TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/27 Ra 2019/13/0002

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

ALSAG 1989 §2 Abs17
ALSAG 1989 §2 Abs4
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1
ALSAG 1989 §3 Abs1a
AWG 2002 §1 Abs3
AWG 2002 §2 Abs1 Z2

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/13/0017 E 02.03.2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des I e.U. in M, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. Jänner 2017, Zl. LVwG-AV-223/001-2016, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten; mitbeteiligte Partei: der Bund, vertreten durch das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, der Schottergruben u.a. in X betreibt, richtete am 13. November 2015 an die zuständige Bezirkshauptmannschaft den Antrag, gemäß § 10 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) festzustellen, dass es sich bei dem Material (Zwischenboden), das in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2015 als Rekultivierungsschicht auf Grundstücken einer bereits ausgebeuteten Schottergrube in Y ausgebracht worden sei, nicht um Abfall handle, in eventu, dass die Ausbringung dieses Materials von der Altlastenbeitragspflicht ausgenommen sei.

2        Er brachte dazu vor, bei der Bewilligung der Schottergrube in Y sei im Jahr 1989 bescheidmäßig vorgeschrieben worden, die Grubensohle auf näher beschriebene Weise aufzuhöhen, die geschaffene Fläche mit bewuchsfähigem Material abzudecken und als Folgenutzung nur extensive Forstwirtschaft zu betreiben. Dem sei nach Abschluss der Abbautätigkeit und Verfüllung der Grube im Jahr 2000 entsprochen worden, doch habe sich der Baumbewuchs nicht zufriedenstellend entwickelt, weshalb er entfernt und die Rekultivierungsschicht zur Vorbereitung einer neuen Bepflanzung mit Material aus der Grube in X verstärkt worden sei. Grund für die Verbringung des Materials sei der Bedarf danach in Y und nicht die Notwendigkeit der Entfernung des Materials aus der Grube in X gewesen. Mangels Entledigungsabsicht und auf Grund der Beschaffenheit des Materials handle es sich nicht um Abfall. Wollte man es als Abfall werten, so sei aber der für Bodenaushubmaterial vorgesehene Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG erfüllt, weil es sich bei dem Material, sofern es dem ALSAG unterliege, um Bodenaushubmaterial handle und es zulässigerweise für eine Geländeanpassung verwendet worden sei.

3        Mit Bescheid vom 21. Jänner 2016 (datiert „21.01.2015“) stellte die Bezirkshauptmannschaft gemäß § 10 ALSAG fest, bei dem Material handle es sich um Abfall im Sinne des § 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), und es unterliege dem Altlastenbeitrag.

4        Die Bezirkshauptmannschaft legte dazu dar, nach dem Ergebnis der angestellten Ermittlungen stamme das angeschüttete Bodenaushubmaterial von mehreren Anfallsstellen, „insbesondere da der geschüttete Sand und Kies teilweise auch mit Bauschutt vermengt“ gewesen sei. Bei Bauführern sei Entledigungsabsicht anzunehmen, weshalb „zumindest von der Erfüllung des subjektiven Abfallbegriffes“ auszugehen sei. Eine zulässige Verwendung im Sinne der ins Treffen geführten Ausnahmebestimmung liege nicht vor, weil bestimmte Bewilligungen gefehlt hätten.

5        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis änderte das Landesverwaltungsgericht den vom Revisionswerber mit Beschwerde bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft nur in Bezug auf die Angabe der Menge des Materials ab.

6        Auch das Landesverwaltungsgericht ging davon aus, dass es sich um Abfall handle. Es legte dieser Beurteilung aber nicht den subjektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 („bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat“), sondern zunächst folgende Erwägungen zugrunde:

„Mit § 2 Abs. 17 ALSAG idF BGBl. Nr. 71/2003 wurde für Bodenaushubmaterial der in § 2 Abs. 4 ALSAG normierte Rückgriff auf die abfallrechtlichen Vorschriften zur Bestimmung des Abfallbegriffs beseitigt. § 2 Abs. 17 ALSAG ist gegenüber § 2 Abs. 4 leg. cit. die Spezialnorm (vgl. VwGH 24.09.2015, 2013/07/0283).

Ist demnach gemäß § 2 Abs. 17 ALSAG der objektive Abfallbegriff erfüllt, bedarf es sonst keiner weiteren Voraussetzungen mehr, um die Materialien als Abfall zu qualifizieren. Das bedeutet, dass Materialien, die als Bodenaushubmaterial einzustufen sind, Abfälle sind (vgl. VwGH 24.09.2015, 2013/07/0283).

