TE Dok 2019/2/21 W 6 -DK VII/2016

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Veröffentlicht am 21.02.2019
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Norm

BDG 1979 §43a
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Beschädigung von Posteigentum, ungebührliches Verhalten, aggressives Verhalten, Gefährdung von Kollegen und Vorgesetzten, Weisungsverstoß, Betretungsverbot, Verweis

Text

D I S Z I P L I N A R E R K E N N T N I S

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Mag. Friedrich PAUL als Senatsvorsitzenden sowie MR Mag. Felix Kollmann und ADir Franz Weninger als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV nach der am 21. Februar 2019 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin MR Mag. Ursula BACHMAIR, MBA und des Beschuldigten NN durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

NN

Vorverteildienst im Briefzentrum X,

seit 22. März 2016 vom Dienst freigestellt,

ist

s c h u l d i g.

Er hat als Mitarbeiter des Vorverteildienstes im Briefzentrum X

1.   am 3. März 2016, während eines vom Leiter des Briefzentrums X geführten Mitarbeitergespräches, das mit der Innenseite nach außen getragene Poloshirt der Österreichischen Post AG demonstrativ ausgezogen,

2.   am 4. März 2016 das Polo-Shirt der Österreichischen Post AG und damit einen Bestandteil seiner Dienstkleidung vorsätzlich zerschnitten und dem Leiter des Briefzentrums Wien mit einem Durchschlag eines Kassenausgang-Beleges mit dem Vermerk „Laibchen als Vorleistung, in Erwartung das bis 18.3.2016 Ruhe einkehrt. Mit besten Dank“, wortlos übergeben,

3.   am 1. März 2016 lautstark sowie am 4. März 2016 schriftlich gegenüber seinen direkten Vorgesetzten, z.B. durch die Anrede „Aufseher“, gegen die unternehmensinterne Vorgabe einer wertschätzenden Kommunikation und eines achtungsvollen Umganges mit Vorgesetzten verstoßen,

4.   das am 23. März 2016 von seinem Vorgesetzten schriftlich erteilte und für das gesamte Betriebsgelände des Briefzentrums Wien gültige Betretungsverbot, zumindest am 29. März 2016 sowie am 5. April 2016 missachtet, indem er sich an beiden Tagen um ca. 7:30 Uhr am Betriebsgelände aufhielt sowie

5.   zumindest am 29. März 2016 und am 5. April 2016 die von der Personalstellenleiterin des Briefzentrums am 29. März 2016 erteilte Weisung, den Betriebsbus während der Zeit seiner Dienstfreistellung nicht zu benützen, nicht befolgt, sondern das Betriebsgelände mit dem Betriebsbus verlassen.

NN hat damit die Pflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, nämlich

seinen Vorgesetzten und Arbeitskollegen mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen und dabei Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind (§ 43a BDG 1979) ,

seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs. 1 BDG 1979)

sowie

in seinem gesamten Verhalten auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben Bedacht zu nehmen (§ 43 Abs. 2 BDG 1979),

schuldhaft verletzt und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.

Es wird daher über ihn gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 die

Disziplinarstrafe des

Verweises

verhängt.

Gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 wird festgehalten, dass keine Verfahrenskosten zu ersetzen sind.

Hingegen wird NN gemäß § 118 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 von den Vorwürfen, er habe

1.   am 1. März 2016, obwohl sich auf der Sortierfläche bereits genügend Sortiermaterial befand, durch unzweckmäßiges Herbeiführen von weiteren Sendungen mit Hilfe eines Containers, anstatt wie vorgesehen mit einem kleinen Wagen, nicht nur die betriebliche Zusammenarbeit mit anderen Sortierkräften gestört, sondern auch die eigene Sortierleistung unverhältnismäßig verzögert,

2.   am 2. März 2016 um 9:30 Uhr, somit während der Dienstzeit, vor den Kartierkästen sitzend, Zeitung gelesen, statt Kartierarbeiten durchgeführt,

3.   am 3. März 2016, neben einer Palette mit Kartiermaterial sitzend, weder Sendungen zwecks Zuführung zu den Kartierkästen von der Palette abgeladen, noch Sendungen auf seinem Arbeitsplatz einkartiert,

freigesprochen.

