TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/22 98/10/0250

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Veröffentlicht am 22.03.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E15202000;
E6J;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

11992E030 EGV Art30;
11992E036 EGV Art36;
31979L0112 Etikettierungs-RL Art2 Abs1 litb;
61978CJ0120 Cassis de Dijon VORAB;
61984CJ0178 Kommission / Deutschland;
61984CJ0247 Motte VORAB;
61984CJ0304 Claude Muller VORAB;
EURallg;
LMG 1975 §10;
LMG 1975 §18 Abs2;
LMG 1975 §18;
LMG 1975 §9 Abs1;
LMG 1975 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in Bühl, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 29. April 1998, Zl. 365.522/0-VI/B/12/98, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens von Verzehrprodukten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 29. April 1998 untersagte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86 (LMG) das Inverkehrbringen der von der beschwerdeführenden Partei angemeldeten Produkte "Linusit Gold Goldgelber Sonderzucht-Leinsamen", "Linusit Gold Qualitäts-Leinsamen", "Granufink Kürbiskern-Kapseln N" und "Granufink Kürbiskern-Granulat" als Verzehrprodukte.

In der Begründung heißt es, mit Schreiben vom 20. April 1998 habe die beschwerdeführende Partei die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Erzeugnisse unter gleichzeitiger Vorlage der Aufmachung gemäß § 18 LMG als Verzehrprodukte angemeldet. Gleichzeitig sei für die auf den Aufmachungen aufscheinenden Angaben ein Antrag gemäß § 9 Abs. 3 LMG gestellt worden. Die Aufmachungen wiesen beispielsweise folgende gesundheitsbezogenen

Angaben auf:

Linusit Gold Goldgelber Sonderzucht-Leinsamen und Linusit Gold

Qualitäts-Leinsamen: "Linusit Gold dient als Ballast- und Quellstoff bei ernährungsbedingter Stuhlverstopfung ....."

Granufink Kürbiskern-Kapseln N: "Zur Stärkung der Blasenfunktion"

Granufink Kürbiskern-Granulat: "..... Kürbiskerne, wie sie in Granufink Kürbiskern-Granulat verwendet werden, stärken die Blasenmuskulatur. Dadurch beeinflußen sie positiv Beschwerden beim Harnlassen, wie sie häufig bei Blasenreizzuständen, Blasenschwäche und bei Funktionsstörungen der Blase im Zusammenhang mit einem

Prostata-Adenom auftreten können ......"

Die angemeldeten Verzehrprodukte seien mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben versehen. Laut Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes sei es Aufgabe des Anmelders, sich vor Anmeldung einer Ware dahingehend zu vergewissern, ob auf der Verpackung bzw. einem allfälligen Beipackzettel verbotene gesundheitsbezogene Angaben aufschienen. Für diesen Fall sei vorerst ein dementsprechender Antrag auf Zulassung gemäß § 9 Abs. 3 LMG zu stellen und dessen bescheidmäßige Erledigung abzuwarten. Das Aufscheinen der verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben bei der Anmeldung der Ware als Verzehrprodukt stelle jedenfalls einen Untersagungsgrund dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde, es sei Aufgabe des Anmelders, sich vor Anmeldung einer Ware um eine Zulassung gesundheitsbezogener Angaben zu kümmern, sei mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht vereinbar. Es habe sich zwar auch nach dem EU-Beitritt Österreichs an der gesetzlichen Anmeldeverpflichtung für Verzehrprodukte nichts geändert. Die Forderung aber, sich dem österreichischen Anmeldeverfahren zu unterwerfen, könne nur unter der Bedingung aufrechterhalten werden, daß sich die Anmeldungsverfahren als eine "leicht übersteigbare Marktzutrittsschwelle" darstellten. Gemessen an diesem Erfordernis des Gemeinschaftsrechts sei der angefochtene Untersagungsbescheid rechtswidrig. Da es sich bei den angemeldeten Produkten durchwegs um in Deutschland erzeugte und dort seit Jahren verkehrsfähige frei verkäufliche Lebensmittel handle, käme dem Untersagungsbescheid nur im Falle zwingender Erfordernisse des Gesundheits- oder Täuschungsschutzes Berechtigung zu. Solche Gründe habe die belangte Behörde aber zur Rechtfertigung ihres Vorgehens nicht herangezogen. Solche Gründe lägen auch nicht vor. Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid ausschließlich damit begründet, daß die beschwerdeführende Partei verpflichtet gewesen wäre, vor der Anmeldung nach § 18 LMG für sämtliche Produkte eine bescheidmäßige Zulassung gesundheitsbezogener Angaben zu erwirken. Damit aber setze sich die belangte Behörde über das Erfordernis eines "leicht zugänglichen Verfahrens" hinweg, welches nur im Falle eines Abschlusses innerhalb einer Frist von höchstens 90 Tagen angenommen werden könne. Abgesehen davon sei kein vernünftiger Grund dafür zu ersehen, mit sofortiger Untersagung vorzugehen. Vielmehr wäre gleichzeitig über den Antrag auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben abzusprechen gewesen. Falls man den Rechtsstandpunkt einnehme, daß die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln durch die Etikettierungsrichtlinie abschließend geregelt werde, so würde dies zwar den Rückgriff auf Artikel 30 EGV ausschließen, das Resultat wäre jedoch dasselbe. Der angefochtene Untersagungsbescheid wäre auch in diesem Fall gemeinschaftsrechtswidrig, weil die Etikettierungsrichtlinie einer nationalen Regelung, die den Vertrieb von Lebensmitteln strengeren Voraussetzungen (hier: durch Anwendung des § 18 Abs. 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 LMG) unterwerfe, entgegenstehe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 18 Abs. 1 LMG ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) in Verkehr zu bringen.

