TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/21 98/01/0307

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Veröffentlicht am 21.04.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
UBASG 1997;
VwGG §43 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/01/0416 E 21. April 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der am 15. Dezember 1969 geborenen H N in R, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. März 1998, Zl. 202.310/0-IV/10/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte am 9. März 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. März 1998 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 24. März 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin dort Schutz vor Verfolgung finden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 4 Abs. 2 AsylG für die Zurückweisung eines Asylantrages wegen Drittstaatssicherheit voraus, dass die Asylbehörden im Einzelfall zunächst die Rechtslage im potenziellen Drittstaat ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284).

Weiters gilt für die Berufungsbehörde nach dem gemäß § 67 AVG auch von ihr anzuwendenden § 60 leg. cit., dass in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen ist. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung der Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargelegt werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1989), 1044 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Berufungsbehörde die ungarische Rechtslage festzustellen und darzulegen gehabt hätte, auf Grund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die von ihr ermittelte ungarische Rechtslage derart beschaffen sei, dass rechtlich gemäß § 4 Abs. 2 AsylG zu folgern sei, Asylwerber seien während des Asylverfahrens in Ungarn "zum Aufenthalt berechtigt". Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Die belangte Behörde begnügt sich in einem entscheidenden Punkt ihrer Begründung nach der Wiedergabe von Auszügen aus dem Handbuch des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, die das Bleiberecht von Asylwerbern betreffen, mit dem Satz:

"Diese Voraussetzungen sind im neuen ungarischen Asylgesetz, wie der unabhängige Bundesasylsenat mehrfach, zuletzt 201.923/0-IV/10/98, in einer genauen Analyse festgestellt hat, verwirklicht, für weitere, darüber hinausgehende Forderungen an die Rechtsgestaltung des ungarischen Souveräns bleibt auf Grund der internationalen Rechtslage kein Platz."

Der nähere Inhalt der von der belangten Behörde erwähnten "genauen Analyse" bleibt jedoch sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für den Verwaltungsgerichtshof offen, weil der von der belangten Behörde erwähnte Bescheid weder der der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheidausfertigung angeschlossen war noch in dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt enthalten ist. Der bloße Verweis auf einen anderen Bescheid, der in einem anderen, die Beschwerdeführerin nicht betreffenden Verfahren erlassen wurde, ist durch das von der belangten Behörde anzuwendende AVG (bzw. AsylG bzw. UBASG) nicht gedeckt und kann deshalb (im Gegensatz zum Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, in dem diesem durch § 43 Abs. 2 VwGG ausdrücklich in bestimmten Fällen eine Verweisung erlaubt wird) eine eigenständige Begründung nicht ersetzen. Wie die belangte Behörde im Ergebnis zu ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte, die - von ihr im Einzelnen gar nicht dargestellte - ungarische Rechtslage sei so beschaffen, dass Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG "zum Aufenthalt berechtigt" seien, entzieht sich daher einer Nachprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. April 1999

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010307.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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