TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/15 W117 2197698-1

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Veröffentlicht am 15.03.2019
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Entscheidungsdatum

15.03.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs9
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W117 2197698-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 16.04.2018, Zl. 1181824707/180161084, zu Recht erkannt:

I. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat:

"Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 wird gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 zurückgewiesen."

II. Die Spruchpunkte II., III., IV., V. des Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, wurde als Tochter einer Asylwerberin (Beschwerdeführerin zu W117 2197703-1), in Österreich geboren und stellte am 15.02.2018 vertreten durch ihren in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Vater einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs.2 AsylG 2005.

Die Eltern der Beschwerdeführerin haben am XXXX in Tschetschenien eine Ehe geschlossen und leben nun in Österreich mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.04.2018 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr 100/2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs.9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BVA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Aufenthalt ihrer Mutter in Österreich ein unsicherer gewesen sei und zeitgleich eine Rückkehrentscheidung gegen diese erlassen werde. Eine Trennung von ihrer Mutter erfolge angesichts des Säuglingsalters der Beschwerdeführerin nicht, hingegen eine solche von ihrem Vater. Ihre Eltern hätten sich bewusst für die Umgehung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen entschieden indem sie durch die illegale Einreise, den unbegründeten Asylantrag und das beharrliche Verbleiben ihrer Mutter im Bundesgebiet versucht hätten, diese Bestimmungen zu umgehen. Die Beschwerdeführerin habe durch ihren Vater einen starken Anknüpfungspunkt im Bundesgebiet, jedoch werde dieser durch die Vorgangsweise ihrer Mutter (Verstöße gegen die Einreisebestimmungen, zu kurzer Aufenthalt ihrer Mutter im Bundesgebiet) als nicht schützenswert erachtet. Ihre Mutter sei im Herkunftsland aufgewachsen und bedeute die Eheschließung ihrer Eltern dort, dass auch ihr Vater weiterhin Kontakte dorthin habe, womit eine Fortführung des Familienlebens im Herkunftsstaat möglich sei, wobei die Verwandten ihrer Mutter behilflich sein könnten. Im Übrigen sei es der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter unbenommen im Anschluss an diese Entscheidung ebenfalls einen Antrag nach dem NAG zu stellen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter durch deren bevollmächtigten Vertreter Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die minderjährige Beschwerdeführerin infolge der Beauftragung einer Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß "§ 46 Abs. (2) iVm § 21 Abs. 4 NAG" zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Die Eltern hätten ein gemeinsames Sorgerecht, die Mutter der Beschwerdeführerin sei betreuungspflichtig, weshalb auch ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen sei und eine Rückkehrentscheidung die Beschwerdeführer in ihren Rechten nach Art. 8 EMRK verletze. Der beiliegenden Bestätigung ist zu entnehmen, dass der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 46 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 4 NAG eine von 15.05.2018 bis 15.05.2019 gültige Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den vorgelegten Urkunden (Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin, Übersetzung der Heiratsurkunde der Eltern aus dem Russischen, Kopie der Karte über den Aufenthaltstitel und russischer Reisepass des Vaters der Beschwerdeführerin) sowie aus der Einsichtnahme in das entsprechende Register hinsichtlich der Aufenthaltstitel bzw. in das Melderegister.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG. (Z. 3).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die maßgebenden Rechtsvorschriften hinsichtlich des Antrages gemäß § 55 AsylG 2005 lauten:

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

[...]

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

[...]

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 10 AsylG 2005:

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005).

Der vorliegenden Bestätigung sowie dem entsprechenden elektronischen Register ist zu entnehmen, dass der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 46 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 4 NAG eine von 15.05.2018 bis 15.05.2019 gültige Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt wurde. Damit liegen die Voraussetzungen gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 ASylG 2005 vor. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist daher zurückzuweisen und der Spruch des angefochtenen Bescheides entsprechend neu zu fassen gewesen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 10 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 liegen mit der Zurückweisung des Antrages gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 ferner die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht mehr vor.

Die Spruchpunkte II. bis V. waren somit ersatzlos zu beheben.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2197698.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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