TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/1 W169 2216606-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2019
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Entscheidungsdatum

01.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2216606-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2019, Zl. 1222043908-190252214, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 09.03.2019 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt.

Am 12.03.2019 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Schwechat die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei führte dieser aus, dass er aus Indien stamme, ledig sei und im Heimatland fünf Jahre die Grundschule besucht habe. Seine Eltern und sein Bruder würden in Indien leben. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass er die Partei von Sartar Simranjeet Singh Mann unterstützt habe. Seine Partei wolle ein eigenes Land mit dem Namen Khalistan. Deshalb sei er von den Mitgliedern anderer Parteien angegriffen und von diesen Personen mit dem Umbringen bedroht worden. Aus diesem Grund habe ihn sein Vater weggeschickt. Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland habe er Angst um sein Leben.

2. Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers nicht gestattet worden war, wurde dieser am 14.03.2019 im Rahmen eines Flughafenverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Flughafen, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und aus Indien am 16.01.2019 legal ausgereist sei. Er habe im Heimatland fünf Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt in einem Restaurant tätig gewesen, da er Koch gelernt habe. Seine Eltern, sein Bruder und weitere Verwandte würden in Punjab leben.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (A: nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

F: Aus welchen Gründen haben Sie Ihr Heimatland verlassen. Bitte geben Sie alle Gründe ausführlich an, Sie haben dazu ausreichend Zeit!

AW wird nochmals auf seine Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen.

A: Ich habe Khalistan unterstützt.

F: Was ist Khalistan?

A. Ein Herr namens Simranjeet Singh MAAN wollte Khalisan gründen.

Befragt was Khalistan ist sage ich, das ist, was der Simranjeet Singh Maan gründen wollte.

F: Ja, aber WAS ist KHALISTAN.

A: Das ist etwas, wo jeder hinkommen kann, und dort bleiben.

Nochmals befragt, WAS das ist, es ist ein Land.

F. Weshalb sollte das gegründet werden?

A: Das hat ein Freund von mir erzählt, ich weiß nicht genau, was das ist. Er hat mir davon erzählt.

F: Was hat der Freund erzählt?

A: Er sagte, dass der Simranjeet Singh gründen wollte.

F: Aber was haben Sie sich denn vorgestellt, was das ist?

A: Er sagte, dass wir Khalistan gründen sollen, aber die andere sagen, wir lassen das nicht zu.

F: Und Sie unterstützen das, obwohl Sie nicht wissen, was das ist und wozu es gut sein soll?

A: Ja.

F: In welcher Weise haben Sie das unterstützt?

A: Wir machen an verschiedenen Stellen LANGAR, wir haben das dreimal gemacht, in Abständen von drei bis 15 tagen, ein viertes Mal wollten wir das machen, und da ist eine andere Partei dazwischen gekommen.

F: Wer ist WIR? Eine Gruppe, Partei, Organisation?

A: Der Sardar Simranjeet Singh hat gesagt, dass wir überall dieses LANGAR veranstalten sollen, dann werden die Leute glücklich und uns unterstützen.

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Ja.

F: Befragt bei wem, sage ich, wenn man einen Monat dabei ist, ist man schon Mitglied.

Befragt bei welcher Partei, sage ich, es ist die Sardar Simranjeet Singh Partei.

Er hat zehn Parteien. Befragt ob er noch lebt, sage ich ja.

Die zehn Parteien kenne ich, die anderen nicht.

Ich kenne nur zwei Parteien.

F: Und wie heißen sie?

A: Ich weiß es nicht, Nochmals befragt die eine heißt SINGH - Party, und die andere heißt SEVA Partei.

F. Und welche Ziele haben diese Parteien, z.B. die, bei der Sie sind?

A: Wir wollen Khalistan.

F. Aber wozu soll es gegründet werden?

A. Es werden dann die Lete automatisch kommen.

F. Und das wollen Sie, dass viele Leute kommen?

A. Ja.

F: Und wo soll das sein.

A: Außerhalb von Amritsar.

F. Ja, aber da gibt es sicher Leute denen die Grundstücke gehren, Bauern etc? Wollen die das hergeben?

A. Deshalb kann Khalistan nicht gegründet werden.

F: Ist Ihr Vater Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein. Er ist Bauer. Er will das nicht.

