TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/11 W166 2012369-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §3

Spruch

W166 2012369-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, vom 06.09.2016, XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer brachte am 12.04.2013 einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Ersatzes des Verdienstentganges beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), ein.

Der Beschwerdeführer gab an, in der Zeit ab 1972 Missbrauch im Kinderdorf XXXX erlebt zu haben. Mit dem Antrag legte er ein Schreiben der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich vom 08.04.2013 vor, wonach dem Beschwerdeführer als anerkanntes Opfer von der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft finanzielle Hilfe im Ausmaß von € 15.000,00 und eine Therapie im Ausmaß von 100 Stunden gewährt worden seien.

Mit Schreiben vom 06.05.2013 ersuchte die belangte Behörde die Stiftung Opferschutz um Übermittlung diverser Unterlagen (Einvernahmen, Sachverständigengutachten, Clearingberichte, Aufzeichnungen über Gespräche mit dem Opfer usw.) den Beschwerdeführer betreffend. Die Stiftung Opferschutz teilte der belangten Behörde im Schreiben vom 28.05.2013 mit, keine Unterlagen (Clearingberichte, Aufzeichnungen über Gespräche usw.) vorliegend zu haben, und sie hätten daher das Ersuchen um Übermittlung von Unterlagen an die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft weitergeleitet.

Am 29.05.2015 legte die Opferschutzanwaltschaft einen Clearingbericht vom 10.04.2012 vor, dem unter anderem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer nach seiner Geburt bei seinen Großeltern mütterlicherseits, und ab dem ersten Lebensjahr auf Antrag seiner Mutter bei Pflegeeltern untergebracht gewesen sei. Die Mutter sei mit der Erziehung mehrerer Kinder überfordert gewesen. Im Alter von sechs Jahren sei der Beschwerdeführer wegen Verwahrlosung in der Pflegefamilie und Lernschwäche in das Kinderheim XXXX und ab dem siebenten Lebensjahr in das Kinderdorf XXXX gekommen. In XXXX sei der Beschwerdeführer bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr untergebracht gewesen. Seine Kinderdorfgruppe habe aus sieben Kindern - zwei davon schwer behindert - bestanden. Die beiden behinderten Kinder hätten laufend betreut werden müssen, und habe auch der Beschwerdeführer die Kinder betreuen müssen, nämlich wickeln, an- und ausziehen, beim Gehen stützen, Essen geben usw. Heute sehe der Beschwerdeführer das als Pflegehilfearbeit über eine Zeitspanne von fünf Jahren. Auch ein weiteres Kind der Gruppe habe Pflegehilfe übernommen. Als Erzieherin sei damals Schwester XXXX zuständig gewesen, die jedoch mit der Gruppe und den behinderten Buben total überfordert gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe auch "Watschen und Fotzen" bekommen sowie auch mehrmals Erbrochenes wieder aufessen müssen. Er wolle für die erbrachten Pflegedienstleistungen eine finanzielle Entschädigung, wolle aber niemandem in XXXX einen Vorwurf machen, weil die Dinge eben einfach so gewesen seien. Sein Hauptvorwurf gelte der Jugendwohlfahrt, die ihn und seinen Halbbruder von 1965 bis 1971 bei einer Pflegefamilie untergebracht habe, wo er verwahrlost aufgewachsen sei. Im Rahmen eines Aufenthaltes in XXXX (13.12.2012 bis 06.03.2013) habe der Beschwerdeführer erstmals über mögliche Übergriffe in der Pflegefamilie gesprochen, habe aber keinerlei Angaben machen können was oder durch wen etwas geschehen sei. Auch ein sexueller Missbrauch durch die Pflegeeltern werde vom Beschwerdeführer vermutet. Nach dem Aufenthalt in XXXX sei der Beschwerdeführer wieder in eine Pflegefamilie gekommen, dort sei es ihm gut gegangen und er habe erfolgreich eine Tischlerlehre absolviert (Lehrende 1983). Der Beschwerdeführer habe sehr gerne als Tischler gearbeitet (bis etwa 2004) und würde das auch immer noch mit Freude tun, sei aber auf Grund seiner psychischen Situation nicht mehr dazu in der Lage und in Invaliditätspension.

Die belangte Behörde ersuchte das Kinderdorf XXXX mit Schreiben vom 06.05.2013 um Übermittlung einer Aufenthaltsbestätigung betreffend den Beschwerdeführer.

Die Geschäftsführung der Caritas XXXX teilte mit Schreiben vom 16.05.2013 mit, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 07.09.1973 bis 04.07.1980 in XXXX untergebracht gewesen sei.

Seitens der belangten Behörde wurde vom Psychosomatischen Zentrum Klinik XXXX die Krankengeschichte des Beschwerdeführers eingeholt. Im Entlassungsbericht wurden eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Kombinierte Persönlichkeitsstörung angegeben und unter anderem angeführt, dass die gesamte psychosoziale Entwicklung des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund früher multipler traumatisierender Ereignisse inklusive sexueller Gewalterfahrungen zu verstehen sei.

Auf Anfrage der belangten Behörde wurden von der Pensionsversicherungsanstalt eine Aufstellung über die Höhe der Invaliditätspension und ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt.

In diesen Sachverständigengutachten wurden eine rezidivierende/chronifizierte depressive Störung sowie eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und festgestellt, dass der Beschwerdeführer dauernd invalid sei.

