TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/14 98/04/0201

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Veröffentlicht am 14.04.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §24;
ASchG 1972 §27 Abs2;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §81;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. C und Dr. W, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. September 1998, Zl. 317.896/2-III/A/13/98, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführerin für eine näher bezeichnete Betriebsanlage die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung unter Vorschreibung unter anderem die Kassenarbeitsplätze betreffender Auflagen erteilt. Die die Kassenarbeitsplätze betreffenden Auflagen hatten folgenden Wortlaut:

"12) Der Kassenarbeitsplatz ist auf einem Podest zu errichten. Die Podesthöhe hat zwischen 100 und 165 mm zu betragen. Im Bereich des Zuganges zur Kasse ist durch eine geeignete Maßnahme das Abrollen oder Abgleiten des Arbeitsstuhles vom Podest zu verhindern.

13) Der Arbeitstisch (Kassen-Pult) hat - an der Manipulationsseite (Arbeitsseite) des Kassenpersonals gemessen - eine Höhe (Podestoberkante bis Pultoberkante) zwischen 720 und 750 mm aufzuweisen.

14) Um eine optimale Arbeitshaltung sowie bequeme Beinstellung für das Kassenpersonal zu gewährleisten, ist ein Beinfreiraum wie folgt zu gestalten:

-

Freiraumhöhe (Podestoberkante bis Pultunterkante) mind. 620 mm

-

Freiraumtiefe (direkt unterhalb der Pultunterkante)mind. 450 mm

-

Freiraumtiefe im Fußbodenbereich mind. 600 mm

-

Breite des Beinfreiraumes mind. 580 mm

Nach der Seite muss ein volles Herausschwenken mit dem Arbeitsstuhl ohne Hindernisse möglich sein.

15) Als Arbeitsstuhl ist ein höhenverstellbarer, drehbarer Bürosessel mit verstellbarer Rückenlehne beizustellen. Der Arbeitsstuhl muss ein fünfstrahliges Fußgestell besitzen.

Bei der Auswahl des Arbeitsstuhles ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Kassenpersonals vorzugsweise in aufrechter (mittlerer) Sitzhaltung durchgeführt werden soll. Für Unterbrechungen im Arbeitsfluss soll auch die hintere Sitzhaltung eingenommen werden können. (Definition der Sitzhaltungen siehe ÖNORM A 8020).

16) Der Kassenarbeitsplatz ist vor Zugluft und Störungen durch vorbeigehende Kunden mittels Abschirmung zu schützen. Um einen ausreichenden Bewegungsraum zu gewährleisten, ist von der Vorderkante (Arbeitsseite) des Pultes bis zur Abschirmung ein Mindestabstand vom 600 mm einzuhalten.

17) Alle Geräte und Bedienteile, die für die Tätigkeit des Kassenpersonals wesentlich sind, müssen auf der Pultoberfläche so angeordnet werden, dass sie vom Kassenpersonal in aufrechter Sitzhaltung zu handhaben sind.

18) Die Warenförderbänder sind so anzuordnen, dass die von den Kunden aufgelegten Waren in den, der entsprechenden Hand zugeordneten kleinen Greifraum (Definition siehe ÖNORM A 5910) befördert und von dort in Richtung Warenzellen oder Einpackflächen weitertransportiert wird. Falls ein Vorlaufband und ein Nachlaufband vorgesehen sind, ist deren Abstand möglichst klein zu halten. Der vertikale Abstand zwischen der ebenen Pultoberkante und der Oberseite der Förderbänder darf innerhalb des Greifraumes des Kassenpersonals 20 mm nicht überschreiten.

Die Bandgeschwindigkeit ist so zu wählen, dass ein sicherer Transport der Ware (z.B. Vermeiden des Umkippens von Flaschen) gegeben ist.

19) Durch entsprechende Gestaltung des Kassenarbeitsplatzes muss dem Kassenpersonal zu Kontrollzwecken ein vollständiger Einblick in Einkaufswagen und -körbe möglich sein, ohne die Sitzposition ändern zu müssen. Wenn notwendig, sind Spiegel bzw. andere Kontrolleinrichtungen anzubringen.

Die Sichtfreiheit des Kassenpersonals in Richtung herannahender Kunden muss gegeben sein.

20) Im Anschluss an das Förderband ist ein Stauraum für die registrierten Waren vorzusehen.

Zur Ermöglichung des raschen Warenflusses ist ein Schwenkhebel einzurichten, welcher den Staubereich teilt und eine Packmöglichkeit für die Kunden schafft."

