TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/26 LVwG-314-1/2019-R11

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Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

BVergG 2018 §2 Z22 litc
BVergG 2018 §31 Abs4
BVergG 2018 §193 Abs1
BVergG 2018 §248 Abs1

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über den Antrag der H GmbH, L, vertreten durch TWP Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH, Dornbirn, auf (1) Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und (2) Ersatz der Pauschalgebühren, jeweils betreffend das Vergabeverfahren „H – OK – BA 14 – Kanalkataster Prüfung Hauptkanal (Kanalreinigung, TV-Inspektion Hauptkanal, Dichtheitsprüfung (Kanalprüfungsmaßnahmen)“ der Auftraggeberin Gemeinde H, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I.                                                                                Gemäß den §§ 3, 4 Abs 2 und 12 Abs 1 lit b und Abs 2 des Vergabenachprüfungsgesetzes wird dem Antrag auf Nichtigerklärung Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt.

II.             Gemäß § 24 Abs 3 und 4 des Vergabenachprüfungsgesetzes hat die Auftraggeberin der Antragstellerin jeweils die Hälfte der Gebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und für den Nachprüfungsantrag, somit insgesamt 342,50 Euro, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

Verfahrensablauf

Angefochtene Entscheidung

1.              Die Gemeinde (Auftraggeberin) hat Leistungen in einem nicht offenen Verfahren ohne Vergabebekanntmachung im Unterschwellenbereich ausgeschrieben. Fünf Bieter haben ein Angebot gelegt.

Mit Schreiben vom 12.02.2019 hat die Gemeinde die Bieter darüber informiert, dass die Firma D. als Bestbieter hervorgegangen sei und beabsichtigt sei, der Firma D. den Zuschlag zu erteilen (Zuschlagsentscheidung vom 12.02.2019).

Diese Zuschlagsentscheidung wurde der Firma H., einer Mitbieterin, am 12.02.2019 per Fax zugestellt.

Nachprüfungsantrag und Antrag auf einstweilige Verfügung

2.              Die Firma H. (Antragstellerin) hat gegen diese Zuschlagsentscheidung innerhalb der Stillhaltefrist einen Antrag auf Nichtigerklärung gemäß Vergabenachprüfungsgesetz eingebracht.

Der Nichtigerklärungsantrag lautet auszugsweise wie folgt (ohne Unterstreichungen oder Hervorhebungen):

„[…]

7.3. Ungeachtet der Festlegungen in der Ausschreibung muss die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens gegeben sein bzw ausreichen, um eine ordnungsgemäße und fristgerechte Erfüllung des Auftrages sicher zu stellen ([…]).

Ein unbehebbarer Mangel liegt insbesondere vor, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt (hier die Aufforderung zur Angebotsabgabe) die Leistungsfähigkeit als solche fehlt ([…]).

[…]

7.4. Die vorliegende Ausschreibung enthält keine Festlegungen in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit. Es gelten daher die oben in 7.2. und 7.3. beschriebenen, gesetzlichen Verpflichtungen und muss die AG (insbesondere) die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bieter dennoch prüfen. Für die nach der Angebotsöffnung vorläufige „Billigstbieterin“ ([…]) ergibt sich vor dem obigen Hintergrund und nach Einsicht in die öffentlichen Bücher Folgendes:

Der Bilanzverlust für 2017 betrug EUR 2.994.707,98. Zumindest seit 2008 erwirtschaftet die Gesellschaft ausschließlich Jahresverluste (./4). Die Geschäftszahlen für 2018 sind derzeit noch nicht einsehbar.

Aufgrund dieser Geschäftszahlen und vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Judikatur kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die AG von der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der D[…] K GmbH ausgehen durfte.

7.5. Zwischenergebnis 1

Die AG wäre verpflichtet gewesen, die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der D[…] K GmbH zu prüfen; dies hat die AG vergaberechtswidrig und zum Nachteil der Antragstellerin unterlassen. Hätte sie dies getan, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der D[…] K GmbH nicht gegeben und das Angebot der D[…] K GmbH zwingend auszuscheiden ist.

7.6. Mangelnde vertiefende Prüfung des Angebotspreises der D[…] K GmbH

[…]

7.9. Betrachtet man die Angebotspreise der Bieter, sticht sofort die Diskrepanz zwischen dem Angebotspreis der D[…] K GmbH einerseits und den anderen Angeboten andererseits ins Auge: Während das Angebot der D[…] K GmbH 16,85 % unter dem Angebot der Zweitbieterin (Antragstellerin) liegt, liegen die Angebote der Zweit-, Dritt- und Viertbieterin insgesamt nur 4,91 % (!) auseinander. […] Es ist daher augenscheinlich, dass hier der Angebotspreis der D[…] K GmbH einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweist.

