TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W196 2118573-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §54 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §52
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W196 2118575-1/28E

W196 2118577-1/15E

W196 2118576-1/11E

W196 2118578-1/11E

W196 2118573-1/9E

W196 2146712-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. am XXXX , 6.) XXXX , geb. am XXXX alle StA. Ukraine 1.) gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 30.11.2015, Zl. 1053373200-150252096 (ad 1.), Zl. 1053373309-150252169 (ad 2.), Zl. 1053373407-150253360 (ad 3.), Zl. 1053373603-150253343 (ad 4.), Zl. 1053373505-150253335 (ad 5), Zl. 1136749506-161618568 (ad 6.) zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerden werden hinsichtlich Spruchpunkte I. und II gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

2. Den Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

3. Den Beschwerden wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

6.) XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gelangten gemeinsam mit deren minderjährigem Kindern, den Dritt- bis Fünftbeschwerdeführern, nach Österreich und stellten am 10.03.2015 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.03.2015 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet sei. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass in seiner Heimatstadt im Februar 2014 Demonstrationen und Auseinandersetzungen begonnen hätten. Viele Bürger in Donezk und Lugansk hätten die ukrainischen Behörden und deren politische Vertreter nicht anerkennen wollen. Sie wären für einen Anschluss an die Russische Föderation. Der Beschwerdeführer sei jedoch für eine Selbständigkeit der Ukraine eingetreten und habe an Demonstrationen teilgenommen. In seinem Umfeld seien ca. 90 Prozent der Bevölkerung pro-russisch. Er habe Fotomaterial angefertigt und auch Informationen über Personen, welche auf der russischen Seite wären, gesammelt. Von da an sei er bedroht worden. Es seien Leute an seinen Arbeitsplatz gekommen, die ihn und seine Familie mit dem Umbringen bedroht hätten. Diese Drohungen hätten fast täglich stattgefunden. Aus Angst um deren Leben habe er seinen Heimatort gemeinsam mit seiner Familie im Mai 2014 verlassen. Sie wären drei Wochen in XXXX aufhältig bevor sie hätten fliehen müssen. Sie hätten sich an verschiedenen Adressen aufgehalten, die ca. 800 km von seinem Heimatort entfernt gelegen seien. Als er dort ausfindig gemacht worden sei, sei er als auch seine Familie mit dem Umbringen bedroht worden. Aus Angst um deren Leben sei der Erstbeschwerdeführer mit seiner Familie schließlich aus der Ukraine geflohen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass sein und das Leben seiner Familie durch pro-russische Separatisten bedroht wäre.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am selben Tag wie der Erstbeschwerdeführer einer Erstbefragung unterzogen, wobei sie im Wesentlichen vorbrachte, dass ihr Gatte ständig bedroht worden sei und Anrufe von SBU, vom staatlichen Geheimdienst, bekommen habe. Er sei aufgefordert worden dort zu erscheinen und sei die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Erstbeschwerdeführer dort hingegangen und beide einvernommen worden. Ihr Gatte habe von einem Einkauf nach Hause fahren wollen und hätten sie versucht ihn in ein Auto zu zerren, wobei ihrem Gatten die Flucht gelungen sei. Von da an hätten sie fliehen müssen und hätten aus Angst um deren Leben die Ukraine verlassen.