[...]

Wie ausgeführt findet bei Bodenaushubmaterial der in § 2 Abs. 4 ALSAG normierte Rückgriff auf die abfallrechtlichen Vorschriften zur Bestimmung des Abfallbegriffs keine Anwendung [...]“

7        Dieser Primärbegründung für das Vorliegen von Abfall im Sinne des ALSAG fügte das Landesverwaltungsgericht noch Ausführungen zum Vorliegen von Abfall auch im Sinne des objektiven Abfallbegriffs des AWG 2002 hinzu (§ 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002: „bewegliche Sachen, deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen [§ 1 Abs. 3] nicht zu beeinträchtigen“):

„Im Übrigen reicht zur Erfüllung des objektiven Abfallbegriffes zufolge des Verweises in § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 auf § 1 Abs. 3 aus, wenn die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 3 normierten öffentlichen Interessen zu bejahen ist. [...] Aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachtens des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, welchem zu entnehmen ist, dass ohne analytische Untersuchung vor Durchführung der Schüttung eine Boden- und Gewässerbeeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden konnte, ist davon auszugehen, dass bei der verfahrensgegenständlichen Materialanschüttung zumindest im Zeitpunkt der Verfüllung (Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 1 lit. c) Abfall im objektiven Sinn verwendet wurde.

Der [sic] Auffassung in der Beschwerde, wonach der subjektive Abfallbegriff nicht erfüllt ist und die verfahrensgegenständliche Schüttung deshalb nicht nach dem Altlastensanierungsgesetz zu beurteilen wäre, geht aus diesem Grund ins Leere.“

8        Mit diesen Ausführungen bezog sich das Landesverwaltungsgericht auf § 1 Abs. 3 Z 3 AWG 2002 (Möglichkeit einer Beeinträchtigung der nachhaltigen Nutzung von Wasser oder Boden) und § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG (u.a. Vornehmen von Geländeanpassungen „mit Abfällen“ als beitragspflichtige Tätigkeit) sowie sachverhaltsmäßig darauf, dass der zur Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 24. November 2016 beigezogene Sachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz bei seiner Teilnahme an einem Lokalaugenschein am 28. Mai 2015 noch nicht in der Lage gewesen war, eine mögliche Beeinträchtigung der Schutzgüter Boden und Gewässer durch die kurz davor abgelagerten Materialien auszuschließen. Nach dem Lokalaugenschein waren die Materialien von der Z Ingenieur GmbH untersucht worden, worüber der belangten Bezirkshauptmannschaft ein Gutachten vom 2. Juli 2015 vorgelegt worden war.

9        In der Verhandlung am 24. November 2016 hatte der Sachverständige dazu ausgeführt:

„Im gegenständlichen Fall ist auf Grundlage des Prüfberichtes der Firma Z vom 02.07.2015 erkennbar, dass es sich bei dem [...] geprobten und nachfolgend untersuchte[n] Material um nicht verunreinigtes Bodenaushubmaterial handelt, welches den Grenzwertvorgaben für die Deponieklasse Bodenaushubdeponie gemäß Deponieverordnung 2008 entspricht. [...] Grundsätzlich hat die Durchführung von Materialuntersuchungen den Zweck, feststellen zu können, ob das untersuchte Material frei von Verunreinigungen ist und den gesetzlich vorgegebenen bzw. dem Stand der Technik [ergänze: entsprechenden] Grenzwertvorgaben entspricht. [...] Im gegenständlichen Fall [...] ist aus meiner fachlichen Sicht eine Untersuchung des Materials zur Feststellung einer möglichen Beeinträchtigung der Schutzgüter Boden und Gewässer grundsätzlich erforderlich. [...] Hinsichtlich der Ergebnisse gem. dem Prüfbericht der Firma Z vom 02.07.2015 kann festgehalten werden, dass auf Grundlage der ermittelten Messwerte eine Beeinträchtigung von Boden und Gewässer nicht zu erwarten ist und das Material daher, auch ohne weitere Sicherungsmaßnahmen, vor Ort verbleiben kann. Die Untersuchung wurde entsprechend einschlägiger Normen und Vorgaben durchgeführt und kann als repräsentativ und aussagekräftig angesehen werden.“

10       Die auf dieser Begutachtung beruhende, auf den Abfallbegriff des AWG 2002 bezogene Ansicht, bei der verfahrensgegenständlichen Anschüttung sei „zumindest im Zeitpunkt der Verfüllung [...] Abfall im objektiven Sinn verwendet“ worden, erläuterte das Landesverwaltungsgericht nicht näher.