[…]

7.11. Zwischenergebnis 2

Wie die obigen Ausführungen zeigen, liegen etliche begründete Zweifel an der Angemessenheit des Angebotspreises der D[…] K GmbH vor. Die AG hätte daher eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen müssen, was sie aber nicht getan hat. Hätte die AG eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt, deren Inhalt die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit der Preise und deren Maßstab die Plausibilität der Preise ist, hätte die AG zum Ergebnis kommen müssen, dass der Angebotspreis nicht plausibel und das Angebot der D[…] K GmbH gemäß § 302 Abs 1 Z 3 BVerg 2018 zwingend auszuscheiden ist. Dies ist zum Nachteil der Antragstellerin nicht erfolgt.

[…]“.

Die Antragstellerin hat daher beantragt, die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 12.02.2019 für nichtig zu erklären. Außerdem wurde beantragt, die Auftraggeberin zu verpflichten, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen.

3.              Die Antragstellerin hat zusätzlich beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge dem Auftraggeber durch einstweilige Verfügung untersagen, den Zuschlag für die Dauer dieses Nachprüfungsverfahrens zu erteilen.

Einstweilige Verfügung

4.              Mit Beschluss vom 04.03.2019 hat das Landesverwaltungsgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Der Auftraggeberin wurde untersagt, bis zur Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes über den Nichtigerklärungsantrag den Zuschlag zu erteilen.

Gegenschrift der Auftraggeberin

5.              Die Auftraggeberin hat eine Gegenschrift zum Nichtigerklärungsantrag erstattet. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht (ohne Unterstreichungen und Hervorhebungen):

„[…]

1)

Die vorliegende Ausschreibung, ihre Bewertungsvorgaben und Bewertungsabläufe sind bestandsfest, da während der Angebotsfrist von keinem Bieter dazu Rückfragen oder Einsprüche zur Ausschreibung erfolgt sind.

[…] Weiters stellte die Bieterin fest, dass für sie das gesamte Ausschreibungsverfahren passe.

[…]

Bereits mit diesem Schreiben hat die Bieterin die Richtigkeit des gesamten Verfahrens anerkannt. Sie beklagte lediglich die Finanzstrategie der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und sah darin einen Wettbewerbsnachteil, nicht jedoch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Bereits daraus ergibt sich, dass sie die Richtigkeit des gesamten Ausschreibungsverfahrens anerkannte und daher auch keine Antragslegitimation im gegenständlichen Verfahren besitzt.

Zu 7 – Eignungsprüfung

Die Auftraggeberin hat sich bereits bei der Bieterauswahl zur technischen und wirtschaftlichen Eignung der Bieter umfangreiche Gedanken gemacht und diese im AV Auswahl Vergabeverfahren und Bietervorauswahl vom 03.12.2018 festgehalten. Alle zur Angebotsabgabe eingeladenen Firmen sind der Auftraggeberin bzw deren Vertreter […] seit Längerem aus erfolgreich abgeschlossenen Projekten bekannt.

Mit allen Bietern wurden und werden von […] dem Antragsgegenstand vergleichbare Projekte für verschiedene Vorarlberger Kommunen positiv abgewickelt (auch aktuell). Die technische und wirtschaftliche Eignung konnte somit zum Zeitpunkt der Einladung zur Anbotslegung als gegeben angenommen werden.

[…]

[…] Aufgrund einer Intervention der Bieterin vom 08.02.2019 wurde VOR Zuschlagserteilung eine neuerliche Prüfung der wirtschaftlichen Eignung durchgeführt. Dies führte zu den im Akt befindlichen nachstehenden Bestätigungen:

?    ANKÖ vom 11.02.2019 und 12.02.2019 mit den Eignungsnachweisen als Bestätigung

?    BTV Bankguthaben vom 11.02.2019, Saldo per 11.02.2019 ca […]

?    KSV1870 Bewertung – Rating 292

?    I Stellungnahme zur 100 % Tochter der […] K GmbH

[…]

Die zusätzliche und vertiefte Eignungsprüfung ist vor Zuschlagserteilung erfolgt. Aufgrund des bereits ursprünglich vorhandenen sowie zusätzlich erlangten Wissens über die präsumtive Zuschlagsempfängerin und des Umstandes, dass es sich bei § 255 BVergG um eine Kann- und keine Muss-Bestimmung handelt, wurde der Zuschlag berechtigterweise an die präsumtive Zuschlagsempfängerin erteilt.