B e g r ü n d u n g

NN, geboren am 18. April 1958, ledig, steht seit xx.xx.1973 im Postdienst und wird im Briefzentrum Wien als Vorverteildienst verwendet. Mit xx.xx.1980 wurde er zum Beamten ernannt.

NN wurde mit Schreiben des Personalamtes Wien vom 22. März 2016 bis auf Weiteres vom Dienst freigestellt. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstgebers wurde von der Dienstbehörde, gleichzeitig zur Dienstfreistellung, die Erstellung eines psychiatrischen Fachgutachtens in Auftrag gegeben, das am 3. August 2016 bei der Dienstbehörde einlangte.

Aus dem fachärztlichen Gutachten geht hervor, dass beim Beamten eine psychische Erkrankung vorliegt, vor allem „im Sinne einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoider Reaktionsbereitschaft.“

Die plötzlichen Aggressionsausbrüche seien auf die oben genannte Grunderkrankung zurückzuführen. So sei eine Gefährdung für Kollegen und Vorgesetzte „vor allem durch verbale Entgleisung sowie erhöhtes Aggressionspotenzial begründet.“

Zum von der Dienstbehörde erhobenen Sachverhalt:

NN arbeitete zuletzt im Briefzentrum Wien in der Vorsortierung. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte, die in Paletten bzw. Containern angelieferten Postsendungen für die Leitbezirke X und X zu sortieren und einzufächern. Er übte diese Tätigkeit gemeinsam mit vier anderen Vorverteilkräften aus, wobei in einer Reihe drei MitarbeiterInnen nebeneinander vor den Kartierkästen stehen und in der genüberliegenden Reihe zwei MitarbeiterInnen. Die Reihen mit den Kartierkästen stehen in einem solchen Abstand zueinander, dass dazwischen sowohl kleine als auch große Wagen mit Kartiermaterial Platz finden. Ebenso kann auch mit großen Briefbehälter-Rollwagen (BBRW) in den Zwischenraum eingefahren werden. Dies ist auch möglich, wenn bereits andere Wagen („Silberpfeile“) auf der Kartierfläche stehen. Platztechnisch ist es jedoch nicht möglich, gleichzeitig ganze Palletten und zusätzliche BBRW, oder beliebig viele Wagen in den Zwischenraum abzustellen. Der Arbeitsablauf ist so vorgesehen, dass von den auf den Stellflächen abgestellten Paletten bzw. Containern das in Bünden angelieferte Kartiermaterial auf kleine Wagen (Silberpfeile) umgeladen wird, und diese dann zu den Kartierkästen geführt werden.

Am 1. März 2016 habe NN mit einem Container in den zwischen den Kartierkästen befindlichen Zwischenraum einfahren wollen. Da am Eingang der Kartierfläche jedoch bereits seine Kollegin, W., einen BBRW-Wagen mit Kartiermaterial stehen hatte und kartierte, sei zum damaligen Zeitpunkt ein Einfahren mit einem weiteren großen Wagen nicht möglich gewesen. Da NN von seinen Kolleginnen bereits mehrmals gebeten wurde, aus Platzgründen nicht mit den Containern einzufahren, sei W. mit ihrem BBRW nicht weggefahren und habe diesen festgehalten. Danach sei NN unzweckmäßig (umständlich und unnotwendig) mit seinem Kartiermaterial hinter die Kartierkästen gefahren und habe das Kartiermaterial von hinten in die Fächer geladen – nach den Worten des Beamten in der niederschriftlichen Einvernahme vom 22. März 2016 „gestopft“ – sei wieder zur Vorderseite der Kartierkästen gegangen, habe das eingelagerte Material aus den Fächern entnommen und mit der Sortierung begonnen.

Wie NN in der Einvernahme vom 22. März 2016 selbst angab, sei diese Vorgangsweise zeitaufwendig, weshalb er auch nur weniger Material habe sortieren können.

