TE Vfgh Erkenntnis 1997/2/26 G287/96, G396/96

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art65 Abs2 litc
B-VG Art93
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
Bgld RaumplanungsG-Nov. LGBl 12/1994 ArtII

Leitsatz

Aufhebung der durch eine Novelle zum Bgld RaumplanungsG geschaffenen Sanierungsmöglichkeit für alle bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Grünland errichteten Bauten wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz; Ausdehnung der Anlaßfallwirkung

Spruch

ArtII des Gesetzes vom 10. November 1993, mit dem das Burgenländische Raumplanungsgesetz geändert wird, LGBl. für das Burgenland Nr. 12/1994, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Gesetzesbestimmung ist auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. ArtII des Gesetzes vom 10. November 1993, mit dem das Burgenländische Raumplanungsgesetz geändert wird, LGBl. für das Burgenland Nr. 12/1994, (im folgenden: Novelle zum Bgld. RplG), ordnet an:

"Bauten in Grünflächen, die vor dem 1. März 1991 errichtet wurden und für die bis zum 31. Dezember 1995 um die erforderlichen behördlichen Bewilligungen angesucht wird, gelten als nicht im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan stehend."

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B2310/95 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 23. Mai 1995, ZVI/1-B-13/1-1995, anhängig, mit dem den Nachbarn der Beschwerdeführer die Änderung der Verwendung einer baubehördlich bewilligten Brückenwaage unter Berufung auf ArtII der Novelle zum Bgld. RplG genehmigt wurde.

3. Aus Anlaß der zu B2310/95 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 25. September 1996 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG von Amts wegen zu prüfen.

Er ging dabei vorläufig davon aus, daß er bei seiner Kontrolle des angefochtenen Bescheides die Bestimmung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG anzuwenden hat.

Der Verfassungsgerichtshof ging weiters vorläufig davon aus, daß ArtII der Novelle zum Bgld. RplG keine, lediglich für strafbare Handlungen bundesverfassungsgesetzlich (vgl. Art93 sowie Art65 Abs2 litc B-VG) vorgesehene Amnestie oder Abolition verfügt.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG hegte er das Bedenken, daß es keinen im Sinne des Gleichheitssatzes ausreichenden sachlichen Grund dafür gibt, daß Personen, die sich rechtswidrig verhielten, indem sie nicht nur ohne die gesetzlich erforderliche Baubewilligung, sondern möglicherweise auch unter Mißachtung der rechtskräftigen Verweigerung einer Baubewilligung entgegen der flächenplanerischen, also rechtsverbindlichen Grünflächenwidmung ein Bauwerk errichteten, vom Gesetzgeber bessergestellt werden als jene Personen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung auf eine konsenslose Bauführung auf einer Grünfläche verzichteten. Es dürfte mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sein, wenn der Gesetzgeber schlechthin jeden Bau im Grünland entgegen der dieser Widmungskategorie entsprechenden Beschränkung der Bebaubarkeit und der ihr innewohnenden Absicht der Freihaltung von Bebauungen bewilligen läßt, sofern nur die - rechtswidrige - Bauführung vor dem 1. März 1991 erfolgte. In Anlehnung an seine bisherige Judikatur zu Planänderungen vertrat der Verfassungsgerichtshof ferner vorläufig die Meinung, daß es dem Gleichheitssatz widerspricht, wenn flächenwidmungswidrige Bauführungen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt stattfanden, im nachhinein schlechthin - und im Widerspruch zu jenen Flächenwidmungen - vom Gesetzgeber als konsensfähig erklärt werden.

Unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes hielt es der Verfassungsgerichtshof weiters für bedenklich, daß lediglich konsenslos errichtete oder verwendete "Bauten in Grünflächen" den Rechtsvorteil des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG genießen.

Er hegte auch das Bedenken, daß die Fristenregelung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG mit dem Gleichheitssatz im Widerspruch steht.

Schließlich hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Regelung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG dem im rechtsstaatlichen Geist auszulegenden und zu verstehenden Art18 Abs1 B-VG widerspricht.

