TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 L519 2201427-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs2
Islamgesetz 2015 §6
NAG §11
NAG §24
NAG §25
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L519 2201426-1/15E

L519 2201429-1/14E

L519 2201427-1/10E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 19.09.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Metin Akyürek, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl. I 33/2013 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 18 Monate herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Metin Akyürek, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs. 4 FPG (Fremdenpolizeigesetz)

iVm § 9 BFA-VG (BFA-Verfahrensgesetz) und §§ 52 Abs. 9, 46, 55 und 53 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Metin Akyürek, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs. 4 FPG (Fremdenpolizeigesetz)

iVm § 9 BFA-VG (BFA-Verfahrensgesetz) und §§ 52 Abs. 9, 46 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge im Spruch kurz als "bP 1 - 3 " bezeichnet), sind Staatsangehörige der Türkei. Die bP 1 und bP 2 sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen bP 3.

Dem bP 1, einem Seelsorger (Imam) wurde mit XXXX 2015 der erste Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" mit Gültigkeit von einem Jahr erteilt. Die bP 2 und bP 3 erhielten mit gleichem Datum als Familienangehörige ebenfalls ein Aufenthaltsrecht. Der bP 1 ist seit XXXX 2015, die bP 2 und 3 sind seit XXXX 2015 in Österreich im Zentralen Melderegister gemeldet.

I.2. Am 21.09.2017 stellten die bP letztmalig Verlängerungsanträge auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels "Sonderfälle unselbstständige Erwerbstätigkeit" bzw. als Familienangehörige von "Sonderfällen unselbstständiger Erwerb". Dies fristgerecht vor Ablauf ihrer alten Aufenthaltstitel.

I.3. Mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 10.11.2017 wurden die bP aufgefordert, zwecks Mängelbehebung der Anträge aktuelle finanzielle Nachweise (Kontoauszüge der letzten sechs Monate) vorzulegen sowie eine in Österreich leistungspflichtige, gesetzlich anerkannte Krankenversicherung nachzuweisen.

I.4. Mit 12.12.2017 wurde eine Fristverlängerung beantragt, da die notwendigen Unterlagen noch nicht vorlegbar wären. Es sei aber sehr wichtig, ein Visum zu bekommen, da die Tochter 2017/2018 das letzte Schuljahr habe.

I.5. Mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 05.02.2018 wurde den bP mitgeteilt, dass - "aufgrund der neu in Kraft getretenen Gesetzesbestimmungen" - in Sonderfällen mit unselbstständiger Erwerbstätigkeit bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen eine Niederlassungsbewilligung anstatt wie bisher eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei. Hingewiesen wurde auf den nicht erfüllten Auftrag zur Mängelbehebung sowie den Umstand, dass die Behörde bei Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz) im Verlängerungsverfahren nach § 25 NAG den Antragstellern mitzuteilen hat, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach § 52 FPG beabsichtigt ist. Den bP wurde daher mitgeteilt, dass ihnen zu diesem Sachverhalt nunmehr eine zweiwöchige Stellungnahmefrist offensteht. Für den Fall, dass keine Stellungnahme abgegeben wird, wurde darauf hingewiesen, dass sodann das BFA zwecks Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung eingeschaltet werden würde.

I.6. Die Niederlassungsbehörde teilte dem BFA mit Mail vom 13.03.2018 mit, dass die bP fristgerecht die Verlängerung ihrer Aufenthaltstitel beantragt haben, nunmehr aber das mit Schreiben vom 05.02.2018 gewährte Parteiengehör nicht wahrgenommen hätten. Es wurde ersucht, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß § 25 NAG zu prüfen und ein aufenthaltsbeendendes Verfahren einzuleiten.

I.7. Mit Schreiben der bP vom 19.04.2018 wurde mitgeteilt, dass dem nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter Vollmacht im Verfahren erteilt wurde.

I.8. Am 24.04.2018 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der bP 1 vor dem BFA in Anwesenheit einer Vertrauensperson. Obwohl die bP 1 vorerst angegeben hat, auch ohne die Anwesenheit des Rechtsvertreters Angaben machen zu wollen, beantwortete die bP 1 diverse Fragen nicht und ersuchte in Folge um einen weiteren Termin gemeinsam mit ihrem Anwalt, mit welchem man noch viele Fragen besprechen müsse.

Auch die bP 2 wurde am 24.04.2018 kurz vor dem BFA einvernommen. Sie gab an, dass sie selbst und die bP 3 gesund seien und die Tochter die Schule besuche. Darüber hinaus verwies auch sie auf ihren Anwalt.

I.9. In der Folge wurde vom BFA versucht, mit dem Rechtsanwalt (und den bP) einen gemeinsamen Ladungstermin zu vereinbaren und wurde von einem Mitarbeiter des Rechtsanwaltes bestätigt, dass die bP am 08.05.2018 möglichst vormittags zwecks Einvernahme geladen werden sollten.

Am 08.05.2018 um 09 Uhr erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme der bP 1 in Anwesenheit einer Vertrauensperson. Der rechtsfreundliche Vertreter ist nicht erschienen. Die bP 1 verwies mehrfach darauf, dass der Anwalt bestimmte Unterlagen vorlegen wird bzw. gewisse Antworten von diesem kommen würden.