Die belangte Behörde holte einen Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung vom 24.10.2013 ein. Laut den vorliegenden Unterlagen bezieht der Beschwerdeführer seit 01.12.2005 eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw. ist der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2009 in dauernder Invaliditätspension.

Vom Beschwerdeführer wurde ein Entlassungsbericht über einen stationären Aufenthalt in der Zeit vom 13.12.2012 bis 06.03.2013 im Psychosomatischen Zentrum der Klinik XXXX übermittelt.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, holte unter Vorlage der ärztlichen Gutachten und des Clearingberichtes sowie des Hinweises, dass mit Wahrscheinlichkeit der Sachverhalt des § 92 StGB als Verbrechen im Sinne des Verbrechensopfergesetzes anzunehmen sei, nervenfachärztliche Gutachten vom 05.02.2014 sowie vom 08.07.2014 ein, und brachte die Ermittlungsergebnisse dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis.

Mit Stellungnahmen vom 01.04.2014 und vom 05.09.2014 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass von der Klasnic-Kommission die massiven psychischen und physischen Schäden anerkannt worden seien, und ihm eine Therapie im Ausmaß von 100 Stunden zugesprochen worden sei. Der Beschwerdeführer leide immer noch jede Nacht an Ängsten, lutsche am Daumen und könne sich nicht an die "sexuellen Sachen" erinnern, aber "es sei etwas da". Es sei nicht üblich gewesen, zwei schwerst behinderte Kinder in einer Kinderdorffamilie zu haben. Die fünfzehn Jahre seien zu viel für ihn gewesen und hätten ein hochgradiges Trauma sowie Selbstverletzungen ausgelöst. Die fachärztliche Sachverständige habe ihn nicht zum Aufenthalt in XXXX befragt bzw. seinen Versuch darüber zu erzählen "abgewürgt". Aber der Beschwerdeführer frage sich, warum er nach Ansicht des Sachverständigen die Therapiestunden und die Entschuldigung bekommen habe. Die Selbstverletzungen hätten ihn von seinen seelischen Schmerzen abgelenkt und er habe auch einen Waschzwang gehabt. Außerdem sei er geschlagen worden und habe Erbrochenes aufessen müssen. Der Beschwerdeführer habe als Kind nicht weglaufen können, denn das hätte ihm das Leben noch schwerer gemacht, jede Verweigerung hätte zu einer Strafe geführt, und man habe ihm mit der Abschiebung ins Heim gedroht. Jeder frühere Lebensabschnitt habe zu seinem Krankheitsbild und seiner Arbeitsunfähigkeit beigetragen. Außerdem habe alles nicht erst mit sieben Jahren, sondern schon bei seinen ersten Zieheltern angefangen. Zu den "sexuellen Sachen" könne er sich nicht richtig ausdrücken aber "es sei da etwas". Der Beschwerdeführer habe auch schon mit Therapeuten über diese Sachen gesprochen. Auch bei dem fachärztlichen Sachverständigen der belangten Behörde habe er die sexuellen Dinge angesprochen, er sei dabei aber leider sehr angespannt gewesen. Den vermutlichen sexuellen Missbrauch durch die Pflegeeltern habe der Beschwerdeführer bereits früher bei einer Psychologin der Kinder- und Jugendanwaltschaft angesprochen, die ihm ein Blatt Papier für eine diesbezügliche Anzeige an die Staatsanwaltschaft gegeben habe. Da der Beschwerdeführer der Anzeige hinzugefügt habe, dass die Pflegeeltern leider schon verstorben seien, habe die Psychologin das Blatt zerrissen und gemeint, dass dies dann keinen Sinn habe. Der Beschwerdeführer habe von der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft des Landes Oberösterreich eine Entschädigung bekommen, dies sei aktenkundig.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.09.2014 wurde der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3, sowie § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) abgewiesen.

In diesem Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz am 12.04.2013 gestellt worden sei, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen daher ab 01.05.2013 zu prüfen gewesen seien.

Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in XXXX als Kind Pflegehilfe für zwei schwerst behinderte Kinderdorfgeschwister habe leisten müssen, wofür er nunmehr eine Entschädigung wolle.

Außerdem habe der Beschwerdeführer "Watschen/Fotzen" bekommen sowie Erbrochenes essen müssen, und er führe seine psychischen Gesundheitsschädigungen auf die Kindheitserlebnisse in XXXX zurück. Überdies sei er in der Pflegefamilie vernachlässigt worden und auch sexueller Missbrauch durch die Pflegeeltern sei möglich, wobei der Beschwerdeführer von "sexuell nicht definierbaren Sachen" die vorhanden seien, aber an die er sich nicht erinnern könne gesprochen habe.

Die belangte Behörde führte beweiswürdigend aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer im Kinderdorf XXXX auf Grund der Überlastung einer Erzieherin Pflegehilfsarbeiten für zwei schwerst behinderte Kinderdorfgeschwister habe übernehmen müssen. Es gäbe jedoch keine Hinweise dafür, dass eine strafbare Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG angenommen werden könne. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände hinsichtlich des Aufenthaltes in XXXX im Zeitraum von 1972 bis 1980 seien bereits berücksichtigt worden und seien daher nicht geeignet gewesen eine anderslautende Entscheidung zu erlassen.

