TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/24 99/11/0013

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Veröffentlicht am 24.03.1999
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs3 idF 1997/I/103;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des F in Wien, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien V, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. August 1998, Zl. MA 65-11/8/98, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Versagung der Ausstellung eines Duplikatführerscheines, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/11/0118, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid gleichlautender Entziehungsbescheid der belangten Behörde vom 8. April 1997 infolge Fehlens konkreter Feststellungen über das von der belangten Behörde als bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 herangezogene strafbare Verhalten des Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem im fortgesetztem Verfahren ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer neuerlich gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, dass ihm für die Dauer von 12 Monaten und 8 Wochen (ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 23. September 1996) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf; Haftzeiten seien in diese Zeit nicht einzurechnen. Weiters wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Duplikatführerscheines abgewiesen.

Unter Berufung auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. April 1995) wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG, § 15 StGB nahm die belangte Behörde als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht, indem er in der Zeit von September bis Dezember 1994 einer näher bezeichneten Person insgesamt 36 g Kokain verkauft und bis zum 17. Jänner 1995 rund 60 g Kokain zum Zweck des Weiterverkaufes bereitgehalten habe. Weiters habe er durch den wiederholten Erwerb und Besitz von Kokain in der Zeit von 1992 bis Ende März 1995 das Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG begangen. Das eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 darstellende Verbrechen gemäß § 12 Abs. 1 SGG sei offensichtlich als gefährlich und verwerflich zu werten, da die in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge geeignet gewesen sei, eine große Gefahr für Leben und Gesundheit zahlreicher Personen herbeizuführen. Überdies habe der Beschwerdeführer, wie mittels technischer Hilfsmittel festgestellt worden sei, zweimal die außerhalb des Ortsgebietes zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten (um 54 km/h und um 57 km/h). Er sei deshalb mit Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft H. vom 14. August 1996 und vom 29. August 1996 rechtskräftig bestraft worden. Laut den im Verwaltungsakt erliegenden Strafverfügungen wurden diese Delikte am 13. Mai 1996 und am 20. Juli 1996 begangen. Gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 sei für die erste Tat eine Entziehungszeit von zwei Wochen und für die zweite Tat eine Entziehungszeit von sechs Wochen festzusetzen und damit die Zeit bis zur Wiedererlangung einer Lenkerberechtigung um insgesamt acht Wochen zu verlängern gewesen. (Diese beiden Geschwindigkeitsdelikte wurden in dem undatierten, am 23. September 1996 zugestellten erstinstanzlichen Bescheid noch nicht berücksichtigt. Dieser setzte auf Grund der Suchtgiftdelikte des Beschwerdeführers eine Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 von 12 Monaten fest.)

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat entsprechend der Übergangsbestimmung des § 41 Abs. 1 Führerscheingesetz - FSG noch die Bestimmungen des KFG 1967 angewendet. Nach der genannten Übergangsbestimmung sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FSG (1. November 1997) anhängigen Verfahren auf Grund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedurfte es hiebei nicht der ausdrücklichen Anführung auch des § 41 Abs. 1 FSG im Spruch des angefochtenen Bescheides. Dies gilt in gleicher Weise für den bereits im August 1996 gestellten Antrag auf Ausstellung des Duplikatführerscheines. Auf ihn war daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht § 15 FSG, sondern § 71 Abs. 4 KFG 1967 anzuwenden.

Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass es für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person auf deren strafbare Handlungen und nicht auf die gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilungen ankommt. Es ist daher verfehlt, wenn es im angefochtenen Bescheid (entsprechend einem von der belangten Behörde ständig verwendeten Textbaustein) heißt, die rechtskräftige Verurteilung nach § 12 SGG bilde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967. Dieser Umstand begründet aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Aus dessen Begründung und den im fortgesetzten Verfahren beigeschafften gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen sind jene strafbaren Handlungen ersichtlich, von deren Begehung durch den Beschwerdeführer die belangte Behörde auf Grund seiner rechtskräftigen Bestrafungen bindend auszugehen hatte. Damit erweist sich auch das vom Beschwerdeführer an sich zu Recht gerügte Fehlen der Tatzeiten hinsichtlich der beiden Geschwindigkeitsdelikte in der Begründung des angefochtenen Bescheides als nicht wesentlich.

Rechtswidrig sei der angefochtene Bescheid weiters deshalb, weil die belangte Behörde zusätzlich zu der von der Erstbehörde festgesetzten Zeit von 12 Monaten (wegen der Suchtgiftdelikte) noch eine Entziehungszeit von 2 Wochen für das erste Geschwindigkeitsdelikt und eine Entziehungszeit von 6 Wochen für das zweite Geschwindigkeitsdelikt ausgesprochen habe. Eine solche Kumulation finde keine Deckung im Gesetz. Bei zwei Geschwindigkeitsdelikten sei eine Entziehung für insgesamt sechs Wochen auszusprechen; diese Zeit wäre in die Zeit von 12 Monaten einzurechnen gewesen.