Am 18.06.2015 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er in der Stadt XXXX geboren, aufgewachsen und zuletzt dort an verschiedenen Adressen gelebt habe. Er sei ukrainischer Staatsangehöriger und habe orthodoxen Glauben. Im Herkunftsland würden seine Eltern leben zu denen kein Kontakt bestehe. Er habe gelegentlich Kontakt mit seinen Schwiegereltern. Er verfüge in der Ukraine über ein Haus und habe seine Heimat nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Er habe elf Klassen die Mittelschule und folglich die Priesterschule in Kiew besucht. In seiner Heimat habe er als Selbständiger gearbeitet und habe er im Gebiet Donezk drei Geschäftslokale mit sieben Angestellten gehabt, wo er unter anderem Leuchten und Tapeten verkauft habe. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass seine Familie in Gefahr gewesen sei. Als sie im Gebiet von Donezk gelebt hätten, habe es eine große Menge an Separatisten gegeben, die sich von der Ukraine hätten trennen wollen. Er sei in seiner Heimat auch gesellschaftlich aktiv gewesen und habe die Interessen der Ukraine vertreten. Diese Gesellschaftliche Tätigkeit sei Teil seines Lebens. Er habe aber nie in einer Organisation gearbeitet. Er habe den ukrainischen Soldaten als sie in das Gebiet Donezk geschickt worden seien unterstützt. Damit habe er die Menschen, die für die Trennung von der Ukraine waren, gestört. Sie hätten seine Tätigkeit mit allen Mitteln beenden wollen. Bis sie Unterstützung aus Russland bekommen hätten, seien sie noch zurückhaltend gewesen. Sofort nachdem das Referendum über die Trennung von der Ukraine abgehalten wurde, hätten sie mit dem Beschwerdeführer uns seiner Familie abrechnen wollen. Die Drohungen die vorher an die Adresse seiner Familie und an seine Adresse gerichtet waren, seien Wirklichkeit geworden. Als er in der Früh in die Arbeit gekommen sei, habe er festgestellt, dass bewaffnete Personen in Militäruniform nach ihm suchten. Eine Stunde habe ihm gereicht, um seine Sachen zu packen und das Gebiet Donezk zu verlassen. Er habe gedacht Schutz in der Ukraine zu finden. Er habe sein Haus verlassen, habe seine Arbeit eingestellt und seine gesellschaftliche Tätigkeit aufgegeben. Er sei in die Siedlung XXXX zu seinem Freund gekommen und habe er sich einige Zeit bei ihm aufgehalten. Er habe ständig Drohungen auf sein Handy bekommen. Als er erfahren habe, dass sie wissen würde, wo er sich aufhalte, hätten sie diesen Ort verlassen müssen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt zunächst zu ihren persönlichen Verhältnissen an, dass sie ukrainische Staatsangehörige sei und orthodoxen Glauben habe. Sie habe eine mittlere technische Berufsbildung. Ihr Mann, der Erstbeschwerdeführer, sei Unternehmer und hätten sie gemeinsam Geschäfte gemacht. Ihre wirtschaftliche Situation sei sehr gut gewesen. Manchmal habe sie Kontakt zu ihrer Mutter. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie in der Ukraine insbesondere Angst gehabt habe seitdem sie zu einem Gespräch beim Sicherheitsdienst der Ukraine geladen worden sei. Nach diesem Gespräch sei ihr Mann vor deren damaligen Wohnung angegriffen worden. Die Adresse sei neu und hätten diese nur diesem einen Beamten genannt. Sie wisse bis jetzt nicht, warum sie damals vorgeladen worden seien. Ihr Mann sei auf dem Handy angerufen worden, wobei sie abgehoben habe und wäre sie überrascht gewesen, zumal sie der Anrufer beim Namen genannt habe und dies nicht ihre Nummer gewesen wäre. Der Mann habe gesagt, dass er von SBU sei, habe jedoch seinen Namen nicht genannt. Er habe nach dem Grund befragt, warum sie kommen sollten, nicht geantwortet. Sie habe Angst bekommen und aufgelegt. Der Mann habe nochmal angerufen und folglich mit dem Erstbeschwerdeführer telefoniert. Der Anrufer habe folglich seinen Namen genannt und die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer aufgefordert zu kommen, um Fragen zu beantworten. Sie seien zum SBU gegangen, wo sie in das Arbeitszimmer des Anrufers, der nunmehr auch seinen Namen bekannt gegeben habe, gebracht worden seien. Dort seien sie über den Missbrauch bei den Auszahlungen bei den Beihilfen für Binnenflüchtlingen befragt worden. Die Verantwortlichen diese Zahlungen selbst kassiert hätten. Sie sei befragt worden, ob sie Beihilfen und in welcher Höhe bezogen habe. Es wären ihr noch weitere zehn Fragen über Separatisten und Donezk gestellt worden. Sie sei gefragt worden, wer das organisiert habe und ob es Fotos und Videos gebe. Ihr Mann habe darauf gesagt, dass er die Fragen eigentlich an ich ihn richten sollte. Es sei ihr seltsam vorgekommen, dass das mit dem Missbrauch erwähnt worden sei, zumal dies Sache der Staatsanwaltschaft und nicht der SBU sei. Nach der Befragung seien sie nach Hause gegangen. Folglich sei ihr Mann kurz in ein nahegelegenes Lebensmittelgeschäft gegangen und gegen 18 Uhr nach Hause gekommen. Er habe das Licht abgedreht und die Türe versperrt. Er habe aus dem Fenster geschaut und erklärt, dass sie das Land verlassen müssten. In der Früh hätten sie deren Sachen gepackt und wären in die Wohnung gefahren, wo sie früher gewohnt hätten. Diese Wohnung hätten sie einem Freund überlassen und hätten sie dort die letzten Wochen verbracht bevor sie das Land verlassen hätten. Sie seien nie persönlich angegeriffen worden. Die Separatisten hätten ihnen gesagt, dass sie die ganze Familie abstechen würden. Sie seien von den Leuten beschimpft worden, aber körperliche Übergriffe habe es keine gegeben. Als ausschlaggebenden Grund, warum sie deren Heimatland verlassen hätten, gab sie an, dass nachdem ihr Mann vor dem Stiegenhaus angegriffen worden sei, habe ihr Mann gesagt, dass sie das Land verlassen müssten. Befragt, von wem ihr Mann bedroht worden sei, gab sie an, dass sie das nicht wisse. Sie wisse nur, dass er mehrmals angerufen worden sei. Ihr Mann habe damals laut gesprochen. In XXXX , wo sie hingezogen wären, sei mehrmals angerufen worden. Dann habe er erzählt, dass die Leute ihn verfolgen und wissen würden, wo sie seien. Mit wem er jetzt Probleme habe, wisse sie nicht.

