TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/31 405-3/379/1/7-2018

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Veröffentlicht am 31.08.2018
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Entscheidungsdatum

31.08.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L82005 Bauordnung Salzburg

Norm

AVG §72
BauPolG Slbg 1997 §7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch den Richter Mag. Peter Berger über die Beschwerde der AA Bau GmbH, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde AH (vertreten durch RA Dr. AG AF, 5020 Salzburg) vom 5.2.2018, Zahl xxx/25-2017.1,

z u R e c h t:

I.     Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II.    Die ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.   Verfahrensgang:

1.1.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Devolutionsantrag der AA Bau GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gemäß § 73 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) vom 21.8.2017 mit der Begründung abgewiesen, dass die Verzögerung nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.

Während der sechsmonatigen Entscheidungsfrist seien zielgerichtete Ermittlungsschritte gesetzt worden, was aus der Chronologie des Verfahrens, insbesondere aufgrund der zahlreichen Besprechungstermine der Antragstellerin mit dem Bürgermeister und der unverzüglich nach Eintreffen der Stellungnahme der Landesstraßenverwaltung erfolgten Erteilung des Verbesserungsauftrages an die Antragstellerin ersichtlich sei.

Demgemäß sei die Verzögerung nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen. Dieser Begriff sei objektiv zu verstehen, ein solches Verschulden sei nur dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse von der fristgerechten Entscheidung abgehalten worden sei.

Formgebrechen oder Mängel eines Parteienantrages seien grundsätzlich der Parteiensphäre zuzurechnen.

1.2.

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und begründend (zusammengefasst) vorgebracht, dass das Bauansuchen zur Sanierung und Adaptierung des bestehenden Gebäudes der ehemaligen AI AH auf Gst-Nr y, KG AH, am 13.02.2017 eingebracht worden sei. Die davor geführten Gespräche mit dem Bürgermeister hätten außerhalb des Bauverfahrens stattgefunden. Ebenso wenig von Relevanz für die Säumigkeit des Bürgermeisters sei der angebliche Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde AH vom 1.3.2016, einen Bebauungsplan für den Zentrumsbereich im Rahmen der Ortskerngestaltung zu erlassen. Gleiches gelte für den Beschluss der Gemeindevertretung vom 20.12.2016, einen Bebauungsplan der Grundstufe für die AI Liegenschaft und angrenzende Straßen bzw. selbstständig nicht bebaubare Grundstücksflächen aufstellen zu wollen.

Ob das Einreichprojekt umgehend nach Einbringung dem Sachverständigen vorgelegt worden sei, habe sich bei Akteneinsicht nicht eruieren lassen. In diesem habe sich lediglich ein Aktenvermerk des Sachverständigen DI AJ gefunden, Korrespondenz mit der Landesstraßenverwaltung und handschriftliche Notizen. Aus den Notizen gehe auch hervor, dass sich die Baubehörde mit Herrn Hofrat Dr. AK in Verbindung gesetzt habe. Die Einbeziehung des DI AL vom SIR habe nicht nachvollzogen werden können und sei irrelevant für dieses Bauvorhaben.

Kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist sei schließlich der Verbesserungsauftrag eingegangen. Eine weitere Akteneinsicht am 8.11.2017 habe gezeigt, dass im Bauakt keine neuen Verfahrensschritte der Baubehörde erkennbar gewesen seien. Am 7.11.2017 sei beschlossen worden, die rechtswidrige Bausperre aufzuheben. Die Kundmachung durch den Bürgermeister sei jedoch erst zwei Wochen später erfolgt. Mit Schreiben vom 6.12.2017 sei ein weiterer Verbesserungsauftrag zugestellt worden. Damit sei mehr als drei Monate nach Einbringung des Devolutionsantrages nach außen dokumentiert worden, dass die Gemeindevertretung die Devolution offenkundig für zulässig erachtet habe und in das Bauverfahren eingestiegen sei.

Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid mit der Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, zumal ohne unnötigen Aufschub gehandelt worden sei, im Übrigen sei das Parteiengehör verletzt worden und sei die Begründung im angefochtenen Bescheid unschlüssig. Ebenso sei der Bescheid inhaltlich rechtswidrig, weil bei näherer Befassung mit der Judikaturlinie ersichtlich sei, dass eine monatelange Nichtbearbeitung des Aktes ohne ersichtlichen Grund bei der Frage des Verschuldens zu Lasten der Behörde auszulegen sei. Die Vorbegutachtung sei schließlich erst Monate nach Abgabe des Bauansuchens erfolgt.

