TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/3 97/04/0033

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Veröffentlicht am 03.03.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

ABGB §1293;
ABGB §1295 Abs1;
ABGB §339;
GewO 1994 §247 Abs3;
GewO 1994 §367 Z40;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des KU in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. Jänner 1997, Zl. VwSen-221365/2/Kop/Rd, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Oberösterreich vom 17. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X-KG zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 9. Mai 1995 und am 16. Juni 1995 Forderungsschreiben an W geschickt habe, obwohl die geltend gemachte Forderung von diesem bestritten worden sei, diese Forderung aus einem Abschleppauftrag der Firma T-GesmbH gestammt habe und gemäß § 247 Abs. 3 GewO 1994 Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Inkassoinstitute berechtigt seien, zur Einziehung einer fremden Forderung, die dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag (§ 1295 ABGB) diene, nur berechtigt seien, wenn diese Forderung unbestritten sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 40 in Verbindung mit § 247 Abs. 3 GewO 1994 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde. Nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde zunächst fest, daß W in den Schreiben vom 28. März 1995 und vom 18. April 1995 des Inkassoservice X-KG, aufgefordert worden sei, die Kosten für das Abschleppen seines Kfz vor dem Haus P in der Gesamthöhe von zunächst S 2.642,-- zugunsten des vom Mieter des Parkplatzes beauftragten Abschleppunternehmens an die X-KG zu bezahlen. Zuvor wäre die (angebliche) Forderung des Mieters des Parkplatzes P gegen W (in bezug auf das widerrechtliche Abstellen dessen Kfz auf dem genannten Parkplatz) an das Abschleppunternehmen abgetreten worden. Dieses habe in der Folge die X-KG als "Inkassoservice" mit der Einbringung dieser Forderung betraut. Mit Schriftsatz vom 26. April 1995 hätten die rechtsfreundlichen Vertreter des Abgeschleppten der X-KG unter Hinweis auf § 243d Abs. 3 GewO 1994 mitgeteilt, daß dieser die Forderung des Abschleppunternehmens bestreite und auf Grund dieser Mitteilung davon ausgehe, daß sich ein weiteres Einschreiten der X-KG erübrige. Trotzdem habe diese mit Schreiben vom 9. Mai 1995 und vom 16. Juni 1995 die Bezahlung der gegenständlichen Forderung (zuletzt in Höhe von S 3.987,53) urgiert. Die belangte Behörde führte weiter aus, daß dem Beschwerdeführer zwar insoweit Recht zu geben sei, als es sich bei der Einordnung dieser Forderung um eine zivilrechtliche Frage handle, zu deren Entscheidung über Art, Ausmaß und Höhe die Gerichte zuständig seien. Der Beschwerdeführer verkenne jedoch, daß § 247 Abs. 3 GewO 1994 ausdrücklich auf die zivilrechtliche Einordnung als Schadenersatzanspruch ohne Beziehung auf einen Vertrag nach § 1295 ABGB abstelle. Es seien daher auch die Strafbehörden nach § 38 AVG in Verbindung mit § 24 VStG zur Entscheidung über diese Vorfrage berechtigt und verpflichtet. Bei der gegenständlich bestrittenen Forderung handle es sich um einen deliktischen Schadenersatzanspruch gemäß § 1295 ABGB, da die Kosten der Abschleppung als Folgeschaden des rechtswidrigen Verhaltens (Abstellen des Kfz auf einem dem Mieter des Hauses P vorbehaltenen, somit fremden Privatparkplatz) anzusehen seien. Das Bestehen eines vertraglichen Verhältnisses zwischen dem Abgeschleppten einerseits und dem Abschleppunternehmer bzw. dem Parkplatzberechtigten andererseits sei vom Beschwerdeführer weder behauptet worden, noch liege auf Grund der Aktenlage ein solches vor. Zur subjektiven Tatseite führte die belangte Behörde aus, daß sich der Beschwerdeführer - spätestens ab dem Zeitpunkt des Einlangens jenes Schreibens, mit dem die gegenständliche Forderung unter Hinweis auf die Bestimmungen der Gewerbeordnung bestritten worden sei - insbesondere durch Rücksprache mit seinem Auftraggeber, informieren hätte müssen, um welche Art von Forderung es sich handle. Er sei durch den Wortlaut des § 247 Abs. 3 GewO 1994, welcher den Umfang seiner Gewerbeberechtigung festlege, zu einer solchen Prüfung verhalten. Der Beschwerdeführer verkenne weiters, daß jeder Gewerbetreibende - auch ohne ausdrücklichen Hinweis eines Schuldners - die gewerberechtlichen Bestimmungen über Inhalt und Umfang der Gewerbeberechtigung kennen müsse. Er habe damit den Sorgfaltsmaßstab eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen, besonnenen Inkassoinstitutbetreibers nicht erfüllt, weshalb ihm eine Widerlegung der Fahrlässigkeitsvermutung des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG nicht gelungen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt er im wesentlichen vor, es habe für ihn kein Grund bestanden, die Forderung nicht weiter zu betreiben, da er aus der Tatsache der Bestreitung dieser Forderung allein nicht habe ableiten können, daß diese nicht berechtigt sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt die Behauptung aufgestellt worden, daß eine Schadenersatzforderung ohne Beziehung auf einen Vertrag hereingebracht werden sollte. Für das Inkassobüro sei keineswegs erkennbar gewesen, wie die gegenständliche Forderung beschaffen sei. Ebensowenig sei erkennbar gewesen, ob allenfalls derjenige, der abgeschleppt worden sei, selbst den Auftrag hiezu erteilt habe, ob dies beispielsweise der Magistrat oder sonst eine Stelle gewesen sei. Die Frage, ob eine Forderung letztendlich gerechtfertigt sei oder nicht, könne ohnedies nur in einem Gerichtsverfahren geklärt werden, ebenso wie die Frage, ob damit argumentiert werden könne, daß beispielsweise ein Aufwand im Sinne des § 1041 ABGB für einen anderen getätigt worden sei oder ob sich der Rechtsgrund aus der Konkretisierung eines anderen Sachverhaltes ergebe. Im vorliegenden Fall könne aber durchaus § 1041 ABGB Platz greifen, welche Bestimmung grundsätzlich mit Schadenersatz nichts zu tun haben müsse, sodaß sich der Parkplatzinhaber auf den Titel der Verwendung berufen könne. Man könnte sich nämlich auf den Standpunkt stellen, daß beispielsweise dann, wenn ein Fahrzeug widerrechtlich abgestellt werde, derjenige, der das Fahrzeug abgestellt hat, verpflichtet sei, für die Wegbringung des Fahrzeuges Sorge zu tragen. Werde das Fahrzeug durch jemanden anderen oder den Parkplatzbesitzer weggebracht, könnte durchaus § 1041 ABGB den Titel für eine wie die gegenständliche Forderung abgeben. Weiters sei davon auszugehen, daß einerseits ein Vertrag darüber bestanden habe, daß das Fahrzeug seitens des Abschleppunternehmens abgeschleppt werden sollte, andererseits ein Vertrag darüber, daß die Forderung dem Abschleppunternehmen seitens des Mieters des Parkplatzes abgetreten worden sei. Da bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Verwaltungsstrafanzeige nicht einmal eine Andeutung in Richtung deliktischer Schadenersatzforderung gemacht worden sei, müßte dem Beschwerdeführer § 5 VStG zugute kommen und es erscheine ihm auch der Beweis dafür, daß er ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, eine Verwaltungsvorschrift einzuhalten, gelungen. Dabei könne nicht einmal von Fahrlässigkeit die Rede sein, weil es dazu doch zumindest notwendig gewesen wäre, ihm gegenüber § 247 GewO 1994 zu zitieren. Frühestens ab diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer in der Lage sein können, eine geeignete Überprüfung der Rechtsnatur der gegenständlichen Forderung vorzunehmen.