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 30.11.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 10.30.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdeführer allesamt Staatsangehörige der Ukraine seien. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes folgerte die Behörde im Fall des Erstbeschwerdeführers, dass keine Gründe für eine Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt werden könnten. Ferner hätten die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer deren Vorbringen auf die Gründe des Erstbeschwerdeführers gestützt und hätten keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. So wären die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates nicht glaubwürdig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer einer Gefährdung vor Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt wären bzw. seien. So führte die Behörde aus, dass es innerhalb des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers zu Wiedersprüchen und Steigerungen gekommen sei. Zudem folgerte die Behörde nach Abgleich der Länderberichte der Staatendokumentation, dass die Situation im Gebiet der Ostukraine durchaus so sein könne, dass man von den Separatisten fliehen müsse, jedoch sei man im Rest der Ukraine keiner Verfolgung durch die Separatisten ausgesetzt. Auch die vorgelegten Fotos könnten den Fluchtgrund des Erstbeschwerdeführers nicht glaubhaft darlegen. Hinzu komme, dass auch die Zweitbeschwerdeführerin im Zuge ihrer Einvernahme am 18.06.2015 angegeben habe, dass der Grund der Vorladung vor dem Sicherheitsdienst der Missbrauch bei den Auszahlungen bei den Beihilfen für die Binnenflüchtlinge gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I., dass der von den Beschwerdeführern, insbesondere jener des Erstbeschwerdeführers - als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt nicht glaubhaft sei. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen die behauptete Verfolgung in der Ukraine durch Separatisten glaubhaft zu machen. Vielmehr sei der Verdacht gegeben, dass sie die Ukraine verlassen hätten, da die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Missbrauch bei den Auszahlungen bei den Beihilfen für die Binnenflüchtling etwas zu tun habe. Ferner stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Die Kriegszustände würden sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet der Ukraine, sondern lediglich auf einen kleinen Teil beziehen. In den übrigen Landesteilen herrsche Frieden und habe die ukrainische Staatsgewalt die Kontrolle. Ein fehlender staatlicher Schutzmechanismus für seine Bürger sei sohin ausgeschlossen. Es liege ein Familienverfahren vor, da jedoch keinem der Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei, könne aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens keine Status des Asylberechtigten zuerkannt werden. Zu Spruchpunkt II. folgerte die Behörde, dass in den gegenständlichen Fällen von einer asylrelevanten Verfolgung nicht gesprochen werden könne, weshalb im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Heimatstaat Ukraine nicht mit einer Gefahr im oben definierten Sinn zu rechnen sei. Grundsätzlich bestünden bzgl. der Ukraine keine Anhaltspunkte dafür, dass dort gegenwärtig eine derart extreme Gefahrenlage herrsche, durch die praktisch jeder - unabhängig vom Vorliegen individueller Gründe - im Falle einer Rückkehr der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Auch wenn dabei der Aspekt der derzeitig instabilen Lage in Teilen der Ostukraine nicht verkannt werde, so sei dahingehend festzuhalten, dass die übrigen Landesteile nicht von den Unruhen betroffen seien und sohin einer innerstaatlichen Fluchtalternative nichts im Wege stehe. Aus Sicht der Behörde sei auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer nach ihrer Rückkehr in die Ukraine in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnten. Eine lebensbedrohende Erkrankung oder einen sonstigen auf die Beschwerdeführer bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", welche ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen könnte, habe im Verfahren nicht festgestellt werden können. Zu den Spruchpunkten III. wurde ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführer keine Ansatzpunkte dafür hervorgekommen, dass Gründe für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vorliegen würden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer insbesondere an, dass er im Rahmen der Einvernahme am 18.06.2015 unter Zeitdruck gestanden sei. Daher wolle er im Rahmen der Beschwerde die Gelegenheit nutzen seine Vorgeschichte in der Ukraine näher auszuführen. Folglich schilderte der Beschwerdeführer, dass er immer pro-ukrainisch gewesen sei und ihm deshalb eine Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Sicherheitsdienst nicht möglich gewesen sei, da der SBU teils von der pro-russischen Seite unterwandert gewesen sei. Daher sei er vom SBU angefeindet und bedroht worden, da er Informationen über pro-russische Separatisten gesammelt habe. Ferner sei die Atmosphäre bei der Vorladung alles andere als freundlich gewesen und wäre seine Frau per Telefon geladen worden ohne dass ihr der Grund genannt worden sei. Ein oder zwei Tage nach dem Verhör sei der Beschwerdeführer Opfer eines Entführungsversuches geworden, was das fluchtauslösende Ereignis gewesen sei. Ferner bestehe in der Ukraine keine innerstaatliche Fluchtalternative. Sie hätten mehrmals deren Wohnort gewechselt und hätten versucht an verschiedene Orten eine Existenz aufzubauen, aber seien sie immer wieder gefunden worden. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die Behörde mangelhaft ermittelt habe und wurde nochmals darauf hingewiesen, dass sie in der Ukraine unter sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt hätten. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführer sehr gut integriert seien. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin würden beide als Haustechniker arbeiten und hätten sie geplant die Deutschprüfung der Niveaustufe A2 zu machen.

