TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/25 99/07/0015

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Veröffentlicht am 25.03.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs5 Z6;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde 1. der Monika Schlögl, 2. des Josef Schlögl und 14 weiteren, sämtliche vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG, in Salzburg, Wolf Dietrich Straße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Dezember 1998, Zl. 680.078/01-I 6/97, betreffend Parteistellung in einem Verfahren gem. § 29 AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Die Beschwerdeführer haben im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung der "Bezirksmülldeponie Attnang-Puchheim" nach § 29 AWG innerhalb der gesetzlichen Ediktalfrist Einwendungen gemäß § 29 Abs. 4 AWG erhoben. Vor Erlassung des Bewilligungsbescheides durch den Landeshauptmann von Oberösterreich vom 11. August 1993 haben die Beschwerdeführer ihre Einwendungen jedoch zurückgezogen.

In der Folge (insbes. im Jahre 1995) ergaben sich jedoch für die Beschwerdeführer Verdachtsmomente, dass der Konsenswerber teilweise die Bescheidauflagen nicht einhält und damit subjektive Rechte der Beschwerdeführer verletzt werden. Um sich über den Stand des Verfahrens zur Einhaltung der Bescheidauflagen einen Überblick verschaffen zu können, haben die Beschwerdeführer durch ihren Vertreter am 3. August 1995 Akteneinsicht in den gegenständlichen Verwaltungsakt, in welchem die Bewilligung nach § 29 AWG erteilt worden ist, begehrt. Die Akteneinsicht wurde jedoch mit der Begründung verweigert, dass die Beschwerdeführer in dem abgeschlossenen Verfahren kein solches Recht beanspruchen könnten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, die Akteneinsicht sei von der Behörde erster Instanz zu Recht verweigert worden, weil dieses Recht nur Personen zustehe, denen Parteistellung zukomme, welche jedoch den Beschwerdeführern fehle. Die Zurückziehung der Einwendungen habe bewirkt, dass den einwendenden Personen im weiteren Genehmigungsverfahren nach § 29 AWG keine Parteistellung mehr zukäme und sie auch keine mit Parteistellung zu verteidigenden Rechtsschutzinteressen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Akteneinsicht verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und tragen vor, die belangte Behörde hätte rechtswidrigerweise angenommen, ihre Parteistellung wäre durch die Zurückziehung ihrer Einwendungen im Verfahren nach § 29 AWG verloren gegangen. Die Beschwerdeführer hätten ein durchaus zu verteidigendes Rechtsschutzinteresse, dass durch den Konsenswerber die Bescheidauflagen eingehalten und so keine ihnen zukommende subjektiven Rechte verletzt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 AVG hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten.

Gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht kein Rechtsmittel zulässig.

Das Recht der Akteneinsicht nach § 17 Abs. 1 AVG steht demnach nur den Parteien eines Verwaltungsverfahrens zu. Dem an einem Verwaltungsverfahren bloß Beteiligten steht ein subjektives Recht auf Akteneinsicht jedoch nicht zu (vgl. hiezu die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 388, referierte hg. Rechtsprechung). Die Verweigerung der Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verwaltungsverfahrens stellt im Hinblick auf § 17 Abs. 4 AVG eine nicht gesondert anfechtbare Verfahrensanordnung dar. Wird aber von jemandem, der nicht Partei eines anhängigen Verfahrens ist, oder von einer Person, die Partei eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war, ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, so ist, wenn ihrem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein förmlicher (verfahrensrechtlicher) Bescheid zu erlassen, der als solcher dem normativen Rechtszug unterliegt und nach Erschöpfung des Instanzenzuges durch Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0778).

Die Beschwerdeführer haben nach Abschluss des gemäß § 29 AWG abgeführten Verwaltungsverfahrens mit Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. August 1993 am 3. August 1995 Akteneinsicht in den bezughabenden Verwaltungsakt begehrt, welche ihnen von der Bewilligungsbehörde verwehrt worden ist. Zutreffend führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in diesem Zusammenhang aus, dass und warum die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführern die beantragte Akteneinsicht zu Recht verweigert hat.

Gemäß § 29 Abs. 4 AWG in der hier anzuwenden Fassung vor der Novelle BGBl I 1998/151 hat der Landeshauptmann einen Antrag auf Genehmigung gemäß Abs. 1 durch Anschlag in der Gemeinde und in einer örtlichen Zeitung öffentlich bekannt zu machen. Mit der Bekanntmachung ist eine Frist von sechs Wochen einzuräumen, innerhalb der gegen die Genehmigung der Behandlungsanlage von den Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1973) begründete Einwendungen beim Landehauptmann eingebracht werden können.

Gemäß Abs. 5 Z. 6 dieser Gesetzesstelle haben in diesem Verfahren die Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1973) Parteistellung.

Auf eine Parteistellung gemäß § 29 Abs. 5 Z. 6 AWG im mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. August 1995 abgeschlossenen Verfahren berufen sich die Beschwerdeführer im Beschwerdefall. Sie wird nur durch Erhebung von qualifizierten Einwendungen erlangt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 97/07/0051). Die Zurückziehung einmal erhobener Einwendungen ist zulässig (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1984, Zl. 05/1222/80, und vom 25. November 1997, Zl. 96/04/0238) und hat in einem Verfahren nach § 29 AWG zur Folge, dass die erlangte Parteistellung verloren geht (vgl. hiezu bezüglich der insoweit vergleichbaren Regelung der Gewerbeordnung 1994 Grabler-Stolzlechner-Wendl, Kommentar zur GewO, Randzahl 28 zu § 356, Seite 890). Durch die eindeutige Erklärung, die eine Parteistellung begründenden Einwendungen zurückzuziehen, gibt der Nachbar zu erkennen, dem vom Antrag umfassten und bekannt gemachten Vorhaben (Projekt) zuzustimmen. Seine Rechtsstellung ist durch die Zurückziehung der Einwendungen dem Nachbarn vergleichbar, der die Erhebung von Einwendungen unterlassen hat (siehe hiezu auch die mit der AVG-Novelle 1998 im § 42 Abs. 1 AVG getroffene und in ihren die Rechtsstellung des Nachbarn nach § 29 Abs. 5 Z. 6 AWG betreffenden Auswirkungen übereinstimmende Regelung zur Präklusion einer Partei). Fällt aber mit der Zurückziehung der Einwendungen die Parteistellung im Verfahren weg, fehlt einem solchen Nachbarn im Verfahren nach § 29 AWG auch das durchsetzbare Recht auf Akteneinsicht nach § 17 Abs. 1 AVG.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. März 1999

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999070015.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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