NN hätte – so wie andere Vorsortierkräfte – das Kartiermaterial bei der Stellfläche auf die dafür vorgesehenen kleinen Wagen umladen sollen, um anschließend problemlos und ohne Zeitverlust zu den Kartierkästen zufahren zu können. Trotz Festhalten ihres BBRW durch die Arbeitskollegin W., wäre eine Zufahrt nach Abarbeitung des auf dem BBRW befindlichen Materials auf jeden Fall wieder möglich gewesen. Es bestand somit kein Grund, die umständliche Vorgangsweise in den nächsten Tagen fortzusetzen bzw. sich wie an den nächsten Arbeitstagen, am 2. und 3. März 2016, kein Material zur Sortierung zu holen und Zeitung zu lesen, statt zu sortieren.

Da das Verhalten NNs von seinen Vorgesetzten praktisch als Arbeitsverweigerung gewertet wurde, führte der Zentrumsleiter, H., am 3. März 2016 mit dem Beamten ein Mitarbeitergespräch. In diesem wurde der Beamte, unter anderem, ersucht, gegenüber Kollegen und Führungskräften ein normales und verträgliches Verhalten an den Tag zu legen. Überdies wurde er aufgefordert, die Polo-Shirts der Österreichischen Post AG nicht immer verkehrt (d.h. mit der Innenseite nach außen) zu tragen. Als Reaktion darauf zog NN das verkehrt getragene Poloshirt vor dem Zentrumsleiter aus und blieb im Unterhemd sitzen. Weiters habe der Beamte gegenüber dem Zentrumsleiter angegeben, dass seine Mutter und er „die Post hassen“ würden.

 

Am nächsten Tag habe NN dem Zentrumsleiter wortlos in einem Plastiksack sein zerschnittenes Post-Poloshirt übergeben. Dabei lag ein Zettel mit der Aufschrift “Laibchen als meine Vorleistung, in Erwartung das bis 18.3.2016 Ruhe einkehrt.“

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 22. März 2016 erklärte NN im Wesentlichen, dass er durch seine Arbeitskollegin W. an der Sortierarbeit gehindert worden sei und deshalb sein Material umständlich von hinten heranführen habe müssen. W. würde aber von den Vorgesetzten geschützt werden. Das Poloshirt habe er verkehrt angezogen, weil er für die Post keine Werbung machen wolle. Er hätte mit dem Zentrumsleiter ausgemacht, dass er ihm das Post-Shirt zur Entsorgung bringen würde. Um alles ordnungsgemäß zu übergeben, habe er beim Poloshirt zu Hause alles, was auf die Post hindeuten würde, herausgeschnitten. Außerdem würde er das T-Shirt nicht als Dienstkleidung ansehen, weil es anlässlich der Personalvertretungswahlen 2014 von der Gewerkschaft ausgeteilt worden wäre.

Seit seinem Disziplinarverfahren, welches „kein Benehmen der Behörde“ gewesen sei, wolle er „mit diesem Verein (gemeint ist die Post) nichts mehr zu tun haben“. Er habe Betreuungspflichten für seine 86-jährige Mutter. Die Post AG habe dafür kein Verständnis und sei nicht in der Lage, ihm einen Arbeitsplatz in Wohnnähe zu schaffen. Sein derzeitiger Arbeitsplatz sei jedoch grundsätzlich in Ordnung, das Umfeld passe jedoch nicht.

