TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/12 97/21/0902

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Veröffentlicht am 12.04.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des EK in Bischofshofen, geboren am 18. Juli 1975, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in 5541 Altenmarkt 155, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 16. September 1997, Zl. Fr-5629/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 16. September 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sie zunächst die Sachverhaltsfeststellung und die zutreffende rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides übernehme; dessen Begründung werde vollständig zum Inhalt des Berufungsbescheides erhoben. (Im erstinstanzlichen Bescheid war insbesondere festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer im Oktober oder November 1993 aus Deutschland kommend nach Österreich eingereist und seither ununterbrochen bei seinen Eltern aufhältig sei; er besitze weder einen Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung, ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau vom 4. Oktober 1994 rechtskräftig abgewiesen worden; lt. "Feststellung" des Bundesministeriums für Inneres komme dem Beschwerdeführer auch ein Aufenthaltsrecht gemäß der Verordnung aufgrund des § 12 AufG, BGBl. Nr. 299/1996, nicht zu. Rechtlich hatte die erstinstanzliche Behörde daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 1 FrG gegeben sei; wohl bewirke die Ausweisung im Hinblick auf das Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seinen Eltern und Geschwistern einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben, die Abwägung nach § 19 FrG könne jedoch nicht zu seinen Gunsten ausfallen.)

Der Beschwerdeführer halte sich - so die belangte Behörde weiter - seit seiner illegalen Einreise im Oktober oder November 1993 (und somit insgesamt dreieinhalb Jahre) unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf. Bei einem solchen Sachverhalt bewirke die Ausweisung keinen im Sinn des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privatleben. Selbst wenn man jedoch wie die erstinstanzliche Behörde von einem relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgehe, sei die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten und damit gemäß § 19 FrG zulässig. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers erweise sich als eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens von beachtlichem Ausmaß. Zusätzlich sei zu beachten, dass ihm aus dem Grund des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden dürfe.

Dass die Ausweisung im öffentlichen Interesse dringend geboten sei, werde auch dadurch bekräftigt, dass der Beschwerdeführer bereits wegen illegaler Beschäftigung angezeigt worden sei, weil er im Mai 1997 ohne Arbeitsbewilligung Hilfsarbeiten ausgeführt habe. Es sei zu befürchten, dass er weiterhin illegal einer Beschäftigung nachgehen werde. Das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Schwarzarbeit sei ebenfalls geeignet, die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (zur Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes) als dringend geboten und damit als zulässig zu erachten. Eine Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung würde zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer unter Umgehung der für den rechtmäßigen Aufenthalt getroffenen Regelungen den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen könnte, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die - schon im Berufungsverfahren nicht mehr strittige - Ansicht der belangten Behörde, sein inländischer Aufenthalt sei unrechtmäßig. Auf dem Boden der unbestrittenen erstinstanzlichen Feststellungen (die die belangte Behörde, wie noch zu zeigen sein wird, übernehmen durfte, ohne ihren Bescheid damit mit Rechtswidrigkeit zu belasten ), dass er keinen Sichtvermerk besitze und dass sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid vom 4. Oktober 1994 rechtskräftig abgewiesen worden sei, hegt auch der Verwaltungsgerichtshof gegen diese Auffassung keine Bedenken, zumal dem aus Deutschland kommenden und im Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich bereits 18-jährigen (und damit nach bosnischem Recht volljährigen) Beschwerdeführer nach der Aktenlage auch niemals ein Aufenthaltsrecht nach den auf Basis des § 12 AufG erlassenen Verordnungen zugekommen ist. Im Hinblick auf das zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina bis zum 15. April 1995 pragmatisch weiter angewendete österreichisch-jugoslawische Sichtvermerksabkommen, BGBl. Nr. 365/1965 i.d.F. BGBl. Nr. 117/1983, welches unter näher genannten Voraussetzungen die sichtvermerksfreie Einreise und für drei Monate einen sichtvermerksfreien Aufenthalt bosnischer Staatsbürger in Österreich ermöglichte, kann allerdings ohne nähere Prüfung der im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, er sei mit seinem Reisepass über eine Grenzkontrollstelle ins Bundesgebiet eingereist, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, sein inländischer Aufenthalt sei schon seit seiner Einreise unrechtmäßig.

