amtlichen französischen Prüfungsvorschriften zu beurteilen. Auf dem Zeugnis sind beide Beurteilungen ersichtlich zu machen.

(3) Wird eine Prüfung über ein Prüfungsgebiet des ergänzenden Unterrichts mit "Nicht genügend" beurteilt, dann erlangt der Kandidat zusätzlich zum Baccalauréat français complet ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis nur dann, wenn er die mit "Nicht genügend" beurteilte Prüfung nach den österreichischen Rechtsvorschriften erfolgreich wiederholt."

Aus den Erläuterungen zu dieser Bestimmung geht hervor, dass die im Rahmen der Baccalauréatsprüfung abzulegenden Prüfungen aus dem ergänzenden Unterricht hinsichtlich ihrer Einrechnung in die Baccalauréatsprüfung nach dem französischen Beurteilungssystem beurteilt werden, wobei sie auch zusätzlich, um die Erlangung des österreichischen Reifezeugnisses sicherzustellen, nach österreichischen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind. Um ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis zu erwerben, muss der Kandidat die negativ angeschlossene Prüfung aus dem entsprechenden Gebiet des ergänzenden Unterrichts nach österreichischen Rechtsvorschriften wiederholen.

Soweit die Beschwerde vorbringt, dass die Möglichkeit der Einbringung eines Widerspruchs zur Bekämpfung der Note "Nicht genügend" gemäß §§ 70 und 71 SchUG offen stehen würde, weil gemäß Artikel IV Abs. 1 iVm Artikel X Abs. 1 des Übereinkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien für die Beurteilung der Prüfung von Prüfungsgebieten des ergänzenden Unterrichts die österreichischen Reifeprüfungsvorschriften zur Anwendung kämen, so verkennt sie, dass das Lycée Français in Wien eine Ausbildungsstätte der Französischen Republik im Ausland ist (vgl. Artikel I). Im Übereinkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Français in Wien ist in keiner Bestimmung geregelt, dass auch das innerstaatliche Rechtsschutzreglement des Schulunterrichtsgesetzes, konkret der §§ 70, 71 SchUG, zur Anwendung kommen soll. In den von der Beschwerde zitierten Bestimmungen des Übereinkommens geht es nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien darum, dass Schüler des Lycée Français in Wien, welche österreichische Staatsbürger sind, neben der französischen Baccalauréatsprüfung auch die österreichische Reifeprüfung erlangen. Dass dabei negativ beurteilte Prüfungen des ergänzenden Unterrichts, welche die österreichische Reifeprüfung betreffen, nach den österreichischen Rechtsvorschriften wiederholt werden können, bedeutet nicht, dass auch der innerstaatliche Rechtsschutz gegen negativ beurteilte Teile der österreichischen Reifeprüfung eröffnet ist. Aus den Angaben des Beschwerdeführers geht auch hervor, dass er im Rahmen der österreichischen Reifeprüfung eine Kompensationsprüfung im ergänzenden Unterricht betreffend den Gegenstand Geschichte ablegen konnte. Das steht jedoch in keinem Zusammenhang damit, dass der Beschwerdeführer im Anschluss an eine negative Beurteilung auch nach §§ 70, 71 SchUG vorgehen könnte.

Dies ist auch daraus deutlich erkennbar, dass der Beschwerdeführer offenbar seitens des Lycée Français in Wien keinerlei Schreiben ausgehändigt bekam, dass einer Entscheidung der Klassenkonferenz oder der Prüfungskommission (vgl. § 70 Abs. 4 SchUG) gleichkommt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind aber nur Angelegenheiten mittels Widerspruchs bekämpfbar, welche in § 71 Abs. 1 und 2 SchUG taxativ aufgezählt sind (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0106).

Es kann somit keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde die als "Widerspruch/XXXX/Kompensationsprüfung vom 12.10.2018" bezeichnete Eingabe zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht verweist an dieser Stelle ausdrücklich darauf, dass die gegenständliche Materie nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes nicht vom Schutzbereich des Art. 6 EMRK und (schon mangels der Eröffnung des Anwendungsbereichs) auch nicht von Art. 47 GRC erfasst ist (vgl. dazu VfGH 10.3.2015, E 1993/2014, wobei es der VfGH mangels Anwendungsbereichs ausdrücklich unterließ, auf die vorgebrachten Bedenken in Bezug auf Art. 6 EMRK, insbesondere den Entfall der mündlichen Verhandlung, einzugehen; vgl. dazu auch VwGH 22.11.2004, 2001/10/0071; 24.4.2018, Ra 2018/10/0019).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 27.08.2014, Ra 2014/05/0007).

Schlagworte

ergänzender Unterricht, Lehrplanautonomie, negative Beurteilung,
Prüfungsbeurteilung, Rechtsordnung, Reife- und Diplomprüfung,
Widerspruch, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2212163.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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