TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/16 VGW-031/089/2592/2019

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Veröffentlicht am 16.04.2019
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Entscheidungsdatum

16.04.2019

Index

90/02 Führerscheingesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG 1997 §1 Abs3
FSG 1997 §37 Abs1
FSG 1997 §37 Abs4 Z1
ZustG §17 Abs1
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
VStG 1997 §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Braun über die Beschwerde des Herrn A. B., vom 30.01.2019, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 11.01.2019, Zl. ..., betreffend Führerscheingesetz (FSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.04.2019

zu Recht e r k a n n t:

I.       Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

II.      Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.   Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt:

1.1.    Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 21.09.2017, GZ: ..., wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung der Klasse B entzogen und im selben Bescheid zugleich die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt. Der Entziehungsbescheid wurde nach durchgeführtem Zustellversuch an der Wohnadresse des Beschwerdeführers für diesen beim zuständigen Postamt hinterlegt. Der erste Tag der Abholfrist war der 26.09.2017.

1.2.    Der Beschwerdeführer hat am 09.10.2017 um 17.45 Uhr in Wien, C.-gasse, Richtung D.-straße, den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen W-... auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt.

1.3.    Am 09.10.2017 hatte der Beschwerdeführer keine Kenntnis vom hinterlegten Entziehungsbescheid. Er hatte den hinterlegten Entziehungsbescheid vom 21.09.2017, GZ: ... noch nicht vom zuständigen Postamt behoben.

1.4.    Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegt wurde, er habe am 09.10.2017 um 17.45 Uhr in Wien, C.-gasse, Richtung D.-straße, das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse oder Unterklasse war, da ihm diese mit Bescheid der LPD Wien, Verkehrsamt, vom 21.09.2017, ..., zugestellt am 26.09.2017, entzogen worden sei. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme wurde vom Beschwerdeführer nicht abgegeben.

1.5.    Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 11.01.2019, Zl. ..., wurde über den Beschwerdeführer aufgrund der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs. 1 FSG iVm § 1 Abs. 3 FSG gemäß § 37 Abs. 1 FSG iVm § 37 Abs. 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,00 und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Tagen und 6 Stunden verhängt.

1.6.    Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht nachstehende Beschwerde:

Sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund nicht rechtzeitiger Erhaltung des Bescheides meinen Führerschein damals abzugeben, bin ich ohne Wissens mit dem PKW gefahren.

Mitlerweile habe ich seit 1 ½ Jahren keinen Führerschein und bin sehr nachsichtig und sehe meine Fehler ein.

Aufgrund meiner schlechten finanziellen Lage, ersuche ich sie höflichst um eine mildere Geldstrafe.
Telefonisch erreichbar unter: ...

Mit freundlichen Grüßen

A. B.

[Schreibfehler im Original]

1.7.    Mit Schreiben vom 04.02.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vor.

1.8.    Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 20.02.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung seine persönlichen Verhältnisse bekanntzugeben, wobei darauf hingewiesen wurde, dass im Falle eines fristlosen Verstreichens dieser Frist eine Einschätzung durch das Verwaltungsgericht Wien zu erfolgen hat.

Mit selbigem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass eine Anfrage beim Verkehrsamt Wien ergeben hat, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung am 26.09.2017 durch Hinterlegung zugestellt und ihm der Führerschein am 12.10.2017 im Zuge einer Verkehrskontrolle von der Polizei vorläufig abgenommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, sich zu diesen Ermittlungsergebnissen ebenfalls innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 23.02.2019 durch Hinterlegung zugestellt. Das Schriftstück wurde nach Ablauf der Hinterlegungsfrist mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Verwaltungsgericht Wien retourniert.

1.9.    Am 09.04.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht statt, zu welcher - trotz ordnungsgemäßer Ladung - weder der Beschwerdeführer noch ein Vertreter der belangten Behörde erschienen ist.

2.   Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung gründen auf den unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsstrafaktes, insbesondere der darin befindlichen Anzeige vom 29.10.2017, der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.06.2018 sowie dem angefochtenen Straferkenntnis vom 11.01.2019. Dass mit dem Entziehungsbescheid zugleich die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt wurde, ergibt sich aus einer diesbezüglichen telefonischer Anfragen des erkennenden Gerichtes beim Verkehrsamt am 08.04.2019 (Aktenvermerk des erkennenden Gerichtes vom 08.04.2019), anlässlich welcher dem erkennenden Gericht seitens des Verkehrsamtes Wien (Herrn E.) mitgeteilt wurde, dass die Entziehung der Lenkberechtigung nicht in Form eines Mandatsbescheides erfolgt ist, sondern mittels „normalem“ Bescheid, in welchem auch die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt wurde.

2.2.    Die Feststellungen zur Tathandlung gründen ebenfalls auf den unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsstrafaktes. Überdies gesteht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde selbst ein, das ihm vorgeworfene Verhalten gesetzt zu haben.

2.3.    Dass der Beschwerdeführer am 09.10.2017 noch keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid hatte ergibt sich einerseits aus seinem Beschwerdevorbringen und andererseits aus zweier diesbezüglicher telefonischer Anfragen des erkennenden Gerichtes beim Verkehrsamt am 20.02.2019 und am 08.04.2019 (Aktenvermerk des erkennenden Gerichtes vom 20.02.2019 und 08.04.2019). Seitens des Verkehrsamtes wurde dem erkennenden Gericht mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer den am 26.09.2017 beim zuständigen Postamt hinterlegten Entziehungsbescheid nicht behoben hat, sodass dieser am 04.11.2017 mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Verkehrsamt retourniert wurde. Weiters wurde mitgeteilt, dass der Entziehungsbescheid dem Beschwerdeführer auch nicht neuerlich zugestellt oder ausgehändigt wurde. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer den hinterlegten Entziehungsbescheid zum Tatzeitpunkt am 09.10.2017 noch nicht behoben hatte, weshalb dieser zum Tatzeitpunkt auch keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid haben konnte.

2.4.    Die weiteren Feststellungen zum Verfahrensgang (Aufforderung zur Rechtfertigung, Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses, Beschwerdeerhebung und Beschwerdeinhalt, Vorlage der Beschwerde an das erkennende Gericht durch die belangte Behörde, Aufforderungsschreiben des erkennenden Gerichtes vom 20.02.2019 an den Beschwerdeführer, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung) ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsstrafaktes der belangten Behörde sowie dem gerichtlichen Verwaltungsstrafakt.

3.   Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG), idF BGBl. I Nr. 37/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für das Lenken von Kraftfahrzeugen und das Ziehen von Anhängern entsprechend den Begriffsbestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr.

(1a) Von der Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind ausgenommen:

1.

Kraftfahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h und mit solchen Kraftfahrzeugen gezogene Anhänger;

 

diese Fahrzeuge unterliegen jedoch den Bestimmungen des Abs. 5 sowie § 37 Abs. 1 und § 37a;

2.

Transportkarren (§ 2 Abs. 1 Z 19 KFG 1967), selbstfahrende Arbeitsmaschinen (§ 2 Abs. 1 Z 21 KFG 1967), Anhänger-Arbeitsmaschinen (§ 2 Abs. 1 Z 22 KFG 1967) und Sonderkraftfahrzeuge (§ 2 Abs. 1 Z 23 KFG 1967), mit denen im Rahmen ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung Straßen mit öffentlichem Verkehr nur überquert oder auf ganz kurzen Strecken oder gemäß § 50 Z 9 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159, als Baustelle gekennzeichnete Strecken befahren werden, und mit Transportkarren, selbstfahrenden Arbeitsmaschinen oder Sonderkraftfahrzeugen auf solchen Fahrten gezogene Anhänger;

3.

Kraftfahrzeuge, die bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung und ihren Trainingsfahrten auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße verwendet werden, für die Dauer einer solchen Veranstaltung;

4.

nicht zum Verkehr zugelassene Anhänger (§ 104 Abs. 5 dritter und vierter Satz sowie Abs. 7 KFG 1967);

5.

elektrisch angetriebene Fahrräder gemäß § 1 Abs. 2a KFG 1967;

6.

Heeresfahrzeuge (§ 2 Z 38 KFG 1967), diese Fahrzeuge unterliegen jedoch den Bestimmungen der §§ 22, 37 und 38.

(2) Alle personenbezogenen Bezeichnungen gelten gleichermaßen für Personen sowohl weiblichen als auch männlichen Geschlechts.

(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. [...]

Strafausmaß

§ 37. (1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs. 3 Z 3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO 1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(2) Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.

[...]

(4) Eine Mindeststrafe von 726 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl

1.

die Lenkberechtigung entzogen wurde oder

2.

gemäß § 30 Abs. 1 ein Lenkverbot ausgesprochen wurde.

[...]“

3.2.    Die maßgebliche Bestimmung des Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz – ZustG), , idF , lautet auszugsweise wie folgt:

„Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

3.3.    Zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG:

Gemäß § 1 Abs. 3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges nur mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die jeweilige Klasse, in die das Kraftfahrzeug fällt, zulässig.

Nach § 37 Abs. 1 FSG begeht, wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von € 36,00 bis zu € 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

§ 37 Abs. 4 Z 1 FSG sieht die Verhängung einer Mindeststrafe von € 726,00 für das Lenken eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung vor.

Wie den getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, wurde der Bescheid über die Entziehung der Lenkberechtigung nach durchgeführtem Zustellversuch für den Beschwerdeführer beim zuständigen Postamt hinterlegt und war der erste Tag der Abholfrist der 26.09.2017. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gelten hinterlegte Schriftstücke mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Daraus ergibt sich für das gegenständliche Verfahren, dass der Entziehungsbescheid dem Beschwerdeführer am 26.09.2017 gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt wurde. Anhaltspunkte für einen Zustellmangel sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen (insbesondere wurde ein solcher vom Beschwerdeführer nicht behauptet), weshalb von einer ordnungsgemäß erfolgten Zustellung auszugehen war. Da im Entziehungsbescheid zugleich die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt wurde, entfaltete der Entziehungsbescheid sogleich mit seiner ordnungsgemäßen Zustellung Rechtswirkungen, und zwar in der Form, dass mit ordnungsgemäßer Zustellung am 26.09.2017 die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers als entzogen galt.

Damit steht für das erkennende Gericht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des festgestellten Lenkens des gegenständlichen PKWs am 09.10.2017 um 17.45 Uhr nicht mehr im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung war. Sohin hat der Beschwerdeführer den objektiven Tatbestand des § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG erfüllt.

3.4.     Zur fehlenden subjektiven Tatseite:

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG sind hinterlegte Dokumente mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird.

Wie den getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, wurde der Bescheid über die Entziehung der Lenkberechtigung nach durchgeführtem Zustellversuch für den Beschwerdeführer beim zuständigen Postamt hinterlegt und war der erste Tag der Abholfrist der 26.09.2017. Sohin endete die zweiwöchige Abholfrist gemäß § 17 Abs. 3 ZustG am 10.10.2017.

Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Beschwerdeführer am 09.10.2017, sohin zum Tatzeitpunkt, das hinterlegte Schriftstück noch nicht behoben. Damit steht für das erkennende Gericht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid haben konnte.

Diese Unkenntnis ist dem Beschwerdeführer auch nicht vorwerfbar, dies aus folgenden Gründen:

Zwar findet sich in § 17 Abs. 3 ZustG eine sog. „Zustellfiktion“, wonach hinterlegte Schriftstücke mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, eine gesetzliche Verpflichtung zur umgehenden Behebung von Schriftstücken findet sich jedoch nicht. Vielmehr können Schriftstücke innerhalb der – mindestens zweiwöchigen – Hinterlegungsfrist nach Belieben behoben werden.

Gegenständlich war die zweiwöchige Abholfrist zum Tatzeitpunkt am 09.10.2017 noch nicht abgelaufen, diese endete erst am 10.10.2017. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den hinterlegten Entziehungsbescheid zum Tatzeitpunkt am 09.10.2017 noch nicht behoben hat, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, zumal die Abholfrist noch nicht abgelaufen war und es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, hinterlegte Schriftstücke umgehend zu beheben. Er hatte vielmehr noch einen weiteren Tag zur Verfügung, das hinterlegte Schriftstück (Entziehungsbescheid) rechtzeitig abzuholen.

Der Beschwerdeführer hatte sohin zum Tatzeitpunkt noch die Möglichkeit, den hinterlegten Entziehungsbescheid innerhalb der zweiwöchigen Abholfrist zu beheben. Dass er dies schlussendlich nicht gemacht hat, ist für das gegenständliche Verfahren irrelevant, zumal für die Frage der Strafbarkeit gemäß § 1 Abs. 2 VStG allein auf den Tatzeitpunkt abzustellen ist.

Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht zu der Ansicht, dass der Beschwerdeführer mangels Verschuldens den subjektive Tatbestand des § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG nicht verwirklicht hat, da er zum Tatzeitpunkt keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid hatte, woraus ihm jedoch kein Vorwurf gemacht werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.5.     Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Lenkerberechtigung; Entziehung; Bescheid; Zustellung durch Hinterlegung; Abholfrist; subjektive Tatseite; subjektive Vorwerfbarkeit; Verschulden

Anmerkung

VwGH v. 24.7.2019, Ra 2019/02/0115; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.089.2592.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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