TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/4 98/06/0110

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Veröffentlicht am 04.03.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der R in S, vertreten durch D, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Mai 1998, Zl. 03-12.10 S 72-98/57, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. EBauträger GmbH in S, vertreten durch D und S, Rechtsanwälte in G, und 2. Gemeinde Seiersberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Februar 1997 wurde der erstmitbeteiligten Partei aufgrund ihres Ansuchens vom 17. Dezember 1996 die Baubewilligung für die Aufstockung eines bestehenden Geschäftslokales als Zubau - fünf Obergeschoße für Büronutzung - auf den Grundstücken Nr. 356/5 und 356/17, KG S, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Auf dem Grundstück Nr. 356/5, KG S, befand sich bereits ein Geschäftslokal mit drei Obergeschoßen und einer Tiefgarage für 41 PKW sowie ein Kundenparkplatz für 24 PKW, auf dem Grundstück Nr. 356/17, KG S, befand sich ein Kundenparkplatz für 26 PKW sowie die Zufahrtsrampe zur Tiefgarage (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 97/06/0037, welches das Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues bzw. Zubaues eines Geschäftslokales und eine Tiefgarage für 41 Pkw auf den Grundstücken 356/5 und 356/17 betraf).

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der mit der Aufstockung verbundenen unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung sowie der mit der Fassadengestaltung (bewilligt wurde die Verglasung der fünf Obergeschoße mit Infrasolglas Type RR, dessen Reflexion laut Baubeschreibung maximal 8 % des einfallenden Lichtes beträgt) verbundenen unzumutbaren Immissionen durch Blendeinwirkung wurden als unbegründet abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid vom 27. März 1997 des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid wurde bestätigt.

In der daraufhin erhobenen Vorstellung rügte die Beschwerdeführerin - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant -, dass die Gutachten, auf die sich die Berufungsbehörde und auch die Behörde erster Instanz stütze, nicht schlüssig seien.

Mit dem Vorstellungsbescheid vom 1. September 1997 hob die belangte Behörde den bekämpften Bescheid wegen Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass das Gutachten des medizinischen Sachverständigen keine tauglichen Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens im allgemeinen Wohngebiet bzw. im Kerngebiet darstelle, da der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten von der Widmung "Industrie- und Gewerbegebiet II" ausgegangen sei. Daher seien subjektiv-öffentliche Nachbarrechte der Beschwerdeführerin aufgrund der Vorschriften hinsichtlich der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan - soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei - verletzt worden.

Die Berufungsbehörde holte daraufhin ergänzende Gutachten von nichtamtlichen Sachverständigen ein, und zwar von einem schalltechnischen, einem bauphysikalischen, einem medizinischen und einem emissions- und immissionstechnischen Sachverständigen (der insbesondere die Auswirkungen des Projekts auf die Luftgüte beurteilte).

Im Gutachten aus schall- sowie lichttechnischer Sicht vom 15. und 17. September 1997 führte der Sachverständige zusammenfassend aus, dass sowohl die zu erwartenden Immissionen durch Reflexion als auch durch Lärm den jeweiligen Widmungsmaßen entsprächen.

Im Befund hinsichtlich der Reflexionen wird dabei ausgeführt, dass direkte Reflexionen nur zu gewissen Zeitabständen (in Abhängigkeit von der Himmelsrichtung) und in Bezug auf die Jahreszeit aufträten. Im gegenständlichen Fall sei dies nur bei tiefstehender Sonne in den Herbst- und Wintermonaten der Fall. Bei höherstehender Sonne, insbesondere in den Sommermonaten, träten die Reflexionen nur auf dem Baugrundstück selbst auf. Als "Reflexionszeiträume" werden sodann März und September von 9:30 Uhr bis 14:30 Uhr und Februar und Oktober von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr angegeben. In den übrigen Monaten seien im maßgebenden Nachbarschaftsbereich keine direkten Reflexionen zu erwarten. Im Hinblick auf das Fehlen schriftlich fixierter Kriterien (Normen, Richtlinien) für die Beurteilung dieser Reflexionen verwies der Sachverständige hinsichtlich einer Beurteilung dieser im Befund festgestellten Fakten auf den medizinischen Sachverständigen. Allgemein führte der Sachverständige aber zur Blendwirkung aus, dass bei üblicher Isolierverglasung mit ca. 15 bis 20 % Reflexionsanteil nach außen die selben Blendeffekte mit mehr als der zweifachen Stärke als bei der vorgesehenen Verglasung mit 8 % Lichtreflexion aufträten.