Zur mangelnden vertieften Prüfung der Angebotspreise der

präsumtiven Zuschlagsempfängerin

Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung stellte sich heraus, dass die Bestbieterin in zwei Positionen wesentliche Preisvorteile aufgrund einer von ihr eingesetzten Technik hat. Diese Technik entspricht den Vorgaben im Leistungsverzeichnis und wäre grundsätzlich von allen Bietern einsetzbar. Zur Preiskalkulation dieser Positionen wurde eine spezielle, vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wurden dazu unter anderem auch die dafür erforderlichen Detailkalkulationen angefordert.

Die Prüfung ergab, dass alle kostenrelevanten Preisanteile enthalten, plausibel und nachvollziehbar waren. […]

[…]

Zur Angemessenheit der Preise

Die Auftraggeberin, vertreten durch […] hat sich vor Versand der Ausschreibung eine Berechnung der zur erwartenden Vergabesummen erstellt. Diese liegt dem Vergabeakt bei ([…]). Daraus ist ersichtlich, dass die Vergabesumme den erwarteten Kosten entspricht.

[…]

Die von der Bieterin angeführten Preisunterschiede von rd 17 % sind zudem auch aus technischer Sicht marktüblich und zeigen den Unterschied zwischen der Marktsituation in Vorarlberg und dem angrenzenden süddeutschem Raum und den Verhältnissen östlich von Vorarlberg. […]

Die größten Preisunterschiede, die auch für die Differenz von 17 % verantwortlich sind, waren jedoch durch die durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin eingesetzte Technik bedingt, was nicht dieser, sondern höchstens der Bieterin vorgeworfen werden könnte.

[…]“.

Die Auftraggeberin hat beantragt, dem Nachprüfungsantrag keine Folge zu geben.

Begründete Einwendungen der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin

6.              Die Firma D. als in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin hat begründete Einwendungen erhoben.

Zusammengefasst hat sie vorgebracht: Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei vollständig, richtig, ausschreibungskonform und rechtmäßig. Es mangle der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht an der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit und diese Leistungsfähigkeit sei auch nachgewiesen worden. Konkrete Eignungskriterien zur Leistungsfähigkeit habe die Auftraggeberin nicht in der Ausschreibung vorgeschrieben. Somit sei eine Leistungsfähigkeit nachzuweisen, welche dem Auftragsgegenstand entspreche.

Sachverhalt

Auftragsgegenstand und Vergabeverfahren

7.              In der Gemeinde H. sollen die Kanalhaltungen (der Hauptkanal und die Straßenentwässerung) gespült und inspiziert werden; der Leitungsverlauf soll mit Koordinaten aufgenommen und in einem Plan verzeichnet werden. Außerdem soll der Hauptkanal auf seine Dichtheit überprüft werden.

Die Gemeinde (Auftraggeberin) hat diese Leistungen als Bauleistungen qualifiziert. Der Auftragswert wurde auf 980.000 Euro netto geschätzt (Unterschwellenbereich).

8.              Die Auftraggeberin hat diese Leistungen in einem nicht offenen Verfahren ohne Vergabebekanntmachung ausgeschrieben. Zu diesem Zweck hat die Auftraggeberin eine Ausschreibungsunterlage erstellt.

9.              Diese Ausschreibungsunterlage wurde mit E-Mail vom 07.12.2018 an fünf Unternehmen übermittelt. Diese Unternehmen wurden eingeladen, ein Angebot zu legen. Auch die Firma H. (Antragstellerin) und die Firma D. (präsumtive Zuschlagsempfängerin) wurden zur Angebotslegung eingeladen.

Die Antragstellerin war der Auftraggeberin und der vergebenden Stelle als leistungsfähiger Kanaldienstleister bekannt, der aufgrund seiner Firmengröße die Arbeiten umsetzen kann.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin wurde eingeladen, weil sie in einem ähnlichen Vergabeverfahren für eine andere Gemeinde als Billigstbieterin ermittelt wurde und die Arbeiten zur Zufriedenheit der Gemeinde ausgeführt hat.

10.             Eignungskriterien hat die Auftraggeberin nicht festgelegt. Vor der Einladung zur Angebotslegung hat die Auftraggeberin von keinem Unternehmen einen Eignungsnachweis verlangt.

Ausschreibungsunterlage

11.             Aus dem Deckblatt der Ausschreibungsunterlage geht ua hervor, dass es sich um ein „Nicht offenes Verfahren“ im „Unterschwellenbereich“ handelt.