Nach § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 (idF BGBl. I Nr. 103/1997) ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die im Abs. 2 angeführte Zeit mit zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer solchen Übertretung mit sechs Wochen festzusetzen. Dieser klare Wortlaut schließt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Bemessung einer Entziehungszeit von (insgesamt) nur sechs Wochen im Fall der Begehung von zwei qualifizierten Geschwindigkeitsdelikten aus. Allerdings handelt es sich bei § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 um eine Spezialregelung im Rahmen der Bestimmung des § 73 Abs. 2 KFG 1967 betreffend die Bemessung der "Zeit" für die Fälle des Vorliegens von nur einem oder zwei qualifizierten Geschwindigkeitsdelikten. Nur für diese Fälle hat der Gesetzgeber selbst die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person und die zu setzende Verwaltungsmaßnahme vorweggenommen, sodass insoweit der Verwaltungsbehörde kein Raum für eine selbständige Beurteilung mehr verbleibt. Eine Entziehungsmaßnahme von zwei bzw. von sechs Wochen gemäß § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 kommt somit nicht in Betracht, wenn mehr als zwei qualifizierte Geschwindigkeitsdelikte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0108) oder - wie hier - eine weitere bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 KFG 1967 vorliegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1996, Zl. 94/11/0003). Dies hat die belangte Behörde offenbar verkannt, wie die unter Berufung auf § 73 Abs. 3 KFG 1967 erfolgte Festsetzung einer zusätzlichen Entziehungszeit von insgesamt 8 Wochen für die beiden Geschwindigkeitsdelikte (zusätzlich zu der von ihr als zutreffend erachteten, von der Erstbehörde mit 12 Monaten festgesetzten Zeit auf Grund der übrigen Straftaten des Beschwerdeführers) erkennen lässt. Rechte des Beschwerdeführers wurden dadurch allerdings nicht verletzt, weil die Verlängerung um 8 Wochen exakt jener Entziehungszeit entspricht, die das Gesetz für den Fall der Begehung von (nur) zwei qualifizierten Geschwindigkeitsdelikten vorsieht.

Gegen die Bemessung einer Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 von insgesamt 12 Monaten und 8 Wochen (ab dem Beginn der Entziehungsmaßnahme) bestehen keine Bedenken. Bei der Wertung des gesamten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers nach den Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 fällt zu seinem Nachteil nicht nur der Umstand der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit der beiden Tathandlungen nach § 12 Abs. 1 SGG aufgrund der Menge des Suchtgiftes, sondern auch die Tatwiederholung und darüber hinaus das längere Zeit hindurch gesetzte strafbare Verhalten gemäß § 16 Abs. 1 SGG (Erwerb und Besitz von Kokain) ins Gewicht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es bei der Begehung von Suchtgiftdelikten gemäß § 12 SGG auf Umstände, die eine "Gefährlichkeit für den Straßenverkehr" bewirken, nicht an. Dazu kommt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem letzten Suchtgiftdelikt keineswegs wohlverhalten, sondern zwei weitere Straftaten begangen hat, die jeweils eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 darstellen. Die Zeit von rund zwei Monaten zwischen der Begehung der letzten Straftat und dem Beginn der Entziehungsmaßnahme ist zu kurz, um für den Beschwerdeführer ins Gewicht zu fallen. Das längere Zeit hindurch gezeigte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit berechtigte die belangte Behörde insgesamt zu dem Schluss, er sei für die Zeit von 12 Monaten und 8 Wochen (gerechnet ab 23. September 1996) als verkehrsunzuverlässig anzusehen.

Mangels näherer Begründung ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb die belangte Behörde bei diesem Ergebnis nicht eine vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 ausgesprochen hat. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1997, Zl. 97/11/0209, mwN) hinzuweisen, wonach auch die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von nicht mehr als 18 Monaten eine Entziehungsmaßnahme nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 nicht von vornherein ausschließt. Eine solche Maßnahme setzt aber voraus, dass die Behörde aufgrund der Ermittlungsergebnisse zu der Auffassung gelangt, es bedürfe wegen der besonderen Umstände des Falles nach Ablauf der Entziehungszeit eines neuerlichen Ermittlungsverfahrens zur Prüfung des Wiedervorliegens der Verkehrszuverlässigkeit, und dies auch entsprechend begründet. Dies ist hier nicht geschehen. Statt dessen hat sich die belangte Behörde mit der pauschalen Behauptung der Notwendigkeit der Prüfung aller Erteilungsvoraussetzungen vor der Wiedererteilung einer neuen Lenkerberechtigung begnügt. Dies kann schon deshalb keine ausreichende Begründung darstellen, weil das Gesetz auch die Möglichkeit einer vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung kennt, bei der die entzogene Lenkerberechtigung nach Ablauf der Entziehungzeit ex lege wieder auflebt, ohne dass es der neuerlichen Erteilung einer Lenkerberechtigung bedarf. Der aufgezeigte Begründungsmangel ist wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung (statt der ausgesprochenen endgültigen Entziehung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967) gekommen wäre.

Die Rechtswidrigkeit des Entziehungsausspruches zieht notwendig die Rechtswidrigkeit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Duplikatführerscheines nach sich. Eine solche Ausstellung kam wegen der endgültigen Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 nicht in Betracht. Die Ausstellung eines Führerscheines als der gesetzlich vorgesehenen Bestätigung über die erteilte Lenkerberechtigung (§ 71 Abs. 1 KFG 1967) setzt notwendig den aufrechten Bestand der betreffenden Lenkerberechtigung voraus.

Aus dem dargestellten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde konnte ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entfallen.

Wien, am 24. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110013.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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