Die bP 2 gab am 08.05.2018 wiederum kurz an, dass auch sie keine Verwandten in Österreich habe und ansonsten der Einvernahme ihres Ehegatten nichts hinzuzufügen habe.

I.10. Mit Antrag vom 24.05.2018 beantragten die bP über ihren rechtsfreundlichen Vertreter, die Frist für die freiwillige Ausreise der Familienangehörigen bis August 2019 zu erstrecken, um der bP 3 den Abschluss der Hauptschule zu ermöglichen. Darüber hinaus würde die bP 1 sodann nach türkischen Bestimmungen das Pensionsalter erreicht haben und hätte die Familie stets geplant, nur bis zu diesem Zeitpunkt bzw. für begrenzte Zeit (Anfang 2020) in Österreich zu bleiben.

I.11. Die bP legten vor der belangten Behörde vor:

* Kopie des Reisepasses der bP 1, bP 2 und bP 3 samt Aufenthaltstitel "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit bzw. Familiengemeinschaft

* Türkisches Diplom theologische Ausbildung bP 1

* Einsatzbestätigung vom XXXX 2017 für bP 1 als Seelsorger in Österreich aufgrund der vertraglichen Vereinbarung - Vertrag zwischen der Diyanet de Belgique und der türkisch-islamischen Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich (ATIB Union)

* Bestätigung der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) über den seelsorgerischen Auftrag des bP 1 in Österreich als Imam für die ATIB Kultusgemeinde XXXX vom XXXX 2017

* Bescheid des österreichischen Bundeskanzleramtes vom 24.05.2016 über die Genehmigung der Satzung der "Türkisch-islamischen Kultusgemeinde XXXX der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (ATIB-Kultusgemeinde XXXX )" gemäß § 23 des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgemeinschaften in Österreich samt vollständiger Statuten

* Notariell beglaubigte Haftungserklärung der ATIB Kultusgemeinde XXXX vom 31.08.2016 für alle bP gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG (Krankenversicherung, Unterkunft, entsprechende Unterhaltsmittel und Ersatz der Kosten, die einer Gebietskörperschaft aus bestimmten Anlässen entstehen) für 5 Jahre

* Bestätigung über Vertretungsbefugnis der Kultusgemeinde

* Wohnrechtsvereinbarung zwischen bP 1 und ATIB

* Bestätigung des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Bundeskanzleramt) darüber, dass die Gesundheitsausgaben der Religionsbeauftragten sowie ihrer Familienangehörigen in Österreich durch die Anstalt für Soziale Absicherung übernommen werden

* Gehaltsbestätigung, dass die bP 1 ein monatliches Einkommen von Eur 2105,-- netto als Seelsorger aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Diyanet de Belgique und der ATIB Union erhält

* Aufenthaltstitel

* Dienstpass der bP 1

I.12. Gegen die bP wurden mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung der bP in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen die bP 1 ein auf Dauer von 3 Jahren sowie gegen die bP 2 ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen. Über die bP 3 wurde kein Einreiseverbot verhängt.

I.13. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist über den rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wird in der Beschwerde vorgebracht, dass die bP 1 als türkischer Staatsbediensteter für den Auslandsdienst durch das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkischen Republik nach Österreich entsandt worden sei.

Die bP seien in der Absicht eingereist, einer legalen Beschäftigung bzw. Schulbildung nachzugehen. Die bP 1 sollte nach Errichtung einer inländischen Stiftung nach dem Privatstiftungsgesetz von dieser Stiftung nach österreichischem arbeits-und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen beschäftigt werden. Den bP werde eine kostenlose Wohnmöglichkeit vom Verein ATIB zur Verfügung gestellt und erhalte die bP 1 das Gehalt vom türkischen Generalkonsulat ausbezahlt.

Es wurde aus einem Schreiben des österreichischen Kultusamtes sowie einem Erlass des BMI im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Imamen in Österreich zitiert und ausgeführt, dass sich daraus nicht ergäbe, dass die in Österreich tätigen Imame die Beamteneigenschaft aufgeben müssten oder kein Gehalt aus der Türkei beziehen dürften.

Es sei beabsichtigt, die Beschäftigung der "ATIB-Imame" an das IslamG anzupassen. Hierzu sei ein Beschluss gefasst worden, eine Privatstiftung nach dem Privatstiftungsgesetz zu gründen. Seelsorger wie die bP 1 hätten sodann mit dieser Stiftung ein Dienstverhältnis und könnten unter Anwendung österreichischer arbeits-und sozialrechtlicher Vorschriften beschäftigt werden.

Ein allfälliger Verstoß gegen § 6 Abs 2 IslamG sei nicht der bP 1, sondern vielmehr der Religionsgesellschaft bzw. Kultusgemeinde zuzurechnen und könne der bP 1 dadurch keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG vorgeworfen werden.

