TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W135 2206356-1

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §3

Spruch

W135 2206356-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.08.2018, GZ: 114-611135-005, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer brachte am 20.07.2017 einen Antrag auf Pflegezulage nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) und 27.02.2018 weiters einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) ein. Den Anträgen des Beschwerdeführers liegt eine Straftat zugrunde, die sich am 06.12.1994 ereignet hatte.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.07.1997, XXXX , wurde der Täter R. L. bezogen auf den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Fall StGB rechtskräftig verurteilt.

Mit angefochtenem Bescheid vom 09.08.2018 wies die belangte Behörde - nach Gewährung eines entsprechenden Parteiengehörs mit Schreiben vom 10.07.2018 - den Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 6 VOG (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 VOG (Spruchpunkt II.) mangels Vorliegen einer Vorsatztat ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2018 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Beschwerdeführer erlitt am 06.12.1994 eine schwere Körperverletzung durch R. L.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.07.1997, XXXX , wurde der Täter R. L. bezogen auf den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Fall StGB rechtskräftig verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.07.1997, XXXX , und das Urteil des OGH vom 09.07.1997, 14 Os 129/97-8, mit welchem der gegen das Urteil des Landesgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge gegeben wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Verbrechensopfergesetzes (VOG), lautet:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

...

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde."

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.07.1997, XXXX , wurde der Täter R.L. bezogen auf den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Fall StGB rechtskräftig verurteilt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt die materielle Rechtskraft des Schuldspruches eines Strafurteiles, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht daher eine Bindung der Verwaltungsbehörde in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtliche Verurteilung wird in einer für die Verwaltungsbehörde bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist damit nicht mehr zulässig, diese ist verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Eine eigenständige Beurteilung durch die Behörde ist nur im Falle eines freisprechenden Urteils vorzunehmen (zuletzt VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0009, bzgl VOG VwGH 21.08.2014, 2013/11/0251). Von dieser Bindungswirkung umfasst sind auch die innere Tatseite (zuletzt VwGH 09.09.2014, Ra 2014/09/0014) sowie die tatsächlichen Feststellungen, auf denen der Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (VwGH 18.11.2003, 97/14/0079).

Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes beruht nicht auf Auslegung des Materiengesetzes, sondern auf der Bedeutung der materiellen Rechtskraft für die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz. Außerdem käme es einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch eine Verwaltungsbehörde gleich, wenn diese vom Strafurteil abweichen würde (VwGH 18.11.2003, 97/14/0079).

Auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.08.2014, 2013/11/0251, wonach die Behörde, so nicht eine bindende strafgerichtliche Entscheidung vorliegt, eine eigenständige, auf Feststellungen gegründete und schlüssige Beurteilung vorzunehmen hat, kann geschlossen werden, dass rechtskräftigen Strafurteilen auch im Bereich des VOG Bindungswirkung zukommt.

Im Fall des Beschwerdeführers war daher jener Sachverhalt heranzuziehen, welchen das Landesgericht für Strafsachen Wien dem rechtskräftigen Urteil vom 04.07.1997, XXXX , zugrunde gelegt hat. Demnach hat R. L. in Überschreitung der Putativnotwehr unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig - nicht aber vorsätzlich - schwer am Körper verletzt.

Da der Täter rechtskräftig wegen eines Fahrlässigkeits- und nicht eines Vorsatzdeliktes verurteilt wurde, liegt im Fall des Beschwerdeführers nicht das Tatbestandselement einer Vorsatztat gemäß § 1 Abs. 1 VOG vor und es war die Beschwerde daher abzuweisen.

2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt ist aufgrund der unbedenklichen Aktenlage geklärt. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Fahrlässigkeit, Körperverletzung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W135.2206356.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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