Das oben dargestellte Verhalten des Beamten (Ausziehen der Oberbekleidung vor dem Leiter des Briefzentrums, Zerschneiden von Dienstkleidung, aggressive Aussagen über den Dienstgeber, Anreden der Vorgesetzten mit „Aufseher“, etc.) stelle nach Ansicht der Dienstbehörde nicht nur ein Sicherheitsrisiko dar, sondern belaste auch das Betriebsklima in äußerst negativer Weise. Die tägliche Zusammenarbeit mit seinen unmittelbaren Kolleginnen und Kollegen, sein Umgang mit den Vorgesetzten und der durch sein Verhalten hervorgerufene hohe Zeitaufwand seiner Vorgesetzten für Kontrollen, Protokollierungen und Gespräche seien derart belastend, dass eine weitere Belassung NNs im Dienst aus Sicht der Dienstbehörde nicht mehr zumutbar war. Dazu komme, dass der Beamte zumindest in der Zeit vom 1. bis zum 3. März 2016 auch keine zufriedenstellende Arbeitsleistung erbracht habe und eine Fortsetzung seiner „teilweisen Arbeitsverweigerung“ nicht nur das Betriebsklima weiter verschlechtern würde, sondern auch aufgrund der geringen Produktivität seiner Arbeit einen Schaden für das Unternehmen bedeuten würde.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Disziplinaranzeige des Personalamtes Wien vom 5. August 2016, der niederschriftlichen Einvernahme von NN vom 22. März 2016, der Einvernahme der Zeuginnen W. und L. vom 13. April 2016, den Berichten der Personalleitung des Briefzentrums Wien vom 7. März 2016, 23. März 2016 und 5. April 2016, dem nervenärztlichen Fachgutachten vom 20. Juni 2016 sowie den SAP-Ausdrucken.

Zu den Anschuldigungspunkten stellte die Dienstbehörde fest, dass das ordnungsgemäße, zweckmäßige und zügige, zumindest den Standards entsprechende, Kartieren von Postsendungen, zweifellos zu den grundlegendsten Pflichten eines Mitarbeiters im Vorverteildienst gehöre. Aufgrund etwaiger Verzögerungen in der Weiterleitung und Zustellung von Sendungen drohe durch ein derartiges Verhalten letztlich die nachhaltige Schädigung des Images des Dienstgebers beim Kunden.

Die Befolgung der ureigensten Arbeitspflichten – insbesondere die Einhaltung von Vorgaben bezüglich der korrekten Kartierung von Postsendungen – seien Kernpflichten eines Beamten und Grundvoraussetzung, dass ein Dienstbetrieb ungehindert ablaufen könne.

Ein wertschätzender Umgangston gegenüber seinen Vorgesetzten und unter den KollegInnen sei nicht nur eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren von Arbeitsabläufen, in denen mehrere MitarbeiterInnen eingebunden sind, sondern würde vom Unternehmen von jedem/r MitarbeiterIn ausdrücklich verlangt und eingefordert. Auch würden die konkreten Handlungen und Unmutsäußerungen des Beamten ein Verhalten darstellen, welches nicht der Unternehmenskultur entspreche, sondern im Hinblick auf einen geregelten Arbeitsablauf und ein positives Betriebsklima nicht hingenommen werden könne.

Das Hauptziel des § 43a BDG 1979 wäre in erster Linie die Vermeidung einer konfliktbelasteten Kommunikation am Arbeitsplatz und die Ahndung von zwischenmenschlichem Fehlverhalten. Voraussetzung für eine disziplinarrechtliche Bestrafung sei, dass „die menschliche Würde eines Kollegen oder Vorgesetzten verletzt“ oder die dienstliche Zusammenarbeit und damit der Betriebsfriede „ernstlich gestört“ wäre.

Die von NN getätigten Handlungen und Äußerungen würden überdies den geltenden und verbindlichen Unternehmenswerten (Code of Conduct, Compliance-Richtlinie der Österreichischen Post AG, Organisations-Vorschrift 02/2010, in der jeweils geltenden Fassung), wonach für alle Mitarbeiter ein wertschätzender Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen festgelegt wurde, in krasser Weise widersprechen.

Auch wenn einzelne Äußerungen sowie Gesten und Handlungen des Beamten gegebenenfalls als milieubedingte Unmutsäußerungen oder als aus der Emotion entstandene Übertreibungen bewertet werden können, hätte es dem Beamten klar sein müssen, dass sein fortgesetztes Verhalten als unerwünscht, belästigend und brüskierend empfunden wird. Bei einem derart unangemessenen und provokanten Verhalten käme es primär darauf an und ist damit rechtlich maßgeblich, wie die Äußerungen auf die Betroffenen bzw. andere MitarbeiterInnen der Dienststelle gewirkt haben.