Im Übrigen lautet die Ausschreibungsunterlage auszugsweise wie folgt:

„B              ANGEBOTSBESTIMMUNGEN

B 1    Für die Ausschreibung der Leistungen, für das Angebot und für das Zuschlagsverfahren gilt/gelten

das Bundesvergabegesetz 2018 (BVerG 2018 idgF) und die dazu ergangenen Verordnungen sowie das Vergabe-Rechtsschutzgesetz des Landes in der jeweils in der geltenden Fassung.

                Zuständige Vergabekontrollbehörde:

                Landesverwaltungsgericht Vorarlberg / Bundesverwaltungsgericht

                Der Auftraggeber ist ein  * öffentlicher Auftraggeber

                                                * Sektorenauftraggeber

[…]

B 8             Bietererklärungen betreffend Eignung:

Ich (wir) erkläre(n), dass alle Voraussetzungen für die Übernahme der Vertragspflichten erfüllt sind, dass ich (wir) unter Berücksichtigung aller gemäß B 7 bekanntgegebenen Unternehmen alle für die Übernahme der Leistung notwendigen Berechtigungen besitze(n), kein Ausschlussgrund gemäß § 78 (1) BVergG 2018 vorliegt und dass gemäß § 80 bzw. § 251 BVergG sämtliche im Angebot vorgegebenen Eignungskriterien spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung erfüllt sind.

Ich (wir) erklären, dass die erforderlichen Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beigebracht werden können.

Ich verpflichte mich (wir verpflichten uns), dass jeder Wechsel eines im Angebot bekannt gegebenen Subunternehmens und jeder Einsatz eines neuen, nicht in diesem Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Auftraggeber mitgeteilt wird und dass dessen/deren Einsatz bei der Ausführung des Auftrages nur nach vorheriger Zustimmung durch den Auftraggeber erfolgen wird.

Ich verpflichte mich (wir verpflichten uns) meine (unsere) Subunternehmer vertraglich zu verpflichten, jeden Wechsel eines im Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers und jeden Einsatz eines neuen, nicht in diesem Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers mitzuteilen, um die vorherige Einholung der Zustimmung des Auftraggebers zu dessen/deren Einsatz bei der Ausführung des Auftrages zu ermöglichen.

[…]

B 14 Eignungsnachweise entsprechend dem BVergG 2018 müssen, bei Bedarf über Aufforderung nachgereicht, bzw. über Mitgliedschaft beim ANKÖ, VMC oder einer vergleichbaren privatrechtlichen Zertifizierungsstelle belegt werden.

[…]“.

12.             In der Ausschreibungsunterlage wurden keine Eignungskriterien festgelegt. Auch sonst hat die Auftraggeberin in keiner Unterlage Eignungskriterien festgelegt.

Bestbieterermittlung

13.             Alle fünf eingeladenen Unternehmen haben ein Angebot gelegt. Die Angebotsöffnung fand am 11.01.2019 um 10.00 Uhr bei der vergebenden Stelle statt.

14.             Die Auftraggeberin hat von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin weitere Unterlagen angefordert, ua K7-Blätter oder die Detailkalkulation zu zwei Leistungspositionen (E-Mail vom 14.01.2019). Die Unterlagen wurden vorgelegt.

Die vergebende Stelle hat diese Positionspreise überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass der Aufwand, den die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei der Kalkulation der Preise zugrunde gelegt hat, nachvollziehbar ist und die angebotenen Preise plausibel sind.

15.             Die eingelangten Angebote wurden von einer Jury bewertet. Die Jury hat das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin (Firma D.) als bestes Angebot ermittelt. Das Angebot der Antragstellerin (Firma H.) wurde an die zweite Stelle gereiht.

Die Angebote wurden wie folgt bewertet:

 

Preis

Punkte für Preis

Punkte für Qualität

Gesamtpunkte

Firma D.

930.600,-

58,50

20,65

79,15

Firma H.

1.119.125,-

42,97

23,73

66,70

Die nachgereihten Bieter haben folgende Preise angeboten:

Bieter 3

1.147.250,-

Bieter 4

1.176.852,55

Bieter 5

1.285.700,-

Die Bewertung wurde im Juryprotokoll vom 16.01.2019 festgehalten.

16.             In weiterer Folge hat die vergebende Stelle den Prüfbericht und Vergabevorschlag vom 21.01.2019 an die Auftraggeberin übermittelt. Am 29.01.2019 hat die Gemeindevertretung die Vergabe an die präsumtive Zuschlagsempfängerin beschlossen.

Situation der Firma D. (präsumtive Zuschlagsempfängerin)

17.             Die vergebende Stelle hat – da die Antragstellerin auf die Bilanzverluste der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und auf die Aufrechterhaltung des unverfälschten Wettbewerbes hingewiesen hat – weitere Auskünfte zur wirtschaftlichen Situation der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eingeholt.

