TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/29 VGW-151/074/3937/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.04.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG §19 Abs2
NAG §24 Abs4
AVG §13 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Mandl über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. am ...1995, Sta: Türkei, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 23.01.2019, Zahl ..., mit welchem gemäß § 19 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) der Antrag vom 23.4.2018 zurückgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 23.4.2018 einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung „Student“.

Dem BF wurde mit Einreichbestätigung vom 23.4.2018 die Antragstellung auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (Verlängerungsantrag) Studierender bestätigt und gleichzeitig nachzureichende Unterlagen mit einer Frist bis 24.5.2018 vorgeschrieben.

Mit E-Mail vom 24.5.2018 wurde vom BF um Fristerstreckung um einen Monat ersucht.

Mit Schriftsatz vom 9.7.2018 wurde bekannt gegeben, dass nunmehr ein Zweckänderungsantrag gestellt werde mit dem Wortlaut:

„Der Antragsteller stellt nunmehr einen Zweckänderungsantrag im Sinne des § 24 NAG und beantragt, ihm nunmehr eine Niederlassungsbewilligung aus dem ARB 1/80 in der Form der Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu dokumentieren/bewilligen. Gestützt wird der Antrag direkt auf das ARB 1/80, welches unmittelbare Wirkung und Geltung in der österreichischen Rechtsordnung hat und im Stufenbau der Rechtsordnung über den nationalen Gesetzen (so auch über dem NAG) steht. Eine Transformation dieses Aufenthaltsrechts wurde vom Fremdenrechtsgesetzgeber bislang nicht vorgenommen, weshalb das Recht auf Beschäftigung und Aufenthalt direkt aus dem ARB 1/80 erfließt und das Pendant dieses Rechts (Recht auf Beschäftigung und Aufenthalt) im NAG – nach der Verwaltungspraxis wie auch nach der Judikatur – am ehesten die Rot-Weiß-Rot-Karte plus darstellt.“

In dieser Stellungnahme wurde auch ausgeführt, dass der BF weiterhin sein Studium betreiben wolle, jedoch aktuell im erforderlichen Ausmaß den Studienerfolg nicht erbringen könne, da er im abgeschlossenen und verfahrensrelevanten Zeitraum lediglich 2,25 ECTS und im aktuellen Studienjahr bislang nur 5,25 ECTS als Studienerfolg vorweisen könne.

Der Stellungnahme war eine Bescheidausfertigung gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG vom 4.7.2018 angeschlossen, nach welcher für den BF die Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Kellner für die Zeit vom 4.7.2018 bis 3.7.2019 im Ausmaß von 10 Stunden pro Woche und einem monatlichen Entgelt von € 405 brutto verlängert werde.

Sodann erging eine Unterlagenanforderung mit Datum 25.7.2018 betreffend Sammelzeugnis mit Frist bis 24.8.2018.

Am 16.8.2018 wurde vom BF übermittelt: Bestätigung des Studienerfolges mit Datum 15.8.2018

Am 7.12.2018 wurde mit dem BF und seiner Rechtsvertreterin eine Niederschrift bei der belangten Behörde aufgenommen, in welcher die Rechtsvertreterin angab, dass der bisherige Zweckänderungsantrag von „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ auf „Rot-Weiß-Rot-Karte“ modifiziert werde, in eventu für den Fall, dass der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ keine Folge gegeben werde, der Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit“ gemäß § 43b NAG gestellt werde. Der BF sei nach wie vor als Kellner unselbstständig erwerbstätig, am ehesten würden die modifizierten Aufenthaltstitel dem Aufenthaltsrecht des BF aufgrund des ARB 1/80 entsprechen.

In der Folge wurde die Aufforderung gemäß § 13 Abs. 3 AVG mit Datum 3.1.2019 an den BF gerichtet und mitgeteilt, dass er am 23.4.2018 einen Antrag auf „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gestellt und den Aufenthaltszweck nicht genau bezeichnet habe, weshalb er dies nunmehr binnen der angeführten Frist mitteilen könne. § 19 Abs. 2 NAG wurde zitiert und Aufenthaltszwecke des § 41 NAG wurden aufgelistet. Ebenso wurden Unterlagen nachgefordert (Arbeitgebererklärung, Qualifikationsnachweise, Unterkunft mit Rechtsanspruch). Eine Frist für den Verbesserungsauftrag bis 21.1.2019 wurde vorgesehen.