Betreffend die vorgebrachte Vermutung hinsichtlich eines sexuellen Missbrauchs bei der Pflegefamilie im Alter von zwei Monaten bis zum sechsten Lebensjahr hätten keine geeigneten Beweismittel erhoben werden können, aus welchen mit Wahrscheinlichkeit eine rechtswidrige und vorsätzliche Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG abgeleitet werden könne.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Behauptungen alleine seien nicht geeignet die geforderte Wahrscheinlichkeit der Straftaten zu erfüllen. Nähere Angaben zum behaupteten und vermuteten sexuellen Missbrauch würden fehlen. Die Pflegeeltern habe man dazu nicht einvernehmen können, da diese bereits verstorben seien.

Aus den dargelegten Gründen seien die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ersatzes des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz nicht erfüllt und es sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vom Beschwerdeführer Beschwerde erhoben. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass seitens der belangten Behörde nicht ausreichend recherchiert worden sei, beispielsweise seien keine Unterlagen vom Jugendamt eingeholt worden. Außerdem sei er bei der persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen sehr angespannt gewesen und das Reden sei ihm schwergefallen. Über die sexuellen Dinge spreche der Beschwerdeführer mit seiner Therapeutin und er habe in XXXX Kinderarbeit verrichten müssen.

Mit Beschluss vom 10.12.2015, Zl. W166 2012369-1/4E hat das Bundesverwaltungsgericht in Erledigung der Beschwerde den Bescheid vom 15.09.2014 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Im Wesentlichen wurde im Beschluss ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass die belangte Behörde einerseits im Verfahren mehrmals feststellte, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz erfüllt seien, da mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1972 bis 1980 durch rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten habe und auf dieser Grundlage medizinische Gutachten einholte, andererseits im Bescheid feststellte, dass der Beschwerdeführer im Kinderdorf zwar Pflegehilfsarbeiten für zwei schwerst behinderte Kinder habe übernehmen müssen, es jedoch keinerlei Hinweise darauf gebe, dass eine strafbare Handlung im Sinne des Verbrechensopfergesetzes angenommen werden könne. Überdies sei der Beschwerdeführer selbst nie zu seinem Vorbringen befragt worden.

Im fortgesetzten Verfahren tätigte die belangte Behörde umfassende Ermittlungen betreffend den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Kinderdorf, und holte Stellungnahmen der Psychotherapeuten des Beschwerdeführers und von Schwester XXXX - die den Beschwerdeführer in ihrer Familiengruppe im Kinderdorf betreute - ein. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde am 22.06.2016 und am 22.08.2016 niederschriftlich einvernommen.

Der Beschwerdeführer reichte ergänzende Stellungnahmen nach um wiederholt seine Situation darzulegen, und ersuchte die belangte Behörde um Überprüfung wie viele Betreuungspersonen zur Zeit seiner Unterbringung in der Kinderdorfgruppe zuständig gewesen seien. Eine diesbezügliche Nachfrage durch die belangte Behörde betreffend die Abklärung der Betreuungsschlüssel ergab, dass es über die Gruppenzusammensetzungen von damals keine Aufzeichnungen gäbe, und ein Vergleich mit dem Betreuungsschlüssel von heute nicht möglich sei, da Kinderdorffamilien wie es sie damals gegeben habe, heute nicht mehr üblich seien. Nunmehr erfolge die Betreuung vorwiegend in Kindergärten bzw. Wohngruppen.

Der Beschwerdeführer legte den Bescheid über die Unterbringung im Kinderdorf vom 17.10.1973 und eine Mitteilung über Überprüfungsergebnisse betreffend die Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit vom 07.05.1971 in Kopie vor.

Seitens der Bezirkshauptmannschaf (BH) XXXX wurde der Mündelakt in Kopie vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 06.09.2016 wurde der Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe niederschriftlich einvernommen angegeben, Opfer mehrerer Straftaten geworden zu sein, diese hätten in der Verwahrlosung in der Pflegefamilie, dem Versäumnis der Jugendwohlfahrt Überprüfungen durchzuführen, dem Beschwerdeführer nicht zumutbaren Betreuungstätigkeiten im Kinderdorf sowie Schlägen durch eine Erzieherin bestanden. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen keine geeigneten Beweismittel erhoben hätten werden können, aus denen mit Wahrscheinlichkeit eine rechtswidrige und vorsätzliche Handlung im Sinne des § 1 VOG abgeleitet werden könne. Die Pflegeeltern seien verstorben und hätten nicht mehr einvernommen werden können, die Unterlagen aus dem Mündelakt seien auch nicht geeignet gewesen um auf eine Straftat zu schließen, und die eingeholte Stellungnahme von Schwester XXXX habe keinen Hinweis auf eine vorsätzliche rechtswidrige Handlung gebracht.

In der gegen den angefochtenen Bescheid vom 06.09.2016 erhobenen Beschwerde hat der Beschwerdeführer erneut seine Situation, seinen Lebensweg und die Gründe für seinen Antrag auf Hilfeleistungen dargelegt. Überdies hat der Beschwerdeführer festgestellt, von der belangten Behörde sei ihm die Akteneinsicht verwehrt worden.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 31.10.2016 von der belangten Behörde vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.01.2019, nachweislich vom Beschwerdeführer am 22.02.2019 übernommen, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert - sollte er mit dem Vorbringen in der Beschwerde Akteneinsicht verlangen - sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens mit dem ho. Gericht zwecks Terminvereinbarung zur Akteneinsicht in Verbindung zu setzen. Weiters wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, dass vom Beschwerdeführer keine Akteneinsicht verlangt werde, sollte binnen dieser Frist keine entsprechende Mitteilung einlangen.