4. Die Burgenländische Landesregierung hat in dem zu G287/96 protokollierten Verfahren eine Äußerung erstattet, in der sie den verfassungsrechtlichen Bedenken entgegentritt:

Nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung könne dem Landesgesetzgeber nicht mit Recht unter Berufung auf das Gleichheitsgebot entgegengetreten werden. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Beilage 380 zu den Stenographischen Protokollen des Burgenländischen Landtages der XVI. GP) betreffend die Novelle zum Bgld. RplG ("Allgemeines", S. 2, und "Zu Artikel II:") gehe hervor, daß die in Prüfung gezogene Regelung für erforderlich gehalten wurde, "da eine konsequente Anwendung der derzeitigen gesetzlichen Regelungen zweifellos zu Härten führen würde und in einzelnen Fällen sogar zur Existenzfrage werden könnte." "(z.B. Abbruchbescheide für Wohnhäuser)".

Zwar sei davon auszugehen, daß - im Falle des Bestehens einer entgegenstehenden Flächenwidmung zum Zeitpunkt der Bauführung - die jeweiligen Bauführer ihre Bauten in Grünflächen in Kenntnis der Rechtswidrigkeit ihres Vorhabens errichtet haben. Dies ändere aber nichts an der heute gegebenen Tatsache des (oft langjährigen) Bestehens von flächenwidmungsplanwidrigen Wohnhäusern in Grünflächen, deren zwangsweise Beseitigung bei objektiver Betrachtung zweifellos zu erheblich ins Gewicht fallenden Härten für die Betroffenen führen würde. (Die Berücksichtigung vergleichbarer allfälliger Härtesituationen liege etwa auch den Regelungen des §109 Z2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1969, LGBl. 1970/13, mit dem eine Bauordnung für das Burgenland erlassen wird (Bgld BauO), i.d.g.F., und des §20 Abs6 des Gesetzes vom 20. März 1969, LGBl. Nr. 18, über die Raumplanung im Burgenland (Burgenländisches Raumplanungsgesetz), zugrunde, wonach eine Nichtigerklärung von (u.a.) gegen §20 Abs1 Burgenländisches Raumplanungsgesetz verstoßenden Bescheiden nur innerhalb von zwei Jahren nach deren Erlassung zulässig ist.)

Der Landesgesetzgeber sei bei Erlassung der in Prüfung gezogenen Bestimmung vor der Abwägung gestanden, "ob der Berücksichtigung dieser Härten oder aber der Vermeidung einer unterschiedlichen Regelung im Hinblick auf flächenwidmungsplanwidrige Bauführungen und solche, die im Hinblick auf die bestehende Rechtslage unterlassen wurden, der Vorzug gegeben werden soll". Wenn er nach dem oben dargelegten zum Ergebnis gelangt ist, ein drohender zwangsweiser Abbruch von Bauten stelle jedenfalls einen berücksichtigungswürdigen Härtefall dar und falle stärker ins Gewicht als die Schaffung eines vergleichsweisen Rechtsnachteils für andere Grundstückseigentümer, könne vertretbarer Weise nicht gesagt werden, der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten, zumal die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit nicht unmittelbar durch die in Prüfung gezogene Bestimmung, sondern erst bei ihrem Vollzug (Antragstellung und Erteilung der entsprechenden Baubewilligung) entstünde. Nach der in Prüfung gezogenen Bestimmung würden nämlich die Bauten im Grünland nicht von sich aus bewilligt, sondern es würden lediglich die Voraussetzungen für die zu beantragenden Genehmigungen und Bewilligungen geschaffen.

Nach Ansicht der Burgenländischen Landesregierung treffe auch der Vergleich mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes über die Unzulässigkeit von Planänderungen, die lediglich der Schaffung einer Rechtsgrundlage für im Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan errichtete Gebäude dienen, nicht zu. Die Burgenländische Landesregierung verweist darauf, daß - wie oben dargelegt - durchaus sachliche Erwägungen zur Erlassung des in Prüfung gezogenen ArtII der Novelle zum Bgld. RplG geführt haben. Die im Einleitungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes im Wortlaut wiedergegebene Entscheidungsstelle vermöge mithin - da sie das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung voraussetze - nicht mit Recht als Begründung für den Verstoß des ArtII des Bgld. RplG gegen das Gleichheitsgebot herangezogen zu werden.