Die Befolgung dienstlicher Anordnungen – insbesondere die Einhaltung von konkreten Weisungen bezüglich des Betretungsverbotes und der Benützung des Betriebsbusses – stelle ebenso eine der Kernpflichten eines Beamten dar und wäre eine Grundvoraussetzung, dass ein Dienstbetrieb mit zahlreichen MitarbeiterInnen und Dienststellen reibungslos funktionieren könne.

Die Unterstützung seiner Vorgesetzten und die damit verbundene Befolgung von dienstlichen Anordnungen wären somit eine wesentliche Voraussetzung für einen ungestörten und ungehinderten Betriebsablauf (§ 44 Abs. 1 BDG 1979).

Der Senat hat dazu erwogen:

Zur subjektiven Tatseite:

Im Zuge der zwei Disziplinarverhandlungen am 14. Dezember 2018 und 21. Februar 2019, die naturgemäß die innere Tatseite des Beschuldigten im Fokus hatten, gelang es phasenweise zu dem Beschuldigten durchzudringen. Dabei verstand es der Beschuldigte, den Senat davon zu überzeugen, dass er prinzipiell das Bestreben hat/hatte, eine positive Arbeitsleistung zu erbringen, er aber sich durch mehrere Jahre zurückliegende Kränkungen, des darauf zurückführenden Misstrauens, der gelebten Aggressivität und seiner damit einhergehenden Verhaltensauffälligkeit bzw. Unverträglichkeit selbst dabei im Wege steht.

Insgesamt sind für den Senat die vorgebrachten Führungsprobleme der unmittelbaren Vorgesetzten gut nachvollziehbar, da die lautstark vorgetragenen, stark ausgeprägten Meinungspositionen, die mit ungewöhnlicher Beharrlichkeit vorgebracht werden, eine Interaktion kaum zulassen. Dabei dürfte dem eingeholten Facharztgutachten folgend, eine psychische Erkrankung diese Verhaltensauffälligkeiten zumindest zu einem großen Teil bewirken. Da der Bedienstete aber in der Lage war, dem Verhandlungsgang zu folgen, immer am letzten Stand der „Diskussion“ war und aus den Antworten geschlossen werden kann, dass es ihm bei seinem Verhalten oft darum ging, zu provozieren, ist von einer eingeschränkten, aber noch bestehenden Schuldfähigkeit auszugehen.

Zur objektiven Tatseite:

Zu den Anschuldigungspunkten den 1. bis 3. März betreffend, wonach NN die ordnungsgemäße Abarbeitung der zu kartierenden Sendungen behindert habe, gab der Beschuldigte an, dass er deshalb sitzend und Zeitung lesend vorgefunden wurde, da er den Pausengang der Kollegin abwarten wollte, um danach neues Material ohne Streitigkeiten heranführen zu können. Die Verarbeitung des sich bereits auf der Sortierfläche befindlichen „guten“ (leicht zu sortierenden) Materials von Frau W., hätte sie mit Sicherheit nicht akzeptiert.

Konkrete Weisungen bzw. das regelnde Eingreifen der Dienstvorgesetzten sind nicht dokumentiert. Kindliche Streitigkeiten wie diese, die zugegeben für die Vorgesetzten sehr zeitintensiv und mühsam sein können, liegen aber nach Ansicht des erkennenden Senates unterhalb der disziplinären Erheblichkeitsschwelle, weshalb NN von den Anschuldigungspunkten 1-3 des Einleitungsbeschlusses freizusprechen war.