Am 25.02.2019 fragte der Beschwerdeführer telefonisch nach, ob in dem Verwaltungsakt auch der Mündelakt einliege, da er lediglich in den Mündelakt Einsicht nehmen wolle. Nachdem dem Beschwerdeführer am 26.02.2019 telefonisch mitgeteilt wurde, aus welchen Teilen der vorliegende Mündelakt besteht, gab er an, diesen aus seiner Sicht unvollständigen Teil des Mündelaktes schon zu kennen, der gesamte Mündelakt liege bei der Jugendwohlfahrt der BH XXXX auf. Einen Termin zur Akteneinsicht beim ho. Gericht wollte der Beschwerdeführer nicht vereinbaren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, und stellte am 12.04.2013 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde).

Der Antrag basiert nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers auf Verwahrlosung in der Pflegefamilie mit eventuellem sexuellem Missbrauch, der Heranziehung zu unzumutbaren Pflegetätigkeiten, "Zwangsarbeit" bzw. sklavereiähnlichen Leistungen im Kinderdorf, und auf dem Umstand, dass er manchmal Ohrfeigen bekommen habe bzw. Erbrochenes essen habe müssen.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 1965 bis 1971 bei der Pflegefamilie XXXX untergebracht.

Der Beschwerdeführer hat an die Zeit der Unterbringung bei der Pflegefamilie keine konkreten Erinnerungen. Die Pflegeeltern sind bereits verstorben.

In der Zeit vom 07.09.1973 bis 04.07.1980 war der Beschwerdeführer im Kinderdorf XXXX mit mehreren "Kinderdorfgeschwistern" - darunter zwei Buben mit Behinderung - untergebracht. Der Beschwerdeführer bzw. die Familiengruppe wurde von Ordensschwestern betreut. In der Zeit von 1978 bis 1980 war der Beschwerdeführer in der Familiengruppe untergebracht, die von Schwester XXXX geleitet wurde.

Der Beschwerdeführer war in seiner Familiengruppe angehalten mitzuhelfen und altersübliche Hilfsdienste zu übernehmen, und hat auch bei der Betreuung der jüngeren Kinder - auch der Kinder mit Behinderung - geholfen.

Über das übliche Maß hinausgehende - den Beschwerdeführer überfordernde - Tätigkeiten der Mithilfe in der Familiengruppe bzw. die Verpflichtung des Beschwerdeführers regelmäßige Pflegehilfsdienste entsprechend einem Pflegepersonal für zwei behinderte Kinder zu übernehmen, konnten nicht objektiviert werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer psychischer oder physischer Gewalt in der Pflegefamilie bzw. im Kinderdorf XXXX ausgesetzt war.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt samt den eingeholten Unterlagen, dem von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft übermittelten archivierten Teilen des Mündelaktes, den Einvernahmen des Beschwerdeführers und den Einvernahmen von Schwester XXXX .

In der Einvernahme am 22.06.2016 vor der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer vorgebracht, die Vorfälle bei der Familie XXXX hätten eine große Rolle in seiner Laufbahn gespielt und "es gäbe da etwas was er nicht beschreiben könne". Bis zu seinem fünften Lebensjahr habe er aber keine konkrete Erinnerung.

In einer weiteren Einvernahme vom 22.08.2016 hat der Beschwerdeführer vorgebracht, als Straftat werde die Verwahrlosung bei der Familie XXXX angesehen. Auch sein Bruder sei bei der Pflegefamilie untergebracht gewesen, und habe die Hauptschule besuchen dürfen, der Beschwerdeführer selbst habe in die Sonderschule gehen müssen. Es sei dem Beschwerdeführer nicht klar, aus welchem Grund von zwei Kindern einer in die Hauptschule habe gehen dürfen und er selbst nicht, sein Bruder sei nicht verwahrlost gewesen, er selbst habe mit fünf Jahren nicht gehen, sondern nur krabbeln und auch nicht ordentlich sprechen können. Daher sei er von der Pflegefamilie weggekommen.

Der Stellungnahme einer den Beschwerdeführer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie vom 14.03.2016, welche von der belangten Behörde eingeholt wurde, ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer unter einer langjährigen depressiven Symptomatik leide, die auch zu seiner Invaliditätspension geführt habe. In der fachärztlichen Stellungnahme wird weiters festgehalten, dass der Beschwerdeführer über emotionale Verwahrlosung durch seine Pflegeeltern berichtet habe, über Ereignisse in der Pflegefamilie aber nur sehr vage Angaben habe machen können. Der Beschwerdeführer habe über körperliche und sexuelle Gewalt berichtet, Details seien aber nicht bekannt.

In einer weiteren von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme einer den Beschwerdeführer behandelnden Psychotherapeutin vom 15.03.2016 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer an seine Zeit bei der Pflegefamilie XXXX bis zum fünften Lebensjahr keine konkreten Erinnerungen habe, auch nicht an Misshandlungen. Der Beschwerdeführer habe aber wiederholt von einem Traum in der er sich als kleiner Bub erlebe und ihm sein Penis sehr weh tue (laut der Psychotherapeutin stamme daraus der Gedanke an sexuellen Missbrauch in früher Kindheit). Bei einer Kontrolle des Jugendamtes als er ungefähr fünf Jahre alt gewesen sei, sei aufgefallen, dass er noch nicht ordentlich sprechen habe können und dann sei er von der Pflegefamilie weggekommen.