Auch die Beschränkung der Regelung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG auf "Bauten in Grünflächen" verstoße nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung nicht gegen das Gleichheitsgebot, da dem Landesgesetzgeber nicht mit Recht unter Berufung auf dieses entgegengetreten werden könne, wenn er bei Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelung besonders krasse Härtefälle (drohender Abbruch von Wohnhäusern) im Auge hatte. Die Nichteinbeziehung anderer - mit geringeren Konsequenzen verbundener - Konsenswidrigkeiten bei Bauten im Bauland könne somit nicht als unsachlich angesehen werden.

Die Fristenregelung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG (Stichtag 1. März 1991) beruhe durchaus auf sachlichen Erwägungen. Die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zur in Prüfung gezogenen Bestimmung führten in diesem Zusammenhang folgendes aus:

"Im Zusammenhang mit der Problematik der illegalen Errichtung von Bauten im Grünland gilt es eingangs festzuhalten, daß in vielen Fällen seitens der Gemeinden bereits vom Instrument der Delegierungsverordnung Gebrauch gemacht wurde. Dabei wurde über Antrag der Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung die Besorgung bestimmter baupolizeilicher Aufgaben (u.a. auch das Bewilligungsverfahren für Bauten im Grünland) von den Organen der Gemeinde auf die Bezirksverwaltungsbehörde übertragen.

Es ist weiters am 1.3.1991 das Burgenländische Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz in Kraft getreten, nach dem nunmehr Bauten im Grünland auch einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen.

Dieser Umstand, die Tätigkeit der Naturschutzorgane und die strenge Kontrolle durch die örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaften gewährleistet nunmehr, daß u.a. die Bestimmungen betreffend Bauten im Grünland rigoros gehandhabt werden können."

Der Landesgesetzgeber habe die Normierung des 1. März 1991 als maßgeblichen Stichtag mithin im wesentlichen auf die mit Inkrafttreten des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes, LGBl. Nr. 27/1991, (s. insbesondere dessen §5) geschaffene zusätzliche naturschutzbehördliche Überwachungsbefugnis für Bauten in Grünflächen und die damit - im Zusammenhalt mit den erwähnten Delegierungsverordnungen - im Vergleich zur Rechtslage vor diesem Zeitpunkt deutlich effektiveren Sanktionsmöglichkeiten hinsichtlich solcher Bauten gegründet. Nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung sei eine Anknüpfung an diesen Zeitpunkt mithin nicht unsachlich.

Zum vom Verfassungsgerichtshof aufgeworfenen Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip meint die Burgenländische Landesregierung, daß der im Rechtsstaatsprinzip liegende wesentliche Aspekt des Gebotes der Vorhersehrbarkeit staatlichen Handelns im Zusammenhang mit der übrigen Verfassungsrechtsordnung, insbesondere den vom zuständigen Gesetzgeber zu beachtenden grundrechtlichen Vorgaben und hier besonders dem Gleichheitsgebot, gesehen werden müsse.

Die Burgenländische Landesregierung beantragt daher, die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