Zu dem vorerst mit der Innenseite nach außen getragenen und danach ausgezogenen und zerschnittenen Dienstleibchen, schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen der Disziplinaranwältin an, wonach es damals zwar keine Tragepflicht der Dienstkleidung gab, das verkehrt getragene Poloshirt und die damit bezweckte zur Schau gestellten Missachtung des Unternehmens aber nicht zu akzeptieren sind. Dabei zeigte sich NN in der Verhandlung geständig, dass es ihm gerade darum ging, seiner Missachtung Ausdruck zu verleihen. Bei disziplinärer Würdigung musste aber auch die ernüchternde Bilanz dieser „Protestmaßnahme“ berücksichtigt werden, da er in all den Jahren nur ein einziges Mal von einer betriebsfremden Person darauf angesprochen wurde, die ihn auf seinen Adjustierungsfehler hingewiesen habe. Dabei dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass, wie bei der Zerschneidungsaktion mit dem übergebenen Zettel „Laibchen als meine Vorleistung in Erwartung, das bis 18.3.2016 Ruhe einkehrt“ der tiefere Sinn dieser Handlung kaum nachvollziehbar ist. NN gab bei der Verhandlung zu Protokoll, er hätte das Leibchen ausgezogen, weil er vom Leiter des Briefzentrums Wien auf die verkehrte Trageweise angesprochen wurde. Darunter hätte er wie immer ein schmutziges Hemd und darunter ein sauberes Hemd getragen. Auch zur Disziplinarverhandlung erschien er in mehreren ungewöhnlich zusammengestellten Kleidungsschichten, weshalb davon auszugehen ist, dass er nicht im Unterhemd vor seinem Vorgesetzten saß. Dass der Zentrumsleiter von dieser Maßnahme dennoch unangenehm berührt war, ist wohl darauf zurückzuführen, dass bei NN seine nächsten Handlungen kaum vorhersehbar sind. Das Leibchen hätte er darüber hinaus am nächsten Tag nicht wortlos, er hätte natürlich gegrüßt, aber zerschnitten retourniert, da er wegen der Missbrauchsgefahr das Postsymbol herausgeschnitten hätte. Gefragt, worin diese bei der Übergabe an einen hochrangingen Vertreter der Österreichischen Post AG bestehen hätte sollen, kam gebetsmühlenartig, dass er das Vertrauen in die Zentrumsleitung verloren hätte. Zusammenfassend waren auch diese Handlungen nur als unnachvollziehbar und provokativ zu werten.

Zum Anschuldigungspunkt, seine Vorgesetzten nicht als Gruppenleiter, sondern als Aufseher zu bezeichnen, führte NN in seinem Mitteilungsdrang bereits im Zuge der Akteneinsicht aus, dass der Begriff Gruppenleiter nirgendwo im Gewerkschaftskalender für die „Allgemeine Verwaltung“ stehen würde und für ihn, da er nicht in das PT-Schema übergetreten sei, diese Begrifflichkeit nicht gelten würde.

Auf die Erklärung, dass er als zugewiesener Beamter die Organisationsstruktur des übernehmenden Unternehmens akzeptieren müsse, der Gewerkschaftskalender für die „Allgemeine Verwaltung“ aufgrund des Regelungsgegenstandes die Bezeichnung „Gruppenleiter Brief/Logistik“ gar nichts beinhalten könne und laut § 1 der Post-Zuordnungsverordnung 2015 diese für ihn sehr wohl maßgeblich ist, wo sich unter der laufenden Nummer 102 eben die Bezeichnung „Gruppenleiter Brief/Logistik“ finden würde, gestand NN zu, darüber nachdenken zu wollen und wenn er sich diesen Ausführungen anschließen könne, sich bei allen, die er als Aufseher bezeichnet hat, zu entschuldigen. Bereits am Beginn der Verhandlung gab NN an, dass in Hinkunft der Begriff „Aufseher“ gestrichen wäre, was ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit erkennen lässt. Wenn damit auch ein Konfliktpunkt erledigt sein dürfte, ist aus Sicht des Senates dazu festzuhalten, dass ein reibungsloser Dienstbetrieb das einfache Akzeptieren von Realitäten voraussetzt und das ständige (aus Sicht des Erklärungsempfängers provokative) Hinterfragen eine Zusammenarbeit unmöglich macht.