Am 21.1.2019 wurde vom BF um Fristerstreckung bis 5.2.2019 ersucht.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.1.2019 wurde der Antrag des BF vom 23.4.2018 zurückgewiesen, da kein Aufenthaltszweck angegeben worden sei.

Dagegen erhob der BF Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und führte zuerst zum Wesen des Eventualantrages aus und dass der BF nicht unzulässiger Weise mehrere Hauptanträge eingebracht habe, sondern einen Hauptantrag und einen Eventualantrag. Der vom BF modifizierte Zweckänderungsantrag auf RWR-Karte sei nicht explizit auf § 41 NAG gestützt worden, sondern auf Art. 6 ARB 1/80 und treffe – zwar nicht im Hinblick auf den Normtext des § 41 NAG – auf den gegenständlichen Sachverhalt zu. Da hiermit eine Bindung an denselben Arbeitnehmer für mindestens 10 Monate erforderlich sei, um im Verlängerungsfall eine RWR-Karte plus nach § 41a NAG zu erhalten, werde dies am ehesten mit diesem Aufenthaltstitel erreicht.

Das Verbesserungsverfahren, der BF möge angeben, welcher Tatbestand des
§ 41 NAG erfüllt sei, sei nicht geeignet, den Zweckänderungsantrag, welcher den Aufenthaltstitel lediglich namentlich benenne, zurückzuweisen. Auch am Eventualantrag sei ersichtlich, dass der BF eine Niederlassungsbewilligung wolle.

Der BF als türkischer Staatsangehöriger modifiziere hiermit seinen Zweckänderungsantrag von RWR-Karte nach dem NAG, in eine Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997.

Der BF arbeite im Bundesgebiet und habe hier seine Lebensinteressen. Ihm dürfe eine quotenfreie Niederlassungsbewilligung erteilt werden, da er sich aufgrund des Assoziationsabkommens im Bundesgebiet aufhalte und auch eine Beschäftigungsbewilligung habe. Darüber hinaus verfüge er über einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des FrG 1997 seien nachweislich erfüllt. Der BF wiederhole, dass ihm - nach Änderung des begehrten Aufenthaltstitels im Zweckänderungsverfahren -, eine Niederlassungsbewilligung nach den günstigeren fremdenrechtlichen Bestimmungen zu erteilen sei. Der BF habe beantragt, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen bzw. dieses zu dokumentieren, was ihm von der belangten Behörde zu Unrecht verwehrt worden sei. Der angefochtene Bescheid sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, weil der BF keinen Verfahrensmangel zu vertreten habe und als türkischer Arbeitnehmer weder eine besonders hochqualifizierte Person, noch eine Fachkraft im Mangelberufen, noch eine sonstige Schlüsselkraft oder gar Studienabsolvent im Sinne des § 41 NAG sei. Inwiefern ein Mangel zu beheben gewesen wäre, sei nicht nachvollziehbar. Es sei Aufgabe der Behörde, den BF im Hinblick auf den richtigen Titel zu leiten.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aufgrund des Aktes der belangten Behörde und des Beschwerdeverfahrens wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der BF ist am ...1995 geboren und türkischer Staatsangehöriger. Der Reisepass des BF hat eine Gültigkeit bis 8.3.2027.

Der BF hat am 23.4.2018 einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung „Student“ gestellt.

Am 9.7.2018 hat der BF „einen Zweckänderungsantrag gemäß § 24 NAG als assoziationsbegünstigter Türke“ gestellt. Er beantragte nunmehr eine Niederlassungsbewilligung aus dem ARB 1/80 in der Form einer „Rot-Weiß-Rot Karte plus“.

Am 7.12.2018 wurde der Zweckänderungsantrag modifiziert auf „Rot-Weiß-Rot Karte“ und für den Fall, dass dieser Aufenthaltstitel nicht erteilt werden könne, wurde der Zweckänderungsantrag modifiziert auf Niederlassungsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ gemäß § 43b NAG.