18.             Die präsumtive Zuschlagsempfängerin ist eine GmbH. Alleingesellschafterin ist die I Aktiengesellschaft, die im Alleineigentum der Stadt I. steht.

Das KSV 1870 Rating der präsumtiven Zuschlagsempfängerin beträgt 292 Punkte (Risiko: sehr gering; laut einer Auskunft vom 11.02.2019). Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat eine Bankbestätigung vorgelegt, wonach sie am 11.02.2019 über ein Bankguthaben verfügte.

Aus einer Bestätigung der Firma I (Konzernmutter) vom 11.02.2019 geht hervor, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin am Cash-Pooling ihrer Konzernmutter teilnimmt. Im Rahmen dieses Cash-Pooling steht der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ein bestimmter Betrag zur Ausleihung zur Verfügung. Die Konzernmutter nimmt in diesem Schreiben auch zur Kenntnis, dass eine später nachzureichende Patronatserklärung notwendig sein wird.

Eine Patronatserklärung der Konzernmutter für die präsumtive Zuschlagsempfängerin liegt noch nicht vor; sie wird (erst) im Auftragsfall erteilt werden. Inhalt der Patronatserklärung soll sein, dass die Konzernmutter die Durchführung des Auftrages wirtschaftlich absichert.

Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts

19.             Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Antragstellerin, die Auftraggeberin (einschließlich der vergebenden Stelle) und die präsumtive Zuschlagsempfängerin vertreten waren.

20.             Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem Vergabeakt, in dem sich insbesondere die Ausschreibungsunterlage, das Juryprotokoll sowie die von der Auftraggeberin eingeholten Unterlagen zur präsumtiven Zuschlagsempfängerin befinden (KSV-Rating; Bankauskunft vom 11.02.2019; Stellungnahme der I vom 11.02.2019; Auskunft aus dem ANKÖ; Detailkalkulation).

21.             Die Feststellungen zu den Gründen, warum die Bieter eingeladen wurden, stützen sich insbesondere auf die Ausführungen des Vertreters der vergebenden Stelle, DI G., in der mündlichen Verhandlung sowie den Aktenvermerk vom 03.12.2018, der sich im Vergabeakt befindet.

DI G. hat in der mündlichen Verhandlung auch angegeben, dass bei keinem Bieter vor der Angebotslegung Bonitätsauskünfte oder ähnliches eingeholt worden sei.

Auch die Feststellungen zur Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Angebotspreises der präsumtiven Zuschlagsempfängerin stützen sich auf die Ausführungen des DI G. in der mündlichen Verhandlung, der glaubhaft anhand der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgelegten Kalkulationen dargelegt hat, dass die Annahmen, die der Kalkulation zugrunde gelegt wurden, plausibel seien.

An der Richtigkeit dieser Ausführungen des DI G. sind beim Landesverwaltungsgericht keine Zweifel entstanden.

22.             Unstrittig ist, dass in der Ausschreibungsunterlage keine Eignungskriterien angeführt worden sind. Auch sonst findet sich im Vergabeakt kein Hinweis auf die Festlegung von Eignungskriterien.

Maßgebliche Rechtsvorschriften

23.             Das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65/2018, lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

22.  Kriterien:

c)   Eignungskriterien sind die vom Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehenden und zu diesem verhältnismäßigen Mindestanforderungen betreffend die Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit (Eignung) an den Bewerber oder Bieter, die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nachzuweisen sind.

[…]

Grundsätze des Vergabeverfahrens

§ 193. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

[…]

[…]

Allgemeine Bestimmungen

§ 248. (1) Der Sektorenauftraggeber hat für die Durchführung eines Vergabeverfahrens objektive Eignungskriterien festzulegen, die allen interessierten Unternehmern zugänglich sein müssen.

(2) Ein Unternehmer, der die gemäß Abs. 1 festgelegten Eignungskriterien nicht erfüllt, ist vom Vergabeverfahren auszuschließen.

[…]

Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung

§ 250. Unbeschadet des § 194 Abs. 1 muss die Eignung spätestens

3.   beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe,

vorliegen.

Eigenerklärung, Verlangen der Nachweise durch den Sektorenauftraggeber

§ 251. (1) Der Sektorenauftraggeber hat festzulegen, mit welchen Nachweisen ein Unternehmer, der an einem Vergabeverfahren teilnimmt, seine

     1. berufliche Befugnis,

     2. berufliche Zuverlässigkeit,

     3. finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie

     4. technische Leistungsfähigkeit

zu belegen hat. Nachweise dürfen nur so weit festgelegt werden, wie es durch den Gegenstand des Auftrages sachlich gerechtfertigt ist. Falls erforderlich und sofern dies sachlich gerechtfertigt ist, kann der Sektorenauftraggeber besondere Festlegungen treffen, wie Arbeits- und Bietergemeinschaften die Anforderungen an die Eignung zu erfüllen haben.