Am XXXX wurde die Sechstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren und der Erstbeschwerdeführer stellte für sie als gesetzlicher Vertreter am 29.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei wurde auf das Fluchtvorbringen des gesetzlichen Vertreters, dem Erstbeschwerdeführers, verwiesen und keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Zum Nachweis ihrer Identität wurde die österreichische Geburtsurkunde sowie ein Auszug aus dem zentralen Melderegister der Sechstbeschwerdeführerin vorgelegt.

Am 05.12.2016 langte eine Beschwerdeergänzung ein, im Zuge derer zwei Länderberichte übermittelt wurden, worin die Arbeitsweise des Sicherheitsdienstes SBU beschrieben wurde.

Mit Bescheid vom 19.12.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Sechstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 29.11.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Sechstbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Sechstbeschwerdeführerin in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Fluchtvorbringen der Sechstbeschwerdeführerin zur Gänze auf das Vorbringen ihres gesetzlichen Vertreters - des Erstbeschwerdeführers - beziehe, der in Gesamtschau außerstande gewesen sei ein glaubhaftes Fluchtvorbringen darzulegen. Es sei dem Vater der Sechstbeschwerdeführerin nicht gelungen, sein Vorbringen zur behaupteten Bedrohungssituation glaubhaft zu machen und habe die von ihm ins Treffen geführte Bedrohungssituation nicht als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt werden können.

Im Zuge des Verfahrens wurden folgende im Akt befindlichen Unterlagen in Kopie in Vorlage gebracht:

* Empfehlungsschreiben der Kindergartendirektorin vom 14.01.2016;

* Auszüge aus dem Zentralen Melderegister betreffend die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer jeweils vom13.02.2018

Betreffend den Erstbeschwerdeführer:

* Urkunde über die Registrierung als Einzelunternehmer;

* Bestätigung die Firma des Erstbeschwerdeführers betreffend;

* Heiratsurkunde;

* Registrierung als Binnenflüchtling,

* Auszug aus dem Familienmelderegister;

* Diverse Fotos;

* Abschluss der Priesterschule;

* Führerschein;

* Mietverträge;

* Feuerwehrpass mit dem Eintrittsdatum 18.01.2016;

* Bestätigung über die freiwillige Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr vom 12.07.2016;

* Bestätigung betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit im Ausmaß von acht Stunden wöchentliche bei einem Non-Profit Unternehmen, ausgestellt am 23.07.2016;

* Urkunde über die Ernennung/Beförderung zum Feuerwehrmann vom 18.03.2017;

* Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme am Modul "Abschluss Truppmann", ausgestellt von der NÖ Landes-Feuerwehschule am 01.04.2017;

* Verständigung über die Einberufung für einen Kurs, allgemeine feuerwehrliche Fortbildung, ausgestellt am 06.04.2017;

* Bestätigung betreffend die Verrichtung Haustechnischer Hilfsdienste im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche, ausgestellt am 13.06.2017;

* Urkunde betreffend die 10. Bezirkswasserdienstleistungsbewerb, ausgestellt am 19.08.2017;

* Urkunde betreffend die Teilnahme am 61.

Landeswasserdienstleistungsbewerb des NÖ Landesfeuerwehrverbandes vom 25.08.2017;

* Ausweis - Fachkenntnisnachweis für Staplerfahrer;

* Dankschreiben vom 25.08.2017 betreffend die gute Zusammenarbeit beim 67. Niederösterreichischen Landesfeuerwehrleistungsberwerb in St.Pölten;

* Einladung zur Bezirksstellenversammlung des Österreichischen Roten Kreuzes vom 11.10.2017;

* Meldezettel vom 13.02.2018;

* Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme am Modul "Atemschutzgeräteträger", ausgestellt von der NÖ Landes-Feuerwehschule am 07.04.2018;

* Zwei Urkunden betreffend die 40.

Bezirkswasserdienstleistungsbewerb Melk, ausgestellt jeweils am 14.07.2018;

* Drei Urkunden betreffend die 17.

Bezirkswasserdienstleistungsbewerb St. Pölten Stadt, ausgestellt jeweils am 04.08.2018;

* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs, ausgestellt am 13.09.2018;

Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin:

* Auszug aus dem ukrainischen Reisepass;

* Empfehlungsschrieben vom 19.02.2016;

* Teilnahmebestätigung - Basisbildungsschulung vom 05.04.2016;

* Prüfungszeugnis der Niveaustufe A2 vom 17.03.2016;

* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs, ausgestellt am 13.09.2018;

* Bestätigung betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit seit Juni 2018 und einer bedingten Anstellungszusage ab Jänner 2019

Betreffend die Drittbeschwerdeführerin:

* Geburtsurkunde;

* Schulbesuchsbestätigung über das Schuljahr 2014/15, ausgestellt am 03.07.2015;

* Schulnachricht über das Schuljahr 2015/1, ausgestellt am 29.01.2016;