II. 1. Die zu B2310/95 protokollierte Beschwerde ist gemäß Art144 B-VG zulässig. Bei der Erlassung des mit dieser Beschwerde angefochtenen Bescheides hatte die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof belangte Behörde ArtII der Novelle zum Bgld. RplG anzuwenden, sodaß auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Kontrolle des angefochtenen Bescheides diese Bestimmung anzuwenden hat und ArtII der Novelle zum Bgld. RplG im eingangs geschilderten Beschwerdefall präjudiziell ist.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das zu G287/96 protokollierte Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Vorbringen der Burgenländischen Landesregierung ist nicht geeignet, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu entkräften.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß ArtII der Novelle zum Bgld. RplG keine Amnestie oder Abolition verfügt, wie sie für strafbare Handlungen bundesverfassungsgesetzlich (vgl. Art93 sowie Art65 Abs2 litc B-VG) vorgesehen ist.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt auch bei seiner im Prüfungsbeschluß vom 25. September 1996, B2310/95-9, geäußerten und im Erkenntnis vom 29. November 1996, G189/96 ua., (zum Tiroler Freilandbautengesetz) bestätigten Auffassung, daß es dem Gleichheitssatz widerspricht, daß Personen, die sich rechtswidrig verhielten, indem sie nicht nur ohne die gesetzlich erforderliche Baubewilligung, sondern möglicherweise auch unter Mißachtung der rechtskräftigen Verweigerung einer Baubewilligung entgegen der flächenplanerischen, also rechtsverbindlichen Grünflächenwidmung ein Bauwerk errichteten, vom Gesetzgeber schlechthin und jedenfalls bessergestellt werden als jene Personen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung auf eine konsenslose Bauführung auf einer Grünfläche verzichteten. ArtII der Novelle zum Bgld. RplG ordnet aber gerade an, daß schlechthin jedes im Grünland errichtete Bauwerk entgegen der dieser Widmungskategorie entsprechenden Beschränkung der Bebaubarkeit und der ihr innewohnenden Absicht der Freihaltung von Bebauungen grundsätzlich nachträglich zu bewilligen ist, sofern nur die - rechtswidrige - Bauführung vor dem 1. März 1991 abgeschlossen war. Diese gesetzliche Regelung bewirkt, daß rechtswidrig handelnde Personen schlechthin - und zwar ohne jede weitere Voraussetzung - in den Genuß der geschilderten Rechtswohltat gelangen, während Personen, die auf Grund einer negativen Erledigung ihres seinerzeitigen Baubewilligungsverfahrens in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung von einer Bauführung Abstand nahmen oder die bereits von vornherein infolge der aus rechtlicher Sicht gegebenen Aussichtslosigkeit einer positiven Erledigung eines Baubewilligungsverfahrens darauf verzichteten, einen entsprechenden Antrag zu stellen, vergleichsweise dadurch benachteiligt werden, daß ihr als Grünfläche gewidmetes Grundstück - weiterhin - nicht bebaut werden darf. Diese Privilegierung des rechtswidrig handelnden Personenkreises widerspricht dem Gleichheitssatz.

Die Burgenländische Landesregierung versucht in ihrer Äußerung darzulegen, daß die durch ArtII der Novelle zum Bgld. RplG geschaffene Sanierungsmöglichkeit angesichts der "Tatsache des (oft langjährigen) Bestehens von flächenwidmungsplanwidrigen Wohnhäusern in Grünflächen, deren zwangsweise Beseitigung bei objektiver Betrachtung zweifellos zu erheblich ins Gewicht fallenden Härten für die Betroffenen führen würde", nicht dem Gleichheitssatz widerspreche. Die Burgenländische Landesregierung übersieht dabei, daß jedenfalls die Vorschrift des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG nicht zwischen Fällen möglicher, ausnahmehaft kraft sachlicher Rechtfertigung nachträglich zu erteilender Baubewilligungen einerseits und der krassen Ungleichbehandlung rechtstreu Handelnder im Vergleich zu flächenwidmungsplanwidrig und konsenslos bauenden Normunterworfenen andererseits unterscheidet. Bereits im Erkenntnis vom 29. November 1996, G189/96 ua. hat der Verfassungsgerichtshof angedeutet, daß es beispielsweise sachlich gerechtfertigt sein kann, daß der Gesetzgeber unter ausnahmehaft formulierten Voraussetzungen eine Bauführung auch in Grünflächen für zulässig erklärt, weil überwiegende und entsprechend konkretisierte öffentliche Interessen, etwa an der Erhaltung einmal geschaffenen Wohnraums für die Bevölkerung, das öffentliche Interesse an der Durchsetzung einer Grünflächenwidmung überwiegen, oder weil trotz der Grünflächenwidmung die Bauführung im Einzelfall mit den Zielen der örtlichen Raumordnung für vereinbar angesehen werden kann, oder weil auch eine Umwidmung des betreffenden Grundstückes sachlich zu rechtfertigen wäre. ArtII der Novelle zum Bgld. RplG beschränkt sich jedoch seinem sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich zufolge nicht auf allenfalls sachlich gerechtfertigte Ausnahmefälle, sondern stellt eine Regelung dar, die unterschiedslos alle vor dem 1. März 1991 errichteten Bauten in Grünflächen genehmigen läßt.