Anlässlich zweier persönlicher Untersuchungen des Beschwerdeführers bei Fachärzten für Psychiatrie - welche von der belangten Behörde in die Wege geleitet wurden - gab der Beschwerdeführer am 03.02.2014 zu seinen Pflegeeltern lediglich an, er sei mit einem Jahr zur Familie gekommen und es habe sich eine verzögerte Entwicklung gezeigt, daher sei er mit fünf Jahren ins Kinderheim gekommen. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 08.07.2014 gab der Beschwerdeführer an, wegen Verwahrlosung in seiner Pflegefamilie sei er im Jahr 1971 ins Kinderheim gekommen. Laut dem untersuchenden Facharzt habe er vage angedeutet, dass es dort eventuell zu einem sexuellen Missbrauch gekommen sei, Genaues habe er aber nicht angeben können.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu einem eventuellen Missbrauch bestehen lediglich aus sehr vagen Andeutungen wie "es gäbe da etwas, was er nicht beschreiben könne", oder "es sei eventuell zu einem sexuellen Missbrauch gekommen." Dies lässt sich auch durchaus in Einklang bringen mit dem vom Beschwerdeführer immer wieder im Verfahren geäußerten Umstand, dass er sich vor dem fünften Lebensjahr an nichts Konkretes erinnern könne. Anlässlich der persönlichen Untersuchung am 03.02.2014 hat der Beschwerdeführer überdies angegeben, sich an keine Misshandlungen in der Pflegefamilie erinnern zu können. Wie bereits ausgeführt, wurde von der behandelnden Psychotherapeutin des Beschwerdeführers berichtet, der Beschwerdeführer habe von einem Traum berichtet, wonach ihm als kleiner Bub der Penis sehr weh tue, und stamme daraus der Gedanke an sexuellen Missbrauch in früher Kindheit. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer auch anlässlich seiner Einvernahmen vor der belangten Behörde einen eventuellen sexuellen Missbrauch nicht erwähnt sondern lediglich vorgebracht hat, "es gäbe da etwas, was er nicht beschreiben könne".

Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers er sei wegen Verwahrlosung von der Pflegefamilie ins Kinderheim XXXX und dann ins Kinderdorf XXXX gekommen, weil er mit fünf Jahren nur krabbeln und nicht ordentlich sprechen habe können, und habe - im Gegensatz zu seinem Bruder, der bei der Pflegefamilie nicht verwahrlost aufgewachsen sei und in die Hauptschule habe gehen dürfen - in die Sonderschule gehen müssen, ist festzuhalten, dass einem im Verwaltungsakt aufliegenden Schreiben der XXXX für sprachgestörte und schwerhörige Kinder im Kinderdorf XXXX vom 07.05.1971 zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer am selben Tag dem zuständigen Direktor vorgestellt, und eine Sonderschulbedürftigkeit wegen Lernschwäche und Sprachstörung festgestellt wurde.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine Angaben machen konnte die darauf schließen lassen, dass der Beschwerdeführer während des Aufenthaltes bei der Pflegefamilie XXXX eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung durch eine mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung in Form von Verwahrlosung oder sexuellem Missbrauch erlitten hat.

In einem Schreiben der Caritas an die Stiftung Opferschutz vom 12.09.2012 wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Lern- und Sprachbehinderung bei Schwerhörigkeit sowie einer geistigen Beeinträchtigung mittleren Grades in XXXX aufgenommen worden sei. Der Austrittsbericht beschrieb ihn als guten Sonderschüler, der fachärztliche Kontrollen sowie heilpädagogische Betreuung in der Schule und der Kinderdorffamilie erhalten habe. Laut Berufsberatung sei eine einfache Lehre für ihn vertretbar.

Selbst unter der hypothetischen Annahme, die angeführte Lern- und Sprachbehinderung bzw. die geistige Beeinträchtigung mittleren Grades ließen sich auf mangelnde Förderung oder Unterstützung in der Pflegefamilie zurückführen, ließe sich daraus nicht unmittelbar eine strafbare Handlung ableiten.

Auch konnten zum Aufenthalt des Beschwerdeführers bei der Pflegefamilie XXXX - nach umfangreichen Recherchen bei den zuständigen Behörden - keine Unterlagen ausfindig gemacht werden bzw. Hinweise auf erfolgte strafbare Handlungen gefunden werden. In einem Schreiben vom 22.09.2011 teilte die BH XXXX mit, dass zwar im Mündelbuch aus dem Jahr 1965 ein Eintrag mit dem Namen des Beschwerdeführers gefunden worden sei, der diesbezügliche Akt aber an die BH XXXX delegiert worden sei und die Aktenteile entsprechend der damaligen Skartierungsverordnung wohl vernichtet worden seien.

In weiterer Folge wurde von der BH XXXX der belangten Behörde mit Schreiben vom 02.09.2016 ein Mündelakt übermittelt, in dem eine Aufnahmeschrift für uneheliche Kinder, eine Heimatrechtsbescheinigung, eine Niederschrift betreffend die Einvernahme über Unterhaltsleistungen, eine Geburtsurkunde, ein Staatsbürgerschaftsnachweis, ein Bescheid über Hilfeleistungen, ein Lehrvertrag und ein Bescheid über die Einstellung eines Pflegebeitrages aufliegen. Unterlagen zum Aufenthalt bei der Pflegefamilie XXXX waren im vorgelegten Mündelakt nicht vorhanden. In dem diesbezüglichen Schreiben der BH XXXX wurde festgehalten, dass auf Grund der damaligen Skartierungsordnung nur die wichtigsten Dokumente gefilmt und archiviert wurden, der Rest des Aktes wurde vernichtet.