[…]

Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen sowie der technischen Leistungsfähigkeit

§ 255. (1) Als Nachweis für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemäß § 251 Abs. 1 Z 3 kann der Sektorenauftraggeber insbesondere die Nachweise gemäß Anhang X verlangen.

(2) Kann ein Unternehmer aus einem von ihm glaubhaft zu machenden berechtigten Grund die vom Sektorenauftraggeber geforderten Nachweise nicht beibringen, so kann er den Nachweis seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Vorlage jedes anderen vom Sektorenauftraggeber für geeignet erachteten Nachweises erbringen.

[…]“.

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

24.             Die Gemeinde H. ist ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 4 Abs 1 Z 1 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018). Soweit sie eine Sektorentätigkeit ausübt, ist sie öffentliche Sektorenauftraggeberin (vgl. § 166 BVergG 2018).

Das Vergabeverfahren, das dem Vergabenachprüfungsverfahren zugrunde liegt, fällt gemäß Art 14b Abs 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes.

Das Landesverwaltungsgericht ist daher für die Behandlung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages zuständig (vgl. § 1 Abs 1 Vergabenachprüfungsgesetz).

Antragslegitimation

25.             Der von der Auftraggeberin ausgeschriebene Auftrag unterliegt dem BVergG 2018. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie ein Interesse an diesem Auftrag hat und dass sie durch die behauptete Rechtswidrigkeit einen Schaden zu erleiden droht. Sie ist daher antragslegitimiert (vgl. § 3 VergabeNPG). Da auch sonst keine Unzulässigkeitsgründe vorliegen, ist der Nachprüfungsantrag zulässig.

26.             Die Auftraggeberin hat auf eine E-Mail der Antragstellerin vom 13.02.2019 hingewiesen, in der Antragstellerin ua mitteilt, dass für sie das gesamte Ausschreibungsverfahren passe.

Diese E-Mail ist kein Rechtsmittelverzicht und macht den Nachprüfungsantrag nicht unzulässig, zumal die Antragstellerin in dieser E-Mail auch einen Wettbewerbsnachteil anspricht und sich weitere Schritte vorbehält. In dieser E-Mail verzichtet die Antragstellerin auch nicht darauf, bestimmte Rechtswidrigkeiten (z.B. fehlende Eignungskriterien), in einem Nachprüfungsverfahren nicht geltend zu machen.

Bestandsfeste Ausschreibungsunterlage

27.             Die Auftraggeberin hat eine Ausschreibungsunterlage erstellt, auf deren Grundlage die Bieter ihre Angebote erstellt haben. In der Ausschreibungsunterlage wurde ua festgelegt, dass die Auftraggeberin als Sektorenauftraggeberin tätigt wird und ein nicht offenes Verfahren ohne Vergabebekanntmachung im Unterschwellenbereich durchführt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass diese Ausschreibungsunterlage, die eine gesondert anfechtbare Entscheidung ist (vgl. § 2 Z 15 lit a BVergG 2018), nicht angefochten wurde. Sie wurde damit bestandsfest. Sowohl die Auftraggeberin als auch die Bieter sind an die Festlegungen in der bestandskräftigen Ausschreibungsunterlage gebunden. Die bestandsfeste Ausschreibungsunterlage ist den weiteren Entscheidungen zugrunde zu legen.

Fehlende Eignungskriterien – keine Zuschlagserteilung möglich

28.             Eine Vergabe darf nur an geeignete Bieter erfolgen (vgl. § 193 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018).

Ein Sektorenauftraggeber hat für die Durchführung eines Vergabeverfahrens objektive Eignungskriterien festzulegen, die allen interessierten Unternehmern zugänglich sein müssen (vgl. § 248 Abs 1 BVergG 2018). Eignungskriterien sind Mindestanforderungen, die an die Eignung der Bewerber oder Bieter gestellt werden (vgl. § 2 Z 22 lit c BVergG 2018).

Ohne Eignungskriterien kann die Eignung eines Bieters nicht festgestellt werden, weil nicht feststünde, welchen Anforderungen die Bieter genügen müssen. In diesem Fall kann auch kein Zuschlag erteilt werden, weil der Zuschlag nur an einen geeigneten Bieter erfolgen darf, was die Feststellung der Eignung voraussetzt (vgl. OGH 8.7.2008, 4Ob98/08b).