In der Folge erstattete der medizinische Sachverständige Dr. V-H auf der Grundlage dieser ergänzenden Stellungnahmen sowie einer Stellungnahme des Dr. St eine ergänzende medizinische Stellungnahme und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass durch das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben bezogen auf das allgemeine Wohngebiet keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigung der Bewohnerschaft und bezogen auf das Kern -, Büro - und Geschäftsgebiet keine dem Gebietscharakter widersprechende Belästigung verursacht werde. Der immissionstechnische Sachverständige wiederholte die Feststellungen im lichttechnischen Gutachten vom 17. September 1997 und führte ebenfalls aus, dass es "international üblich" sei, bei gleichartigen Fassadenbauwerken ähnliche Grenzwerte vorzuschreiben.

Mit dem daraufhin ergangenen Berufungsbescheid vom 14. November 1997 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

In der dagegen erhobenen Vorstellung rügte die Beschwerdeführerin erneut sowohl das schalltechnische als auch das medizinische Sachverständigengutachten. Sie verwies insbesondere darauf, dass am IP (Immissionspunkt) 6 eine Überschreitung des Widmungsmaßes gutachtlich dokumentiert sei und auch durch die vorliegende geringfügige Überschreitung von 1 dB eine Nachbarrechtsverletzung vorliege. Des Weiteren habe sich auch am von der Beschwerdeführerin gerügten Fehlen konkreter Daten betreffend die Immissionen durch die Lichtreflexion und hinsichtlich der durch diese Immissionen zu befürchtenden Beeinträchtigungen durch das Berufungsverfahren nichts geändert. Abschließend verwies die Beschwerdeführerin auf die Ausführungen der belangten Behörde im Vorstellungsbescheid des ersten Rechtsganges, wonach im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich der Verglasung weitere Unterlagen einzuholen sein würden und festzustellen sein werde, wie hoch die Reflexionswirkung tatsächlich liege. Erst wenn dies eindeutig belegt und nachvollziehbar sei, könne der medizinische Sachverständige sein Gutachten in Bezug auf die Zulässigkeit im allgemeinen Wohngebiet erstellen und müssten allfällige Auflagen im Baubescheid vorgeschrieben werden. Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass es sich auch dabei um die Aufhebung tragende Gründe handle, die Berufungsbehörde jedoch diesen Forderungen der belangten Behörde nicht nachgekommen sei.

Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des letzten Absatzes des Vorstellungsbescheides vom 1. September 1997 (erster Rechtsgang) lediglich als verfahrensökonomische Hinweise für das fortgesetzte Verfahren der Gemeindebehörden zu werten seien. Eine Bindungswirkung ergebe sich daraus nicht. Aufhebungsgrund sei ausschließlich der Umstand gewesen, dass das Gutachten des nichtamtlichen medizinischen Sachverständigen keine taugliche Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens im allgemeinen Wohngebiet bzw. im Kerngebiet dargestellt habe.

Die Stellungnahmen sowohl des schalltechnischen als auch des medizinischen Sachverständigen wurden als schlüssig beurteilt und zur Überschreitung des Istmaßes am IP 6 ausgeführt, dass eine Erhöhung von 0,5 dB im Bereich der Mess- und Berechnungstoleranz liege und subjektiv nicht wahrnehmbar sei. Des Weiteren ergebe sich aus der Zusammenstellung der Verhältnisse bei Tag, dass die Summe der Immissionsmaße aus der Tiefgaragenzufahrt und der Benützung der beiden Kundenparkplätze mit einem Beurteilungspegel von rund 55 dB noch deutlich unter dem Widmungsmaß liege. Die geringfügige Erhöhung des Istmaßes am IP 6 im Bezugszeitraum Tag sei schließlich auch deshalb tolerierbar, da die Geräusche der Istverhältnisse aus dem Verkehrslärm der B 70 Packer Bundesstraße im Charakter mit den Geräuschen der Tiefgaragenzufahrt und der Benutzung der Kundenparkplätze vergleichbar seien.