Der Beschwerdeführer hat weiters vorgebracht, er habe während seines Aufenthaltes im Kinderdorf XXXX Pflegehilfsleistungen für zwei behinderte Kinder bzw. "Zwangsarbeit" erbringen müssen und wolle dafür entschädigt werden.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.06.2016 hat der Beschwerdeführer diesbezüglich vorgebracht, er habe die Kinder - einen Epileptiker und ein an Spasmus leidendes Kind - pflegen, putzen, waschen, wickeln und füttern sowie beim Radfahren und Gehen lernen unterstützen müssen.

In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.08.2016 hat der Beschwerdeführer dazu näher befragt angegeben, er reklamiere für sich gegen das Kinderdorf XXXX § 104 StGB (Sklaverei). Es habe aus seiner Sicht für ihn zumutbare und unzumutbare Tätigkeiten in der Kinderdorffamilie gegeben. Zumutbare Tätigkeiten seien etwa gewesen beim Anziehen und beim Zähne putzen der Kinder zu helfen, Geschirr abzu waschen, Aufkehren, Essen aus der Küche holen, Schulaufgaben selber machen und anderen dabei zu helfen, Spielen mit den Jüngeren, Geschichten vorlesen, die Jüngeren zu Bett zu bringen oder XXXX (eines der behinderten Kinder) vom Kindergarten abzuholen. Unzumutbare Tätigkeiten bzw. aus Sicht des Beschwerdeführers "Zwangsarbeit zu leisten" sei es gewesen XXXX , der Epileptiker gewesen sei, zu betreuen. Der Beschwerdeführer habe ihn gemeinsam mit einer der betreuenden Kinderdorfschwestern und anderen Kindern tragen oder die Windeln wechseln müssen. Windeln wechseln sei keine Kunst gewesen, das sei dem Beschwerdeführer gezeigt worden. Überdies habe man aufpassen müssen, dass XXXX nirgends anstößt. Alle Kinder in der Kinderdorffamilie hätten mitgeholfen. Bei dem zweiten behinderten Kind XXXX habe man alles machen müssen wie ihn waschen, auf den Topf setzen, in den Hochstuhl setzen, ihm das Essen und Trinken geben. Der Beschwerdeführer habe ihn auch bei der Therapie (Radfahren, Ballübungen) unterstützt. Der Beschwerdeführer habe Schwester XXXX angelernt, die beiden Buben zu betreuen. In der Nacht seien die behinderten Buben ausschließlich von den Schwestern betreut worden. Wenn eine Schwester essen oder zum Beten ging, sei immer eine andere Schwester anwesend gewesen. Manchmal sei keine Erzieherin anwesend gewesen, länger als eine Stunde seien sie aber nie alleine gewesen. Der Beschwerdeführer sei in XXXX auch geschlagen worden und habe Erbrochenes aufessen müssen. Zusammenfassend gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme an, es sei nicht alles schlecht gewesen in der Kinderdorffamilie, der überwiegende Teil sei positiv gewesen. Fahrlässig sei aber, dass der Beschwerdeführer in Invaliditätspension gekommen sei.

Die den Beschwerdeführer im Kinderdorf XXXX betreuende Schwester XXXX (Schwester XXXX war bereits verstorben) wurde zu den Angaben und den Vorwürfen des Beschwerdeführers, er habe zwei schwer behinderte Kinder ( XXXX und XXXX ) täglich und verpflichtend betreuen müssen, befragt und gab dazu in den Stellungnahmen vom 28.04.2016 und vom 25.08.2016 Nachfolgendes an.

Der Beschwerdeführer habe sehr nette Pflegeeltern (2. Pflegefamilie) gehabt, zu welchen er guten Kontakt gehabt habe. Nach dem Schulabschluss sei der Beschwerdeführer zu diesen Pflegeeltern gekommen und während der Bundesheerzeit habe er Schwester XXXX und die Kinderdorffamilie besucht. Der Beschwerdeführer sei sehr geschickt gewesen, habe Kinder gemocht, und sei zu den jüngeren Kindern stets hilfsbereit gewesen. Daher habe er auch XXXX öfters in die Therapie gebracht. Sie selbst habe nicht den Eindruck gehabt, dass der Beschwerdeführer damit überfordert gewesen sei, da er den Rollstuhl gerne gefahren und Spaß mit XXXX gehabt habe. Grundsätzlich sei XXXX von ihr selbst oder einer anderen "Tante" betreut worden, XXXX sei bei ihrer Ankunft in XXXX bereits drei Jahre gewesen und habe nur mehr kleine Affektkrämpfe gehabt, die sich später ganz gelöst hätten. Konfrontiert mit dem Vorwurf des Beschwerdeführers, er habe auch Erbrochenes essen müssen, führte Schwester XXXX aus, sie habe während ihrer gesamten Dienstzeit ins XXXX niemals erlebt, dass jemand Erbrochenes essen hätte müssen. Sie selbst hätte immer auf die Bedürfnisse der Kinder geachtet und ihnen auch kleine Besonderheiten gekocht. Die Kinder hätten auch selber kochen dürfen, ansonsten sei in der Großküche gekocht worden.