1.3.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg führte in dieser Sache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Zu dieser waren Vertreter der belangten Behörde sowie der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin geladen und gekommen. Diese gaben im Wesentlichen an wie im Rahmen ihrer schriftlichen Eingaben.

2.   Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu festgestellt und erwogen:

2.1. Sachverhalt

Am 13.2.2017 stellte die Firma AA Bau GmbH ein Ansuchen um die Adaptierung des Bestandsgebäudes auf Grundparzelle y, KG AH.

Mit Schreiben vom 31.3.2017 trat der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin an den Bürgermeister der Gemeinde AH in seiner Eigenschaft als Baubehörde erster Instanz heran, wonach der Planer informiert habe, dass die Baubehörde das Bauverfahren noch nicht eingeleitet habe, weil vorab eine Abklärung mit der Raumordnungsabteilung des Amtes der Salzburger Landesregierung und der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung über die grundsätzliche raumplanungsmäßige Zulässigkeit des Vorhabens geführt werden solle.

Mit Schreiben vom 5.4.2017 teilte der Bürgermeister mit, dass das Ansuchen bereits bearbeitet werde.

Am 19.4.2017 wurde die Landesstraßenverwaltung angesichts der Einfahrt entlang der Landesstraße ersucht, Bedenken oder Anmerkungen in Bezug auf das Bauverfahren mitzuteilen.

Am nächsten Tag ging die Antwort mit dem Inhalt ein, dass Rücksprache mit dem Amtssachverständigen des Landes Salzburg erfolgen werde.

In der Gemeindevertretungssitzung vom 26.4.2017 wurde eine Bausperre für den Bereich AM verordnet.

Eine weitere Vorbegutachtung des eingereichten Bauvorhabens durch den Bausachverständigen der Gemeinde erfolgte am 3.5.2017, anhand dessen wurde ein Aktenvermerk mit Auflagepunkten verfasst.

Am 24.5.2017 langte ein Schreiben der Antragstellerin ein, in welchem sie behauptete, dass die Verordnung einer Bausperre gesetzeswidrig sei, was sie im Wesentlichen damit begründet, dass eine Bausperre nur bei beabsichtigter Änderung eines Bebauungsplans zulässig sei und dass die beabsichtigte Aufstellung eines Bebauungsplans ausschließlich der Projektverhinderung diene.

Eine weitere Besprechung des gegenständlichen Bauvorhabens zwischen dem Bürgermeister und dem Geschäftsführer der Antragstellerin fand am 26.7.2017 statt.

Am 3.8.2017 langte die Stellungnahme der Landesstraßenverwaltung mit der Auflistung von Auflagen ein. Auf dieser Basis wurde der Beschwerdeführerin am 9.8.2017 ein Verbesserungsauftrag unter Berücksichtigung der geforderten Auflagen der Landesstraßenverwaltung unter einer Fristsetzung bis 15.9.2017 erteilt.

Der Devolutionsantrag datiert vom 21.8.2017.

Zwei Tage später wurde von der Beschwerdeführerin eine Ergänzung zur Einreichung zum Verbesserungsauftrag zum Bauansuchen eingebracht, in welcher auf die erteilten Auflagen Bezug genommen wurde.

Am 29.11.2017 wurde die Gemeindevertretung schriftlich über das Vorliegen eines Devolutionsantrages informiert, diese beschloss im Rahmen ihrer Sitzung vom 12.12.2017, dessen Abweisung, da die Verzögerung nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.

Mit Bescheid vom 12.7.2018, Zahl xxx/5-2018/5, wurde der AA Marketing GmbH schließlich die Baubewilligung für die Adaptierung und Sanierung des bestehenden und bewilligten Objektes auf dem Grundstück GP y, KG AH aufgrund ihres Ansuchens vom 26.1.2018 bewilligt. Dieses Ansuchen stellt keine Modifikation des verfahrensgegenständlichen Antrags dar, sondern wurde unabhängig von diesem eingebracht.

2.2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt konnte aufgrund des Aktes der belangten Behörde sowie der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Entscheidungsrelevante Widersprüche, welche im Rahmen der Beweiswürdigung aufzuklären wären, kamen vor dem Hintergrund, dass im gegenständlichen Verfahren primär eine Rechtsfrage zu klären ist, nicht hervor.

2.3. Rechtslage

§ 73 Allgemeine Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (AVG)

(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Berufungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.

