TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 96/08/0083

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litd idF 1995/297;
AlVG 1977 §19 Abs1;
AlVG 1977 §33 Abs4;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs2;
AlVG 1977 §8 Abs1;
AlVG 1977 §8 Abs2;
AlVG 1977 §8 Abs3;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Straße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 1. März 1996, Zl. 4/Ko 7022 B, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit Februar 1980 im Bezug einer von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gewährten Invaliditätspension.

Sein Antrag auf Arbeitslosengeld nach Beendigung eines neben dem Pensionsbezug ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Jänner 1995 abgewiesen; der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 21. April 1995 keine Folge gegeben.

Am 20. Dezember 1995 (nach Beendigung eines zwischenzeitig aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses bei einem näher bezeichneten Unternehmen) beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 1. Februar 1996 wurde dieser Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführer seit 1980 laufend eine Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter beziehe. Gemäß § 7 AlVG habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer unter anderem arbeitsfähig sei. Gemäß § 8 sei arbeitsfähig, wer nicht invalid bzw. nicht berufsunfähig im Sinne der Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Diese Berufung wurde - wie schon im vorerwähnten früheren Verfahren - damit begründet, dass dem Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nur eine Invaliditätspension von S 4.000,-- zur Verfügung stehe und er daher gezwungen sei, einer Arbeit nachzugehen. Da er ständig arbeite und auch Arbeitslosenbeiträge einzahle, erhebe er auch Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Ohne diese Unterstützung müsse er mit S 4.000,-- im Monat auskommen, was ihm aber nicht zugemutet werden könne.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und begründete dies - nach Hinweisen auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 und des § 8 Abs. 1 AlVG - damit, dass sich der Begriff der Arbeitsfähigkeit im Sinne des Arbeitslosenversicherungsrechtes an der Regelung des ASVG orientiere. Um daher in den Genuss einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung kommen zu können, müsse Arbeitsfähigkeit sowohl im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld als auch während der gesamten Dauer des Bezuges gegeben sein. Da der Beschwerdeführer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Invalidität nach dem ASVG beziehe, gelte er nach den maßgebenden Bestimmungen nicht als arbeitsfähig, weshalb eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für ihn nicht in Betracht komme. Der Beschwerdeführer gelte nach den Bestimmungen der §§ 255 und 280 ASVG als invalid im Sinne des ASVG, weshalb im konkreten Fall ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer im Wesentlichen, arbeitsunfähig zu sein, und wirft der belangten Behörde vor allem vor, keine Feststellungen über das Ausmaß des körperlichen Gebrechens des Beschwerdeführers und seiner Arbeitsfähigkeit getroffen zu haben. Auch sei dem Beschwerdeführer zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens kein Parteiengehör gewährt worden.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde aus folgenden Gründen nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Was zunächst die gerügte Verletzung des Parteiengehörs betrifft, ist darauf zu verweisen, dass sich die belangte Behörde - ebenso wie die regionale Geschäftsstelle bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - ausschließlich auf den Umstand gestützt hat, dass der Beschwerdeführer seit Februar 1980 im Bezug einer Invaliditätspension stehe und daher invalid im Sinne des Gesetzes sei. Dies wurde dem Beschwerdeführer auch schon durch die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zur Kenntnis gebracht, sodass sich der Beschwerdeführer dazu äußern konnte. Von einem anderen Sachverhalt ist die belangte Behörde nicht ausgegangen, sodass diese Verfahrensrüge nicht zu Recht erfolgt.

Aber auch die Rechtsrüge versagt: Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG hängt der Anspruch von Arbeitslosengeld unter anderem davon ab, dass der Arbeitslose arbeitsfähig ist.

Arbeitsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 AlVG "wer nicht invalid bzw. nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 bzw. 280 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist".

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle ärztlich untersuchen zu lassen. Weigert er sich, dieser Anordnung Folge zu leisten, so erhält er für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.

§ 8 Abs. 3 AlVG ordnet an, dass die ärztlichen Gutachten der regionalen Geschäftsstellen einerseits und der Sozialversicherungsträger andererseits, soweit es sich um die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit handelt, gegenseitig anzuerkennen sind. Die erforderlichen Maßnahmen trifft der Bundesminister für soziale Verwaltung nach Anhörung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Aus diesen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang ergibt sich zunächst nicht, dass die Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice an einen Bescheid, mit welchem dem Arbeitslosen eine Pension aus dem Versicherungsfall der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit zuerkannt worden ist, gebunden wären. Eine solche Bindung ist nicht nur deshalb zu verneinen, weil das Vorliegen von Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität lediglich ebenso ein Sachverhaltsmoment der Zuerkennung einer Pension aus diesem Grund ist, wie es ein (negatives) Sachverhaltselement für das Vorliegen von Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 AlVG darstellt. Die im Pensionsbescheid zu entscheidende Hauptfrage steht daher zur hier zu lösenden Frage, ob ein Arbeitsloser berufsunfähig oder invalid ist, nicht im Verhältnis der Hauptfrage zur Vorfrage. Überdies haben die Behörden der Arbeitsmarktverwaltung das Fehlen von Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität als Leistungsvoraussetzung im Zeitpunkt der Antragstellung (bzw. des Einsetzens von Arbeitslosigkeit) zu beurteilen, während der Pensionsversicherungsträger das Vorliegen von Berufsunfähigkeit oder Invalidität (als Tatbestandsmoment) zum Stichtag für die Pensionsleistung zu beurteilen hat. Diese beiden Zeitpunkte können, müssen aber nicht zusammenfallen, wie auch der vorliegende Beschwerdefall zeigt: es wäre durchaus denkbar, daß ein Arbeitsloser nicht auf Kosten seiner Gesundheit - bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit - einer Beschäftigung nachgegangen ist, sondern, daß sich sein Leidenszustand seit der Zuerkennung der Pensionsleistung soweit gebessert hat, daß er seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt hat, er aber dennoch weiterhin eine Pension aus dem Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit oder Invalidität bezieht, weil der Pensionsversicherungsträger diese Leistung noch nicht entzogen hat.