Zum Einwand, wonach die verstärkten Verkehrsbewegungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, hielt die belangte Behörde fest, dass eine solche Berücksichtigung dadurch erfolgt sei, dass für die PKW-Zu- und Abfahrten zur Tiefgarage nunmehr 18 PKW-Bewegungen/Stunde anstelle von ursprünglich

4 PKW-Bewegungen/Stunde angenommen werden. Darüber hinaus werde der zweite Kundenparkplatz mit 57 Fahrtbewegnungen/Stunde in Rechnung gestellt. Dadurch ergäben sich zB am IP 6 gegenüber der Erstbeurteilung um 3 dB höhere Belastungen bei Tag bzw. 2 dB bei Nacht. Abschließend betonte die belangte Behörde, dass die für die Baulandkategorie "allgemeines Wohngebiet" sowie "Kerngebiet" festgelegten Widmungsmaße durch die künftigen Immissionsbelastungen durch das beantragte Bauvorhaben nicht überschritten würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift ebenso wie die mitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Nachbarrechte sind in § 26 Steiermärkisches Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, taxativ aufgezählt. Es kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

6.

die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

2.

Zur Frage der Lärmimmissionen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst das auf Grund des Vorstellungsbescheides der belangten Behörde im ersten Rechtsgang eingeholte ergänzende medizinische sowie das lärmtechnische Gutachten als unschlüssig und widersprüchlich. Im Hinblick auf das schalltechnische ergänzende Gutachten führt die Beschwerdeführerin aus, dass das vor Ort anzutreffende Istmaß bereits jetzt über dem Widmungsmaß für allgemeines Wohngebiet gelegen sei, auf dessen Einhaltung sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen unbedingten Rechtsanspruch besitze, sodass keinerlei weitere Lärmerhöhung zulässig sei.

Hiezu ist Folgendes zu sagen:

Grundsätzlich räumt das Stmk Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, dem Nachbarn nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes ein. Der Nachbar hat vielmehr nach dem Wortlaut des Gesetzes nur insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die Widmungskategorie eingehalten wird, als diese auch einen Immissionsschutz gewährleistet (§ 26 Abs. 1 Z 1 Stmk Baugesetz; vgl. Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht, Anmerkung 2 zu § 26 Stmk. Baugesetz).

§ 23 Abs. 5 (dessen lit. b und c im Beschwerdefall maßgebend sind) Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, lautet auszugsweise:

"(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u. dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind;

b) allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können;

c) Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Verwaltungsgebäude, Büro- und Kaufhäuser, Hotels, Theater, Kirchen, Versammlungsräume, Gast- und Vergnügungsstätten u. dgl. bestimmt sind, wobei auch die erforderlichen Wohngebäude und Garagen in entsprechender Verkehrslage sowie Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen lassen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verursachen, errichtet werden können;"

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem dieselben Grundstücke betreffenden Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0109, ausgesprochen hat, ist hinsichtlich der Widmung nach § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG abzuleiten, dass keine Betriebe errichtet werden dürfen, die dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohner verursachen, und ergibt sich aus lit. c, dass keine Betriebe errichtet werden dürfen, die diesem Gebietscharakter widersprechende Belästigungen verursachen (vgl. auch bereits das Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 97/06/0037).

Die Gemeindebehörden haben im Sinne dieser Rechtslage durch die erwähnten Gutachten die Frage zu klären versucht, ob durch das vorliegende Projekt dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohner verursacht würden bzw. (bezogen auf die Widmung nach lit. c) ob dem Gebietscharakter widersprechende Belästigungen verursacht würden.

Im Beschwerdefall ist außerdem zu beachten, dass sich das Bauwerk, auf dem fünf weitere Obergeschoße errichtet werden sollen, sowie die Tiefgarage und die beiden Kundenparkplätze auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken befinden, die teilweise als allgemeines Wohngebiet und teilweise als Kerngebiet gewidmet sind.

Entsprechend dieser Widmung hat der schalltechnische Sachverständige die Positionierung der Immissionspunkte sowie deren Zuordnung zu dem jeweiligen Widmungsmaß vorgenommen.

