TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/26 LVwG-2018/23/2739-4

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Entscheidungsdatum

26.02.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwälte BB, Z, Adresse 1 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 25.10.2018 zur Zahl ****,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird statt gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

In einem bei der Bezirkshauptmannschaft Z zur Zahl **** geführten Verwaltungsstrafverfahren wird dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis folgendes Verhalten vorgeworfen:

„Herr AA, geb am **.**.****, wohnhaft in Adresse 2, Y, hat am 28.11.2017 im Jagdteilgebiet der Genossenschaftsjagd Y entgegen dem für dieses Jagdteilgebiet gültigen Abschussplan für das Jagdjahr 2017/2018, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 25.04.2017, Zl ****, genehmigt wurde, einen Hirschen der Klasse I erlegt.

Herr AA, geb am **.**.****, wohnhaft in Adresse 2, Y, hat am 28.11.2017 im Jagdteilgebiet der Genossenschaftsjagd Y während der Schonzeit einen Hirschen der Klasse I erlegt, ohne dass hiefür eine entsprechende Ausnahmebewilligung nach § 36 Abs 3 Tiroler Jagdgesetz 2004 vorgelegen hat.“

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass er im Rahmen des Abschussplanes befugt gewesen sei, einen Hirsch der Klasse II zu erlegen. Den von ihm erlegten Hirsch habe er ausreichend angesprochen und es könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das erlegte Wildstück jünger als zehn Jahre sei und somit der Klasse II zuzurechnen wäre.

Die Bezirkshauptmannschaft Z hat den Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.

Aus der im vorgelegten Verwaltungsbehördlichen Akt einliegender Zeugeneinvernahme des CC, ergibt sich vorerst, dass hinsichtlich des erlegten Hirsches eine Altersbestimmung durch einen Zahnabschliff des dritten Molars aus dem Unterkiefer erfolgt wäre.

Weitere Ausführungen fanden sich im vorgelegten Akt hierzu nicht und wurde daher die Bezirkshauptmannschaft Z aufgefordert, dem Landesverwaltungsgericht Tirol entweder das Gutachten über den Zahnschliff weiterzuleiten oder bekannt zu geben, in wessen Auftrag dieser Zahnschliff hergestellt wurde und wo er sich derzeit befinde. Mit Schreiben vom 13.02.2019 teilte die Bezirkshauptmannschaft Z jedoch mit, dass zur Altersbestimmung des vom Beschwerdeführer erlegten Hirsches keine Altersbestimmung mittels Zahnschliff durchgeführt worden sei.

Mit Schreiben vom 22.2.2019 konkretisierte die Bezirkshauptmannschaft Z ihre Angaben dorthin gehend, dass die Altersbestimmung von der dreiköpfigen Bewertungskommission durch Besichtigung des Unterkiefers und des so ersichtlichen Zahnabschliffes vorgenommen worden sei.

Ein Telefonat mit der Rechtsvertreterin des Beschuldigten am 26.2.2019 ergab, dass das Unterkiefer des am 28.11.2017 erlegten Hirsches nicht mehr existiert.

II.      Sachverhaltsfeststellung:

Der Beschuldigte hat am 28.11.2017 im Jagdgebiet der Genossenschaftsjagd Y einen Hirsch erlegt. Nach Eigenbewertung des Beschuldigten handelte es sich hierbei um einen Hirsch der Klasse 2 der nicht älter als 9 Jahre war. Der Unterkiefer des erlegten Hirsches existiert nicht mehr.

III.     Beweiswürdigung:

Es ist unstrittig, dass der Beschuldigte den hier verfahrensrelevanten Hirsch erlegt hat, weiters ist es ebenso unstrittig, dass der Unterkiefer des erlegten Hirsches nicht mehr existiert.

IV.      Rechtslage:

In Ansehung des erhobenen Tatvorwurfes und der durchaus begründeten Gegenposition des Beschwerdeführers kommt der Altersbestimmung des vom Beschwerdeführer erlegten Hirsches wesentliche Bedeutung zu.

