TE Bvwg Beschluss 2019/1/28 W241 2209593-1

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Veröffentlicht am 28.01.2019
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Entscheidungsdatum

28.01.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W241 2209593-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 19.10.2018, Zl. Addis Abeba-ÖB/RECHT/0031/2018, aufgrund des Vorlageantrags der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 06.08.2018, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Somalias, stellte am 14.11.2017 gemeinsam mit ihrem minderjährigen Bruder (siehe W240 2209591-1) bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (im Folgenden: "ÖB Addis Abeba") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG). Begründend führte sie aus, ihre Mutter XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, habe im Bundesgebiet am 28.08.2017 Asyl erhalten.

2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 25.07.2018 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) aus, dass die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente genügten nicht, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. In der beiliegenden Stellungnahme wurde ausgeführt, dass an der Familienangehörigeneigenschaft grundsätzlich nicht gezweifelt werde. Allein auf Basis der vorgelegten Abgängigkeitsanzeige könne jedoch nicht von einem tatsächlichen Verschwinden des leiblichen Vaters ausgegangen werden. Die widersprüchlichen Angaben im Asylverfahren würden gegen die vorgebrachten Familienverhältnisse sprechen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich die Kinder weiterhin in Obsorge des leiblichen Vaters befänden und die Antragstellung aus rein ökonomischen Erwägungen erfolgt sei. Die Bezugsperson sei seit Oktober 2014 von ihren Kindern getrennt und habe diese in Äthiopien zurückgelassen. Eine neuerliche Trennung könne unabsehbare Konsequenzen für die Kinder haben. Auch könnten der unstete Lebenswandel, die soziale Unsicherheit und der Gesundheitszustand der Bezugsperson für die Entwicklung der Kinder nicht als förderlich angesehen werden.

3. Mit Schreiben vom 26.07.2018 wurde der BF die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Mitteilung und Stellungnahme des BFA lagen dem Schreiben bei. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

4. In einer fristgerecht eingelangten Äußerung vom 01.08.2018 machte die BF im Wege ihres Rechtsvertreters geltend, dass die Bezugsperson, die Mutter der BF, zwangsverheiratet und von ihrem Mann misshandelt worden sei. Sie sei deshalb mit ihren Kindern und ihrer Mutter nach Äthiopien geflohen, bevor sie die Flucht nach Europa angetreten habe. Zum Vater der Kinder bestehe seit der Flucht kein Kontakt. Dessen Eltern hätten berichtet, dass er sich ebenfalls auf den Weg nach Europa gemacht habe, sie jedoch davon ausgingen, dass er auf dem Weg verunglückt sei. Auf welcher Rechtsgrundlage die von der Behörde angeführten Widersprüche einen tauglichen Abweisungsgrund darstellten, sei nicht dargelegt worden. Da die Bezugsperson Opfer einer Zwangsheirat sei, führe die Heranziehung somalischer Obsorgebestimmungen zu einem Ergebnis, welches mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar sei.

Es werde die zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson beantragt, um zu ermitteln, ob sie gesundheitlich in der Lage sei, für ihre Kinder zu sorgen. Weiters werde eine Frist für die Vorlage eines aktuellen psychiatrischen Befundberichts beantragt. Die Bezugsperson stehe seit Jänner 2017 in psychiatrischer Behandlung. Sie stehe mit ihren Kindern in regelmäßigem Kontakt und leiste Unterhalt. Wenn die Behörde erwäge, dass die Kinder an eine andere Bezugsperson gewöhnt seien und eine Familienzusammenführung deshalb nicht in ihrem Interesse sei, so widerspreche dies der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK. Im gegenständlichen Fall könne nicht von einem zerrissenen familiären Band gesprochen werden.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.08.2018, zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB Addis Abeba die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG 2005 iVm § 35 AsylG. Begründend wurde ausgeführt, dass die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Die von der Antragstellerin vorgelegten Dokumente genügten nicht, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

6. Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 03.09.2018, in welcher eine materielle und formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids geltend gemacht wurde.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.10.2018 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Unabhängig von der Bindungswirkung teile die Botschaft die in der Stellungnahme vertretene Ansicht des BFA. Die Bezugsperson habe in der Einvernahme angegeben, Somalia gemeinsam mit ihrem Ehemann verlassen zu haben, und habe auch während der Einvernahme immer von ihrem "Ehemann" gesprochen, obwohl sie laut Scheidungsurkunde bereits seit 2013 von ihm geschieden sei. Weiters hätten neue Asylgründe in Form von Gewalt durch den Ehegatten glaubhaft gemacht werden können. Hier habe die Bezugsperson zum ersten Mal davon gesprochen, geschieden zu sein, Dokumente dazu habe jedoch ihre Mutter. Die Bezugsperson sei überdies wegen schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und gefährlicher Drohung angezeigt worden.

Aufgrund der vorgelegten Abgängigkeitsanzeige könne keinesfalls von einem tatsächlichen Verschwinden des leiblichen Vaters ausgegangen werden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich die Kinder nach wie vor in Obsorge des Vaters befänden. Die Behauptung in der Beschwerde, der Vater habe sich auf den Weg nach Europa begeben und sei verunglückt, sei in Zusammenhang mit der notwendigen Zustimmung des obsorgeberechtigten Vater nicht ausreichend.