F: Angenommen es ist schon gegründet, wie stellen Sie sich das vor?

A: Es werden viele Menschen kommen, um es zu besuchen, es wird gut.

F. Aber es kommen ja viele Menschen jetzt auch nach Indien.

A: Es wird das Beste von Indien.

F: Wie lange sind Sie schon dabei?

A: Seit November 2018, und schon nach 20 Tagen war ein Streit.

F. Und was passierte da?

A: Ich habe nicht gerechnet, dass es zu dieser Streitigkeit kommt. Es sind die von den anderen Parteien gekommen, wir haben dieses Langar gemacht. Sie haben uns attackiert und das Zelt, das wir aufgebaut haben, zerrissen. Wir waren zu dritt und die waren zehn.

Nein, wir waren zehn und die waren zwanzig. Zuerst waren wir zu dritt, dann sind die anderen dazu gekommen.

F. Also wie viele waren es?

A. Wir waren zuerst 10. Sie waren 20, sie sagten, wir dürfen das nicht machen. Sonst machen sie dies und jenes.

Nach einem Monat haben wir das wieder gemacht, und das zweite Mal haben sie uns wirklich attackiert.

F: Waren nur Mitglieder der Gruppe da oder auch Besucher?

A. Die zum Essen da waren, waren schon weg.

F: Haben Sie gekocht?

A. Nein, es gibt nur Tee und Snacks. Befragt wer das kauft, sage ich alle zusammen.

F. Und man geht hin und isst und weiß am Ende nicht, was Khalistan ist?

A. Es ist neben der Straße, es kann jeder kommen.

Befragt was es gibt, sage ich Wasser Tee, Brot und Kekse.

F. Und Sie haben ja gar nicht gearbeitet sondern Khalistan unterstützt. Wer bezahlt denn das Ganze?

A. Das Geld hat Sardar Simranjeet gegeben. Wir verlangen kein Geld.

F. Und wenn jemand kommt und isst, weiß der dann, worum es geht?

A. Wenn jemand kommt, sagen wir dass das Langar für Khalistan ist.

F. und gibt es Spenden?

A. Ja, es gibt einen Korb und die Leute werfen was hinein.

F. Wie oft haben Sie das gemacht?

A: Fünf Mal.

F. Was war denn Ihre konkrete Aufgabe dabei?

A: Ich habe serviert, Tee.

Abends haben wir das Geschirr gespült. Dann sind wir in den Sikh-Tempel, dort haben wir SEVA gemacht (unentgeltliches Helfen).

F: Wie ging das denn weiter bzw. warum sind Sie dann ausgereist?

A: Die haben gesagt, sie werden alle zehn umbringen. Dann sind wir geflüchtet. WO die anderen hingegangen sind, weiß ich nicht.

Befragt wann die Bedrohung war, sage ich, es war dreimal nichts, dann einmal sind wir bedroht worden, und das letzte Mal sind wir attackiert worden.

F: Und war das immer an der gleichen Stelle oder in anderen Orten?

A:Immer an der gleichen Stelle, einmal woanders.

F. was ist das letzte Mal genau passiert bzw. was ist Ihnen passiert?

A: Sie haben von hinten angegriffen und das Zelt niedergerissen und alles durcheinander gebracht.

F: Und ?

A: Dann sind wir weggerannt.

F: Und dann?

A: Ich bin einmal alleine auf den Markt gegangen. Mein Vater hat etwas bestellt. Einer hat mich dort gesehen, er hat angefangen, mit mir zu streiten. Er sagte ich soll da bleiben, sie werden mich erledigen, Dann haben sie gewusst wo ich wohne, und dann habe ich mich bei Verwandten versteckt. Vier oder fünf Tage habe ich mich versteckt, und dann hat ein Freund meines Vaters gesagt ich solle besser das Land verlassen.

F: Und Sie wollten das auch?

A: Ich bin zur Erkenntnis gekommen, dass es besser ist, ich verlasse Indien.

Sie sagten, sie würden mich richtig schlagen, die würden mich fesseln und mich richtig zusammenschlagen. Dann würde ich kapieren.

Der Freund meines Vater hat alles organisiert. Mein Vater hatte immer viel Stress wegen mir, er war immer besorgt. Es ist ihm nicht gut gegangen.

