TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/24 98/11/0309

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Veröffentlicht am 24.03.1999
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, Bahnhofstraße 58, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Oktober 1998, Zl. RU 6-St-K-9818, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Anordnungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C, E, F und G gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) für die Dauer von einem Jahr (bis 29. April 1999) entzogen, gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Absolvierung eines Driver-Improvements angeordnet und der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 Z. 2 FSG aufgefordert, bis zum Ablauf der Entziehungszeit ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der in Rede stehenden Klassen vorzulegen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 17. Jänner 1998 einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet hat. In diesem Zusammenhang wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom 20. April 1998 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB für schuldig erkannt. Eine nach dem Unfall vorgenommene Untersuchung der Atemluft ergab einen Alkoholgehalt von 0,39 mg/l. Der Beschwerdeführer sei bereits einmal einschlägig straffällig geworden. Da die Frage der Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles nicht Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens gewesen und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren noch nicht abgeschlossen sei, habe die belangte Behörde diese Vorfrage im Entziehungsverfahren selbständig zu beurteilen gehabt. Das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen der belangten Behörde vom 10. September 1998 kam zu dem Schluß, daß sich der Beschwerdeführer zum Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe; sein Blutalkoholgehalt hätte mindestens 0,816 %o betragen; eine Rückrechnung auf den Unfallszeitpunkt würde einen Blutalkoholgehalt von 0,794 %o ergeben. Die belangte Behörde stellte in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach auch bei geringeren Alkoholwerten als 0,8 %o eine relevante Alkoholbeeinträchtigung vorliegen kann, ab.

Die entscheidende Frage, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalles, der auf Grund der Aktenlage nicht eindeutig feststeht (es ist sowohl von 13.50 Uhr als auch von 14.05 Uhr die Rede - die Untersuchung der Atemluft erfolgte um 15.18 Uhr), durch Alkohol beeinträchtigt war, ist nach der Aktenlage offenbar ein Grenzfall. Das Beschwerdevorbringen, das Gericht habe diese Frage geprüft und eine "knapp unter der Qualifizierung" liegende Alkoholisierung angenommen, findet im vorgelegten Verwaltungsakt keine Entsprechung. Wie sich aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 18. Mai 1998 ergibt, hat sie von der Einholung der Gerichtsakten bewußt Abstand genommen. Die Gründe, aus denen es - entgegen dem ursprünglichen Strafantrag des Bezirksanwaltes - nicht zur Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 81 Z. 2 StGB gekommen ist, sind nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer ist damit im Recht, daß eine Verwertung des Ergebnisses der zweiten Atemluftprobe, die einen höheren Alkoholgehalt der Atemluft als 0,4 mg/l ergeben hat und das nach den Richtlinien für die Verwendung der Alkomatgeräte nicht verwertet werden darf, der Rechtslage nicht entspricht. Der ärztliche Sachverständige selbst spricht in seinem Gutachten davon, daß das hier vorgenommene "Errechnen von Tausendstel Promille nur scheingenau" sei. Wieso er abschließend seinerseits für den Unfallszeitpunkt zu dem - ebenfalls im Grenzbereich liegenden - Wert von 0,816 %o kommt, ist gleichfalls nicht nachvollziehbar und kann mit dem, in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannten, Phänomen der Anflutungsphase nicht restlos erklärt werden. Daß von einer Alkoholbeeinträchtigung auch ungeachtet der Unterschreitung der Grenzwerte des Alkoholgehaltes der Atemluft bzw. des Blutalkoholgehaltes gesprochen werden könnte, bedürfte einer besonderen Begründung; ohne eine solche kann eine relevante Alkoholbeeinträchtigung auch bei geringfügigsten Unterschreitungen der einschlägigen Grenzwerte nicht angenommen werden.

Die Annahme einer relevanten Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt beruht daher auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren, insbesondere einem Gutachten, das in Ansehung der darin getroffenen Aussagen nicht schlüssig ist. Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Entziehung der Lenkberechtigung und die daran anknüpfenden weiteren Aussprüche sind daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den - zur hg. Zl. AW 98/11/0093 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110309.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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