In der vorliegenden Beschwerde hat der BF seinen Zweckänderungsantrag nochmals modifiziert von RWR-Karte nach dem NAG auf Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997.

Zusammengefasst hat der BF daher zuerst einen Verlängerungsantrag für seine Aufenthaltsbewilligung „Student“ gestellt, diesen Antrag hat er zweckgeändert auf „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ aus dem ARB 1/80, diesen zweckgeänderten Antrag hat der BF dann modifiziert auf „Rot-Weiß-Rot Karte“ und als Eventualantrag zu diesem Zweckänderungsantrag hat er schließlich eine Niederlassungsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ gemäß § 43b NAG beantragt, und diesen Zweckänderungsantrag hat er mit der vorliegenden Beschwerde schlussendlich auf Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 modifiziert.

Rechtlich folgt daraus:

Gegenständlich ist zu prüfen, ob die Zurückweisung nach § 19 Abs. 2 NAG iVm
§ 13 Abs. 3 AVG zu Recht erfolgt ist.

Der BF hat sich in seinem (zweckgeänderten) Antrag ausdrücklich auf den Beschluss des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) gestützt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis zu Ro 2017/22/0015 vom 9.8.2018) sieht das NAG keinen spezifischen Aufenthaltstitel für türkische Staatsangehörige, die Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 ableiten, vor und sind weiters dem Wortlaut des ARB 1/80 keine expliziten aufenthaltsrechtlichen Vergünstigungen zu entnehmen. Allerdings impliziert ein Recht auf Beschäftigung notwendigerweise ein Aufenthaltsrecht. Dieses Aufenthaltsrecht als Folge des Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung ist ab diesem Zeitpunkt unmittelbar aus dem ARB 1/80 herzuleiten und wird nicht erst durch die Erteilung einer entsprechenden nationalen Erlaubnis begründet (vgl. VwGH 23.6.2015, Ro 2014/22/0038). Die sich aus Art. 6 ARB 1/80 ergebenden individuellen Rechte stehen türkischen Arbeitnehmern unmittelbar zu (VwGH 24.5.2017, Ra 2017/09/0014). Eine nationale Aufenthaltsberechtigung hätte demnach bloß deklaratorischen Charakter (VwGH 10.11.2009, 2008/22/0687) und ist dies auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes so zu sehen (EuGH 22.6.2000, Eyüp, C-65/98).

Die Aufforderung der belangten Behörde an den BF nach § 19 Abs. 2 NAG iVm § 13 Abs. 3 AVG, den Aufenthaltszweck für die nunmehr beantragte Rot-Weiß-Rot – Karte anzugeben, geht nach der angeführten Rechtsprechung ins Leere, weshalb der bekämpfte Zurückweisungsbescheid aufzuheben war.

Der BF hat mit der Beschwerde eine neuerliche Modifikation seines Zweckänderungsantrages bekannt gegeben.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs. 4 NAG ist der Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels bis zur Erlassung des Bescheides möglich. Dies stellen auch die Gesetzesmaterialien klar, wonach ein solcher Antrag „bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens“ gestellt werden kann.

Auf den in der Beschwerde gestellten und modifizierten Zweckänderungsantrag von RWR-Karte nach dem NAG auf Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 war demnach gegenständlich vom Gericht nicht einzugehen, zumal verfahrensgegenständlich ohnehin lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Zurückweisungsentscheidung der belangten Behörde war.

Zur in der Beschwerde vorgebrachten Belehrungspflicht des BF durch die belangte Behörde ist der Vollständigkeit wegen anzuführen, dass – da der BF kein Recht auf Aufstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 6 ARB 1/80 ableiten kann – die Behörde nicht gehalten war, ihn gemäß § 23 Abs. 1 NAG zu belehren (VwGH 6.9.2018, Ro 2018/22/0008).

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte in Anwendung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verlängerungsantrag; Zweckänderungsantrag; modifizierter Zweckänderungsantrag; Eventualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.074.3937.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten