TE OGH 2019/2/26 8Ob15/19t

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen 1. P*****, geboren ***** 2006, 2. R*****, geboren ***** 2009, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter R*****, vertreten durch Gärner Perl-Böck Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 28. Dezember 2018, GZ 21 R 234/18k-39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Eltern der beiden Minderjährigen sind miteinander verheiratet. Die häusliche Gemeinschaft wurde mit dem Auszug der Mutter aus der ehelichen Wohnung am 27. 10. 2016 aufgehoben. In einer – vor einem Notar am 2. 12. 2016 abgeschlossenen – Trennungsvereinbarung hielten die Eltern fest, dass die Obsorge für die gemeinsamen Kinder beiden Eltern zukommt, wobei die Kinder sich hauptsächlich im Haushalt des Vaters aufhalten werden. Im Mai 2017 nahm die Mutter die Kinder, die bis dahin täglich auch von ihr in der ehemaligen Ehewohnung betreut worden waren („Nestmodell“), zu sich in ihre neue, nahe der Ehewohnung gelegene Wohnung.

Die Vorinstanzen wiesen die Anträge der Mutter, dem Vater (vorläufig) die Obsorge zu entziehen und der Mutter alleine zu übertragen, rechtskräftig ab und entschieden über widerstreitende Anträge beider Eltern übereinstimmend, dass die Kinder hauptsächlich im Haushalt des Vaters betreut werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs, mit dem sie die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung der Minderjährigen in ihrem Haushalt anstrebt, ist nicht zulässig:

1. Entscheidungen in Obsorgeangelegenheiten sind typischerweise Entscheidungen nach den Umständen des Einzelfalls, denen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, sofern dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS-Justiz RS0115719; RS0007101).

2. Entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberin liegt in dem Umstand, dass die Rekursverhandlung gemäß § 52 Abs 2 letzter Satz AußStrG
– hier im Rahmen einer Beweisergänzung – durch eine vom Rekursgericht beauftragte Richterin (aus dem Senat) vorgenommen wurde, kein Besetzungsmangel im Sinn des § 58 Abs 4 AußStrG.

3. Die Feststellungen zur (fehlenden) Bindungstoleranz der Mutter sind weder widersprüchlich noch unvollständig. Dass die Mutter (grundsätzlich) erziehungsfähig und gut für die Kinder ist, schließt nicht aus, dass sie – wie festgestellt – nicht bereit ist, mit dem Vater zu kooperieren, und unter Einschränkung der Beziehung der Kinder zum Vater allein für die Kinder zuständig sein möchte. Dem Hinweis der Revisionsrekurswerberin, dass die Kinder nach den Feststellungen auch seit der Übersiedlung zur Mutter viel Zeit mit und bei ihrem Vater verbringen, sind die Feststellungen entgegenzuhalten, dass die Mutter sich massiv schlecht über den Vater hinsichtlich seiner vermeintlichen Fehler in der Paarbeziehung äußert, sie in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Vater deutlich massiver auftritt als er ihr gegenüber. Sie stellt diesbezüglich ihr Wohl eindeutig über das Wohl der Kinder, wodurch die Kinder, denen die Beziehung zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist, immer weiter in einen bereits vorhandenen Loyalitätskonflikt getrieben werden.

4.1 Die Frage, welchem Elternteil die hauptsächliche Betreuung zukommen soll, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (3 Ob 121/16i). Der Grundsatz der Kontinuität ist hierbei zwar von besonderer Bedeutung, darf aber nicht um seiner selbst Willen aufrechterhalten werden, sondern ist dem Wohl des Kindes unterzuordnen (vgl RIS-Justiz RS0047928). Die „hauptsächliche Betreuung“ ist bei dem Elternteil zu belassen, der die damit verbundenen Aufgaben bisher (überwiegend) wahrgenommen hat, sofern nicht Gründe für die Annahme bestehen, dass der andere Elternteil diese Verpflichtungen wesentlich besser wahrnehmen könnte (9 Ob 82/16y; s auch Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 180 Rz 36).

4.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die hauptsächliche Betreuung der Kinder im Haushalt des Vaters hier die bessere ist, weil die fehlende Bindungstoleranz und mangelnde Kooperationsbereitschaft der Mutter im Zusammenhang mit ihrer Überzeugung, dass der Vater schlecht für die Kinder sei, dem Kindeswohl nicht zuträglich sind, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Mag auch die Mutter bislang die Hauptbezugsperson beider Kinder gewesen sein, steht doch fest, dass die Kinder zu beiden Eltern eine sichere und intensive Bindung entwickelt haben und es der Wunsch der Kinder ist, mit beiden Eltern gleich viel Zeit zu verbringen. Entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberin ist das Rekursgericht nicht davon ausgegangen, dass dem Kontinuitätsprinzip keine oder nur geringere Bedeutung als der Bindungstoleranz zukäme. Es hat vielmehr darauf verwiesen, dass die Festlegung des Hauptaufenthalts beim Vater nicht den „kontinuierlichen Verhältnissen“ widerspricht, da sich die Kinder auch beim Vater in der alten Ehewohnung (weiterhin) „zu Hause fühlen“.

5. Der Revisionsrekurs der Mutter war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Textnummer

E124826

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00015.19T.0226.000

Im RIS seit

08.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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