Die von der Beschwerdeführerin gerügte ergänzende Stellungnahme des schalltechnischen Sachverständigen ist als schlüssig und den Denkgesetzen entsprechend zu bewerten. Darin wird in durchaus übersichtlicher Weise dargestellt, von wieviel PKW-Bewegungen/Stunde im Hinblick auf die Tiefgarage, den Kundenparkplatz 1 sowie den Kundenparkplatz 2 ausgegangen wird. Des Weiteren werden die Bezugszeiträume "Tag" und "Nacht" unterschieden. In zwei Tabellen (jeweils für die Bezugszeiträume "Tag" und "Nacht") sind 6 Immissionspunkte aufgeführt, denen entsprechend ihrer Positionierung um die verfahrensgegenständlichen Grundstücke entsprechend der jeweiligen Flächenwidmung (allgemeines Wohngebiet oder Kerngebiet) unterschiedliche Widmungsmaße (im allgemeinen Wohngebiet LA,eq= 55 bzw. 45 dB tagsüber bzw nachts, im Kerngebiet LA,eq = 60 bzw 50 dB tagsüber bzw nachts) zugeordnet sind. In den Tabellen sind jeweils für den Tag sowie für die Nacht Beurteilungen nach LA,eq sowie nach Spitzen LA1 dargestellt, wobei bei der Beurteilung nach LA,eq das Istmaß, die Immissionsmaße der Tiefgaragenzufahrt, des Kundenparkplatzes 1 und des Kundenparkplatzes 2, die Summe der letzten drei genannten Immissionsmaße sowie die Erhöhung des Istmaßes durch diese Summe angeführt sind. Aus den genannten Tabellen ergibt sich, wie auch die Beschwerdeführerin anführt, tagsüber bei IP 6 eine Erhöhung um 0,5 dB und bei IP 1 eine Erhöhung um 1 dB sowie nachts bei IP 6 eine Erhöhung um 1 dB.

Der Sachverständige kommt im Gutachten zusammenfassend zum Ergebnis, dass sowohl an den zum allgemeinen Wohngebiet zu gelegenen, als auch an den an der Grenze zum Kerngebiet gelegenen Messpunkten die Immissionsmaße nicht überschritten werden. Es wird dazu erläuternd ausgeführt, dass Schallpegelerhöhungen bzw. Überschreitungen bis 1 dB im Bereich der Mess- und Berechnungstoleranz lägen. Auch seien die Geräusche, die bei den Zu - und Abfahrten zu den Kundenparkplätzen und der Tiefgarage entstehen, den Geräuschen der B 70 Packer Bundesstraße im Charakter vergleichbar und ist auch in dieser Hinsicht die Erhöhung des Istmaßes zu vernachlässigen.

Der medizinische Sachverständige hat ausgehend von der lärmtechnischen Stellungnahme und unter Bezugnahme auf die Kriterien des § 23 Abs. 5 lit. b und c ROG den Schluss gezogen, dass das ortsübliche Istmaß weder bei Tag noch bei Nacht verändert würden und daher keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen hervorgerufen würden. Wenn sich die belangte Behörde dieser Beurteilung angeschlossen hat, ist darin im Lichte der nachvollziehbaren Aussagen im lärmtechnischen Gutachten zu der zu erwartenden Summe der Lärmbelästigung keine Rechtswidrigkeit zu erblicken (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/06/0071, in welchem zu § 23 Abs. 5 lit. c ROG die Auffassung vertreten wurde, dass eine Erhöhung der Istbelastung um 1 dB im Rahmen des Widmungsmaßes nicht dazu führe, dass dem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen hervorgerufen würden).

Die Beschwerdeausführungen enthalten nichts, was geeignet wäre, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Schlüssigkeit dieser von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Überlegungen in Zweifel zu ziehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), unter E 235ff wiedergegebene Rechtsprechung). Die Beschwerdeführerin übersieht insbesondere, dass die Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage eines Anspruches darauf, dass "keinerlei weitere Lärmerhöhung zulässig" sei, einerseits die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde betreffen, andererseits aber an der Tatsache vorbeigehen, dass nach dem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Gutachten keine Erhöhung der Lärmimmission zu erwarten ist.

Wohl ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides teilweise nicht präzise und scheinbar widersprüchlich ist, doch lässt sich unter Berücksichtigung des genannten Gutachtens zur Lärmsituation nicht erkennen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde kommen hätte können, wenn sie die Begründung detaillierter (insbesondere bezogen auf die einzelnen im Gutachten untersuchten Messpunkte und Tageszeiten) gefasst hätte (zu den Verfahrensmängeln vergleiche näher unten).

Es ist insbesondere festzuhalten, dass - wovon auch die Beschwerdeführerin ausgegangen ist - das Istmaß im Beschwerdefall an einzelnen Messpunkten bereits über dem nach der ÖNORM für die jeweilige Widmungskategorie angesetzten Wert liegt. Bei dieser Sachlage ist es zutreffend, dass eine Erhöhung der Lärmbelastung, da das Maß des Zulässigen das Widmungsmaß ist, nicht mehr zulässig wäre.

Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob im Beschwerdefall für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens jedenfalls das niedriger angesetzte Widmungsmaß der Widmungskategorie allgemeines Wohngebiet herangezogen werden sollte, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem oben genannten Erkenntnis 97/06/0109 dahingehend entschieden, dass auf die vom jeweiligen Grundstück ausgehenden Immissionen abzustellen sei und diese entsprechend der für die jeweilige Widmungskategorie geltenden Vorschriften zu beurteilen seien. Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Einhaltung des niedrigeren Widmungsmaßes besteht sohin nicht.

Im Zusammenhang mit den geltend gemachten Verfahrensmängeln ist auf folgendes hinzuweisen:

Der schalltechnische Sachverständige geht im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben entgegen seinem ursprünglichen Gutachten vom 9. September 1996 nunmehr hinsichtlich der PKW-Zu-/Abfahrt der Tiefgarage tagsüber von

18 PKW-Bewegungen/Stunde, statt von 5-PKW-Bewegungen/Stunde aus. Auch im Gutachten vom 15. September 1997 ist dieser Wert zugrunde gelegt worden. Weitere Änderungen der Annahmen sind jedoch nicht erforderlich, da, wie der schalltechnische Sachverständige ausführt, für die Verhältnisse der Nacht die Ergebnisse des Gutachtens vom 9. September 1996 herangezogen werden können, da die Nutzung der Parkplätze unverändert bleibe und insbesondere keine gewerbliche Nutzung der Parkplätze erfolge. Daher ist diesbezüglich auch für die Tagstunden keine Änderung der PKW-Bewegungen/Stunde vorzunehmen.

Zwar ist der Beschwerdeführerin Recht zu geben, wenn sie sich unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels gegen die Ausführungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid wendet, dass "die Summe der Immissionsmaße aus der Tiefgaragenzufahrt und den Benützungen der beiden Kundenparkplätze mit einem Beurteilungspegel von rund 55 dB noch deutlich unter dem Widmungsmaß" liege. Der ergänzenden Stellungnahme des schalltechnischen Sachverständigen ist nämlich zu entnehmen, dass im IP 1 das Summenmaß tagsüber 55 dB beträgt, jedoch das Widmungsmaß ebenfalls 55 dB, sodass von einer deutlichen Unterschreitung dieses Widmungsmaßes nicht gesprochen werden kann (in den beiden anderen Messpunkten liegt der Wert bei 54 dB, sodass sich auch insofern keine deutliche Unterschreitung ergibt). Da jedoch das Widmungsmaß nach diesen Angaben nicht überschritten wird, stellt diese ungenaue Begründung keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müsste.

Auch wenn die belangte Behörde darauf hinweist, dass bereits durch das Istmaß eine Überschreitung des Widmungsmaßes erfolgt, stellt dies nur eine verkürzte Widergabe des Gutachtens dar. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich nur an einzelnen Messpunkten eine derartige Überschreitung. Da jedoch durch das Prognosemaß keine zusätzliche Überschreitung erfolgt, zeigt die Beschwerde auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Schließlich ist der Beschwerdeführerin grundsätzlich zuzustimmen, wenn sie der belangten Behörde entgegentritt, wenn diese ausführt, dass sich auf Grund der ergänzenden Beurteilung am IP 6 gegenüber der Erstbeurteilung eine um 3 dB höhere Belastung bei Tag bzw. um 2 dB höhere bei Nacht ergeben hätte. Vergleicht man das schalltechnische Gutachten vom 9. September 1997 mit dessen ergänzter Fassung, die dem Baubescheid erster Instanz und dem Berufungsbescheid als Grundlage diente, so wird bei IP 6 tagsüber das Summenmaß um 0,5 dB und nachts um 1 dB erhöht.