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, Zl. 96/04/0056, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Mit dem als Ersatzbescheid für diesen Bescheid ergangenen (nunmehr) vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. September 1998 wurde der Beschwerdeführerin - nunmehr unter Berufung auf § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) - eine einschließlich der Auflagen gleich lautende Bewilligung erteilt. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zur Begründung aus, sie folge mit ihrer Entscheidung den klaren und eindeutigen Ausführungen des Arbeitsinspektorates für den

9. Aufsichtsbezirk, aus denen hervorgehe, dass die vorgeschriebenen Auflagen notwendig seien, um das im Sinne des § 2 Abs. 2 des ASchG anzustrebende Ziel, Arbeitsplätze nach dem Stand der Technik und Medizin zu gestalten, zu erreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid

"insofern in ihren Rechten verletzt, als

-

kein gesetzmäßiges Verfahren durchgeführt wurde, insbesondere kein Sachverständigengutachten darüber eingeholt wurde, ob die mit den bekämpften Auflagen vorgeschriebene Gestaltung des Kassenarbeitsplatzes im Interesse des Arbeitnehmerschutzes notwendig oder zumindest zweckmäßig ist;

-

der angefochtene Bescheid keine gesetzmäßige Begründung aufweist und

-

der Beschwerdeführerin in gesetzwidriger Weise eine bestimmte Gestaltung der Kassenarbeitsplätze auferlegt wird, wobei die Gesetzwidrigkeit insbesondere darin begründet ist, dass die bekämpften Auflagen nicht hinreichend konkret und zum Schutz der im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen nicht erforderlich sind."