* Empfehlungsschreiben der Schulleiterin einer im Akt näher bezeichneten Volksschule vom 26.02.2016;

* Schulbesuchsbestätigung über das Schuljahr 2015/16, ausgestellt am 01.07.2016;

* Schulnachricht über das Schuljahr 2016/17, ausgestellt am 03.02.2017;

* Jahres- und Abschlusszeugnis über das Schuljahr 2016/17 (vierte Schulstufe - Volksschule), ausgestellt am 30.06.2017;

* Urkunde betreffend die Teilnahme an einem internationalen Mathematikwettbewerb bei dem die Drittbeschwerdeführerin den 5.Platz belegte, ausgestellt am 24.04.2017;

* Schreiben betreffend die Aufnahme in die 1. Klasse (5.Schulstufe) AHS vom 13.03.2017;

* Stammblatt der Freiwilligen Feuerwehr vom 10.08.2018, dem zu entnehmen ist, dass die Drittbeschwerdeführerin seit 29.09.2017 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ist und am 14.04.2018 an einem Feuerwehrjugend Wissenstestspiel teilgenommen und am 05.07.2018 das Feuerwehrjugendbewerberabzeichen Bronze erworben hat;

Betreffend die Viertbeschwerdeführerin:

* Geburtsurkunde;

* Empfehlungsschreiben der Schulleiterin einer im Akt näher bezeichneten Volksschule vom 26.02.2016;

* Schulnachricht über das Schuljahr 2015/16, ausgestellt am 29.01.2016;

* Jahreszeugnis über das Schuljahr 2015/16, ausgestellt am 01.07.2016;

* Schulnachricht über das Schuljahr 2016/17, ausgestellt am 03.02.2017;

* Jahreszeugnis über das Schuljahr 2016/17, ausgestellt am 30.07.2017;

* Urkunde betreffend die Teilnahme an einem internationalen Mathematikwettbewerb bei dem die Drittbeschwerdeführerin den 6.Platz belegte, ausgestellt am 24.04.2017;

Betreffend den Fünftbeschwerdeführer:

* Geburtsurkunde;

* Schulbesuchsbestätigung über das Schuljahr 201/17, ausgestellt am 30.06.2017;

Betreffend die Sechstbeschwerdeführerin:

* Geburtsurkunde;

* Arztbrief Kardiologie vom 22.11.2016;

* Ambulanter Arztbrief vom 29.12.2016;

* Ambulanter Arztbrief vom 01.12.2016;

* Ambulanter Arztbrief vom 04.12.2016;

* Bericht betreffend die Frühgeburten Nachsorge vom 13.12.2016

* Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80%, gültig ab 13.03.2018 bis 30.06.2020;

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Ukraine und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie führen die im Spruch genannten Namen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer. Die Identität aller Beschwerdeführer konnten zweifelsfrei festgestellt werden. Vor ihrer Ausreise und Einreise nach Österreich lebten die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer Beschwerdeführer in der Ukraine. Am 10.03.2015 stellten die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz, nachdem sie legal in das österreichische Bundesgebiet einreisten Die Sechstbeschwerdeführerin wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte ihre gesetzliche Vertrug am 29.11.2016 den gegenständlichen Antrag. Seit deren Antragstellung halten sich die Beschwerdeführer in Österreich auf. Für alle sechs Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin bezog sich auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers und wurden für die minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Beschwerdeführer - insbesondere des Erstbeschwerdeführers - zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass den Beschwerdeführern eine asylrelevante Gefährdung, die von Seiten der Separatisten ausgeht, ausgesetzt sind. Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die Beschwerdeführer waren in der Ukraine in der Lage sich ihren Lebensunterhalt - zuletzt durch die berufliche Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als selbstständiger Unternehmer und die Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführer, die mit ihrem Mann, dem Erstbeschwerdeführer zusammenarbeitet - zu sichern.

Die Beschwerdeführer legten betreffend die Sechstbeschwerdeführerin Befunde vor, wonach sie an einer biventikulären Ventrikelfuntkionseinschränkung leidet. Die Erst-bis Fünftbeschwerdeführer sind gesund.

