TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 I404 2207577-1

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Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

ASVG §123
ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4
Koordinierung Soziale Sicherheit Art.11
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 2207577-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Funktionäre der Arbeiterkammer Vorarlberg, gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 05.09.2018, Zl. 3.3.1-627/2018, betreffend "Zurückweisung wegen Unzuständigkeit" zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 05.09.2018, Zl. 3.3.1-627/2018, ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 05.09.2018 sprach die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (in der Folge: belangte Behörde) aus, dass der Antrag der XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) auf Feststellung der Mitversicherung ihres Sohnes Jannik K wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen wird. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass im Falle, dass Angehörige eines Grenzgängers mit diesem zusammen in Deutschland wohnen, diese auch Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung in Deutschland hätten, sofern diese Angehörigen die Voraussetzungen für die Angehörigeneigenschaft nach den deutschen Rechtsvorschriften erfüllen würden. Für die Bestimmung der Mitversicherung sei demnach nicht die belangte Behörde zuständig, da sie nicht über deutsche Rechtsvorschriften absprechen könne. Der Antrag auf Feststellung der Mitversicherung sei daher wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass der EuGH in der Rechtssache Delavant bei Anwendung der Bestimmung VO 1408/71 Artikel 19 - diese sei deckungsgleich mit der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Bestimmung Artikel 17 VO (EG) Nr. 883/2204 - ausgesprochen habe, dass sich, wenn ein Arbeitsnehmer mit seinen Familienangehörigen im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des Mitgliedstaates wohne, in dem er beschäftigt sei und nach dessen Rechtsvorschriften er gemäß der Verordnung versichert sei, die Voraussetzungen für die Entstehung eines Sachleistungsanspruches bei Krankheit zu Gunsten der Familienangehörigen dieses Arbeitsnehmers ebenfalls nach den Rechtsvorschriften des Staates richten würden, in dem er beschäftigt sei, sofern die Familienangehörigen nicht aufgrund der Rechtsvorschriften des Staates, in welchem sie wohnen würden, Anspruch auf diese Leistung hätten. Seit der Anwendbarkeit der Verordnung 883/2004 habe sich aufgrund der Deckungsgleichheit der neuen Bestimmung mit der Vorgängerbestimmung an diesem Koordinierungssystem nichts geändert. Die Beschwerdeführerin habe daher Anspruch, dass ihr Sohn J K auch über das 25. Lebensjahr hinaus bei ihr mitversichert sei.

3. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und stellte - unter Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Antrag das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

4. Mit Schreiben vom 09.11.2018 teilte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde mit, dass der VwGH in seiner Entscheidung vom 23.06.2017 folgendes ausgesprochen habe: "Art. 17 der VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass ein Versicherter oder seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen erhalten, die vom Träger des Wohnortes nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären. Die konkrete Leistung richtet sich demnach also nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaates; hinsichtlich der Frage, ob - im Fall von Familienangehörigen - überhaupt eine Anspruchsberechtigung besteht, gilt hingegen das Recht des zuständigen Staates, d.h. in der Regel des Beschäftigungsstaates. Diese grundsätzliche Anspruchsberechtigung war daher nach Maßgabe des § 123 ASVG zu beurteilen." Für die erkennende Richterin sei daher zur Frage, ob für den Familienangehörigen der Beschwerdeführerin eine Anspruchsberechtigung bestehe, das Recht des zuständigen Staates - demnach Österreich - und daher das ASVG anzuwenden. Der belangten Behörde werde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von drei Wochen hierzu Stellung zu nehmen.

5. Mit Schreiben vom 30.11.2018 führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass eine Mitversicherung des Jannik K bei der Beschwerdeführerin bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres nach dem ASVG theoretisch denkbar wäre, dies jedoch aufgrund des Fehlens der Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nicht möglich sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin stellte bei der belangten Behörde einen Antrag auf Mitversicherung ihres Sohnes Jannik K. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

1.2. Die Beschwerdeführerin wohnt in Deutschland und übt in Österreicheiner seit 01.03.2014 bis laufend eine unselbständige Beschäftigung aus. Ihr Sohn Jannik K studiert in Deutschland und ist dort auch wohnhaft. Er vollendete am XXXX sein 25. Lebensjahr.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich in unstrittiger Weise aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anwendbares Recht

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch EinzelrichterInnen, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und überdies nur im Fall eines (hier nicht gestellten) Antrags einer Partei durch einen Senat. Der Beschwerdefall unterliegt daher der Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Stattgebung der Beschwerde

3.2.1. Die relevanten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lauten wie folgt:

Artikel 11

Allgemeine Regelung

...

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

...

Artikel 17

Wohnort in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat

Ein Versicherter oder seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, erhalten in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen, die vom Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären.

3.2.2. Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Mitversicherung ihres Sohnes Jannik K über das 25. Lebensjahr hinaus wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Wenn die vor dem Veraltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH vom 31.05.2017, Ra 2016/22/0107).

Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Verfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen hat.

Nicht zu prüfen ist daher, ob ein Anspruch auf Mitversicherung des Jannik K über das 25. Lebensjahr hinaus besteht oder nicht, da eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde (vgl. bsp. VwGH vom 19.10.2016, Ro 2016/12/0009).

Gemäß Art. 11 der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

Gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 883/2004 enthalten Versicherte oder deren Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen, die vom Träger des Wohnortes nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären. Die konkrete Leistung richtet sich folglich nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaates.

Hinsichtlich der Frage, ob - im Fall von Familienangehörigen - überhaupt eine Anspruchsberechtigung besteht, gilt - der eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend (siehe VwGH vom 23.06.2017, 2017/08/0019) - hingegen das Recht des zuständigen Staates, dh. in der Regel des Beschäftigungsstaates.

Im gegenständlichen Fall ist die Beschwerdeführerin in Deutschland wohnhaft, geht jedoch in Österreich einer unselbständigen Beschäftigung nach. Beschäftigungsstaat und somit zuständiger Mitgliedstaat ist daher Österreich.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend ist daher für die Klärung der Frage, ob eine Anspruchsberechtigung der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Mitversicherung ihres Sohnes Jannik K über das 25. Lebensjahr hinaus besteht, der Beschäftigungsstaat, und somit Österreich, zuständig.

Da die belangte Behörde daher den Antrag der Beschwerdeführerin zu Unrecht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen hat, war der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn 1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder 2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Im vorliegenden Fall stand bereits auf Grund des Verwaltungsaktes fest, dass der Bescheid aufzuheben war, weshalb eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, verwiesen wird diesbezüglich insbesondere auf das Erkenntnis des VwGH vom vom 29.04.2016, Ro 2014/08/0057, sowie vom 10.10.2018, Zl Ro 2018/08/0013; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mitversicherung, Zurückweisung, Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I404.2207577.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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