In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe bereits in ihrer Berufung eingehend dargelegt, warum sie die bekämpften Auflagen nicht bloß für nicht erforderlich, sondern sogar dem Arbeitnehmerschutz abträglich qualifiziere. Die Beschwerdeführerin habe ferner releviert, dass über die Gestaltung der Kassenarbeitsplätze, über die tatsächlichen Gegebenheiten in der Betriebsanlage und die infolgedessen allenfalls vorzuschreibenden Auflagen keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt und der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör gewährt worden sei. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der bekämpften Auflagepunkte Nr. 12 bis Nr. 20 sei wortwörtlich dem Formblatt des Arbeitsinspektorates entnommen und mache deutlich, das sich die Behörde erster Instanz mit dem Sachverhalt überhaupt nicht befasst habe. Ungeachtet dieses Vorbringens habe weder der Landeshauptmann von Oberösterreich noch die belangte Behörde irgendein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dieser Verfahrensmangel sei offensichtlich relevant, da die Behörde bei Durchführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens festgestellt hätte, dass die bekämpften Auflagen Nr. 12 bis Nr. 20 nicht geeignet seien, dem Arbeitnehmerschutz zu dienen. Zwischenzeitlich habe die belangte Behörde dem Vertreter der Beschwerdeführerin in einem anderen Verfahren ein Gutachten der Wiener Magistratsabteilung 15, Institut für Umweltmedizin der Stadt Wien, gerichtet an die Wiener Gewerbebehörde, zur Kenntnis gebracht, das den Standpunkt der Beschwerdeführerin in den verfahrensrelevanten Punkten vollinhaltlich stütze. Die MA 15 komme insbesondere zum Schluss, dass eine Pulthöhe von mindestens 900 mm zu wünschen sei und die von der belangten Behörde allein herangezogene ÖNORM A 5910 nur für allein sitzende Tätigkeiten konzipiert worden sei und daher in Ansehung völlig vergleichbarer Kassenarbeitsplätze nur für periphere Momente herangezogen werden könne. Dieses Gutachten sei der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits vorgelegen, aber im gegenständlichen Verfahren nicht verwertet worden. Eine Ablichtung des Gutachtens werde als Beilage vorgelegt. Das Gutachten belege eindrucksvoll, dass der gerügte Verfahrensmangel, kein Verfahren geführt zu haben und insbesondere nicht in Stattgebung des Antrages der Beschwerdeführerin ein Gutachten auch im gegenständlichen Verfahren eingeholt zu haben, verfahrensentscheidend gewesen sei. Die bekämpften Auflagen Nr. 12 bis Nr. 20 seien rechtswidrig, da sie nicht hinreichend konkret seien. Diese Auflagen bezögen sich, wie etwa aus den Formulierungen von Auflage Nr. 12 hervorgehe, auf "den Kassenarbeitsplatz". In der gegenständlichen Betriebsanlage seien jedoch mehrere Kassenarbeitsplätze eingerichtet und für die Beschwerdeführerin sei nicht erkennbar, für welchen Kassenarbeitsplatz mit den bekämpften Auflagen eine bestimmte Gestaltung vorgeschrieben werden solle. In Auflage Nr. 12 werde vorgeschrieben, das Abrollen oder Abgleiten des Arbeitsstuhles vom Podest "durch eine geeignete Maßnahme" zu verhindern, eine konkrete Gestaltung sei dieser Anordnung jedoch nicht zu entnehmen. In Auflage Nr. 15 hieße es, bei der Auswahl des Arbeitsstuhles sei davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Kassenpersonals vorzugsweise in aufrechter (mittlerer) Sitzhaltung durchgeführt werden solle. Eine bestimmte Gestaltung des Arbeitsstuhles könne die Beschwerdeführerin dieser Auflage nicht entnehmen. Gleiches gelte für die Auflage Nr. 17, wonach alle Geräte und Bedienteile, die für die Tätigkeit des Kassenpersonals wesentlichen seien, auf der Pultoberfläche so angeordnet werden müssten, dass sie vom Kassenpersonal in aufrechter Sitzhaltung zu handhaben seien. Nicht hinreichend konkret sei auch die Auflage Nr. 18, wonach der Abstand "möglichst klein zu halten ist", falls ein Vorlaufband und Nachlaufband vorgesehen sei; es bleibe sogar rätselhaft, an welchen Abstand die Behörde gedacht habe. Der Sinn des Satzes "der vertikale Abstand zwischen der ebenen Pultoberseite und der Oberseite der Förderbänder darf innerhalb des Greifraumes des Kassenpersonals 20 mm nicht überschreiten" bleibe völlig dunkel. Schließlich sei die Vorschreibung, dass die Bandgeschwindigkeit so zu wählen sei, dass ein sicherer Transport der Ware gegeben sei, unbestimmt. Gleiches gelte für die Auflage Nr. 19, dass "durch entsprechende Gestaltung des Kassenarbeitsplatzes" das Kassenpersonal zu Kontrollzwecken vollen Einblick in Einkaufswagen und -körbe haben solle. Unklar bleibe auch, wie die Auflage zu verstehen sei, dass die Sichtfreiheit des Kassenpersonals in Richtung herannahender Kunden gegeben sein müsse. Die bekämpften Auflagen seien ferner rechtswidrig, da sie zur Erreichung der im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Schutzzwecke nicht geeignet, geschweige denn erforderlich seien. Das mit Auflage Nr. 12 geforderte Podest sei bei einem Sitz-Steh-Arbeitsplatz arbeitstechnisch und ergonomisch unzweckmäßig, da dem Arbeitnehmer die Tätigkeit auch im Stehen möglich sein solle. Dass die Einrichtung eines Sitz-Steh-Arbeitsplatzes aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes der Einrichtung eines reinen Sitzarbeitsplatzes vorzuziehen sei, habe die Beschwerdeführerin in der Berufung ausführlich dargelegt und die Zuziehung des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. P. zu einer Augenscheinsverhandlung beantragt. Die mit Auflage Nr. 13 geforderte Arbeitstischhöhe sei bei einem Sitz-Steh-Arbeitsplatz nicht zweckmäßig, da bei diesem die Tischhöhe zumindest um die Podesthöhe höher sein müsse. Die mit Auflage Nr. 14 vorgeschriebene Beinraumdimensionierung sei ergonomisch nicht nötig und sogar unzweckmäßig, da der Beinfreiraum zugleich den Manipulationsbereich (Laufbandbreite) bestimme. Dieser Manipulationsbereich solle nicht zu groß sein. Die Auflage Nr. 18 verweise auf den "kleinen Greifraum", dem widerspreche jedoch der von Auflage Nr. 14 geforderte Beinfreiraum. Die Auflage Nr. 17 gehe davon aus, dass die Mitarbeiter ihre Tätigkeit ständig im Sitzen verrichten; gerade dies sei ergonomisch unerwünscht. Auch mit Auflage Nr. 18 werde in gesundheitsschädlicher Weise vorgeschrieben, dass die Tätigkeit des Kassenpersonals im Sitzen durchgeführt werden solle. Auch die Auflage Nr. 19 gehe direkt davon aus, dass am Kassenarbeitsplatz ständig im Sitzen gearbeitet werde. Der geforderte Spiegel sei arbeitsmedizinisch unzweckmäßig.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides fehle jede Auseinandersetzung damit, dass die belangte Behörde offenbar begründungslos davon ausgehe, dass die Kassenarbeitsplätze als Sitzarbeitsplätze gestaltet seien, obwohl die Beschwerdeführerin dem wiederholt und begründet entgegengetreten sei. Diese Voraussetzung sei unrichtig. Die Beschwerdeführerin und die anderen, mit ihr konzernverbundenen Unternehmen als insgesamt größtes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Österreichs würden in über tausend Filialen in ganz Österreich ausschließlich Sitz-Steh-Arbeitsplätze verwenden, da diese dem gegenwärtigen Stand der Ergonomie am besten entsprächen und von den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin gewünscht würden. Bei der Art der Gestaltung von Kassenarbeitsplätzen handle es sich auch nicht um ein Faktum, das der allgemeinen Lebenserfahrung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zugänglich sei, zumal es sich bei "Sitzarbeitsplatz" und "Sitz-Steh-Arbeitsplatz" um Fachbegriffe handle und der Unterschied zwischen diesen Arbeitsplätzen in der Realität nur nach eingehender Beschäftigung mit der Materie erkennbar sei. Offenbar sei die belangte Behörde zudem rechtswidrigerweise davon ausgegangen, dass das Arbeitsinspektorat nicht Partei des Verfahrens, sondern Amtssachverständiger sei. Selbst wenn dem so wäre, genüge ein derart kursorischer Verweis auf die Ausführungen des Arbeitsinspektorates nicht, eine entsprechende Begründung des Bescheides zu substituieren. Der angefochtene Bescheid sei deshalb begründungslos. In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1998, Zl. 98/04/0012, verwiesen, wonach es zur Begründung der Notwendigkeit der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflagen zur Gestaltung der gegenständlichen Kassenarbeitsplätze der unter Beiziehung jedenfalls auch eines medizinischen Sachverständigen zutreffenden Feststellungen bedurft hätte, ob und welche Gefahren dem Leben und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Verwendung der Kassenarbeitsplätze drohen würden, wie sie von der Beschwerdeführerin in dem von ihr der Behörde zur Genehmigung vorgelegten Projekt vorgesehen werde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten, die vorliegende Verwaltungssache betreffenden Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, Zl. 96/04/0056, ausgesprochen hat, ist auf dieses Verwaltungsverfahren das Arbeitnehmerschutzgesetz 1972, BGBl. Nr. 234, anzuwenden. Nach dessen § 27 Abs. 2 ist bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen, eine Bewilligung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz nicht erforderlich. In dem betreffenden Bewilligungsverfahren sind jedoch die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen und die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben, soweit dies unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 24 erforderlich ist.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sind daher, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0117, ausgeführt hat, im Rahmen einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes Bedingungen und Auflagen nur vorzuschreiben, wenn dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendig ist. Diese Gesetzesstelle bietet daher insbesondere keine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung von Auflagen, die allein einer ergonomisch zweckmäßigen, nicht aber unter dem Gesichtspunkt eines Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes dienen.