Letztlich zeigt dies auch der Unterschied im Vergleich zum Ruhensgrund des § 16 Abs. 1 lit. d AlVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 297/1995): während dieser ausdrücklich vom Bezug einer derartigen Pensionsleistung abhängt, ist eine solche, unmittelbare Anknüpfung an der Tatsache des Bezuges einer Pensionsleistung in § 8 Abs. 1 AlVG nicht vorgesehen.

Die Behörden haben daher prinzipiell - im jeweils nach der Sachlage angezeigten Umfang unter Berücksichtigung der vom Sozialversicherungsträger eingeholten Gutachten - nicht nur dann von amtswegen selbständige Feststellungen darüber zu treffen, ob ein Arbeitsloser arbeitsfähig ist, wenn Zweifel daran bestehen, sondern auch dann, wenn dieser eine Pensionsleistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bezieht. Im letztgenannten Fall sind freilich die in § 8 Abs. 2 AlVG angesprochenen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen in einer Weise manifest geworden, daß - unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung überflüssigen Verfahrensaufwandes einerseits, jedoch unter Beachtung des Rechtsschutzes andererseits - von der Behörde nicht schlechthin in jedem Fall (dh soweit die Gutachten des Sozialversicherungsträgers nicht im Sinne des § 8 Abs. 3 AlVG verwertbar sind, weil sie schon länger zurückliegen und deshalb über den arbeitslosenversicherungsrechtlich relevanten Zeitraum keine Aussagen enthalten) eine weitere Begutachtung verlangt werden kann. In einem solchen Fall ist vom Antragsteller zumindest zu fordern, daß er Behauptungen über eine gegenüber der seinerzeitigen Gewährung der Pensionsleistung eingetretene Besserung seines Gesundheitszustandes aufstellt; dies auch deshalb, weil ein Arbeitsloser, der eine solche Pensionsleistung bezieht, ohnehin einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung nicht zu erwarten hat, da selbst bei Bestehen eines Anspruchs die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für die Dauer des Pensionsleistungsbezuges gemäß § 16 Abs. 1 lit. d AlVG in der hier noch anzuwendenden Fassung (mit Ausnahme der Konstellation nach erfolgreicher Rehabilitation, für deren Vorliegen es im Beschwerdefall aber keinen Anhaltspunkt gibt) ruhte. Dieser Ruhensgrund konnte zwar für den Arbeitslosen insoweit von Bedeutung sein, als er - bei Bejahung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld -einen Erstreckungsgrund für die Frist des § 19 Abs. 1 AlVG und jene des § 33 Abs. 4 AlVG darstellte. Diese - im Verhältnis zur Erlangung einer auszuzahlenden Leistung- stark abgeschwächte rechtliche Betroffenheit eines arbeitslosen Pensionsbeziehers läßt eine verstärkte Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Vermeidung unnötigen Verfahrensaufwandes in Abhängigkeit vom Konkretisierungsgrad des Vorbringens des Arbeitslosen im Verwaltungsverfahren umso eher angezeigt erscheinen.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer im Verfahren vor den Behörden der Arbeitsmarktverwaltung ein derart konkretisiertes Vorbringen hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit unterlassen. Es hat sich vielmehr darauf beschränkt darzulegen, daß er der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bedürfe, da er nur eine geringe Pension beziehe. Der - wenn auch nur auf die Tatsache des Pensionsbezuges aus dem Versicherungsfall der Invalidität gestützten - Annahme der regionalen Geschäftsstelle, der Beschwerdeführer sei nicht arbeitsfähig im Sinne des § 8 AlVG, ist dieser in seiner Berufung nicht entgegengetreten. Die belangte Behörde hat sich daher im Ergebnis zurecht nicht veranlaßt gesehen, weiterreichende Ermittlungen über die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers anzustellen. Ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Verfahrensfehler liegt daher nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Behauptung aufstellt, er sei - ungeachtet des laufenden Bezuges einer Invaliditätspension - arbeitsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 AlVG, dann ist auf dieses Vorbringen - da es sachverhaltsmäßig auch eine iS des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung beinhaltet - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 1999

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996080083.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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