2.4. Rechtliche Erwägungen zum festgestellten Sachverhalt:

Trotz der mit Bescheid vom 12.7.2018, Zahl xxx/5-2018/5 erteilten, mittlerweile rechtskräftigen Baubewilligung für die Adaptierung und Sanierung des bestehenden und bewilligten Objektes auf dem Grundstück GP y, KG AH, ist über den gegenständlichen Devolutionsantrag betreffend das Ansuchen um Baubewilligung zu entscheiden, zumal es der Beschwerdeführerin frei steht, gleichzeitig mehrere Bauvorhaben einzureichen und jeweils gesonderte Baubewilligungen zu erwirken (vgl. VwGH 31.1.1995, 94/05/0244). Abgesehen davon wurde der dem Devolutionsantrag zugrundeliegende Antrag von der AA Bau GmbH eingebracht, während die Baubewilligung der AA Marketing GmbH erteilt wurde.

In vorliegendem Fall wurde der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.

Der Begriff des behördlichen Verschuldens gemäß dieser Bestimmung ist nicht im Sinne eines subjektiven Verschuldens des konkret zuständigen Organwalters, sondern objektiv zu verstehen (vgl. u. a. VwGH 18.1.2005, 2004/05/0120). Entscheidend bei der Beurteilung der Verschuldensfrage ist weiters, ob die tatsächlich eingetretene Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, und nicht, ob sich mit Sicherheit absehen lässt, dass das Verfahren bei regulärem Fortgang innerhalb des fraglichen Zeitraums von der säumigen Behörde wirklich beendet hätte werden können (vgl. VwSlG 10.758 A/1982).

Der bloße Umstand, dass die Behörde Ermittlungsschritte gesetzt hat, wie etwa eine Zeugenaussage eingeholt hat (vgl. VwGH 19.11.1999, 97/19/1738) reicht nicht aus, um ihr Verschulden auszuschließen (vgl. VwGH 26.12.1998, 98/03/0091).

Formgebrechen bzw. Mängel eines Parteienantrags im Sinne des § 13 Abs 3 AVG sind grundsätzlich der Parteiensphäre zuzurechnen (VwGH 24.3.1998, 97/05/0319), wobei die Behörde unverzüglich einen Verbesserungsauftrag zu erteilen hat, um ihr Verschulden an der Verzögerung des Verfahrens auszuschließen (vgl. VwGH 27.10.1999, 98/09/0318). In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass Verbesserungsaufträge innerhalb von vier Wochen erteilt werden können und ein Überschreiten dieses Zeitraums ein überwiegendes Verschulden der Behörde begründet (vgl. VwGH 18.01.2005, 2004/05/0120).

Insbesondere ist die Tatsache, dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse erst nach langer Zeit abgeliefert werden, für sich allein nicht geeignet, das Vorliegen eines unüberwindlichen Hindernisses zu begründen. Es ist Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, die Einhaltung zu überwachen und bei Säumigkeit entsprechende Schritte zu setzen (vgl. VwGH 21.9.2007, 2006/05/0145).

Basierend auf dieser umfangreichen Judikatur ist der am 9.8.2017 erlassene Verbesserungsauftrag des Bürgermeisters der Baubehörde erster Instanz als „verspätet“ anzusehen (wenngleich er umgehend nach Einlangen der Stellungnahme erging) - dies vor dem Hintergrund, dass die durch die Landessstraßenverwaltung verursachte Verfahrensverzögerung der Baubehörde erster Instanz - nicht jedoch der Parteiensphäre - zuzurechnen ist.

Zumal die Einbeziehung der Landesstraßenverwaltung fast zwei Monaten nach Antragstellung erfolgt ist, wäre es umso mehr die Pflicht der Behörde gewesen, die Abgabe dieser Stellungnahme durch Urgenzen und Terminsetzungen voranzutreiben.

Es ist daher von einem überwiegenden Verschulden der Behörde im Sinne des § 73 Abs 2 AVG auszugehen, weshalb die belangte Behörde den Devolutionsantrag zu Unrecht abgewiesen hat.

Diese Entscheidung war im Rahmen des vorliegenden Erkenntnisses ersatzlos zu beheben (Spruchpunkt I.).

Zu Spruchpunkt II.: Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der umfangreichen, im Rahmen dieses Erkenntnisses zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Schlagworte

Baurecht, Verwaltungsverfahren, überwiegendes Verschulden, Verzögerung

Anmerkung

ao Revision; VwGH vom 30.01.2019, Ra 2018/06/0258-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2018:405.3.379.1.7.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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