Zur Missachtung des Betretungsverbotes am 23. und 29. März 2016 ist festzuhalten, dass sich NN im Unterschied zu den anderen Anschuldigungspunkten ohne dienstliches Erfordernis einer Situation ausgesetzt hat, wo von Anfang an klar war, dass die nächsten Konflikte bereits vorprogrammiert sind. Erneut versuchte NN, sich mit Spitzfindigkeiten herauszureden, indem seiner Meinung nach der Zufahrtsbereich nicht als Betriebsgelände erkennbar wäre und er bei Verwendung des Werksbusses nur mit dem befreundeten Fahrer plaudern hätte wollen. Bereits beim Einsteigen in den Werksbus musste es für NN klar sein, dass sich die erste Station des Werksbusses erst nach einem mit Schranken abgegrenzten Bereich des Parkplatzes direkt vor dem Eingangsbereich des Briefzentrums befand. Darüber hinaus wusste er als langjähriger Mitarbeiter sehr genau, dass es sich um das Betriebsgelände des Briefzentrums handelt, für das ihm ein Betretungsverbot erteilt wurde. Alle Ausführungen können daher nur als Schutzbehauptungen gewertet werden, die am Unrechtsgehalt seines Handelns nichts ändern. Der erkennende Senat ging auch in diesem Fall davon aus, dass die Triebfeder seines Handelns eine bewusst gesetzte Provokation war.

Bei der Strafbemessung wurden die nicht bestehende Teamfähigkeit, die negativen Auswirkungen auf das Betriebsklima und die fehlende Einsicht im Zusammenhang mit der Erörterung der Anschuldigungspunkte zum Betretungsverbot gewertet.

Mildernd wurde die fachärztlich bestätigte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoider Reaktionsbereitschaft gewertet. Dabei konnten die einschlägigen Symptome, Nachtragen von Kränkungen, ein übertriebenes Misstrauen, die Neigung, Erlebtes ständig in Richtung auf feindselige Tendenzen gegenüber der eigenen Person zu deuten und eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung in der Disziplinarverhandlung samthaft beobachtet werden. Der Gefühlsbogen erstreckte sich von freundlich /humorvoll zu aufbrausend/aggressiv bis hin zum Weinen wegen nicht aufgearbeiteter Kränkungen. Dabei konnten sich Stimmungsschwankungen von einer auf die andere Minute ergeben. Die alles überstrahlende jahrelang zurückliegende -dem Eindruck nach-traumatische Erfahrung, dass er trotz mehrfacher Anfrage keinen Erholungsurlaub bewilligt erhalten habe, um seine betagte Mutter ins Krankenhaus zu begleiten, beschäftigt ihn bis heute. Dabei muss, wenn man seinen Ausführungen Glauben schenkt, angerechnet werden, dass er damals die fehlenden Stunden für den Arzttermin nachgearbeitet hat.

Weiters wurde die vom Bediensteten nicht zu vertretende überlange Verfahrensdauer und die lange zurückliegenden Tathandlungen als mildernd gewertet.

Abschließend ist NN mit diesem Erkenntnis darauf aufmerksam zu machen, dass für den Fall, dass sein Gesundheitszustand überhaupt eine neuerliche Dienstverrichtung zulässt, er die Weisungen seiner Vorgesetzten ohne ständiges Hinterfragen zu befolgen hat. Da davon auszugehen ist, dass diese Weisungen wie bisher nicht gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen und diese bei zu erwartenden Remonstrationen unmittelbar schriftlich wiederholt werden, ist jede weitere Weigerung im Zusammenhang mit der Dienstverrichtung als schwere Dienstpflichtverletzung zu werten.

Die relativ milde Beurteilung in diesem Disziplinarverfahren soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bedienstete jegliches Wohlwollen aufgebraucht hat und er bei neuerlichen Weisungsverstößen mit Rücksicht auf einen geordneten Dienstbetrieb jedenfalls mit einer Entlassung zu rechnen hat.

Dabei ist sich der erkennende Senat bewusst, dass ein geordneter Dienstbetrieb mit Mitarbeitern, die nur so viel Output produzieren, wie gleichzeitig wieder an Führungskapazität gebunden wird, nicht möglich ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Vom Beschuldigten und vom Disziplinaranwalt kann jedoch binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Die Beschwerde hat zu enthalten (§ 9 VwGVG):

die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides

die Bezeichnung der belangten Behörde

die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt

das Begehren und

die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Die Beschwerde ist schriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen unter der Anschrift, 1030 Wien, Rochusplatz 1, einzubringen.

Eine rechtzeitige und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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