Die unbescholtenen Beschwerdeführer halten sich seit etwa drei Jahren und zehn Monaten im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführer leben in einem gemeinsamen Haushalt. Sie beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Die Beschwerdeführer sind herausragend sozial und karitativ tätig, absolvierten diverse Sprachkurse und sind bemüht, sich zu integrieren, wie durch eine Anzahl von Empfehlungsschreiben bewiesen wird. Die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer haben einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über ein Sprachdiplom der Niveaustufe A2. Der Erstbeschwerdeführer hat die Prüfung der Niveaustufe B2 am 17.03.2016 abgelegt. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ehrenamtlich aktiv. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine bedingte Anstellungszusage ab Jänner 2019. Der Erstbeschwerdeführer ist aktives Mitglied bei der Feuerwehr, ist Feuerwehrmann, hat an zahlreichen Wettbewerben der Freiwilligen Feuerwehr teilgenommen und diesbezügliche Kurse und Fortbildungen besucht. Er ist beim Österreichischen Roten Kreuz aktiv. Zudem leistet er seit September 2016 haustechnische Hilfsdienste im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über einen Befähigungsausweis, Fachkenntnisnachweise für Staplerfahrer gemäß § 11 der Fachkenntnisnachweis Verordnung. Zudem ist der Erstbeschwerdeführer auch politisch Interessiert. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin hat in Österreich die Volksschule absolviert, hat bei einem internationalen Mathematikwettbewerb den

5. Platz belegt und wurde in eine AHS aufgenommen. Sie ist Mitglied bei der Freiweilligen Feuerwehr und hat an diversen Veranstaltungen der Feuerwehrjugend teilgenommen. Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin besucht seit Jänner 2016 die Volksschule als außerordentliche Schülerin und hat sich schnell in sämtlichen Fächern und das Schulleben eingelebt, zumal sie bereits im Juli 2016 als ordentliche Schülerin alle Fächer mit "sehr gut" abgeschlossen hat. Ferner gehen aus den anderen Schulnachrichten und Zeugnissen stets gute Noten hervor und hat sie bei einem internationalen Mathematikwettbewerb den 6. Platz belegt. Der minderjährige Fünftbeschwerdeführer besucht derzeit die Volksschule.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

KI vom 30.11.2017, Zeugen Jehovahs (relevant für Abschnitt 15/Religionsfreiheit)

In verschiedenen Regionen der Ukraine beklagen religiöse Minderheiten Diskriminierung durch lokale Behörden. Die ukrainischen Gesetze verbieten jedenfalls Diskriminierung aufgrund des Glaubens, und religiöse Gruppen haben auch Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess gehört zu werden. Ukrainische Gerichte haben an mehreren Orten Polizeistrafen aufgehoben, welche gegen Zeugen Jehovahs wegen der Verteilung ihrer Schriften an öffentlichen Orten verhängt worden waren. Es gibt Berichte von physischen Angriffen auf Zeugen Jehovahs und von Vandalenakten gegen ihre Einrichtungen. Für 2016 werden 21 Fälle von Vandalismus (davon drei Brandstiftungen) gegen Königreichhallen gezählt, während es 2015 noch 56 Fälle von Vandalismus (davon fünf Brandstiftungen) waren. Es gibt aber auch Berichte über behördliche Gegenmaßnahmen, etwa die Verurteilung von Tätern bei Körperverletzungen. 2015 hatte der Gemeinderat eines ukrainischen Dorfes im Oblast Kirovohrad alle Religionsgemeinschaften außer der lokalen orthodoxen Gemeinde verboten, darunter auch die Zeugen Jehovahs. Dieses Verbot wurde auf Intervention des Büros des Ombudsmanns zurückgenommen, was die Zeugen Jehovahs sehr begrüßten. (USDOS 15.8.2017a).