Die Burgenländische Landesregierung verkennt auch, daß die Gesetzesbestimmung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG selbst und unmittelbar dem Gleichheitssatz widerspricht und nicht erst deren Vollzug durch die Baubehörde, weil sie sich inhaltlich nicht auf sachlich gerechtfertigte Ausnahmefälle beschränkt und der Vollziehung keinerlei diesbezüglichen Entscheidungsspielraum überläßt.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist ferner bereits in seiner bisherigen Judikatur zu Raumordnungsplänen (speziell zu Bebauungsplänen, vgl. etwa VfSlg. 12171/1989, VfGH 2.12.1995, V146/94) davon ausgegangen, daß eine Planänderung, die lediglich deshalb vorgenommen wird, um für ein auf einem Grundstück im Widerspruch zu einem geltenden Raumplan errichtetes Bauwerk im nachhinein eine gehörige Rechtsgrundlage zu schaffen, gleichheitswidrig ist. Ausdrücklich vertrat er die Auffassung:

"Es widerspricht dem Gleichheitssatz, wenn die Änderung eines Bebauungsplanes nicht durch sachliche Erwägungen begründet, sondern ausschließlich dazu bestimmt ist, entgegen der Aufgabe eines Bebauungsplanes, Bauvorhaben in die durch öffentliche Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken, durch Anpassung des Bebauungsplanes den Bauführer zu begünstigen."

Der die geschilderte Judikatur tragende Grundgedanke läßt umsomehr eine Gleichheitsverletzung annehmen, wenn nicht einzelne Flächenwidmungen oder Bebauungsvorschriften ausschließlich zur Anpassung an bestehende rechtswidrige Bauführungen geändert werden, sondern wenn derartige flächenwidmungsplanwidrige Bauführungen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt stattfanden, im nachhinein schlechthin - und im Widerspruch zu jenen Flächenwidmungen - vom Gesetzgeber als konsensfähig erklärt werden (vgl. VfGH 29.11.1996, G189/96 ua.).

4. Selbst wenn aber von der dargestellten Gleichheitswidrigkeit des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG abgesehen wird, ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, daß lediglich konsenslos errichtete "Bauten in Grünflächen" den Rechtsvorteil des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG genießen. Daß Konsenswidrigkeiten bei Bauten im Bauland "mit geringeren Konsequenzen" verbunden sind, wie die Burgenländische Landesregierung in ihrer Äußerung andeutet, rechtfertigt wohl kaum, diese Bauten von der Rechtswohltat des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG auszuschließen, zumal konsenslos errichtete Bauten im Bauland in gleicher Weise wie konsenslos errichtete Bauten auf Grünflächen vom Abbruch bedroht sind. Es ist daher keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, daß konsenslos errichtete Bauten im Bauland im Gegensatz zu jenen im Grünland ausnahmslos von der Begünstigung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG ausgeschlossen sind, zumal die Folgen einer rechtlichen Sanierung rechtswidriger Bauführungen im Bauland (etwa bei Verletzung der Abstandsbestimmungen) möglicherweise viel geringer sind, als bei Bauten auf Grünflächen, die anderen als den im §16 Burgenländisches Raumplanungsgesetz genannten Zwecken dienen.

ArtII der Novelle zum Bgld. RplG war sohin wegen - mehrfachen - Widerspruchs zum Gleichheitssatz aufzuheben, ohne daß der Verfassungsgerichtshof auf seine sonstigen aus rechtsstaatlicher Sicht im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken gegen diese Bestimmung einzugehen hatte.

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG; die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Burgenland zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung des ArtII der Novelle zum Bgld. RplG auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art140 Abs7 B-VG. Diese Rechtswirkung der Aufhebung tritt insbesondere auch für das beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl 94/05/0317 protokollierte Beschwerdeverfahren ein, das dem Verwaltungsgerichtshof Anlaß war, die Aufhebung der nunmehr aus dem Rechtsbestand beseitigten Gesetzesvorschrift unter der Zahl A101/96 zu beantragen. Dieser Gesetzesprüfungsantrag (G396/96) konnte vom Verfassungsgerichtshof wegen des fortgeschrittenen Prozeßgeschehens formell nicht mehr in das führende Gesetzesprüfungsverfahren einbezogen werden. In Anbetracht der Ausdehnung der Anlaßfallwirkung erübrigt sich ein weiterer Abspruch des Verfassungsgerichtshofes über diesen Antrag.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Baurecht, Baubewilligung, Amnestie, Abolition, Schwarzbauten, VfGH / Anlaßverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G287.1996

Dokumentnummer

JFT_10029774_96G00287_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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