Nach § 18 Abs. 2 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.

Nach § 9 Abs. 1 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen

a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;

b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;

c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.

Nach § 9 Abs. 3 LMG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Von der beschwerdeführenden Partei wurden Verzehrprodukte mit gesundheitsbezogenen Angaben zum Inverkehrbringen angemeldet. Eine Zulassung dieser gesundheitsbezogenen Angaben lag nicht vor. Das Inverkehrbringen dieser Verzehrprodukte war daher unzulässig, da sie auf Grund ihrer mit gesundheitsbezogenen Angaben versehenen Aufmachung gegen § 9 LMG verstießen.

Damit waren die Voraussetzungen für die Untersagung nach § 18 Abs. 2 LMG gegeben. Zwar hat derjenige, der ein nach § 9 LMG zu beurteilendes Produkt in Verkehr zu bringen beabsichtigt, einen Rechtsanspruch auf Zulassung, wenn die Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Die Wirkungen treten aber erst mit Erlassung des stattgebenden Bescheides ein; bis dahin gilt die allgemeine Verbotsnorm des § 9 Abs. 1 LMG. Es ist daher Sache desjenigen, der ein Produkt mit gesundheitsbezogenen Angaben in Verkehr bringen will, vor Anmeldung des Produktes einen entsprechenden Antrag auf Zulassung dieser Angaben zu stellen und dessen bescheidmäßige Erledigung abzuwarten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1979, 2128/78). Eine Verpflichtung, mit der Entscheidung über Untersagung oder Nichtuntersagung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben zu warten, bestand nicht, da das LMG weder ausdrücklich noch erschließbar ein solches Abwarten anordnet. Ein solches Zuwarten wird der Behörde im allgemeinen auf Grund der kurzen zur Verfügung stehenden Frist für die Entscheidung über Untersagung oder Nichtuntersagung gar nicht möglich sein.

An diesem Ergebnis ändern auch die Hinweise der beschwerdeführenden Partei auf das Gemeinschaftsrecht nichts.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem von der beschwerdeführenden Partei zitierten Urteil vom 12. März 1987, Rechtssache 178/84 ("Reinheitsgebot für Bier"; Slg. 1987, 1227) folgendes ausgesprochen:

"Angesichts der beim derzeitigen Stand der Forschung im Bereich der Lebensmittelzusätze bestehenden Unsicherheiten und mangels einer Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften stehen die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag einer nationalen Regelung nicht entgegen, durch die der Verbrauch dieser Stoffe eingeschränkt und ihre Verwendung von einer vorherigen Zulassung abhängig gemacht wird, die durch einen Rechtsakt von allgemeiner Wirkung für bestimmte Zusatzstoffe erteilt wird und die sich entweder auf alle Erzeugnisse oder auf einige von ihnen oder aber auf bestimmte Verwendungszwecke bezieht.