Die bP würden über einen Krankenversicherungsschutz gemäß vorgelegter Bestätigung des Präsidiums für Religionsangelegenheiten betreffend die Übernahme von Behandlungskosten im Ausland verfügen und wurde hinsichtlich der bP 1 als türkischen Beamten zudem auf das Abkommen der Türkei mit Österreich über soziale Sicherheit verwiesen. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes beziehe die bP ihr Einkommen aus einer legalen Quelle, da sie ein türkisches Beamtengehalt bekomme.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass die bP 3 die Schule im Juli 2019 abschließen würde und ein Abschluss des Bildungswegs in Österreich von großem Interesse wäre. Insgesamt stellten sich die Rückkehrentscheidungen sowie Feststellungen zu den Abschiebungen als unverhältnismäßig dar. Auch die gegen bP 1 und 2 verhängten Einreiseverbote wären willkürlich und seien von der Behörde fälschlicherweise dem Tatbestand des "illegalen Einkommens" unterstellt worden

Das IslamG verstoße gegen die Stillhalteklausel des Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.08.1980 (ARB) bzw. das 41. Zusatprotokoll hierzu. Dem aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Verschlechterungsverbot folgend ergäbe sich, dass § 6 Abs. 2 IslamG als die Situation der bP verschlechternde Bestimmung unangewendet bleiben müsse.

Schließlich sei § 6 Abs. 2 IslamG per se verfassungswidrig.

Vorgelegt wurden der Rahmenvertrag zwischen ATIB und Diyanet de Belgique, ein Schreiben des Kultusamtes an den rechtsfreundlichen Vertreter vom 19.04.2016, ein Mail des rechtsfreundlichen Vertreters an das Kultusamt betreffend ATIB Privatstiftung sowie ein noch nicht beglaubigter Notariatsakt (Entwurf) betreffend Gründung einer Stiftung

I.14. Für den 19.09.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der die bP 1 mit ihrer Rechtsvertretung teilnahm. Weiter nahmen Behördenvertreter sowie ein Zeuge aus dem BKA an der Verhandlung teil.

Obwohl den bP mit der Ladung ein Informationsblatt betreffend sofortiger Mitteilung etwaiger, konkret angegebener Hinderungsgründe an der Teilnahme bei der Verhandlung übermittelt wurde, erschien die bP 2 nicht zur Verhandlung. Vielmehr wurde mit Mail vom XXXX 2018 mitgeteilt, dass die bP 2 seit XXXX 2018 in der Türkei aufhältig sei, um die schwer kranke Schwiegermutter zu pflegen. Es wurde von der Rechtsvertretung der bP auf die Vernehmung der bP 2 explizit verzichtet und eine Reisepasskopie vorgelegt. In der Verhandlung stellte sich heraus, dass auch die bP 3 in der Türkei aufhältig ist und dort die Schule besucht und in Österreich vom Schulbesuch abgemeldet wurde.

In der Verhandlung wurde über Antrag des BFA der Zeuge XXXX einvernommen, welcher einen Bescheid betreffend Enthebung von seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit vorlegte.

Vorgelegt wurden in der Verhandlung von der bP 1 eine undatierte Versicherungsbestätigung über eine ab XXXX 2018 bestehende Krankenversicherung und vom Zeugen ein Schreiben des Bundeskanzleramtes an das BMI, Abteilung III/4 vom 21.02.2018 betreffend die Einschätzung, dass die Finanzierung der Imame in Österreich gegen § 6 Abs. 2 IslamG verstößt.

I.15. Mit Schriftsätzen vom 20.08.2018 wurden Anträge auf Ausfertigung der in der Verhandlung am 19.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisse gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

I.16. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 08.10.2018, Zl. E 3830-3832/2018-5 wurde den Anträgen der bP, den Beschwerden gegen die mündlich verkündeten Erkenntnisse die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben, weil nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug der Erkenntnisse für die bP kein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien:

Die bP sind türkische Staatsangehörigen und damit Drittstaatsangehörige. Sie reisten 2015 rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und verfügen aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Verlängerungsanträge hinsichtlich der gültigen Aufenthaltstitel auch aktuell gemäß § 24 Abs. 1 NAG über rechtmäßige Aufenthaltstitel.

Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit einer in der Türkei gesicherten Existenzgrundlage. Die Existenzgrundlage der minderjährigen bP 3 ist durch ihre Eltern (bP 1 und 2) gesichert.

Die bP 2 und 3 sind nach dem Sommerurlaub im Juli 2018 in der Türkei geblieben. Sie beabsichtigen derzeit nicht nach Österreich zu kommen und besucht die bP 3 nunmehr in der Türkei die Schule. Auch der mit den bP 1-3 ursprünglich miteingereiste Sohn ist bereits 2016 wieder - nach Ablauf des Studentenvisums - in die Türkei zurückgekehrt.

Die Familie der bP 1 lebt in der Türkei in XXXX in der Region XXXX . Die Familie lebt vom zusätzlichen Einkommen der bP 1, welches sie in der Türkei vom türkischen Staat bezieht. Darüber hinaus geht eines der vier Kinder der bP 1 und 2 in der Türkei arbeiten. Die Kinder leben mit der bP 2 sowie der Mutter der bP 1 in einer gemeinsamen Mietwohnung. Darüber hinaus besitzt die Familie ein Haus im Heimatort. Die bP 1 hat regelmäßig telefonischen Kontakt mit der Familie in der Türkei und reiste überdies mehrfach zu Besuchszwecken in die Türkei.