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid indes aus dem Grund des § 19 FrG. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde treffe es nicht zu, dass bei einem von Anfang an unrechtmäßigen Aufenthalt die Ausweisung keinen im Sinn des § 19 relevanten Eingriff in das Privatleben darstellen würde. Es habe daher sehr wohl eine Interessenabwägung im Sinn dieser Bestimmung zu erfolgen, wobei die gesetzmäßige Ermessensübung dazu führen müsse, dass bei nur geringfügiger Störung der öffentlichen Ordnung - wie im vorliegenden Fall - die Ausweisung nicht auszusprechen sei. Dass die belangte Behörde Ermessen geübt habe, sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen; insbesondere sei nicht erkennbar, weshalb sie das Erfordernis der "dringend gebotenen" Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als gegeben erachtet habe; ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet allein erfülle diese Voraussetzungen jedenfalls nicht, sie seien nur dann gegeben, wenn die die Einreise und den Aufenthalt in Österreich regelnden Bestimmungen offen und bewusst missachtet werden. Ein derartiges Verhalten habe der Beschwerdeführer nicht gesetzt, er habe sich vielmehr im Zeitpunkt seiner Einreise in einer allgemein verständlichen psychischen Ausnahmesituation (bedingt durch die Kriegsereignisse in seinem Heimatland) befunden, wobei es nahe liegend gewesen sei, dass er im Zuge der Flucht versucht habe, den Anschluss an seine zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich integrierte Familie zu finden. Davon ausgehend und im Hinblick darauf, dass sich seine gesamte Familie rechtmäßig in Österreich aufhalte, hier integriert sei und auf Grund der zu erwartenden Repressalien seitens der serbischen Besetzer nicht nach Bosnien zurückkehren könne, sei seine Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele keineswegs dringend geboten.

An diesen Ausführungen ist richtig, dass die Ausweisung im Hinblick auf den im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides knapp vierjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers einen Eingriff in sein Privatleben - und wegen des festgestellten Zusammenlebens mit seinen Eltern auch einen solchen in sein Familienleben - darstellt. Der Beschwerde ist weiters darin zu folgen, dass in Anbetracht dieses Eingriffs eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, bei der das nach § 19 FrG geschützte Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines inländischen Aufenthaltes gegenüberzustellen ist. Verfehlt ist allerdings die Annahme, dass bei dieser Interessenabwägung Ermessen zu üben wäre; bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 i.V.m.

§ 19 FrG ist für eine Ermessensübung - anders als bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 leg. cit. - kein Platz (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1997, Zl. 96/18/0583, m.w.N.). Soweit der Beschwerdeführer das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0349, VwSlg. 13.913/A, ins Treffen führt, übersieht er, dass dieses Erkenntnis eine Ausweisung nach § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG zum Gegenstand hatte. Von daher gehen aber auch die in der Folge unter Berufung auf dieses Erkenntnis vorgetragenen Argumente, der Beschwerdeführer habe die die Einreise ins Bundesgebiet regelnden Vorschriften nicht "offen und bewusst" missachtet, sondern sich bei seiner Einreise in einer allgemein verständlichen psychischen Ausnahmesituation befunden, ins Leere.

Die gebotene Interessenabwägung nach § 19 FrG hat die belangte Behörde ungeachtet dessen, dass sie einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verneinte, entgegen den Beschwerdeausführungen ohnehin - eventualiter - vorgenommen. Wenn sie hiebei zu dem Ergebnis gelangte, dass dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers gegenüber seinen privaten Interessen der Vorrang einzuräumen sei, so stößt diese Ansicht auf keinen Einwand. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften kommt nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0221, m.w.N.). Gegen diese Vorschriften hat der Beschwerdeführer durch seinen weitgehend unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verstoßen, wobei die belangte Behörde richtig miteinbezog, dass der Beschwerdeführer einerseits seinen Aufenthalt in Österreich nicht vom Inland aus legalisieren kann und andererseits - unbestritten - einer illegalen Beschäftigung nachgegangen ist. Sein inländischer Aufenthalt stellt damit eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar, sodass seine persönlichen Interessen zurückzustehen haben, zumal die Bindungen zu den nach den Beschwerdebehauptungen rechtmäßig im Inland aufhältigen Familienmitgliedern in ihrer Bedeutung dadurch relativiert werden, dass der Beschwerdeführer erwachsen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0284).

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides die Begründungspflicht verletzt habe; sie sei nicht berechtigt gewesen, lediglich auf Sachverhaltsfeststellungen und die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zu verweisen.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde - in Auseinandersetzung mit den Berufungsausführungen - sehr wohl auch eigenständige Überlegungen im Lichte des § 19 FrG angestellt hat. Im Übrigen war es ihr auch vor dem Hintergrund des die Begründungspflicht von Berufungsbescheiden normierenden § 67 AVG nicht verwehrt, Sachverhaltsfeststellungen und rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides zu übernehmen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 67 AVG unter E 2a. nachgewiesene hg. Rechtsprechung). Der behauptete Verfahrensfehler liegt daher nicht vor. Auch unter diesem Aspekt kann der Beschwerde mithin kein Erfolg beschieden sein, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997210902.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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