TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/6 W124 1427639-3

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Veröffentlicht am 06.03.2019
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Entscheidungsdatum

06.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §57
VwGVG §13
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W124 1427639-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am XXXX vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asyl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs, 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.) und wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Absatz 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Punkt. IV.).

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der AsylGH mit Erkenntnis vom XXXX , als unbegründet ab.

1.4. Der BF wurde am XXXX vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

1.5. Mit Bescheid vom XXXX , wurde dem BF gemäß § 57 Absatz. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen, dieser Verpflichtung habe er unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX durch persönliche Übernahme zugestellt.

1.6. Gegen den unter Punkt 1.5. genannten Bescheid erhob der BF am XXXX Beschwerde.

1.7. Mit Erkenntnis des BVwG, Zahl XXXX , wurde der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die in Beschwerde gezogene Erledigung des BFA mangels Bezeichnung als solchen, mangels Bezugnahme auf die Ermächtigung zum Erlass eines Mandatsbescheides, aufgrund des Umstandes, dass sich aus dem Bescheidinhalt klar ergebe, dass die Behörde den Erlass eines Mandatsbescheides nicht beabsichtige, aufgrund des Vorliegens eines Abspruchs über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eine Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG und aufgrund der Rechtsmittelbelehrung (Erhebung einer Beschwerde an das BVwG binnen vier Wochen) jedenfalls nicht als Mandatsbescheid (iSd § 57 AVG), sondern als "ordentlicher" Bescheid (iSd § 56 AVG) zu qualifizieren sei.

2.1. In der Folge wurde dem BF mit Mandatsbescheid vom XXXX , gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle Tirol, XXXX , zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

2.2. Gegen diesen am XXXX zugestellten Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter fristgerecht Vorstellung.

2.3. Am XXXX wurde dem BF innerhalb von 14 Tagen die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs. 1 FPG eingeräumt.

2.4. Dem Vertreter des BF wurde am XXXX eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Wohnsitzauflage gem. § 57 Abs. 1 FPG mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme von 14 Tagen eingeräumt. Darin wurde im Wesentlichen festgehalten, dass gegen den BF mit Bescheid vom XXXX eine Wohnsitzauflage erlassen worden sei und er eine dreitägige Frist erhalten habe sich ab dem XXXX in der Betreuungsstelle Tirol einzufinden. Der BF sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen und habe ein unkooperatives Verhalten fortgesetzt. Auch der mit Bescheid vom XXXX erlassenen Wohnsitzauflage sei der BF nicht nachgekommen und sei in der Betreuungsstelle nicht eingetroffen.

In der Folge wurde dem BF im selbigen Schreiben im Wesentlichen Fragen gestellt, inwieweit dieser Handlungen zu seiner Ausreise getroffen habe bzw. solche die dagegenstehen würden.

2.5. Am XXXX wurde mitgeteilt, dass der BF nicht in der im Mandatsbescheid genannten Betreuungseinrichtung erschienen ist. Es würde der Verdacht des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung gem. § 121 Abs. 1a FPG vorliegen, weshalb um Überprüfung der letzten Adresse und Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens ersucht wurde.

2.6. Am XXXX erfolgte eine Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF, indem dieser im Wesentlichen ausführte, dass dieser stets kooperativ gewesen sei und sich im Bundesgebiet gut integriert habe. Er sei sechs Jahre im Bundesgebiet aufhältig und würden keine negativen Faktoren vorliegen.

Es sei ihm zweimal aufgetragen worden sich innerhalb von drei Tagen in der Betreuungseinrichtung in XXXX einzufinden. Da der Rechtsmittelwerber in Österreich kulturell, sozial, religiös und beruflich integriert sei, sei es ihm de facto nicht möglich und zumutbar gewesen die Unterkunft innerhalb von nur drei Tagen aufzulösen.

2.7. Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

2.8. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der BF ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Indien, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an und stammt aus dem Bundesstaat Punjab in Indien. Die Identität des BF steht nicht fest.

1.2. Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom XXXX abgewiesen wurde. Nach Abweisung der Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX besteht gegen den BF eine rechtskräftige Ausweisung.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nach. Die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ist verstrichen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG.

2.1. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen unbedenklichen Bescheinigungsmittels im Original steht die Identität des BF nicht fest.

2.2. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz, zum Bestehen einer Ausweisung und zum Verbleib in Österreich nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

3.1.3.1. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Zu Ihrem bisherigen Verhalten"), dass der BF sich mehrmals im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisedokumentes mitzuwirken und habe die Rückkehrberatung abgelehnt. Der BF sei nicht bereit gewesen die zur Erlangung eines Heimreisezertifikates notwendigen Formblätter der indischen Botschaft auszufüllen. Ein Antrag auf freiwillige Rückkehr sei nicht gestellt worden.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am XXXX habe der BF angegeben bereits bei der Botschaft gewesen zu sein, um ein Reisedokument zu beantragen. Beweismittel habe der BF dazu nicht vorgelegt. Auch zum Ausfüllen der Formblätter sei er nichtbereit gewesen.

Der BF habe aus Eigenem kein Heimreisezertifikat bei der indischen Botschaft beantragt, um selbständig auszureisen. In der Niederschrift vom XXXX habe er erneut angegeben, dass er nicht nach Indien zurückwolle.

Der Aufforderung mit Bescheid vom XXXX sich in der Betreuungsstelle Tirol einzufinden, kam der BF nicht nach. Der BF habe sich fremdenrechtlicher Verfahren entzogen, indem er nach Erlassung seiner Ausweisung einen Meldezettel gehabt habe, jedoch an dieser Adresse nicht wohnhaft gewesen sei und stattdessen an verschiedenen Adressen gewohnt habe, wie dies im Schubhaftbescheid der BH Wien vom XXXX angegeben worden sei.