In früheren Jahren zählten die Zeugen Jehovahs 64 Körperverletzungen (2008-2014) und 190 Vandalenakte (2008-2013) bei, nach eigenen Angaben, 150.000 Mitgliedern. Sie beklagten die Passivität von Polizei und Gerichten bei der Verfolgung der Delikte (JW 28.7.2014). 2014-2016 zählten die Zeugen Jehovahs 115 Übergriffe; acht Täter wurden in diesem Zeitraum gerichtlich verurteilt. Auch beklagten sie Einmischung der Behörden bei der Errichtung von Königreichsälen (UNHRC 31.8.2017). Andererseits sehen die Zeugen Jehovahs in der Ukraine ihre Position im Land durch ein ukrainisches Gerichtsurteil gestärkt, das der Religionsgemeinschaft die Anmietung von Gebäuden erleichtert (JW 24.3.2017). Laut Bericht wurde der Tag der offenen Tür der Zeugen Jehovahs in Lemberg auch von Behördenvertretern besucht (JW 25.7.2017).

Die Zeugen Jehovas sind eine jener Religionsgemeinschaften, deren Angehörige in der Ukraine ausdrücklich für einen Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen infrage kommen, was auch für den Mobilisierungsfall gilt, wie eindeutig gerichtlich bestätigt wurde (USDOS 10.8.2016) (siehe dazu Kap. 9.1. Wehrersatzdienst, Anm.).

Die Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk (DPR) und Lugansk (LNR) sperrten unter anderem eine Reihe von Zeugen Jehovahs ein. Nachdem in der DPR ein Gesetz zum Verbot von Sekten erlassen wurde, wurden einige Königreichhallen der Zeugen Jehovas besetzt, zwei davon aber auch wieder zurückgegeben (USDOS 15.8.2017a). Auf der Krimhalbinsel wird faktisch russisches Recht umgesetzt (USDOS 15.8.2017b). Die Zeugen Jehovahs wurden auf der Krimhalbinsel im April 2017 durch Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts für illegal erklärt, weil sie eine extremistische Organisation seien. Am 1. Juni 2017 wurden alle 22 Gemeinden dieser Religionsgemeinschaft auf der Krim (geschätzte 8.000 Mitglieder) amtlich abgemeldet. Am 9. Juni 2017 wurde einem Zeugen Jehovahs auf der Krim erklärt, er habe als solcher in der Russischen Föderation kein Recht auf einen Wehrersatzdienst aus Glaubengründen. Am 27. Juni 2017 wurde das Oberhaupt einer Gemeinde der Zeugen Jehovahs wegen unerlaubter Missionierungstätigkeit vor Gericht geladen und starb später am Tag an einer Herzattacke (OHCHR 25.9.2017).

Quellen:

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JW - Jehovahs Witnesses (24.3.2017): Oberstes Gericht der Ukraine stärkt Versammlungsfreiheit,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/high-gericht-st%C3%A4rkt-versammlungsfreiheit/, Zugriff 29.11.2017

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JW - Jehovahs Witnesses (25.7.2017): Behörden­vertreter besuchen Zweigbüro von Jehovas Zeugen in der Ukraine am Tag der offenen Tür, https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/pressemitteilungen/nach-region/ukraine/behoerdenvertreter-besuchen-zweigbuero-jehovas-zeugen-tag-der-offenen-tuer/, Zugriff 29.11.2017

-

JW - Jehovahs Witnesses (28.7.2014): Passivität der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine leistet weiteren Straftaten Vorschub,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/religioes-motivierte-gewalt-bleibt-ungestraft/, Zugriff 29.11.2017

-

OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (25.9.2017): Situation of human rights in the temporarily occupied Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1506587856_crimea2014-2017-en.pdf, Zugriff 29.11.2017

-

UNHRC - UN Human Rights Council (31.8.2017): Summary of Stakeholders' submissions on Ukraine; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1510062028_g1725515.pdf, Zugriff 29.11.2017

-

USDOS - US Department of State (15.8.2017a): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/345317/489112_de.html, Zugriff 29.11.2017

-

USDOS - US Department of State (15.8.2017b): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/345319/489113_de.html, Zugriff 29.11.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/328420/455696_en.html, Zugriff 29.11.2017

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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