11       Zu der in eventu in Anspruch genommenen, in § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung normierten Ausnahme von der Beitragspflicht (ausgenommen war „Bodenaushubmaterial, sofern dieses zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 1 lit. c verwendet wird“) vertrat das Landesverwaltungsgericht die Ansicht, der Revisionswerber habe das Vorliegen der Voraussetzungen dafür nicht nachweisen können (Hinweis auf das in § 3 Abs. 1a letzter Satz ALSAG normierte Erfordernis eines solchen Nachweises). Es verwies dazu zunächst auf das Fehlen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

12       Zum Nachweis der Ausnahme von der Beitragspflicht gehöre aber auch der Nachweis über die „Qualität des Materials als Bodenaushubmaterial im Sinne des § 2 Abs. 17 ALSAG“:

„Strittig ist - abgesehen von der Bewilligungspflicht der Maßnahme - der Zeitpunkt, zu dem ein solcher Nachweis zu erbringen ist, um die Beitragsbefreiung des § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG in Anspruch nehmen zu können. § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG nimmt Bodenaushubmaterial von der Beitragspflicht aus, sofern dieses zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 1 lit. c verwendet wird.

Schon der Wortlaut legt ein Verständnis dieser Ausnahme dahingehend nahe, dass es auf den konkreten Zeitpunkt der Verwendung ankommt, in dem die Zulässigkeit der Verwendung gegeben sein muss. Die Beitragsfreiheit soll eben nur besonders qualifizierten (umweltverträglichen) Materialien zu Gute kommen (vgl. VwGH 23.10.2014, Ra 2014/07/0031). Eine in diesem relevanten Zeitpunkt einmal entstandene Abgabenschuld kann durch die nachträgliche Einholung einer fehlenden Bewilligung nicht mehr rückgängig gemacht werden (VwGH 28.11.2013, 2011/07/0163).

Es wäre demnach nicht verständlich, wenn die (weitere) Voraussetzung der Beitragsbefreiung, nämlich der Nachweis, dass das Material im Zeitpunkt der Verwendung bestimmten Qualitätskriterien entsprochen hat und daher gefahrlos eingebaut werden konnte, nicht auch im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld bereits vorliegen muss.“

13       Eine Revision gegen seine Entscheidung erklärte das Landesverwaltungsgericht für nicht zulässig, „insbesondere weil die Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht“.

14       In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu deren Zulässigkeit u.a. ins Treffen geführt, das angefochtene Erkenntnis weiche bei der Auslegung des Abfallbegriffs des ALSAG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

15       Die belangte Bezirkshauptmannschaft hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie sich der Argumentation des Landesverwaltungsgerichtes anschließt und die Zurückweisung der Revision beantragt. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 2015, 2013/07/0283, gehe hervor, „dass mit der Bestimmung des § 2 Abs. 17 ALSAG (Rechtslage, die am 01. April 2015 gegolten hat) für Bodenaushubmaterial der in § 2 Abs. 4 ALSAG normierte Rückgriff auf die Vorschriften des § 2 Abs. 1 bis 3 AWG 2002 zur Bestimmung des Abfallbegriffes beseitigt wurde“. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des subjektiven Abfallbegriffes (Entledigungsabsicht) müsse „daher nicht weiter eingegangen werden“.

16       Für den mitbeteiligten Bund hat das Zollamt eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die Abweisung der Revision beantragt. Aus der Sicht des Zollamts handle es sich um Abfall, „da beim Aushub des Bodenaushubmaterials eine Entledigungsabsicht des Besitzers bestanden hat“.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision ist zulässig und begründet.

19       „Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes“ waren nach § 2 Abs. 4 ALSAG in der bis zum 31.12.2005 maßgeblichen Fassung solche gemäß § 2 Abs. 1 bis 4 des AWG 1990 in der jeweils geltenden Fassung, „soweit Abs. 5 nicht anderes bestimmt“. Nach § 2 Abs. 5 ALSAG galten bestimmte Materialien nicht als „Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes“.