Im Kinderdorf XXXX habe man wie eine Familie gelebt und die Kinder seien auch angehalten gewesen, sich gegenseitig zu helfen. Daher sei es auch üblich gewesen, dass ältere Kinder Hilfsdienste übernommen hätten, dies sei jedoch nicht täglich und verpflichtend gewesen. Kinder, denen man solche Aufgaben nicht zutrauen habe können, seien auch nicht mit Hilfsdiensten betraut worden. Auf die Frage, ob Schwester XXXX selbst mit ihrer Betreuungssituation überfordert gewesen sei, gab sie an, natürlich sei sie mit sechs oder sieben Kindern - je nach Behinderung - teilweise an ihre Grenzen gelangt und es habe damals auch keine Ausbildung für Sonderpädagogen gegeben. Und da sie mit den Kindern wie in einer Familie zusammengelebt habe, habe es auch anstrengende Nächte gegeben, und die meisten Kinder hätten Sonderbehandlungen wie einer Sehschule oder Therapien bedurft. Es sei wie in einer "normalen" Familie gewesen, sie habe als "Mutter" den Haushalt machen und die Kinder betreuen müssen, es habe wenig Freizeit gegeben. Ruhigere Stunden habe sie gehabt, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule gewesen seien, und die Vorgesetzten seien immer um Verbesserungen und Erholungsmöglichkeiten bemüht gewesen. Für die Betreuung des Beschwerdeführers sei außer ihr bei kurzen Abwesenheiten die Kinderdorfmutter der Nachbarsfamilie - die "Familien-Häuser" seien so gebaut gewesen, dass jeweils zwei Familien nebeneinander gewohnt hätten um sich gegenseitig zu unterstützen - oder eine Praktikantin zuständig gewesen, am Vormittag seien die Kinder im Kindergarten oder in der Schule gewesen, bei Festen seien mehrere Erziehungsberechtigte anwesend gewesen und in den Ferien oder an Besuchswochenenden hätten die Eltern oder Pflegeeltern die Aufsicht übernommen. Die Kinder hätte immer gewusst, wer die Ansprechperson sei und seien nur eine sehr begrenzte Zeit unbeaufsichtigt gewesen.

Mit der Zeugenaussage von Schwester XXXX konfrontiert gab der Beschwerdeführer an, er sei mit der Beantwortung der Fragen nicht zufrieden, es sei nicht geprüft worden, welche Ausbildung Schwester XXXX gehabt habe. Der Beschwerdeführer hat den Angaben von Schwester XXXX jedoch nicht substantiiert widersprochen.

Es erscheint aus Sicht des erkennenden Senates durchaus glaubhaft, dass es in der Kinderdorffamilie des Beschwerdeführers - ähnlich wie in vergleichbaren Familienverbänden - üblich war, bei alltäglichen Tätigkeiten mitzuhelfen und ältere Kinder auch jüngere Kinder unterstützt bzw. ihnen geholfen haben. Dies wird durch die Zeugenaussagen von Schwester XXXX bestätigt und wurde von ihr überdies ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sehr hilfsbereit war, sich gerne mit jüngeren "Geschwistern" beschäftigt hat und überdies sehr geschickt war, sodass er beispielsweise auch bei der Betreuung des behinderten Kindes XXXX geholfen und ihn mit dem Rollstuhl zur Therapie gebracht hat.

Ebenso sind die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er gemeinsam mit älteren Kinderdorfgeschwistern und einer Kinderdorfmutter beispielsweise beim Heben eines behinderten Kindes, beim Wickeln, beim Essen vorbereiten, beim Umziehen oder beim Füttern geholfen hat, glaubhaft und nicht lebensfremd. Überdies hat der Beschwerdeführer angegeben, alle Kinder hätten mitgeholfen und die meiste Zeit seien sie von einer Schwester (Kinderdorfmutter) betreut worden, lediglich für kurze Zeiten seien sie alleine gewesen und hätten auf die anderen Kinder aufpassen müssen. Länger als eine Stunde seien sie aber nie alleine gewesen. Auch dies deckt sich mit den Angaben von Schwester XXXX die diesbezüglich angegeben hat, die Kinder seien nur kurze Zeiten alleine gewesen, es wären immer ältere und jüngere Kinder anwesend gewesen und die Kinderdorfhäuser seien so gebaut gewesen, dass zwei Kinderdorffamilien nebeneinander gewohnt hätten, und immer eine Ansprechperson greifbar gewesen sei.

In einem von der belangten Behörde angeforderten Schreiben der Geschäftsführung der Caritas, XXXX vom 23.03.2016 wurde ausgeführt, dass es keinerlei Aufzeichnungen über pädagogisch herausfordernde Situationen in den Unterlagen hinsichtlich die Betreuung des Beschwerdeführers gäbe. Die Gruppenzusammenstellung könne nicht mehr nachvollzogen werden, aber sei es in den Jahren 1970 bis 1980 üblich gewesen, altersgemischte Gruppen zu führen, und sei das soziale Miteinander zwischen jüngeren und älteren Kindern Teil der pädagogischen Arbeit gewesen.

In dem Schreiben der Caritas vom 12.09.2012 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mehrmals selbst mit der Caritas in Kontakt getreten sei und erzählt habe, dass ihn die Kinderdorfmutter zur Betreuung der Kinderdorfgeschwister herangezogen habe. Diese Mithilfe erscheine glaubhaft, darüberhinausgehende "Zwangsarbeit" könne den Unterlagen nicht entnommen bzw. nicht nachvollzogen werden. Daher habe seitens der Caritas auch der Forderung des Beschwerdeführers auf nachträgliche Bezahlung der Mithilfe innerhalb der Familie nicht nachgekommen werden können.