Die bP sind in Österreichstrafrechtlich unbescholten.

Die bP 1 und bP 2 haben in Österreich bislang weder einen Deutschkurs besucht noch eine Deutschprüfung abgelegt. Die bP 1 spricht geringfügig Deutsch aufgrund eines A1- Deutschkurses bzw. eines Integrationskurses in der Türkei. Die bP 2 ist Hausfrau und hat keinerlei Deutschkenntnisse.

Die bP 3 spricht aufgrund ihres Schulbesuches in Österreich die deutsche Sprache und geht aktuell in der Türkei zur Schule.

Die bP 1 lebt und die bP 2 und 3 lebten kostenlos in einer Wohnung in Österreich, welche vom Verein ATIB zur Verfügung gestellt wird.

Es liegen keine besonderen integrativen Aspekte im Hinblick auf die bP vor. Sie sind weder ehrenamtlich noch sonst in einem Verein tätig und verfügen über die islamische Glaubensgemeinschaft hinaus auch über keine Kontakte in Österreich.

Die bP 1 arbeitet seit der Einreise in Österreich als Imam. Er ist türkischer Staatsbediensteter und zum Auslandsdienst durch das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik (Diyanet Isleri Baskanligi) entsandt worden, um hier für ATIB-Union (Türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich) als Seelsorger tätig zu sein. Diyanet ist direkt dem Ministerpräsidenten der Türkei unterstellt und außerhalb der Türkei über Kooperationspartner tätig, in Österreich über ATIB. Die bP erhält in Österreich einen monatlichen Nettobezug von 2.105,- Euro über das türkische Konsulat in Wien. In der Türkei erhält er zusätzlich ein Beamtengehalt iHv ca. 500 Euro.

Es existieren in Österreich Bestrebungen, eine inländische Stiftung nach dem Privatstiftungsgesetz einzurichten. Die Gründung wurde nicht nachgewiesen bzw. ist die bP 1 auch bei einer solchen nie in einem Arbeitsverhältnis gestanden.

Es erfolgte kein Nachweis, dass - wie im Rahmenvertrag vom 13.05.2016 vorgesehen - Diyanet de Belgique von ATIB die tatsächlich entstehenden Kosten für die Beschäftigung der eingesetzten Imame refundiert würden oder auf andere Weise das vom türkischen Konsulat an die bP 1 ausbezahlte Gehalt vom Inland her finanziert würde.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Türkei:

Zur Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Als Reaktion auf den gescheiterten Putsch vom 15.7.2016 hat der türkische Präsident am 20.7.2016 den Notstand ausgerufen. Dieser berechtigt die Regierung, verschiedene Einschränkungen der Grundrechte wie der Versammlungs- oder der Pressefreiheit zu verfügen (EDA 24.1.2017). Auf der Basis des Ausnahmezustandes können u. a. Ausgangssperren kurzfristig verhängt, Durchsuchungen vorgenommen und allgemeine Personenkontrollen jederzeit durchgeführt werden. Personen, gegen die türkische Behörden strafrechtlich vorgehen (etwa im Nachgang des Putschversuchs oder bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung), kann die Ausreise untersagt werden (AA 24.1.2017a).

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Seit dem Sommer 2015 hat die Zahl der Anschläge zugenommen. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben die Attentate zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 24.1.2017).

Die Situation im Südosten, so die Europäische Kommission, blieb eine der schwierigsten Herausforderungen für das Land. Die Türkei sah sich mit einer weiterhin sehr ernsten Verschlechterung der Sicherheitslage konfrontiert, in der es zu schweren Verlusten an Menschenleben nach dem Zusammenbruch der Verhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage im Juli 2015 kam. Das Land wurde von mehreren terroristischen Großangriffen seitens der PKK und dem sog. Islamischen Staat (auch Da'esh) betroffen. Die Behörden setzten ihre umfangreiche Anti-Terror-kampagnen gegen die kurdische Arbeiterpartei (PKK) fort.Das Ausmaß der Binnenflucht aus jenen Zonen, in denen eine Ausgangssperre herrschte, sowie der mangelnde Zugang zur Grundversorgung in diesen Gebieten gaben der EK ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Die EK sah die dringliche Notwendigkeit des ungehinderten Zuganges von unabhängigen Ermittlern in die Region. Überdies zitierte die EK die Venediger Kommission des Europarates, wonach sich die Verhängung der Ausgangssperren weder im Einklang mit der türkischen Verfassung noch mit den internationalen Verpflichtungen des Landes befände (EC 9.11.2016).

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) wies auf die rechtliche Einschätzung der Venediger Kommission vom 13.6.2016 hin, wonach die seit August 2015 verhängten Ausgangssperren im Südosten des Landes gegen die türkische Verfassung und den Rechtsrahmen verstoßen haben. Denn Ausgangssperren können nur in Zusammenhang mit dem materiellen oder dem Notstandsrecht verhängt werden, wofür es aber eines parlamentarischen Beschlusses bedarf, welcher jedoch nie gefasst wurde. Die Versammlung zeigte sich auch besorgt, dass 21 demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister verhaftet und 31 weitere wegen Unterstützung oder Begünstigung einer terroristischen Organisation entlassen wurden. Die Versammlung äußerte ihre Besorgnis ob der breiten Interpretation des Anti-Terror-Gesetzes, um gewaltfreie Äußerungen zu bestrafen und jede Botschaft zu kriminalisieren, wenn diese sich bloß vermeintlich mit den Interessen einer Terrororganisation deckten (PACE 22.6.2016).