29.             Die Auftraggeberin hat in der Ausschreibungsunterlage keine Eignungskriterien festgelegt. Es gibt auch im Vergabeakt keine allen Bietern zugängliche Unterlage, die Eignungskriterien enthält.

Eine Zuschlagserteilung ist daher nicht möglich, weil mangels Eignungskriterien nicht festgestellt werden kann, welche Anforderungen an die Eignung der Bieter gestellt werden und ob die Bieter diese Anforderungen erfüllen.

30.             Dass die Ausschreibungsunterlage bestandsfest wurde, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Situation ist mit jenem Fall vergleichbar, in dem in einer bestandsfesten Ausschreibungsunterlage keine Zuschlagskriterien festgelegt worden sind. Mangels zulässiger Zuschlagskriterien ist eine Ermittlung des Bestbieters nicht möglich (vgl. VwGH 01.10.2008, 2004/04/0237). Dasselbe muss gelten, wenn in der Ausschreibungsunterlage mangels Eignungskriterien keine Eignungsprüfung möglich ist (vgl. BVA vom 11.12.2007, N/0104-BVA/09/2007-042).

31.             Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.05.2005, 2004/04/0094, auf welche die präsumtive Zuschlagsempfängerin hingewiesen hat, ist nicht vergleichbar, weil dort bereits in der Bekanntmachung bzw. in der Ausschreibung Kriterien für die Eignung angeführt waren. Die damalige Auftraggeberin war daher befugt, für die bereits in der Bekanntmachung bzw. in der Ausschreibung genannten Kriterien für die Eignung konkrete Nachweise zu verlangen, obwohl in der bestandsfesten Ausschreibung keine konkreten Nachweise gefordert wurden.

32.             Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat vorgebracht, es sei eine Leistungsfähigkeit nachzuweisen, die dem Auftragsgegenstand entspreche, wenn die Auftraggeberin in der Ausschreibung keine konkreten Eignungskriterien vorgeschrieben habe.

Diese Auffassung wird nicht geteilt:

Eignungskriterien müssen immer dem Ausschreibungsgegenstand entsprechen. Andernfalls wären sie unverhältnismäßig und unzulässig. Auch Eignungsnachweise dürfen nur soweit verlangt werden, wie es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist (vgl. § 251 Abs 1 BVergG 2018).

Dennoch hat der Gesetzgeber angeordnet, dass der Auftraggeber konkrete Mindestanforderungen an die Eignung festlegen muss. Der Gesetzgeber hat sich nicht mit einer allgemeinen Regelung begnügt, wonach die Leistungsfähigkeit dem Auftragsgegenstand entsprechen muss. Erst durch die Festlegung von konkreten Eignungskriterien wird die Entscheidung des Auftraggebers, ob ein Bieter geeignet ist, transparent und nachvollziehbar.

Es gibt daher keinen Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Zweifelsregelung angewendet wissen will, wenn der Auftraggeber seiner Verpflichtung zur Festlegung von Eignungskriterien nicht nachkommt.

33.             Eine nachträgliche Bekanntgabe der Eignungskriterien genügt nicht:

Beim nicht offenen Verfahren ohne Vergabebekanntmachung muss die Eignung bereits zum Zeitpunkt der Einladung zur Angebotslegung vorliegen. Die Eignung darf in weiterer Folge nicht mehr verloren gehen.

Der Auftraggeber muss die Eignungskriterien bereits zu diesem Zeitpunkt festgelegt haben. Bei einer späteren Festlegung wäre die Gleichbehandlung der Bieter nicht gewährleistet. Der Auftraggeber könnte die Eignungskriterien im Nachhinein so festlegen, dass ein bestimmter Bieter ausgeschieden werden muss, oder dass ein Bieter, der in Wirklichkeit nicht geeignet ist, am Vergabeverfahren weiterhin teilnehmen darf.

Es genügt daher nicht, wenn in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wird, welche Anforderungen an den Jahresumsatz oder die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte gestellt werden.

34.             Die Auftraggeberin hat Unternehmer zu Angebotslegung eingeladen, die ihr als zuverlässig bekannt waren. Auf die Vorlage von Eignungsnachweisen wurde zunächst verzichtet.

Dies erübrigt nicht die Festlegung von Eignungskriterien: Nur wenn die Auftraggeberin die Mindestanforderungen bekannt gibt, die sie an die „Zuverlässigkeit“ (die Eignung) stellt, ist die Entscheidung, ein eingeladenes Unternehmen als „zuverlässig“ (geeignet) anzusehen, transparent und nachprüfbar.