Auch den eingeholten Unterlagen der Caritas lässt sich entnehmen, dass die Mithilfe in der Kinderdorffamilie auch bei der Betreuung von Kinderdorfgeschwistern durchaus üblich war und auch glaubhaft ist. Überdies ist dies lebensnahe und durchaus vergleichbar mit anderen "normalen" Familien.

Zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich vom 08.04.2013 und seinen Feststellungen, wonach er von der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft als Opfer anerkannt und finanzielle Hilfe im Ausmaß von € 15.000,00 sowie eine Therapie im Ausmaß von 100 Stunden zugesprochen bekommen hat, wird der Vollständigkeit halber festgehalten, dass diese Leistungen nicht nach den Voraussetzungen und Kriterien, die für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlich sind, erbracht werden.

Zu dem Umstand, dass in den vorliegenden medizinischen Unterlagen (Gutachten zur Gewährung der Invaliditätspension, Entlassungsberichte eines Psychosomatischen Zentrums, fachärztliche Befundberichte) im Wesentlichen angeführt wird, dass die psychischen Leidenszustände des Beschwerdeführers auf traumatisierende Heimerfahrungen bzw. sexuelle Gewalterfahrungen zurückzuführen sind, ist festzuhalten, dass diese Feststellungen lediglich auf den Angaben des Beschwerdeführers beruhen.

Diesbezüglich ist auch festzuhalten, dass der Umstand - wonach die fachärztlichen Sachverständigen in den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten von "Verbrechen" ausgehen - darauf zurückzuführen ist, dass die belangte Behörde in den Vorschreibungen an den Ärztlichen Dienst - zu diesem Zeitpunkt ohne Durchführung eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens (keine Einvernahmen des Beschwerdeführers, der Kinderdorfmutter, unzureichendes Einholen von Unterlagen) - ein "Verbrechen" in den Raum gestellt hat. Nach einem umfassend geführten Ermittlungsverfahren ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vom 06.09.2016 zum Ergebnis gelangt, dass nicht mit Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen ausgegangen werden kann.

Dem Beschwerdeführer wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht gegeben, der Beschwerdeführer hat jedoch beim ho. Gericht keine Akteneinsicht verlangt.

Die im Rahmen der Beschwerde und den Stellungnahmen erhobenen Einwände waren nicht geeignet das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften.

Zusammenfassend kann auf Grund der Ermittlungsergebnisse und den dargelegten Gründen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zu unzumutbaren Betreuungs- oder Pflegediensten bzw. zu "Zwangsarbeit" herangezogen worden ist oder der Sklaverei bzw. einer sklavereiähnlichen Lage ausgesetzt gewesen ist.

In Zusammenschau der vorliegenden Einvernahmen des Beschwerdeführers, der Angaben von Schwester XXXX und der vorgelegten bzw. von der belangten Behörde eingeholten Unterlagen, kann somit auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Fall nicht mit der nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit - wonach mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat sprechen muss - vom Vorliegen von Straftaten ausgegangen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört.

Somit liegt gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.g.F. geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG) lauten:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1 Abs. 1 Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen, und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

§ 1 Abs. 2 Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann (§ 1 Abs. 2 VOG).

§ 1 Abs. 3: Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird (...).

Hilfeleistungen

§ 2 Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges (...).

Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges

§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen.

(2) Als Einkommen gelten alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Einkommens Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege sowie Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage und gleichartige Leistungen). Auf einer Verpflichtung beruhende Unterhaltsleistungen sind nicht anzurechnen, soweit sie nur wegen der Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 gewährt werden (...).

Grundsätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Versorgungsleistungen für Gesundheitsschädigungen nach dem VOG ist, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Antragsteller durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, und muss das schädigende Ereignis in ursächlichem Zusammenhang (Kausalzusammenhang) mit der Gesundheitsschädigung stehen.

Das VOG knüpft den Anspruch des Geschädigten an das Vorliegen einer zumindest bedingten vorsätzlichen Handlung iSd § 1 Abs. 1 VOG 1972. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 VOG 1972 ist erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (vgl. VwGH 21.11.2013, 2011/11/0205 mit Verweis auf VwGH vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001; VwGH vom 6. März 2014, 2013/11/0219).

Wie bereits in der Beweiswürdigung umfassend dargelegt kann auf Grund der Ermittlungsergebnisse im gegenständlichen Fall nicht mit der nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit - wonach mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat sprechen muss - vom Vorliegen von Straftaten ausgegangen werden.

Aus den dargelegten Gründen sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Ersatzes des Verdienstentganges nicht gegeben.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarere verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs.4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich der maßgebliche Sachverhalt aus dem Akteninhalt insbesondere aus den Einvernahmen des Beschwerdeführers, der Zeugenaussage von Schwester XXXX sowie den von der belangten Behörde eingeholten Unterlagen. Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde bzw. in den Stellungnahmen vorgelegten Beweismittel sowie die Einwendungen waren nicht geeignet die Ermittlungsergebnisse zu entkräften. Nach intensivem Aktenstudium ergeben sich für das Gericht keine ergänzenden Fragen an den Beschwerdeführer, und ist auch für das Gericht nicht zu Tage gekommen, dass es zum Zwecke der Entscheidungsfindung zusätzlich zu den vorliegenden Beweismitteln überdies auf die Gewinnung des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers ankäme. Der Sachverhalt ist als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Verdienstentgang, Voraussetzungen, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W166.2012369.2.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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