Mehr als 80 Prozent der Provinzen im Südosten des Landes waren von Gewalt betroffen. Sieben von neun Provinzen Südostanatoliens sowie zwölf von 14 Provinzen Ostanatoliens waren von Attentaten der PKK, der TAK und des sog. IS, Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin und Sirnak kam es zu den meisten, in Hakkâri, Kilis, Sanliurfa und Van zu relativ vielen Vorfällen (SFH 25.8.2016).

Für den Menschenrechtskommissar des Europarates bestand kein Zweifel daran, dass weite Bevölkerungsteile von den Ausgangssperren und Antiterrormaßnahmen betroffen waren. Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates waren 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren von den Sperrstunden betroffen, und mindestens 355.000 Personen wurden vertrieben. Zahlreichen glaubwürdigen Berichten zufolge, die durch dokumentarische Beweise und Videoaufnahmen gesichert wurden, haben die türkischen Sicherheitskräfte in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt, darunter auch Artillerie und Mörser sowie Panzer und schwere Maschinengewehre. Dies deckt sich mit den Zerstörungen, die der Menschenrechtskommissar angetroffen hat. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört. Der Gouverneur von Diyarbakir schätzte, dass 50% der Häuser von sechs Stadtvierteln in der Altstadt von Sur nun völlig unbewohnbar wurden, und dass weitere 25% beschädigt wurden (CoE-CommDH 2.12.2016).

Bereits im März 2016 wurde von schweren Verwüstungen der Stadt Cizre berichtet. Vom Cudi-Viertel auf der linken Seite des Tigris waren nur noch die Ruinen eingestürzter Häuser übrig; ein Hinweis darauf, dass die Panzer mit ihren Granaten systematisch auf die Stützpfeiler der Wohnhäuser zielten. 80 Prozent der Wohngebiete in Cizre sollen zerstört worden sein (LMD 7.7.2016). In Silopi wurden gemäß Regierungsberichten vom März 2016 6.694 Häuser und Wohnungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Guerillakämpfern beschädigt, wobei 27 komplett zerstört wurden. Lokale Quellen setzten die Zahl der betroffenen Wohnstätten wesentlich höher an. 241 Wohnobjekte, die im Regierungsbericht nicht aufscheinen, seien völlig zerstört worden (Rudaw 15.3.2016).

Laut der Sicherheitsagentur "Verisk Maplecroft" wurden 2016 bei 269 Terroranschlägen 685 Menschen getötet und mehr als 2.000 verwundet (FT 4.1.2017). Das "Bipartisan Policy Center" zählte bis Dezember 2016 eine Verdoppelung der Opferzahlen im Vergleich zu 2015. Beinahe 300 Personen wurden 2016 bei den größeren Terroranschlägen der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) und des sog. Islamischen Staates getötet. 2015 waren es weniger als 150 (BI 21.12.2016).

Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet.

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).

Die PKK hat am 12.3.2016 eine Dachorganisation linker militanter Gruppen gegründet, um ihre eigenen Fähigkeiten auszuweiten und ihre Unterstützungsbasis jenseits der kurdischen Gemeinschaft auszudehnen. Die neue Gruppe, bekannt als die "Revolutionäre Bewegung der Völker" (HBDH), wird vom Chef der radikalsten linken Fraktion innerhalb der PKK, Duran Kalkan, geleitet. Erklärte Absicht der Gruppe, die den türkischen Staat und im Speziellen die herrschende AKP ablehnt, ist es, die politische Agenda voranzutreiben, wozu auch Terroranschläge u.a. gegen Ausländer gehören. Die Gruppe unterstrich zudem das Scheitern der kurdischen Parteien in der Türkei, auch der legalen HDP (Stratfor 15.4.2016). Laut Berichten beabsichtigt die HBDH Propagandaaktionen durchzuführen, um auch die Unterstützung von türkischen Aleviten zu erhalten, und um "Selbstverteidigungsbüros" in den Vierteln der südlichen und südöstlichen Städte zu errichten. Die HBDH will auch Druck auf Dorfvorsteher und Beamte ausüben, die in Schulen und Gesundheitsdiensten arbeiten, damit diese entweder kündigen oder die Ortschaften verlassen (HDN 4.4.2016). Neun verbotene Gruppen trafen sich auf Einladung der PKK am 23.2.2016 zur ihrer ersten Sitzung im syrischen Latakia, darunter die Türkische kommunistische Partei/ Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) [siehe 3.4.], die Revolutionäre Kommunistische Partei (DKP), die Türkische Kommunistische Arbeiterpartei/ Leninistin (TKEP/L), die Kommunistische Partei der Vereinten Nationen (MKP), die türkische Revolutionäre Kommunistenvereinigung (TIKB), das Revolutionshauptquartier und die Türkische Befreiungspartei-Front (THKP-C) [siehe 3.5] (HDN 4.4.2016; vgl. ANF News 12.3.2016). Die HBDH sieht in der Türkei eine Ein-Parteien-Diktatur bzw. ein faschistisches Regime entstehen, dass u. a. auf der Feindschaft gegen die Kurden gründet (ANF News 12.3.2016).

Behandlung nach Rückkehr

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können (AA 29.9.2015).

Personen die für die von der EU als Terrororganisation eingestuften PKK oder einer Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türk. Hisbollah, al Kaida). Generell werden abgeschobene türkische Staatsangehörige von der Türkei rückübernommen (ÖB Ankara 7.2014).

Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische PYD bzw. die YPG als von der als terroristisch eingestuften PKK geschaffene Organisationen, welche mit der PKK hinsichtlich der Führungskader, der Organisationsstrukturen sowie der Strategie und Taktik verbunden sind (MFA o.D.). Anders sieht dies die EU. Die EU-Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Federica Mogherini, bestätigte am 23.6.2016, dass weder die PYD noch die YPG auf die Liste von Personen, Gruppen oder Entitäten hinzugefügt wurden, gegen welche Sanktionen zur Anwendung kämen. Die YPG wäre laut Mogherini entscheidend für das Aufhalten des Vormarsches und das Zurückdrängen von Da'esh [i.e. IS] in Syrien gewesen. Es gäbe keinen aktuellen Vorschlag des Rates die PYD und/oder die YPG auf die Liste zu setzen. Überdies habe die türkische Regierung von diesem Umstand Kenntnis.

2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den Akteninhalten. Die persönlichen Feststellungen ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben.

II.2.3 Zur Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung insbesondere der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprungeshandelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden- aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348). Eine maßgebliche Änderung ist seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingetreten.

Die bP traten den Quellen und deren Kernaussagen, welche in den Länderfeststellungen getroffen wurden, nicht entgegen.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

Das BFA hat die Angaben der bP für glaubwürdig gehalten und entsprechende Feststellungen getroffen. Letztlich wurde den Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr wurden vorwiegend rechtliche Standpunkte in der Beschwerde vertreten und die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde moniert.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Aufenthaltstitel-Verlängerungsverfahren - Einleitung des Verfahrens zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung

II.3.1.1.

§ 25. NAG - Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels:

(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Everfahrenrteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

"§ 52.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

----------

1.-nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.-nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.-der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.-das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

II.3.1.2.

Den EB zu BGBl I 100/2005 in der ursprünglichen Fassung ist zu entnehmen, dass in § 25 FPG das Verfahren bei Verlängerungsanträgen dargestellt wurde, wenn Erteilungsvoraussetzungen fehlten. Die Behörde hatte den Antragsteller vom Fehlen der Voraussetzungen in Kenntnis zu setzen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern. Nach Eingang der Stellungnahme oder fruchtlosem Ablauf der eingeräumten Frist war der gesamte Akt der Fremdenpolizeibehörde vorzulegen. Diese prüfte, ob gegen den Fremden ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung erlassen werden konnte, andernfalls war dem Fremden von der Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen.

Demgemäß wird im Kommentar von Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG-Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (2015) zu § 25 FPG festgehalten, dass dem System des NAG und des FPG folgend aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die sich aufgrund eines Verlängerungsantrages nach § 24 ergeben, von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) zu erlassen und zu vollstrecken sind und ist das Verlängerungsverfahren erst nach Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde fortzuführen oder einzustellen. Mehrfachverfahren vor den Höchstgerichten (FrG, AufG), wie sie in früheren Jahren durchaus üblich waren, sollten damit wirksam verhindert werden (vgl auch LVwG Tirol 24.2.2014, LVwG-2014/30/0410-1).

Der aktuelle § 25 NAG bezieht sich wie § 24 auf Verfahren über Verlängerungsanträge. Fehlen die Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs 1 und 2 NAG), hat die Behörde den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern. Beabsichtigt die Niederlassungsbehörde, ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung einzuleiten, weil die Voraussetzungen für die Verlängerung des Aufenthaltstitels fehlen, so hat die Niederlassungsbehörde die Fremdenpolizeibehörde gemäß § 25 Abs 1 lediglich zu verständigen (vgl § 15 Abs 2 des außer Kraft getretenen FrG 1997, wonach sie das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen hatte). In der Folge ist nunmehr der gesamte Akt dem BFA vorzulegen, womit ein Zuständigkeitsübergang einhergeht. Anhand des FPG ist zu prüfen, ob gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG darf gemäß § 9 BFA-VG nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde (vgl etwa VfSlg 17340/2004 und VfGH 29.9.2007, B 1150/07 und B 328/07 - die vom VfGH herausgearbeiteten Kriterien sind nunmehr auch demonstrativ in § 9 Abs 2 BFA-VG aufgelistet). Über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet abzusprechen. § 9 BFA-VG gilt als allgemeine Norm für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG.

Ganz konkret hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 zur aktuellen Bestimmung des § 25 NAG festgehalten:

‚§ 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 ist ausschließlich auf Verlängerungsverfahren nach dem NAG 2005 zugeschnitten, wird doch nur auf die Versagungsgründe nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005, nicht aber auch auf jene nach § 60 AsylG 2005 verwiesen, die für Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 allein maßgeblich sind. Das ist insofern folgerichtig, als § 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 auch im Zusammenhang mit § 25 NAG 2005 zu sehen ist: Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat die Niederlassungsbehörde dann, wenn in einem Verlängerungsverfahren Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005 fehlen, das BFA zu verständigen; während eines (dann vom BFA nach § 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 einzuleitenden) Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Entscheidungsfrist gehemmt; erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag gemäß § 25 Abs. 2 NAG 2005 formlos einzustellen, im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung ist es auf Antrag des Fremden fortzusetzen; ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Niederlassungsbehörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen. § 25 NAG 2005 trägt damit dem Umstand Rechnung, dass über den Verlängerungsantrag nach dem NAG 2005 und über die Aufenthaltsbeendigung zwei verschiedene Behörden - einerseits die Niederlassungsbehörde (gemäß § 3 Abs. 1 NAG 2005 der Landeshauptmann oder die von diesem betraute Bezirksverwaltungsbehörde) und andererseits das BFA - zu entscheiden haben. Das ist im Fall eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 anders, weil das BFA auch für dessen Erteilung und Verlängerung zuständig ist und daher eine gemeinsame Entscheidung über den Verlängerungsantrag und die Aufenthaltsbeendigung möglich ist. Eine solche gemeinsame Entscheidung sieht § 52 Abs. 3 FrPolG 2005 (iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005) vor (vgl. E 14. April 2016, Ra 2016/21/0077):

Nach dieser Bestimmung hat das BFA unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Auf (nur bei Aufenthaltstiteln nach § 57 AsylG 2005 mögliche) Verlängerungsanträge wird zwar nicht ausdrücklich Bezug genommen, es handelt sich dabei aber um Unterfälle von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln. Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag und die Erlassung der Rückkehrentscheidung "unter einem" (wobei allerdings über den Verlängerungsantrag vorrangig zu entscheiden ist - vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0023, 0024) stellt auch sicher, dass der Antrag nicht unerledigt bleibt (während in § 25 Abs. 2 NAG 2005 - für Aufenthaltstitel nach dem NAG 2005 - vorgesehen ist, dass das Verlängerungsverfahren im Fall einer rechtskräftigen Aufenthaltsbeendigung einzustellen, sonst aber auf Antrag des Fremden fortzusetzen ist). In diesem Sinn gibt es in § 59 AsylG 2005 auch eigenständige Regelungen über das Verlängerungsverfahren des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, die allenfalls - so ausdrücklich die ErlRV zur Schaffung des § 59 AsylG 2005 (1803 BlgNR 24. GP 51) - darauf hinauslaufen, dass "das Bundesamt den Antrag abzuweisen und gegebenenfalls ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einzuleiten" hat. ...'

Der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist ein sinngemäß entsprechender Akt - etwa ein Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder an die Fremdenpolizeibehörde (so schon zu § 15 FrG 1997 VwGH 19.11.1998, 98/19/0075; VwGH 9.7.2009, 2009/22/0149) - gleichzuhalten (VwGH 9.7.2009, 2009/22/0149).

II.3.1.3. Die Niederlassungsbehörde übermittelte dem BFA mit ihrer Mitteilung gemäß § 25 NAG das Schreiben betreffend das eingeräumte Parteiengehör, aus welchem sich die Umstände ergeben, auf welche sie das Fehlen der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 NAG stützte (fehlender Nachweis über den Überweiser des Gehalts der bP 1, fehlender Nachweis einer in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherung). Daraus ergibt sich letztlich, dass das BFA aufgrund der Vorgehensweise der Niederlassungsbehörde davon ausgehen konnte, dass die Voraussetzungen des § 11 NAG nicht vorliegen und somit ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren nach dem FPG durchzuführen ist. Ein Verfahren gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung wurde damit eingeleitet.

Nach § 52 Abs. 4 letzter Satz FPG ordnet an, dass im Falle eines Verlängerungsverfahrens das Bundesamt und damit letztlich auch das BVwG, welches an die vom Bundesamt anzuwendenden Bestimmungen gebunden ist, nur all jene Umstände zu würdigen hat, die der Drittstaatsangehörige bereits im Rahmen eines Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG "nachweisen hätte können und müssen". Hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hat sich das Bundesamt bzw. das BVwG demnach nur auf den von der Behörde festgestellten Sachverhalt zu beschränken und stellt § 52 Abs. 4 Z 4 FPG die Komplementärregelung zu § 25 NAG dar. Insofern entspricht es der Verwaltungsökonomie, sich auf den von der Aufenthaltsbehörde bereits festgestellten Sachverhalt zu beschränken (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 52 FPG 2005).

Der Sinn des verwaltungsökonomischen Ansatzes dieser Regelung wird gerade in diesem Verfahren ersichtlich, wo sich die bP im Verlängerungsverfahren vor der Bezirksverwaltungsbehörde, als für die Ermittlung und Prüfung der allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen zuständigen Behörde, hinsichtlich des Nachweises der gegenständlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzung im Wesentlichen verschweigen bzw. nicht oder nicht gehörig mitwirken. Im Wesentlichen wird erst im nunmehrigen Beschwerdeverfahren vor dem BVwG den Feststellungen und der Beurteilung durch die Bezirksverwaltungsbehörde hinsichtlich des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen entgegen getreten, obwohl die bP bereits vor der Bezirksverwaltungsbehörde -dort auch schon durch selbigen Rechtsfreund vertreten -dazu die Möglichkeit hatten.

Die bP versuchen damit offensichtlich das Verfahren zur Frage des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 NAG von der dazu eigentlich zuständigen Behörde auf das Bundesamt bzw. das BVwG zu verlagern.

Angemerkt wird, dass es im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (15.04.2010, 2008/22/0206) nicht unzulässig wäre, dass die Bezirksverwaltungsbehörde auch noch während des laufenden Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung die beantragten Aufenthaltstitel positiv bescheidet. Auch § 25 Abs. 1 NAG steht dem nicht entgegen, da diese Norm nur davon spricht, dass lediglich der Ablauf der Frist des § 8 VwGVG [Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde] für die Dauer des Aufenthaltsbeendigungsverfahrens gehemmt ist bzw. für die Dauer dieses Verfahrens die Bezirksverwaltungsbehörde nicht säumig ist.

Es steht den bP somit nach wie vor frei, nunmehr durch gehörige Mitwirkung, bei der Bezirksverwaltungsbehörde die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nachzuweisen.

Auf Grund des von der Bezirksverwaltungsbehörde nachvollziehbar dargestellten Sachverhaltes und unter Beachtung des § 52 Abs. 4 letzter Satz FPG, gelangt auch das BVwG zum Ergebnis, dass die bP im Verfahren vor der zuständigen Behörde das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs 5 NAG nicht hinreichend nachgewiesen haben.

II.3.2. Assoziierungsabkommen - Stillhalteklausel

Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation (Assoziierungsabkommen).

Am 23. November 1970 verabschiedeten die Vertragsparteien das "Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation" (im Folgenden: ZP), das am 1. Januar 1973 in Kraft trat.

In weiterer Folge wurde am 19.09.1980 durch den Assoziationsrat (dem durch das ZP Normsetzungskompetenz übertragen wurde) der Beschluss Nr. 1/80 über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) gefasst, welcher den vorangegangenen Beschluss Nr. 2/76 weitgehend ablöste.

II.3.2.1. In Art. 6 ARB 1/80 werden die Rechte türkischer Staatsangehöriger geregelt, die je nach Beschäftigungsdauer in Österreich bestimmte Ansprüche im Hinblick auf ihre Weiterbeschäftigung und letztlich ihren Aufenthalt ableiten können. Demgegenüber regelt Art. 7 ARB 1/80 die Stellung der Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer.

Wie bereits von der belangten Behörde richtig festgehalten, kommt es gemäß Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit Art. 6 ARB bei der Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis "dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört", darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates lokalisiert werden kann oder eine hinreichende enge Anknüpfung an dieses Gebiet vorliegt. Dabei sind insbesondere der Ort der Einstellung, das Gebiet, von dem aus die Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt wird, und die im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (vgl. EuGH 06.06.1995, C-434/93, Rn 22 bis 23 Bozkurt). Um als dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates zugehörig angesehen zu werden, muss die Beschäftigung daher einen hinreichend engen Bezug zum Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates aufweisen. Dafür müssen zu den örtlichen auch rechtliche Anknüpfungspunkte hinzukommen. Weisen die rechtlichen Aspekte keinen hinreichenden Nahebezug zum Recht des Mitgliedsstaates auf, hat das zur Folge, dass der Umstand der Beschäftigung auf dem Staatsgebiet eines Mitgliedsstaates dadurch aufgewogen wird und die für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt erforderliche Anknüpfung fehlt (vgl. Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG - Türkei, S. 66). Die beschäftigungs- und sozialversicherungsrechtliche Situation der bP 1 richtet sich nach türkischem Recht, relevante Anknüpfungspunkte an das österreichische Recht liegen nicht vor. Insbesondere bezahlt die bP 1 in Österreich keine Lohnsteuer und ist nicht in der österreichischen Pflichtversicherung versichert. Die bP 1 gehört daher schon nicht dem regulären Arbeitsmarkt Österreichs an und fällt damit nicht unter Art. 6 ARB 1/80. Darüber hinaus wird im vorher zitierten Werk von Akyürek (S 59) festgehalten, dass sich Seelsorger nicht auf die Bestimmung des Art. 6 ARB berufen könnten, da sie im Rahmen ihrer seelsorgerischen Beschäftigung keine Tätigkeiten des Wirtschaftslebens gem. Art. 2 EG verrichten würden.

Auch Anknüpfungspunkte iSd Art. 7 ARB fehlen und wurde in der Beschwerde auch nicht bestritten, dass in diesem Zusammenhang die Vergünstigungen der ARB für die bP 1 nicht greifen.

II.3.2.2. Der EuGH hat im Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci u. a., ausgeführt, dass die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthaltene Stillhalteklausel zwar nicht aus sich heraus geeignet ist, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen.

Eine solche Klausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. EuGH Urteil 19. Februar 2009, Soysal und Savatli, C-228/06, Slg. 2009, I-1031). Eine Stillhalteklausel, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, hat nämlich nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern stellt eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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