F: Seit November ?

A: Vorher auch schon.

Befragt weil die Ernte nicht gut war.

F: Wer waren die Kontrahenten überhaupt?

A: Von der anderen Partei.

Befragt wie diese heißt, sage ich, von der anderen Partei. Sie haben nicht gesagt, wer sie sind.

F: Und Sie wissen, dass die von einer Partei waren? Vielleicht waren es Randalierer, Verrückte?

A: Nein, die waren nicht verrückt.

F: Wie haben Sie die Leute in das Zelt bekommen, hatten Sie ein Plakat oder Ähnliches?

A: Nein, es war nichts geschrieben.

F: Haben Sie zu den Leuten die mit Ihnen waren, noch Kontakt, wissen Sie, was mit denen passiert ist?

A: Nein.

F: Das heißt, nach dem Ganzen haben Sie kein Langar mehr veranstaltet?

A: Nein.

Befragt zu dem Vorfall am Markt, sage ich, der war im Nebengeschäft und ich habe versucht, dass er mich nicht erkennt, aber er war hinter mir und versucht, mich zu attackieren. Ich bin aber abgehauen. Befragt ich kenne diese Person nicht.

Er hat die Leute gefragt, wo ich bin, aber die haben es nicht gesagt.

Befragt er weiß nicht, wo ich wohne. Er wird es sicher herausfinden.

F: War das überhaupt erlaubt, für Khalistan ein Langar zu machen?

A: Ja, die anderen Leute im Nachbardorf haben gesagt, es ist in Ordnung.

F: Und haben Sie sich einmal informiert über Khalistan, wenn Sie das unterstützen?

A: Nein.

F. Wie viele haben Sie für die Reise bezahlt und woher stammt das Geld?

A. Das hat der Freund meines Vaters bezahlt, das waren ca. 1,2 bis 1,3 Millionen Rupien.

Er hat das bezahlt, weil er ein Freund ist. Befragt wie ich das zurückzahlen soll, ich werde arbeiten.

F: Haben Sie sich nach der Attacke oder dem Vorfall am Markt an die Polizei gewandt?

A: Ja, aber die haben mir nicht geholfen. Die wollten Geld, das ich nicht hatte.

F: Möchten Sie noch irgendwelche Angaben machen?

A: Ich habe die Wahrheit gesagt, reicht das nicht aus?

LA: Was würde im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland geschehen?

VP: Ich werde sterben. Ich werde geschlagen.

Befragt was passiert wenn ich am Flughafen in Delhi aussteige, sage ich, Delhi ist weit, man soll mich nach Amritsar schicken.

Nochmals befragt, es ist Gefahr, dass sie erfahren, dass ich angekommen bin.

Befragt was der Freund meines Vaters von Beruf ist, sage ich, Bauer und er hat ein Geschäft. Er hat darauf vertraut, dass wir das zurückzahlen.

Befragt man verdient durchschnittlich 5000 Rupien im Monat.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ja, ich habe alles gesagt.

LA: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?

VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr.

V: Ihr Vorbringen zu Ihren Fluchtgründen ist absolut nicht glaubhaft.

Das Fluchtvorbringen ist nicht nachvollziehbar, Sie können praktisch keine konkreten Angaben, weder zur Khalistan- Bewegung, noch dazu, warum Sie diese angeblich unterstützt hätten, machen.

Sie sind kein exponiertes Mitglied einer separatistischen oder terroristischen Vereinigung, sondern jemand, der nicht einmal mir klar machen kann, warum er für Khalistan ist.

Selbst wenn ich den Vorfall an sich glauben würde, könnte man nicht feststellen, dass dies Asylrelevanz aufweist.

A. Ich habe alles was ich gehört und gesehen habe, gesagt, mehr kann ich nicht sagen.

Daher ist seitens des Bundesamts beabsichtigt, Ihren Antrag am Flughafen abzuweisen.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR - Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren - Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht - abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes - Zurückweisung der VP durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland - oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

Anmerkung: VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch ORS, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. - abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie nun am Ende der Befragung noch weitere Angaben machen oder irgendwelche Ergänzungen anbringen?

VP: Nein.

LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen?

VP: Ja.

LA an RB: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Nein.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Ich habe ihn sehr gut verstanden.

(...)"

3. Am 15.03.2019 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge UNHCR) gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.

4. Mit Schreiben des UNHCR vom 19.03.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde sei letztlich auch vom UNHCR geteilt worden, was sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben vom 19.03.2019 ergebe. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.

6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und auf seine bisher im Verfahren getätigten Angaben verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass die Erstbehörde es unterlassen habe, ausführliche Recherchen hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers durchzuführen. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungs-relevanten Sachverhalts hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Fluchtgrund sehrwohl Asylrelevanz zugebilligt werden müsse. Der Beschwerdeführer sei der Meinung, dass er die Voraussetzungen für die Gewährung von internationalen Schutz erfülle und ersuche das Bundesverwaltungsgericht daher, den vorliegenden Fall noch einmal zu prüfen und ihm internationalen Schutz in Form von Asyl, in eventu subsidiären Schutz zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er reiste am 09.03.2019 mit Flug CA 841 aus Peking kommend am Flughafen Schwechat an und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer besuchte im Heimatland fünf Jahre die Grundschule und arbeitete danach als Koch in einem Restaurant. Im Heimatland leben die Eltern des Beschwerdeführers, sein Bruder und weitere Verwandte. Der Beschwerdeführer ist ledig und im erwerbsfähigen Alter.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).

In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018:

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht gewähren die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 29.5.2018). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 18.9.2018). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2018) und kaum eingeschränkt (AA 18.9.2018). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2018). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 18.9.2018). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalismus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 29.5.2018).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2011, sind Hindus (79,8 Prozent), Muslime (14,2 Prozent), Christen (2,3 Prozent) und Sikhs (1,7 Prozent) (CIA Factbook 15.1.2019). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 18.9.2018). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 29.5.2018).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt, was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2018). In acht der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Himachal Pradesh, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha und Rajasthan) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missions-Visa" ("missionary visa") (USDOS 29.5.2018).

Die Nationale Kommission für Minderheiten, welcher Vertreter der sechs ausgewiesenen religiösen Minderheiten und der Nationale Menschenrechtskommission angehören, untersucht Vorwürfe von religiöser Diskriminierung. Das Ministerium für Minderheitenangelegenheiten ist auch befugt, Untersuchungen anzustellen. Diese Stellen verfügen über jedoch über keine Durchsetzungsbefugnisse, sondern legen ihre gewonnenen Erkenntnisse zu Untersuchungen auf Grundlage schriftlicher Klagen durch Beschwerdeführer bei, welche strafrechtliche oder zivilrechtliche Verstöße geltend machen, und legen ihre Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Stellungnahme vor. Achtzehn der 29 Staaten des Landes und das National Capital Territory of Delhi verfügen über staatliche Minderheitenkommissionen, die auch Vorwürfe religiöser Diskriminierung untersuchen (USDOS 29.5.2018).

Gewalt gegen religiöse Minderheiten, wurde 2017 in Indien zu einer zunehmenden Bedrohung (HRW 18.1.2018). 2018 versäumte es die Regierung, wachsende Gewaltausübung gegen religiöse Minderheiten - oft von Gruppen, welche behaupten, die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) zu unterstützen - zu verhindern oder glaubwürdig zu untersuchen. Gleichzeitig unterstützten einige hochrangige Persönlichkeiten der BJP öffentlich die Täter solcher Verbrechen, halten Hetzreden gegen Minderheitengruppen und unterstützen die hinduistische Vorherrschaft und den Ultranationalismus, was zu weiterer Gewalt führt (HRW 17.1.2019).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamische Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 29.5.2018). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 18.9.2018).

Der Wahlsieg der Hindu-nationalistischen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 18.9.2018). Die Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen hat im Jahr 2017 nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr (2017: 706 Fälle) auf 822 erfasste Fälle mit insgesamt 111 Toten (2017: 86 Tote) (AA 18.9.2018).

Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 18.9.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2019): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019

-

FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018

-

HRW - Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019

-

HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2018 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 29.10.2018

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).

Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

Meldewesen

Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

Grundversorgung und Wirtschaft

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).

2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).

Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).

Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund

1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).

55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018):

Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018

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BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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