Wenn in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, dass das Summenmaß tagsüber um 9,5 dB über dem Widmungsmaß für allgemeines Wohngebiet und nachts um 14 dB über diesem Widmungsmaß liege, so ist dazu darauf hinzuweisen, dass dabei entgegen der oben dargestellten Rechtslage die von jenem Grundstück, das als Kerngebiet gewidmet ist, ausgehenden Immissionen in Relation zum Widmungsmaß des Grundstücks gesetzt werden, welches als allgemeines Wohngebiet gewidmet ist. Überdies ist die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung, dass es jeweils auch zu einer Erhöhung des Istmaßes kommt aus den angeführten Gründen aktenwidrig.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass zwar die Begründung des angefochtenen Bescheides in mehrfacher Hinsicht missverständlich formuliert ist, dass aber die von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegte Rechtsauffassung, dass es nicht zu einer Erhöhung des Istmaßes komme und daher die Baubewilligung zu erteilen gewesen sei, zutreffend ist und daher die Verfahrensmängel im Detail nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen können.

Dazu ist noch zu bemerken, dass grundsätzlich ein Begründungsmangel eines Bescheides nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeint - bereits dann vorliegt, wenn die Behörde lediglich ausführt, dass das Gutachten, das ihr als Entscheidungsgrundlage gedient hat, schlüssig, widerspruchsfrei und den Denkgesetzen entsprechend sei, ohne selbst näher darzutun, woraus sich diese Schlüssigkeit ergebe. Denn ist das entscheidungswesentliche Gutachten tatsächlich schlüssig und nachvollziehbar, so kann der Hinweis in der Begründung des bekämpften Bescheides darauf im Einzelfall ausreichen, wenn wie im Beschwerdefall der Gang der Argumentation und Begründung aus dem betreffenden Gutachten zu erkennen ist.

Der Beschwerdeführerin muß jedoch zu Gute gehalten werden - v. a. im Hinblick auf ihr Vorbringen betreffend die Verkehrsbewegungen -, dass die Praxis der Baubehörde, sämtliche Aktenstücke zu allen parallel laufenden Verfahren im Hinblick auf das gegenständliche Gebäude chronologisch in ein und dieselben Ordner einzuordnen und nicht für jedes neue Vorhaben eigene Ordner anzulegen, die Überschaubarkeit des Verfahrens und auch die Möglichkeit, dieses nachzuvollziehen, nicht gerade fördert. Sofern aufgrund weiterer Anträge der erstmitbeteiligten Partei sich weitere Veränderungen hinsichtlich der Kfz-Stellplätze ergeben sollten, wären diese in jenem Verfahren zu behandeln.

3. Zur Frage der Einwirkungen durch Lichtreflexion:

Der belangten Behörde ist grundsätzlich zu folgen, wenn sie die Ausführungen im Vorstellungsbescheid vom 1. September 1997, in denen sie die Einholung weiterer Unterlagen betreffend die Verglasung der fünf neuen Obergeschoße als Grundlage für ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten empfiehlt, als verfahrensökonomische Hinweise bezeichnet. Aus dem Wortlaut des vorletzten Absatzes dieses Bescheides :"...wurden Rechte der Vorstellungswerberin verletzt, weshalb, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden war." ergibt sich eindeutig, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung mit den davor angeführten Argumenten begründen wollte und diese weiteren Ausführungen lediglich als zusätzlicher, nicht bindender Hinweis zu bewerten sind.

Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass im fortgesetzten Verfahren auch Gutachten zu den Auswirkungen der zu erwartenden Reflexionen eingeholt wurden.

Es wird in der Beschwerde nichts vorgebracht, was Zweifel an den Angaben im lichttechnischen Gutachten erwecken könnte. Inwiefern die belangte Behörde Grund zur Annahme gehabt haben könnte, dass die aus dem bauphysikalischen Gutachten abgeleiteten Schlussfolgerungen des medizinischen Sachverständigen unzutreffend seien, wird ebenfalls nicht näher ausgeführt. Inwieweit die Beurteilung des medizinischen Sachverständigen betreffend die medizinischen Auswirkungen einer Reflexion von Licht durch das bewilligte Glas unzutreffend sein sollte, ist daher nicht ersichtlich. Insofern wird in der Beschwerde somit ebenfalls kein Verfahrensmangel aufgezeigt.

Da somit die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht dartun konnte, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zu viel verzeichneten Stempelaufwand, da die Gegenschrift nur in zweifacher Ausfertigung vorzulegen war.

Wien, am 4. März 1999

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060110.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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