Es entspricht dem Stand der Wissenschaften (siehe hierzu Mitchell, Growth layers in dental cement for determing the age of Red deer (Cervus elaphus L.), Journal of Animal Ecology, 36:279-293; Habermehl, Altersbestimmung bei Wild- und Pelztieren, Paul Pareys Verlag (1985)), dass die anerkannteste Möglichkeit zur Altersbestimmung bei Rotwild in einem Schnitt und Anschliff des 1. Molars besteht. Zwischen den Wurzelhälsen wird bei Rotwild jährlich eine Zementschicht angelagert, die in der Regel „Jahrringe“ erkennen lassen. Durch diese ausgebildeten Jahresringe ist dann eine Altersbestimmung möglich.

Bei dieser Zahnschliffmethode handelt es sich um die in Österreich standartisierte Altersbestimmung bei Rotwild. Eine zweite Möglichkeit besteht darin das Hirschalter anhand des Zahnabschliffes zu bestimmen, allerdings bedarf es hierzu eines umfangreichen Referenzrasters. Als Beispiel kann hier auf das zur Altersbestimmungsmodell für Rotwild entwickelte Analyseprogramm der Kärntner Jägerschaft (www.kaerntner-jaegerschaft.at) verwiesen werden.

Im vorliegendem Sachverhalt ist keine dieser standardisierten Methoden verwendet worden. Im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens ergab es sich, dass der Unterkiefer des vom Beschwerdeführer erlegten Hirsches nicht mehr existiert. Somit ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht, dass eine exakte Altersbestimmung des vom Beschuldigten erlegten Hirsches nicht mehr möglich ist. Damit ist aber für das Landesverwaltungsgericht kein objektiver Sachverhalt dorthin gehend feststellbar, dass der vom Beschuldigten geschossene Hirsch der Klasse II zuzurechnen wäre.

Bemerkt sei, dass das Ergebnis der Altersbewertung der Trophäe durch ein Kommission, deren Mitglieder nach dem Gesetz keine Sachkunde aufweisen müssen, mag deren „Urteil“ im Ergebnis auch zutreffen, nicht als sachverständige Beurteilung im Verwaltungsstrafverfahren angesehen werden kann. Abgesehen davon, dass im Anlassfall eine schriftliche Beurteilung der Kommission im Akt der Bezirkshauptmannschaft fehlt, kann sie allenfalls einen Anfangsverdacht betreffend einen Fehlabschuss bilden. Deshalb wäre schon im erstinstanzlichen Verfahren ein jagdfachliches Gutachten einzuholen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätte auch im Rahmen der Trophäenschau noch der Unterkiefer des erlegten Hirsches für eine Altersbestimmung zur Verfügung gestanden.

V.       Erwägungen:

Gemäß der auch im Verwaltungsstrafverfahren zufolge § 24 VStG geltenden Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG) und der Amtswegigkeit (§ 39 Abs 2 AVG) hat die Behörde dem Täter grundsätzlich den objektiven Tatbestand von sich aus nachzuweisen. Bestreitet der Beschuldigte, den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, so trifft die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde. Zu einer Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG kommt es nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede stellt (VwGH 3.10.2013, 2013/09/0107).

Im anhängigen Strafverfahren hat der Beschwerdeführer von Beginn an den objektiven Tatbestand bestritten und dabei auch auf inhaltlich hohem Niveau argumentiert. Auch bei Durchführung eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens ist die hier zu klärende Frage, ob der vom Beschwerdeführer erlegte Hirsch der Klasse I (Älter als 9 Jahre) oder Klasse II (Älter als 5 aber nicht mehr als 9 Jahre) zuzurechnen ist, nicht mit ausreichender Sicherheit beantwortbar. Für eine wissenschaftlich abgesicherte Altersbestimmung bedürfte es des Unterkiefers des erlegten Hirsches. Da dieser aus dem Beschuldigten nicht vorwerfbaren Gründen nicht mehr existiert, ist ein objektiver Tatbestand als Grundlage eines Strafvorwurfes mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nicht feststellbar.

Das Landesverwaltungsgericht hat gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann. Da diese Voraussetzungen vorlagen war spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Altersbestimmung; Rotwild Klasse I

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.23.2739.4

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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