Die Bezugsperson habe in Kauf genommen, ihre beiden Kinder zu verlassen. Das angebliche Zusammenleben sei durch die Ausreise der Bezugsperson beendet worden. Es sei vielmehr anzunehmen, dass die Betreuung von einer anderen Bezugsperson fortgesetzt worden sei. Es könne daher auf keine hinreichend starke Nahebeziehung geschlossen werden.

Der mit Art. 8 EMRK im Zusammenhang stehende Hinweis auf die Berücksichtigung des Kindeswohls könne nicht zum Erfolg führen, da Art. 8 EMRK unter Gesetzesvorbehalt stehe. Es sei nicht zu sehen, dass ein (allfälliger) Eingriff in Art. 8 EMRK nicht durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt wäre.

8. Am 31.10.2018 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, am 16.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:

§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018, § 11a FPG idF BGBl. I Nr. 68/2013 und § 26 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

(1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden."

"Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

"Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

3. Diesem Erfordernis genügt die Mitteilung des Bundesamtes im gegenständlichen Fall im Ergebnis allerdings nicht:

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).

Die belangte Behörde verkennt im gegenständlichen Fall, dass es für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und Kindern im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des EGMR nicht darauf ankommt, dass eine ‚über die üblichen Bindungen zwischen Familienangehörigen hinausgehende [...] Nahebeziehung' besteht, sondern darauf, ob jede Verbindung gelöst wurde (EGMR, Fall Boughanemi, Z 35). Davon konnte aber im Fall der BF und ihrer Mutter nach der Aktenlage nicht ausgegangen werden. Die Bezugsperson war aufgrund der fluchtauslösenden Ereignisse gezwungen, die BF und ihren Bruder in Äthiopien zurückzulassen. Es besteht jedoch weiterhin telefonischer Kontakt. Für die Annahme, dass "jede Verbindung" zwischen der BF und ihrer Mutter gelöst wurde, bestehen angesichts des Alters der BF von nur knapp fünf Jahren keine Anhaltspunkte. Der Beurteilung der Behörde, dass kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK mehr vorliege, liegen keine weiteren Ermittlungen zugrunde, weshalb diese Argumentation, welche lediglich auf die frühe Trennung durch die Flucht der Bezugsperson abstellt, nicht haltbar ist.

Das Vorbringen der Bezugsperson wurde vom BFA für glaubhaft erachtet und ihr aus diesem Grund der Status der Asylberechtigten zugesprochen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Behörde der Bezugsperson nunmehr widersprüchliche Angaben vorwirft. Weiters wurde die Relevanz dieser Angaben für das gegenständliche Verfahren, in dem es lediglich auf die verwandtschaftliche Beziehung der BF zur Bezugsperson ankommt, nicht plausibel dargelegt. Das Verwandtschaftsverhältnis wurde vom BFA aber laut Stellungnahme vom 25.07.2018 gerade nicht in Zweifel gezogen.

Wie dem Akt zu entnehmen ist, stützte die Bezugsperson ihr Fluchtvorbringen auch auf eine Zwangsheirat und Misshandlungen durch ihren Ehemann. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens wäre eine Zustimmung des Vaters der BF zu deren Ausreise nicht als zwingend notwendig zu erachten.

Die Schlussfolgerung der Behörde, dass sich die BF und ihr Bruder in der Obhut des Vaters befänden, erweist sich lediglich als Mutmaßung. Die belangte Behörde weist zwar korrekt darauf hin, dass die Richtigkeit und Echtheit somalischer Dokumente angesichts der dortigen behördlichen Strukturen praktisch nicht überprüft bzw. als gesichert angenommen werden können. Im Gegenschluss ist es der BF bzw. der Bezugsperson damit aber auch nicht möglich, die Mutmaßung der Behörde zu widerlegen, da der von ihnen vorgelegten Abgängigkeitsanzeige des Vaters die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde. Ohne weitere Ermittlungen kann jedoch nicht automatisch von der Unrichtigkeit der vorgelegten Dokumente ausgegangen werden.

Abgesehen davon kann angesichts der neu ausgestellten Reisepässe und der persönlichen Vorsprache der BF und ihres Bruders nicht ohne weiteres von einer fehlenden Zustimmung des Vaters zur Ausreise ausgegangen werden.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Strafregisterauszug der Bezugsperson keine Verurteilungen aufweist. Die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte, gegen sie erstattete Anzeige ist daher für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz.

Da den von der ÖB angeführten Gründen für die Verweigerung des Visums, wie oben ausgeführt, eine fehlerhafte Beurteilung zugrunde lag, wird die ÖB Addis Abeba im fortgesetzten Verfahren, bei weiterem Vorliegen aller maßgeblichen Voraussetzungen, das Visum zu erteilen haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Betreffend den mj. Bruder der BF erging eine gleichlautende Entscheidung (W240 2209591-1).

4. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 14.11.2017 und damit innerhalb der Frist von drei Monaten nach Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Bezugsperson am 28.08.2017 eingebracht. Gemäß § 35 Abs. 1 AsylG waren die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 daher nicht zu erfüllen.

5. Eine mündliche Verhandlung hatte gemäß § 11a Abs. 2 FPG zu unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreisetitel, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W241.2209593.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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