Von dieser Rechtslage ausgehend hätte es zur Begründung der Notwendigkeit der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflagen zur Gestaltung der gegenständlichen Kassenarbeitsplätze der unter Beiziehung jedenfalls auch eines medizinischen Sachverständigen zu treffenden Feststellungen bedurft, ob und welche Gefahren dem Leben oder der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Verwendung der Kassenarbeitsplätze drohen, wie sie von der Beschwerdeführerin in dem von ihr der Behörde zur Genehmigung vorgelegten Projekt vorgesehen sind.

Da es sowohl die Behörde erster Instanz als auch die Berufungsbehörde unterlassen hat, einen medizinischen Sachverständigen zur Beurteilung dieser Frage beizuziehen, wird der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet.

Davon abgesehen verstoßen jedenfalls die Auflagen Nr. 16, Nr. 17, Nr. 18 und Nr. 19 gegen das Gebot der Bestimmtheit von Auflagen (vgl. die in Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, S. 268 ff, zitierte hg. Judikatur). Der Auflage Nr. 16 ist weder die Art der Störungen durch vorbeigehende Kunden, welchen durch diese Auflage begegnet werden soll, noch die nähere Gestaltung der Abschirmung, insbesondere deren Höhe, zu entnehmen. Die mangelnde Bestimmtheit der Auflage Nr. 17 ist darin begründet, dass aus ihr für den Genehmigungswerber nicht ersichtlich ist, welche Geräte und Bedienteile für die Tätigkeit des Kassenpersonals als wesentlich zu gelten haben. Die Auflage Nr. 18 verstößt insofern gegen das Gebot der Bestimmtheit von Auflagen, als durch die dort verwendete Formulierung, wonach im Falle der Verwendung eines Vorlaufbandes und eines Nachlaufbandes deren Abstand möglichst klein zu halten ist, offen bleibt, an Hand welcher Kriterien die "Möglichkeit" zu messen ist. Schließlich erscheint auch die Auflage Nr. 19 mangels ausreichender Bestimmtheit als rechtswidrig, da sie nicht erkennen lässt, inwieweit die im Projekt der Beschwerdeführerin enthaltene Gestaltung der Kassenarbeitsplätze dem Erfordernis eines Einblicks in Einkaufswagen und -körbe nicht entspricht, sodass die Beschwerdeführerin darüber im Unklaren gelassen wird, ob bei projektgemäßer Ausführung der Kassenarbeitsplätze die Anbringung von Spiegeln oder anderen Kontrollvorrichtungen notwendig ist.

Da die belangte Behörde dies alles verkannte, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. April 1999

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040201.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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