TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W235 2204229-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §4 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W235 2204229-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Liberia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. 1125263407-161077508, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.08.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Zuge der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer verfahrenswesentlich an, dass er im Jahr 2003 legal mit seinem eigenen Reisepass aus Liberia ausgereist sei und sich zwischen 2003 und 2009 in Ghana aufgehalten habe. In der Folge habe er seit dem Jahr 2009 auf den Philippinen gelebt und sei am XXXX .03.2012 von den Philippinen als Konventionsflüchtling anerkannt worden. Am XXXX .07.2016 sei er mit einem von der Österreichischen Botschaft in Manila ausgestellten Visum C von den Philippinen nach Österreich gekommen, da er Teilnehmer eines Seminars in XXXX gewesen sei.

Der Beschwerdeführer legte nachstehende, verfahrensrelevante Dokumente im Original (Farbkopien im Akt) vor:

* Konventionsreisedokument, ausgestellt von XXXX Manila am XXXX .03.2016 mit der Nummer XXXX , aus dem ein Visum der Österreichischen Botschaft Manila vom XXXX .07.2016 ersichtlich ist;

* philippinischer Flüchtlingsausweis, ausgestellt vom Department of Justice mit der Nummer XXXX ;

* Arbeitsberechtigungskarte der Philippinen, ausgestellt vom Department of Labor and Employment am XXXX .06.2015;

* philippinischer Führerschein mit der Nummer XXXX

* liberischer Reisepass, ausgestellt am XXXX .11.2007 und

* Aufenthaltsbewilligungszertifikat der Philippinen mit der Nummer XXXX vom XXXX .06.2012

Der Führerschein, der Flüchtlingsausweis, der liberische Reisepass und der philippinische Konventionspass wurden einer urkundentechnischen Überprüfung durch die Landespolizeidirektion Vorarlberg unterzogen, die bei sämtlichen Dokumenten zu dem Ergebnis gelangte, dass diese authentisch sind.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Ferner wurde unter Spruchpunkt III. gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig ist (Spruchpunkt IV.) und wurde unter Spruchpunkt V. die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Die Beschwerde langte am 27.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Liberia, der nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

Bereits seit dem Jahr 2009 lebte der Beschwerdeführer auf den Philippinen und wurde am XXXX .03.2012 von den Philippinen als Konventionsflüchtling anerkannt.

Der Beschwerdeführer wurde bisher noch nicht auf die Philippinen abgeschoben, ohne dass dies in seinem Verhalten begründet gewesen wäre. Er ist seit seiner Einreise nach Österreich durchgehend gemeldet und bezieht durchgehend die Grundversorgung.

2. Beweiswürdigung:

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt und zwar insbesondere aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten philippinischen Konventionsreisedokument sowie aus dem philippinischen Flüchtlingsausweis.

Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht auf die Philippinen abgeschoben wurde, ohne dass dies in seinem Verhalten begründet gewesen wäre, aus vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährung der vorübergehenden Grundversorgung, beide vom 25.04.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

3.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige in einem Staat, mit dem ein Vertrag über die Bestimmungen der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz nicht besteht oder die Dublin - Verordnung nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

Nach Abs. 2 leg. cit. besteht Schutz im sicheren Drittstaat, wenn einem Drittstaatsangehörigen in einem Staat, in dem er nicht gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder über einen sonstigen Drittstaat gesichert ist (Asylverfahren), er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und er dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat hat, sofern er in diesem gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind - gemäß Abs. 3 leg. cit. - in einem Staat widerlegbar dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention, der EMRK und des Protokolls Nr. 6, Nr. 11 und Nr. 13 zur Konvention umgesetzt hat.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Rückkehrentscheidung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

§ 4 Abs. 5 AsylG besagt, dass die Entscheidung außer Kraft tritt, wenn ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen würde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden kann.

3.2. Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ist zwar der Beurteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beizupflichten, dass der Antrag unzulässig war, da der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2012 den Status des Asylberechtigten auf den Philippinen hat, die Philippinen die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet haben, welches die Grundsätze der GFK, der EMRK sowie auch des Protokolls Nr. 6, Nr. 11 und Nr. 13 zur Konvention erfüllt und auf den Philippinen eine systematische, notorische Verletzung der Menschenrechte nicht stattfindet.

Da jedoch der Beschwerdeführer nicht binnen drei Monaten nach der Durchsetzbarkeit der angefochtenen Entscheidung, die mit Ablauf des 03.09.2018 eintrat - sohin spätestens am 03.12.2018 - auf die Philippinen abgeschoben wurde, ohne dass dies in seinem Verhalten begründet gewesen wäre, trat die Zurückweisungsentscheidung gemäß § 4 Abs. 5 AsylG idgF ex lege außer Kraft und ist sohin der gesamte angefochtene Bescheid zu beheben.

3.3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall konnte die mündliche Verhandlung unterbleiben, da sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere die im vorliegenden Verfahren relevante Frage hinsichtlich der abgelaufenen Drei-Monats-Frist des § 4 Abs. 5 AsylG, eindeutig aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und darüber hinaus § 4 Abs. 5 AsylG und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen treffen.

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W235.2204229.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten