TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/12 VGW-122/008/9985/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2019
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Entscheidungsdatum

12.04.2019

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §83 Abs1
GewO 1994 §83 Abs2
GewO 1994 §83 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über die Beschwerde der A. GmbH, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt, vom 23.07.2018 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 30.05.2018,
Zl. ..., betreffend Vorschreibungen gemäß § 83 Abs. 3 GewO zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der A. GmbH anlässlich der Auflassung ihrer KFZ-Werkstätte im Standort Wien, B.-gasse, gemäß § 83 Abs. 3 GewO 1994 mehrere Vorkehrungen zum Schutz der in § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen vorgeschrieben, welche wie folgt lauteten:

„1. Im südwestlichen Bereich der Liegenschaft sind im 1 m Abstand zur Kante der Baugrube weitere bodenchemische Untersuchung durch eine befugte Fachfirma durchzuführen.

Die Rammkernsondierungen parallel zur Baugrubenkante (min. 8 Sondierungen) sind bis in eine Tiefe von 6,00 m unter Terrain niederzubringen und Erdproben zu entnehmen. Diese sind von einem chemischen Labor auf Kohlenwasserstoffe zu untersuchen. Die Erdproben sind in jeder Sonde pro Laufmeter zu entnehmen. Die Analyse der Erdproben sind sowohl im Eluat als auch als Gesamtgehalt durchzuführen, wobei der Parameter Summenkohlenwasserstoffe zu analysieren ist. Sollten diese Untersuchungen eine sanierungswürde Verunreinigung des Untergrundes anzeigen, ist mit Mineralölprodukten kontaminiertes Erdreich abzugraben und nachvollziehbar zu entsorgen.

2. Als sanierungswürdige Verunreinigung ist in Bezug auf den Parameter „Summe der Kohlenwasserstoffe“ ein Wert von 500 mg/kg als Gesamtgehalt bzw. 2 mg/kg im Eluat anzusehen.

3. Sämtliche Erkundungsarbeiten sind von Gutachtern (einschlägigen Ziviltechnikern oder technischen Büros), die vom Verpflichteten zu beauftragen sind, begleitend zu überwachen. Von diesen ist nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen ein Gutachten, dass die gesetzten Sanierungsziele erreicht worden sind, sowie eine Dokumentation (Ablauf der Arbeiten, vorhandene Schadstoffkonzentrationen, Ausmaß der Verunreinigung, Menge des entsorgten Schadstoffes usw.) erstellen zu lassen und dem BAZ ... zu übermitteln.

Diesem Auftrag ist nach Rechtskraft des Bescheides zu entsprechen.“

Begründend stützte sich die Behörde auf die „gutachterliche Stellungnahme“ des Amtssachverständigen für Wasserbau und Gewässerschutz der Magistratsabteilung 45 vom 19.09.2017, wonach die von der Beschwerdeführerin getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend seien, um anlässlich der Auflassung der Betriebsanlage den Schutz der im § 74 Abs. 2 GewO umschriebenen Interessen zu gewährleisten und daher zu diesem Zweck weitere Vorkehrungen von der Beschwerdeführerin zu treffen seien.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde vorgebracht, dass eine Vorkehrung nach § 83 Abs. 3 GewO nicht mit dem Zweck vorgeschrieben werden könne, eine Gefährdung, Belästigung oder Beeinträchtigung, die bereits durch den Betrieb der Betriebsanlage und damit bereits vor der Auflassung entstanden sei, zu beseitigen. Die Beschwerdeführerin habe im Übrigen bereits umfangreiche Sanierungsmaßnahmen ergriffen. Im Übrigen seien die Restkontaminierungen im umliegenden Bereich als geringfügig zu beurteilen und könne außerdem nicht festgestellt werden, in welchem Ausmaß diese Kontaminierungen nicht schon durch den Betrieb von der aufgelassenen KFZ-Werkstätte verursacht worden wären.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den von der Verwaltungsbehörde aus Anlass der Beschwerdevorlage übermittelten Betriebsanlagenakt.

Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

Die KFZ-Werkstätte der A. GmbH im Standort Wien, B.-gasse, wurde mit Bescheid vom 14.10.1949, ..., und Folgebescheiden rechtskräftig genehmigt.

Mit Schreiben vom 09.02.2018 zeigte die A. GmbH der belangten Behörde gemäß § 83 Abs. 1 GewO 1994 die Auflassung ihrer Betriebsanlage an und teilte mit, dass der Betrieb der gegenständlichen Anlage wegen des Verkaufes an die C. AG mit 22.07.2016 eingestellt worden sei.

Beginnend ab Frühjahr 2017 wurde die gesamte Betriebsanlage für die Errichtung einer Wohnhausanlage abgerissen und eine Baugrube für eine Tiefgarage und Kellerabteile ausgehoben. Im Zuge des erfolgten Aushubes und der begleitenden chemischen Kontrollen wurden vor allem im Bereich des ehemaligen Ölabscheiders der Betriebsanlage starke Bodenverunreinigungen mit Kohlenwasserstoffen vorgefunden, welche am 05.04.2017 durch eine über den bautechnischen Aushub hinausgehende Abtragung beseitigt wurden.

In einem von der C. AG vorgelegten Gutachten der D. GmbH vom 07.04.2017 wird dazu ausgeführt, dass lediglich im Randbereich der Bauliegenschaft Restkontaminationen vorlägen, eine Grundwasserbeeinträchtigung „äußerst unwahrscheinlich“ und ein weiterer Abtrag „jedenfalls als unverhältnismäßig“ anzusehen sei.

Die gegenständliche Kontamination besteht in einem „sehr alten Benzinschaden überlagert durch einen weniger alten Dieselschaden“ und liegt schon seit längerer Zeit vor, wie sich aus dem Gutachten der D. GmbH vom 07.04.2017 ergibt.

Der Amtssachverständige für Wasserbau und Gewässerschutz der Magistratsabteilung 45 führte in seinem Gutachten vom 19.09.2017 zur Anzeige der Auflassung der Betriebsanlage durch die Beschwerdeführerin aus, dass im Hinblick auf die bis dahin von der Beschwerdeführerin ergriffenen Maßnahmen aus Sicht des örtlichen Grundwasserschutzes noch weitere Arbeiten notwendig wären, da im Zuge einer Überprüfung der Liegenschaft durch die MA 45 am 13.03.2017 einen knappen Meter auf der Nachbarliegenschaft B.-gasse noch visuell „Restkontaminationen“ wahrgenommen hätten werden können.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass die verfahrensgegenständlichen Kontaminationen der Betriebsliegenschaft (und teilweise des Nachbargrundstücks) offenbar aus dem vorangehenden Betrieb der Anlage und nicht aus deren Auflassung selbst bzw. Auflassungshandlungen resultieren.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf den Inhalt des eingesehenen Verwaltungsaktes und den jeweils bei den Feststellungen genannten Beweismitteln.

Rechtlich folgt daraus:

Beabsichtigt der Inhaber einer Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO die Auflassung seiner Anlage oder eines Teiles seiner Anlage, so hat er gemäß § 83 Abs. 1 GewO die notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung einer von der in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlage oder von dem in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlagenteil ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO zu treffen.

Der Anlageninhaber hat nach Abs. 2 dieser Bestimmung den Beginn der Auflassung und seine Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde (Genehmigungsbehörde) vorher anzuzeigen.

Reichen die vom Anlageninhaber gemäß Abs. 2 angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der jeweilige Inhaber der in Auflassung begriffenen Anlage oder der Anlage mit dem in Auflassung begriffenen Anlagenteil (auflassender Anlageninhaber) die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die Genehmigungsbehörde gemäß § 83 Abs. 3 GewO die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen.

Durch einen Wechsel in der Person des auflassenden Anlageninhabers wird nach § 83 Abs. 4 GewO die Wirksamkeit des bescheidmäßigen Auftrages gemäß Abs. 3 nicht berührt.

Der auflassende Anlageninhaber hat der Genehmigungsbehörde gemäß § 83 Abs. 5 GewO anzuzeigen, dass er die gemäß Abs. 2 angezeigten und bzw. oder die von der Genehmigungsbehörde gemäß Abs. 3 aufgetragenen Vorkehrungen getroffen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH haben gemäß § 83 GewO aufgetragene Vorkehrungen ausschließlich dem Zweck zu dienen, die von dem durch die Auflassung geschaffenen Zustand einer Betriebsanlage ausgehenden Einwirkungen auf die Umwelt (im weitesten Sinne) soweit zu beschränken, dass der Schutz der im § 74 Abs. 2 GewO umschriebenen Interessen gewährleistet ist. Das so zu umschreibende Wesen einer Vorkehrung nach § 83 GewO verbietet es, eine solche mit dem Zweck vorzuschreiben, eine durch den Betrieb der Betriebsanlage bereits vor der Auflassung eingetretenen Einwirkung auf die Umwelt nachträglich wieder rückgängig zu machen (VwGH 29.02.2008, 2004/04/0179; VwGH 21.03.2002, 2001/07/0179).

Die Anzeigepflicht im Rahmen der Auflassung einer Betriebsanlage hat gerade zum Ziel, gegebenenfalls für diesen Vorgang begleitende behördliche Maßnahmen vorzuschreiben, und grenzen sich diese von wasserpolizeilichen Aufträgen, die bei Kontaminierungen oder sonstige Schäden, die durch den Betrieb der Betriebsanlage verursacht werden, ab (VwGH 21.03.2002, 2001/07/0179; vgl. auch VwGH 21.11.2002, 2002/07/0108).

Dabei ist als Auflassungsvorgang jener Vorgang heranzuziehen, den der Anlageninhaber durch seine Anzeige bei der Behörde gemäß § 83 Abs. 2 GewO beginnt und die Behörde mit Feststellungsbescheid gemäß Abs. 6 leg. cit. beendet. Damit soll erreicht werden, dass die Behörde, solange die Auflassung der Betriebsanlage nicht bescheidmäßig festgestellt wurde, die zur Wahrung der Schutzinteressen erforderlichen Vorkehrungen auftragen darf.

Selbst wenn man im vorliegenden Fall den Zeitraum ab Einstellung des Betriebes der Anlage am 22.07.2017 bis zur Erlassung des hier gegenständlichen Bescheides als relevanten Zeitraum heranzieht, so bestehen die vorgeschriebenen Vorkehrungen vor allem in Aushubarbeiten, bodenchemischen Untersuchungen und Erkundungsarbeiten der ehemaligen Betriebsliegenschaft. Diese Aushubvorgänge wurden jedoch gerade, soweit nicht bereits bautechnisch bedingt, als sanierende Maßnahmen gegen die durch den Betrieb der Betriebsanlage verursachten Einwirkungen auf die Umwelt getroffen und sind die Aushubarbeiten selbst dem Akteninhalt nach ja nicht die Ursache der Kontaminationen auf der Betriebsliegenschaft und am Nachbargrundstück.

 

Die von der Erstbehörde aufgrund des Gutachtens der Magistratsabteilung 45 vom 19.09.2017 vorgeschriebenen Maßnahmen stellen damit keine Vorkehrungen im Sinne des § 83 GewO dar. Vielmehr werden die nunmehr zusätzlich aufgetragenen Maßnahmen im gegenständlichen Bescheid ausdrücklich unter Anführung der bisher ergriffenen Maßnahmen der Betriebsanlage als „weitere Erkundungs- und Sanierungsarbeiten“ angeführt. Daraus ergibt sich jedoch, dass die (weiteren) Maßnahmen die Beseitigung gerade der aus dem vorangehenden Betrieb der Betriebsanlage resultierenden Kontaminationen zum Ziel haben. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden somit Maßnahmen vorgeschrieben, die eine Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung der Betriebsliegenschaft durch den vorangegangenen Betrieb beseitigen und nicht eine Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung durch Auflassungsvorgänge selbst hintanhalten sollen.

Die von der Behörde herangezogene Norm des § 83 GewO stellt im Ergebnis keine geeignete rechtliche Grundlage für die im angefochtenen Bescheid erteilten Vorkehrungen dar. Auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde ist nicht mehr einzugehen, da der angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage ersatzlos zu beheben war.

Die von der Beschwerdeführerin beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den hier relevanten Rechtsfragen zur Vorschreibung von Vorkehrungen im Zuge der Auflassung einer Betriebsanlage ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, wie die diesbezüglichen Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Betriebsanlage; Betrieb; Auflassung; Anzeigepflicht; Anlageninhaber; behördliche Maßnahmen; Vorkehrungen; Schutzzweck

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.122.008.9985.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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