Der BF sei in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Seit der rechtskräftigen Entscheidung vom XXXX seien keinerlei Änderungen seiner Privat-, und Familienverhältnisse hervorgekommen. Eine unverhältnismäßige Einschränkung seines Privatlebens durch die Wohnsitzauflage habe nicht festgestellt werden können.

Er habe 1. Entgegen einer Anordung des BFA oder trotz eines nachweislichen Angebots der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen; 3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen i.S.d. § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitgewirkt 4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgespräch erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen.

In der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich die belangte Behörde diesbezüglich auf den Abdruck des Gesetzestextes zu § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ohne im konkreten Fall darzulegen, welcher Tatbestand konkret subsumiert wurde. In der Begründung wird zwar drauf verweisen, dass der BF eine Anordnung des BFA oder ein nachweisliches Angebot der Rückkehrberatungsstelle erhalten hätte. Dies ergibt sich allerdings nicht aus dem Akt, zumal sich dort weder für das eine noch für das andere Hinweise gefunden haben. Dass der BF, wie in der Begründung des weiteres ausgeführt, der am XXXX mittels Bescheid des BFA (Wohnsitzauflage) erlassenen angeordneten Unterkunftnahme in der Betreuungsstelle nicht nachgekommen ist, kann dem BF nicht angelastet werden, als einer dagegen eingebrachten Vorstellung, wie das BFA selbst im Verfahrensgang angeführt hat, im Erkenntnis des BVwG, XXXX Folge gegeben wurde. Insofern geht das BVwG offenbar davon aus, dass sich das BFA auf § 57 Abs. 2 Z 3 FPG zu stützen vermochte, als dieser das Ausfüllen notwendiger Formblätter für das Ausreiseverfahren und die Rückkehrhilfe verweigert hat.

3.1.3.1. Die Behörde stellt in den Feststellungen "Zu Ihrer Person" weiters fest, dass es sich beim BF um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, der seinen Angaben nach ledig und für niemanden sorgepflichtig ist. Seine Mutter und seine Brüder sowie seinen Onkeln und Tanten würden seinen eigenen Angaben nach in Indien leben, während dessen sein Vater verstorben sei. Der BF würde keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

Zu den Feststellungen des "Privat-, und Familienlebens" wurde des Weiteres ausgeführt, dass der BF weder beruflich noch sozial verankert sei und seit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom XXXX keinerlei Änderungen seines Privat-, und Familienverhältnisses hervorgekommen seien.

3.1.3.2. Die Interessenabwägung zu Art. 8 EMRK nimmt das BFA unter Bezugnahme auf die Rückkehrentscheidung des BVwG ("zu ihrer rechtlichen Position in Österreich") vor und hält fest, dass die Entscheidung des BVwG am XXXX durchsetzbar und am XXXX rechtskräftig geworden ist.

Rechtlich wurde dazu ausgeführt, dass bei der Beurteilung, ob die Erlassung der Wohnsitzauflage zulässig sei, über das Vorhandensein des Privat-, und Familienlebens abzusprechen sei. Seit der Rechtskraft dieser Entscheidungen seien keine Änderung bekannt geworden. Alle seit der Durchsetzbarkeit der Entscheidung am XXXX eventuell entstandenen Bindungen hätten um seinen unsicheren und bereits negativ entschiedenen Aufenthaltsstatus und seiner Ausreiseverpflichtung gewusst. Auch eine Änderung des Grades der Integration oder die Bindungen zum Herkunftsstaat hätten sich nicht wesentlich verändert bzw. seien keine Änderungen seit der Rechtskraft der Entscheidung hervorgekommen.

Laut vorgelegter Beweismittel (der letzten Stellungnahme) hätte der BF keine nachvollziehbaren Gründe nennen können, die seiner Ausreise entgegenstehen würden. Auch eine unverhältnismäßige Einschränkung seines Privatlebens durch die Wohnsitzauflage habe nicht festgestellt werden können.

Den diesbezüglichen Interessensabwägungen bzw. rechtlichen Schlussfolgerungen kann allerdings nicht gefolgt werden, als weder in der mit dem BF am XXXX aufgenommen Niederschrift noch in der am XXXX erfolgten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend Bezug genommen wurde.

Insofern genügt es im gegenständlichen Fall nicht sich diesbezüglich auf das Erkenntnis des AsylGH vom XXXX zurückziehen, als damals das Familien-, und Privatleben des BF entsprechend beleuchtet worden ist. Dass seit dieser Entscheidung keine Änderung eingetreten sind kann nicht gefolgt werden, als es die belangte Behörde verabsäumte den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Soweit sie sich auf jenen vom Erkenntnis des AsylGH vom XXXX festgestellten Sachverhalt stützt, ist festzuhalten, dass seither mehr als sechs Jahre vergangen sind, sodass die gebotene Aktualität nicht mehr gegeben ist. Auch wenn der Aufenthalt des BF seither weiter unrechtmäßig ist, kann daraus nicht geschlossen werden, dass er seinem allenfalls seither entwickelten Privatleben keine Bedeutung zukommt. Die belangte Behörde hat hier den Sachverhalt nicht ermittelt und es insbesondere verabsäumt, in einer Einvernahme einen persönlichen Eindruck vom BF zu gewinnen, um seine tatsächlichen Lebensverhältnisse aktuell beurteilen zu können.

3.1.4. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung (vgl zB Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 97, mwN). Eine solche Entscheidung ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl VwGH vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108 f), (VwGH Ra 2015/17/0082 vom 28.06.2016).

Da es kein abschließendes Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann bzw.die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme und die Interessenabwägung zum Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.1.5. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen,
Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.1427639.3.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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