35.             Dass in der Ausschreibungsunterlage (Punkte B8 und B14) eine Eigenerklärung der Bieter und allgemein die Vorlage von Eignungsnachweisen gemäß dem Bundesvergabegesetz 2018 bei Bedarf über Aufforderung vorgesehen ist, kann die Festlegung von Eignungskriterien ebenfalls nicht ersetzen.

Die Eignungsnachweise dienen dazu, die Erfüllung der Eignungskriterien nachzuweisen. Sie setzen die Festlegung von Eignungskriterien voraus. So erklären die Bieter in der Eigenerklärung, die in der Ausschreibungsunterlage angeführt ist, u.a. dass „sämtliche im Angebot vorgegebenen Eignungskriterien spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung erfüllt sind“. Ohne vorgegebene Eignungskriterien geht diese Eigenerklärung ins Leere.

Im Übrigen ist die Eigenerklärung so abgefasst, dass die Bieter lediglich erklären, dass die Eignungskriterien spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung erfüllt sind. Beim nicht offenen Verfahren ohne Bekanntmachung muss die Eignung aber bereits bei Einladung zur Angebotslegung gegeben sein, sodass mit der in der Ausschreibungsunterlage vorgesehenen Eigenerklärung die Eignung nicht ausreichend nachgewiesen wird.

36.             Gemäß § 12 Abs 1 lit b des Vergabenachprüfungsgesetzes ist das Landesverwaltungsgericht bis zum Zuschlag oder Widerruf zuständig, Entscheidungen des Auftraggebers für nichtig zu erklären.

Gemäß § 12 Abs 2 leg cit darf eine Entscheidung nur dann für nichtig erklärt werden (Abs 1 lit b), wenn sie wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens hat.

Die Entscheidung des Auftraggebers steht auf Grund der im obigen Punkt dargelegten Ausführungen im Widerspruch zu den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes. Weiters hat diese Entscheidung zwangsläufig wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens. Die Entscheidung des Auftraggebers war daher für nichtig zu erklären.

Angemessenheit der Preise; Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin

37.             Auf die Frage, ob der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angemessen ist, muss im Hinblick auf die obigen Ausführungen nicht mehr eingegangen werden.

38.             Dasselbe gilt im Hinblick auf die Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Dazu wird aber folgendes angemerkt:

Ausschlaggebend für die Einladung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin war der Umstand, dass sie in der Marktgemeinde W. einen vergleichbaren Auftrag zur Zufriedenheit der Gemeinde W. bearbeitet. Gleichzeitig wurde ausgeführt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin in der Marktgemeinde W. einen laufenden Auftrag übernommen habe und in weiterer Folge die Konzernmutter, die I, nach Gesprächen bestätigt habe, die Auftragserfüllung in der Marktgemeinde W. abzusichern.

Auch in diesem Verfahren hat die Auftraggeberin die Absicht, eine Patronatserklärung zu verlangen, in der die Konzernmutter die Erbringung der Leistung durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin absichert.

Wenn aber die Auftraggeberin der Meinung ist, dass ohne eine solche Patronatserklärung die wirtschaftliche Eignung nicht ausreichend gegeben ist, dann hätte diese Patronatserklärung – oder zumindest die Zusage, eine solche im Auftragsfall auszustellen – bereits bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorliegen müssen, weil die Eignung bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegen muss.

Gebühren

39.             Gemäß § 24 Abs 3 Vergabenachprüfungsgesetz hat der Auftraggeber dem Antragsteller die Hälfte der Gebühr für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu ersetzen, wenn das Landesverwaltungsgericht die einstweilige Verfügung erlassen hat, der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren auch nur teilweise obsiegt und das Landesverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, dass der Antragsteller auch bei rechtmäßigem Verhalten keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs 4 Vergabenachprüfungsgesetz hat der Auftraggeber dem Antragsteller die Hälfte der Gebühr für einen Nachprüfungsantrag zu ersetzen, wenn der Antragsteller auch nur teilweise obsiegt und das Landesverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, dass der Antragsteller auch bei rechtmäßigem Verhalten keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.

Im gegenständlichen Fall hat der Antragsteller für seinen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung 155 Euro und für seinen Nachprüfungsantrag 530 Euro an Gebühren, somit insgesamt 685 Euro, entrichtet. Zufolge der obzitierten Bestimmungen war daher dem Auftraggeber vorzuschreiben, dass er die Hälfte dieser Gebühren dem Antragsteller zu ersetzen hat.

Unzulässigkeit der Revision

40.             Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Vergaberecht, Eignungskriterien, nicht offenes Verfahren ohne Vergabebekanntmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2019:LVwG.314.1.2019.R11

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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