Bei der Anwendung einer solchen Regelung auf Erzeugnisse, die im Herstellungsmitgliedstaat zugelassene, aber im Einfuhrmitgliedstaat verbotene Zusatzstoffe enthalten, müssen sich die innerstaatlichen Behörden jedoch wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Artikel 36 Satz 2 EWG-Vertrag zugrunde liegt, auf das Maß dessen beschränken, was für den Gesundheitsschutz tatsächlich erforderlich ist. Deshalb muß die Verwendung eines bestimmten Zusatzstoffes, der in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, im Falle der Einfuhr von Erzeugnissen aus diesem Mitgliedstaat zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung und insbesondere der Arbeiten des wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Gemeinschaft und der Codex-Alimentarius-Kommission der FAO und der Weltgesundheitsorganisation sowie der Ernährungsgewohnheiten im Einfuhrmitgliedstaat keine Gefahr für die Gesundheit darstellt und einem echten Bedürfnis, insbesondere technologischer Art, entspricht. Letzterer Begriff ist im Hinblick auf die verwendeten Grundstoffe und unter Berücksichtigung der Bewertung durch die Behörden des Herstellungsmitgliedstaates sowie der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung zu beurteilen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert außerdem, daß die Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit haben müssen, in einem leicht zugänglichen Verfahren, das innerhalb eines angemessenen Zeitraumes abgeschlossen werden kann, zu beantragen, daß die Verwendung bestimmter Zusatzstoffe durch einen Rechtsakt von allgemeiner Wirkung zugelassen wird.

Es muß den Wirtschaftsteilnehmern möglich sein, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend zu machen, daß eine Zulassung zu Unrecht nicht erteilt sei. Unbeschadet der Möglichkeit, daß die zuständigen nationalen Stellen des Einfuhrmitgliedstaates von den Wirtschaftsteilnehmern die Vorlage von in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen verlangen können, die für die Beurteilung des Sachverhaltes von Nutzen sein könnten, ist es deren Sache, darzutun, daß das Verbot aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung dieses Mitgliedstaates gerechtfertigt ist."

Diese Entscheidung ist ebenso wie die weiteren von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten Urteile des EuGH vom 10. Dezember 1985, Rechtssache 247/84 (Motte; Slg. 1985, 3887) und vom 6. Mai 1986, Rechtssache 304/84 (Muller; Slg. 1986, 1511) auf die Verwendung von Zusatzstoffen zugeschnitten. Allen diesen Entscheidungen kann aber der schon im Urteil des EuGH vom 20. Februar 1979, Rechtssache 120/78 (Cassis de Dijon; Slg. 1979,

649) enthaltene allgemeine Grundsatz entnommen werden, daß es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in Verkehr gebrachte Produkte einem Zulassungsverfahren zu unterwerfen und gegebenenfalls vom Inverkehrbringen auszuschließen, wenn dies notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen wie z.B. Gesundheitsschutz oder Verbraucherschutz zu entsprechen, die Maßnahme in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht und das am wenigsten einschneidende Mittel zur Erreichung dieses Ziels darstellt.

Das Verfahren zur Zulassung gesundheitsbezogener Angaben nach dem LMG dient sowohl Zwecken des Verbraucherschutzes als auch des Gesundheitsschutzes. Dieses Verfahren ist daher nicht von vornherein mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Dies behauptet auch die beschwerdeführende Partei nicht. Sie meint aber, das Verfahren müsse auch gewährleisten, daß innerhalb von 90 Tagen über einen Zulassungsantrag entschieden werde, weil sonst dem Erfordernis eines "leicht zugänglichen Verfahrens" nicht entsprochen werde.