20       § 2 Abs. 6 ALSAG lautete:

„(6) Baurestmassen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle [...].“

21       Zu dieser Rechtslage führte der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Landesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis vom 24. September 2015, 2013/07/0283, in einem die Jahre 2003 bis 2005 betreffenden Fall aus:

„Dass es sich [...] um Baurestmassen handelt, wurde [...] nicht bestritten. Mit § 2 Abs. 6 ALSAG idF BGBl. Nr. 201/1996 wurde für Baurestmassen der in § 2 Abs. 4 ALSAG normierte Rückgriff auf die Vorschriften des § 2 Abs. 1 bis 4 AWG 1990 zur Bestimmung des Abfallbegriffs beseitigt [...]. § 2 Abs. 6 ALSAG ist gegenüber § 2 Abs. 4 leg. cit. die Spezialnorm [...]. Ist demnach gemäß § 2 Abs. 6 ALSAG der objektive Abfallbegriff erfüllt, bedarf es sonst keiner weiteren Voraussetzungen mehr, um die Materialien als Abfall zu qualifizieren [...]. Das bedeutet, dass Materialien, die als Baurestmassen einzustufen sind, Abfälle sind.“

22       Das Landesverwaltungsgericht hat diese Ausführungen zu § 2 Abs. 6 ALSAG in der bis zum 31. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung auf die für das Jahr 2015 maßgebliche Rechtslage übertragen und seine Entscheidung über die Abfalleigenschaft der strittigen Materialien auf die Ansicht gegründet, für § 2 Abs. 17 ALSAG in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung müsse gelten, was der Verwaltungsgerichtshof zu § 2 Abs. 6 ALSAG in der bis zum 31. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung judiziert habe.

23       Mit dem insoweit am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, wurde in der Abfalldefinition des § 2 Abs. 4 ALSAG der Verweis auf das AWG 1990 durch einen solchen auf § 2 Abs. 1 bis 3 AWG 2002 ersetzt und die Einschränkung des Verweises („soweit Abs. 5 nicht anderes bestimmt“) beseitigt. § 2 Abs. 5 und 6 ALSAG wurden aufgehoben.

24       Der neu hinzugekommene Abs. 17 des mit „Begriffsbestimmungen“ überschriebenen § 2 ALSAG enthielt (im Zusammenhang mit der im neuen § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG geregelten, Bodenaushubmaterial betreffenden Ausnahme von der Beitragspflicht) eine Legaldefinition des Begriffs „Bodenaushubmaterial“, die mit der ALSAG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 40, geändert wurde und in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung lautete:

„(17) Bodenaushubmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes ist Material, das durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund - auch nach Umlagerung - anfällt. Der Anteil an bodenfremden Bestandteilen, zB mineralischen Baurestmassen, darf nicht mehr als fünf Volumsprozent betragen und es dürfen auch keine mehr als geringfügigen Verunreinigungen, insbesondere mit organischen Abfällen (Kunststoffe, Holz, Papier usw.), vorliegen; diese bodenfremden Bestandteile müssen bereits vor der Aushub- oder Abräumtätigkeit im Boden oder Untergrund vorhanden sein. Das Bodenaushubmaterial kann von einem oder mehreren Standorten stammen, wenn das Vermischungsverbot eingehalten wird.“

25       Diese Legaldefinition eines in einer Ausnahmebestimmung verwendeten Ausdrucks erfüllt, anders als § 2 Abs. 6 ALSAG bis zum 31. Dezember 2005, nicht die Funktion einer vom Abfallbegriff des AWG 1990 (nunmehr: 2002) losgelösten Definition von „Abfällen“. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut, aber auch aus der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003 (59 BlgNR 22. GP 307 f).

26       Das Landesverwaltungsgericht hat daher die Rechtslage verkannt, wenn es glaubte, die strittigen Materialienentgegen dem Verweis in § 2 Abs. 4 ALSAG ohne Rückgriff auf § 2 Abs. 1 bis 3 AWG 2002 als Abfälle qualifizieren zu können.

27       In seiner - demnach rechtswidrigen - Primärbegründung für das Vorliegen von Abfall ging das Landesverwaltungsgericht davon aus, das Material sei unter § 2 Abs. 17 ALSAG subsumierbar, weshalb „gemäß § 2 Abs. 17 ALSAG der objektive Abfallbegriff erfüllt“ sei. Im Zusammenhang mit der in Anspruch genommenen Ausnahme von der Beitragspflicht wird im angefochtenen Erkenntnis hingegen dargelegt, im Zeitpunkt der Maßnahme habe der Nachweis dafür gefehlt, dass das Material die Voraussetzungen des § 2 Abs. 17 ALSAG erfülle, und für die Inanspruchnahme der Ausnahme komme es darauf an, dass dieser Nachweis schon im Zeitpunkt der Maßnahme erbracht sei.

28       Diese Erwägung steht nicht nur im Widerspruch zu den Ausführungen über die Erfüllung eines (im Gesetz nicht enthaltenen) objektiven Abfallbegriffs „gemäß § 2 Abs. 17 ALSAG“, der einen Rückgriff auf das AWG 2002 erübrige. Sie stützt sich auch zu Unrecht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über das Erfordernis des Vorliegens der erforderlichen Bewilligungen und, wo ein Ausnahmetatbestand ein solches verlangt, auch eines Qualitätssicherungssystems im Zeitpunkt der Maßnahme. Die Ausführungen dazu im angefochtenen Erkenntnis paraphrasieren Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 23. Oktober 2014, Ra 2014/07/0031, VwSlg 18955/A, betreffend den Zeitpunkt, zu dem ein in§ 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG (bis zum 30. Juni 2017) als Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Ausnahme gesetzlich vorgeschriebenes Qualitätssicherungssystem bestehen musste.

29       In diesem Erkenntnis wurde aber hinzugefügt, der „Nachweis“, dass im Zeitpunkt der Maßnahme ein solches System bestanden habe, könne auch noch nachträglich erbracht werden. Dementsprechend muss im Zusammenhang mit der hier verfahrensgegenständlichen Ausnahme für Bodenaushubmaterial in § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG - die kein Erfordernis eines Qualitätssicherungssystems enthielt - das Material zwar im Zeitpunkt der Maßnahme die in § 2 Abs. 17 ALSAG geforderten Eigenschaften haben. Der „Nachweis“ dieser und der sonstigen Voraussetzungen für die Ausnahme ist nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers aber erst auf Verlangen des Zollamts „oder im Rahmen eines Feststellungsverfahrens“ zu erbringen (§ 3 Abs. 1a letzter Satz ALSAG in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung; nunmehr § 3 Abs. 5 ALSAG). Er gehört, anders als das im zitierten Erkenntnis behandelte Qualitätssicherungssystem, nicht selbst zu den nachzuweisenden Voraussetzungen. Wenn das Landesverwaltungsgericht den Nachweis der Erfüllung der Kriterien des § 2 Abs. 17 ALSAG als „(weitere) Voraussetzung der Beitragsbefreiung“ bezeichnet und behandelt hat, weshalb der Nachweis schon im Zeitpunkt der Maßnahme vorliegen müsse, so hat dies im Gesetz und in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher keine Grundlage.

30       Nichts anderes gilt auch für die Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes, „zumindest im Zeitpunkt der Verfüllung“ sei im vorliegenden Fall „Abfall im objektiven Sinn verwendet“ worden, weil die Möglichkeit einer Boden- und Gewässerbeeinträchtigung „ohne analytische Untersuchung vor Durchführung der Schüttung“ nicht auszuschließen gewesen sei. Gemeint ist damit - wie auch im Zusammenhang mit dem „Nachweis“ des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Beitragspflicht - der Umstand, dass die Untersuchung, auf deren Grundlage der Sachverständige eine solche Gefährdung in der Verhandlung verneinen konnte, erst im Nachhinein durchgeführt wurde.

31       Beitragspflicht besteht nach dem hier maßgeblichen § 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG aber für das Ablagern von „Abfällen“ und nicht von Material, von dem im Zeitpunkt des Ablagerns nicht feststeht, ob es Abfall ist, und „Abfälle“ im objektiven Sinn sind nach dem in § 2 Abs. 4 ALSAG verwiesenen § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 bewegliche Sachen, deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall „erforderlich ist“, um die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 umschriebenen öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen. Die Definition stellt nicht auf Sachen ab, von denen man noch nicht weiß, ob ein solches Erfordernis zu bejahen ist. Ob das Erfordernis im Zeitpunkt der Maßnahme bestand, ist - wie das allfällige Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Beitragspflicht - im Feststellungsverfahren zu klären. Die auf den Prüfbericht vom 2. Juli 2015 gestützte, keine mögliche Änderung der Sachlage zwischen Ablagerung und Untersuchung andeutende Aussage des Sachverständigen, eine Beeinträchtigung von Boden und Gewässern sei nicht zu erwarten, ist für das Verfahren, soweit es den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 betrifft, daher von Bedeutung und nicht, wie es in den Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes heißt, „irrelevant“.

32       Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

33       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130002.L00

Im RIS seit

11.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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