Gemäß § 367 Z. 40 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer Forderungen entgegen den Vorschriften des § 247 Abs. 2 oder 3 GewO 1994 einzieht.

Gemäß § 247 Abs. 3 GewO 1994 sind Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Inkassoinstitute berechtigt sind, zur Einziehung einer fremden Forderung, die dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag (§ 1295 ABGB) dient, nur berechtigt, wenn diese Forderung unbestritten ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß mit der von ihm betriebenen Forderung der Ersatz von aus der Abschleppung eines auf einem Privatparkplatz widerrechtlich abgestellten Fahrzeuges entstandenen Kosten begehrt wird. Er vertritt jedoch die Auffassung, diese Forderung diene nicht i.S.d. § 247 Abs. 3 GewO 1994 dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag, weil zum einen Verträge (Abschleppauftrag, Zession) bestünden und die Forderung zum anderen nicht notwendigerweise der Durchsetzung eines Schadenersatzanspruches diene.

Der Einwand des Beschwerdeführers, es bestehe sowohl ein Vertrag über die Abschleppung als auch ein Vertrag über die Abtretung der daraus resultierenden Forderung, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die vom Beschwerdeführer betriebene Forderung gegen den Abgeschleppten gerichtet ist, mit dem unbestrittenermaßen kein Vertrag über die in Rede stehende Abschleppung besteht.

Die unbefugte Benützung eines Privatparkplatzes durch Abstellen eines Fahrzeuges ist als Besitzstörung zu qualifizieren (vgl. Legerer, Zur Zulässigkeit des Abschleppens besitzstörend abgestellter Fahrzeuge von Privatgrundstücken, ÖJZ 1998, 607 (608), mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen). Aufwendungen des solcherart in seinen Rechten Gestörten zur Wiederherstellung des ungestörten Besitzes dienen der Abwehr bzw. Minderung des durch die besitzstörende Handlung bewirkten Schadens; sie sind demnach als positiver Schaden anzusehen (vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3, 37). Der Ersatz dieser Aufwendungen ist nach den §§ 1293 ff ABGB zu beurteilen (vgl. nochmals Legerer, 612); ob eine entsprechende Forderung im konkreten Fall zu Recht besteht, ist im gegebenen Zusammenhang nicht relevant.

Bei seinem Hinweis auf § 1041 ABGB verkennt der Beschwerdeführer, daß die von ihm betriebene Forderung nicht dem Ersatz der durch die unbefugte Verwendung des Privatparkplatzes erfolgte Bereicherung des Parkplatzbenützers dient; vielmehr geht es dabei - unbestrittenermaßen - ausschließlich um den, dem Parkplatzbesitzer durch das Erfordernis, die Abschleppung zu veranlassen, entstandenen Schaden. Diese Kosten stellen im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers auch keinen Aufwand dar, der vom Parkplatzbesitzer für den Störer getätigt worden wäre, sondern - wie ausgeführt - Aufwendungen für eine Maßnahme der Selbsthilfe gegen eine besitzstörende Handlung dar.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei der vom Beschwerdeführer betriebenen Forderung um eine solche handelt, die dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag dient.

Mit Schreiben vom 26. April 1995 wurde diese Forderung vom Abgeschleppten - wenn auch unter fehlerhafter Zitierung von § 243d Abs. 3 GewO 1994 - bestritten, womit der Tatbestand des § 367 Z. 40 in Verbindung mit § 247 Abs. 3 GewO 1994 in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen ist.

Aber auch die Lösung der Schuldfrage durch die belangte Behörde erweist sich als frei von Rechtsirrtum.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Befolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Fall eines "Ungehorsamsdeliktes" - als welches sich auch die Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 40 GewO 1994 darstellt - tritt somit insofern eine Umkehrung der Beweislast ein, als die Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Selbst wenn der Beschwerdeführer aus seinen die Abschleppung betreffenden Unterlagen nicht erkennen konnte, ob die Forderung dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag dient, so hätte er spätestens ab dem Zeitpunkt der Bestreitung der Forderung für eine entsprechende Aufklärung und erforderlichenfalls juristischen Rat sorgen müssen. Daß er dies getan hätte, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Wenn er aber vorbringt, bereits die fehlerhafte Zitierung der Gewerbeordnung (§ 243d statt § 247) im Schreiben vom 26. April 1995 würde sein Verschulden ausschließen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß jeder Gewerbetreibende - auch ohne ausdrücklichen Hinweis eines Dritten - die den Umfang und Inhalt seines Gewerbes regelnden Bestimmungen kennen muß.

Die Beschwerde erweist sich sohin als nicht berechtigt. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 3. März 1999

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997040033.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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