Diese Auffassung ist nicht zu teilen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der EuGH in keinem der von der beschwerdeführenden Partei zitierten Urteile eine Frist von 90 Tagen festgeschrieben hat. Der EuGH spricht vielmehr lediglich davon, daß es sich um ein Verfahren handeln muß, welches "innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden kann". Mit gutem Grund vermeidet der EuGH die Festschreibung einer für alle Verfahren gültigen Frist, hängt doch die Angemessenheit der Verfahrensdauer wesentlich von den Umständen des jeweiligen Falles oder der jeweiligen Fallgruppe ab, da diese Umfang und Schwierigkeitsgrad des Ermittlungsverfahrens und damit dessen Dauer bestimmen.

Der Beschwerdefall zeigt auch keine Aspekte auf, welche das Zulassungsverfahren nach dem LMG als nicht leicht zugängliches Verfahren erscheinen ließen; insbesondere ist nicht zu ersehen, warum der Umstand, daß es Sache des Antragstellers ist, sich bereits vor Anmeldung eines Verzehrproduktes um die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben zu kümmern, eine Zugangshürde für das Zulassungsverfahren sein soll.

Die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung verstößt aber auch noch aus einem anderen Grund nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

Die mehrmals geänderte Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 (Etikettierungsrichtlinie) enthält von den Mitgliedstaaten umzusetzende Vorgaben zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür. Dieser Richtlinie kommt in zweifacher Hinsicht Bedeutung zu. Zum einen verstoßen innerstaatliche Rechtsakte, die mit dieser Richtlinie konform sind, nicht gegen Gemeinschaftsrecht; zum anderen ist die Richtlinie im Sinne des Grundsatzes der gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation innerstaatlicher Vorschriften zur Auslegung des nationalen Rechts heranzuziehen.

Die Etikettierungsrichtlinie enthält Vorschriften, deren Regelungsgehalt jenem der §§ 18 und 9 LMG entspricht.

Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b der Etikettierungsrichtlinie dürfen die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht - vorbehaltlich der Gemeinschaftsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind - einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

Die beschwerdeführende Partei hat Verzehrprodukte angemeldet. Diese fallen unter die Etikettierungsrichtlinie (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1995, Slg. N.F. 14.306/A).

Die Aufmachung für "Granufink Kürbiskern-Kapseln N" und für "Granufink Kürbiskern-Granulat" enthält Hinweise auf eine Stärkung der Blasenfunktion bzw. auf eine Stärkung der Blasenmuskulatur und eine dadurch bewirkte positive Beeinflußung der Beschwerden beim Harnlassen, wie sie häufig bei Blasenreizzuständen, Blasenschwäche und bei Funktionsstörungen der Blase im Zusammenhang mit einem Prostata-Adenom auftreten können. Damit werden diesen Produkten Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung und Heilung einer menschlichen Krankheit zugeschrieben.

Die Aufmachung für die Leinsamenprodukte enthält die Information, daß diese als Ballast- und Quellstoff bei ernährungsbedingter Stuhlverstopfung dienen. Darüber hinaus findet sich noch der Hinweis, daß diese Produkte nach ärztlicher Anweisung zur Herstellung von Schleimzubereitungen dienen.

Produkte, deren Zweck die Beseitigung von Verdauungsstörungen ist, dienen der Vorbeugung, Behandlung und Heilung einer menschlichen Krankheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1992, 91/10/0209). Der Hinweis in der Aufmachung für die Leinsamenprodukte auf deren Funktion zur Beseitigung von Verdauungsstörungen fällt demnach unter das Verbot des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Etikettierungsrichtlinie. Gleiches gilt für die Bezugnahme auf eine ärztliche Anweisung, da diese den Eindruck der im Art. 2 Abs. 1 lit. b der Etikettierungsrichtlinie angeführten Eigenschaften entstehen läßt.

Die angefochtene Entscheidung verstieß daher nicht gegen Gemeinschaftsrecht; sie war vielmehr gemeinschaftsrechtlich geboten.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 1999

Gerichtsentscheidung

EuGH 678J0120 Cassis de Dijon VORAB;
EuGH 684J0178 Kommission - BRD Reinheitsgebot Bier;
EuGH 684J0247 Motte VORAB;
EuGH 684J0304 Claude Muller VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100250.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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