TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/6 VGW-152/071/12739/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2019
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Entscheidungsdatum

06.02.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

AVG §69 Abs1 Z3
AVG §69 Abs3
StbG 1985 §64a Abs11
StbG 1985 §10 Abs1 Z2
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §10 Abs2
StbG 1985 §11a Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 07.08.2018, Zl. ..., mit welchem 1.) das Staatsbürgerschaftsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wieder aufgenommen wurde und 2.) das Ansuchen vom 23.12.2005 gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) idF. vor BGBl Nr. 38/2011 abgewiesen wurde, in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.01.2019

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid nahm die belangte Behörde das Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft betreffend den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt vor Zusicherung und vor Verleihung wieder auf und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 23.12.2005 ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Beschwerde.

Die Beschwerde wurde durch die belangte Behörde unter Anschluss des bezughabenden Aktes an das Verwaltungsgericht Wien am 27.09.2018 (einlangend) vorgelegt.

Einsicht wurde genommen in das Zentrale Melderegister, das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), und das Strafregister.

Am 28.01.2019 führte das erkennende Gericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab Folgendes zu Protokoll:

„In Hinblick auf die Verurteilung wegen Körperverletzung kann ich angeben, dass mir damals meine Ehegattin, nach dem wir uns versöhnt haben, gesagt hat, dass sie alles rückgängig gemacht hat. Meine Ehegattin hat mir mitgeteilt, ich soll keine Angst haben und könne ruhig nach Hause zurückkehren, und zwar in der 15-tägigen Frist, in welcher ich das Betretungsverbot hatte. Ich wurde einmal zur Einvernahme bei der Polizei eingeladen, und zwar innerhalb dieser Zeit von 15 Tagen nach dem ich das Betretungsverbot bekommen habe. Ich war nur ein einziges Mal bei der Polizei. Meine Frau hat vor der Polizeiinspektion auf mich gewartet. Ich habe sowohl bei der Zusicherung der Verleihung wie auch bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft angenommen, dass gegen mich kein polizeiliches Verfahren geführt wird, zumal mir meine Frau dies versichert hat und ich auch nur einmal bei der Polizei erscheinen musste. Die Polizei selbst hat mir nie ausdrücklich bestätigt, dass gegen mich kein Verfahren geführt wird.

In Hinblick auf die Verurteilung wegen Untreue kann ich angeben, dass ich in der Folge freiwillig und zwar am 17.04.2008 zur Sparkasse ... gegangen bin und dort die Angelegenheit mit der Bank geklärt habe. Diesen Kredit habe ich dann unter meinem richtigen Namen aufgenommen, den ich noch nicht abbezahlt habe. Vor der Zusicherung bzw. der Verleihung der Staatsbürgerschaft wurde gegen mich kein behördliches Verfahren eröffnet bzw. war mir ein solches nicht bekannt.“

Der Beschwerdeführer macht die Anmerkung, dass er aus Ägypten stammt und der Dolmetscher aus Syrien, und gibt weiters an:

„Ich habe in der Zwischenzeit die ägyptische Staatsbürgerschaft nicht wieder erworben. Meine Ehegattin ist mittlerweile verstorben. Ich habe zwei Kinder im Alter von 15 und 16 Jahren, welche von Geburt an österreichische Staatsbürger sind. Ich bin derzeit (seit 01.10.2018) als Fahrer teilzeitbeschäftigt.“

Auf Befragen durch den Beschwerdeführervertreter gibt der Beschwerdeführer Folgendes an:

„Wenn ich befragt werde, ob ich jemals eine schriftliche Bestätigung über die Einstellung des Betretungsverbotes bzw. der einstweiligen Verfügung bekommen habe, so kann ich angeben, dass damals meine Ehegattin für die Übernahme und Öffnung sowie das Lesen der Post zuständig war. Ich war der deutschen Sprache nicht mächtig. Meine Ehegattin hat mir damals versichert, dass sie ihre Anzeige zurückgezogen hat und dass die Angelegenheit somit erledigt ist. Ich war im Jahr 2013 in Haft und habe dort viel gelernt. Seit dieser Zeit bin ich straffrei. Ich war auch ein Jahr in Therapie.

Wenn ich befragt werde, ob es sein kann, dass die Einstellung der einstweiligen Verfügung im April 2008 stattgefunden hat, so kann ich angeben, dass ich diesbezüglich nichts sagen kann, zumal ich die Post nicht gesehen habe. Das war die Zuständigkeit meiner Frau. Sechs Monate nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft erzählt mir meine Ehegattin, dass es einen Brief vom Gericht gibt und wurde ich in der Folge wegen Körperverletzung verurteilt. Während dieser Zeit habe ich mit meiner Frau gewohnt. Meine Frau war meine Sicherheit in meinem Leben. Ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich von der Polizei einvernommen wurde. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich am Vorfallstag am 07.02.2008 seitens der Polizei irgendwelche Dokumente bzw. Papiere bekommen habe. Nach dem Vorfall habe ich in der Folge keinen Kontakt mehr mit der Polizei gehabt. Ich kann mich nicht erinnern, ob es zwischen Mitte April und Mitte Juni Kontakte mit der Polizei gab, das ist schon zehn Jahre her.“

Der Beschwerdeführervertreter (BfV) verweist auf die Aktenseite 179 und 180 im Verfahrensakt (Amtsvermerk vom 07.02.2008), in dem angeführt ist, dass dem Bf die Niederschrift LG Nr. 293 und das Informationsblatt LG Nr. 291 ausgefolgt wurde.

Der BfV verweist auf den Abschlussbericht vom 09.03.2008 und auf dem der Eingangsstempel der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.07.2008 vermerkt ist. In diesem ist kein Beweismittel einer eventuellen Einvernahme des Beschwerdeführers enthalten. Daraus ergebe sich, dass zwischen 09.03.2008 und 07.07.2008 keine polizeilichen Ermittlungsschritte durchgeführt worden sind.

Der Beschwerdeführer gibt auf Befragen des Beschwerdeführervertreters weiters an:

„Die Rate betreffend den aufgenommenen Kredit beträgt EUR 450,- monatlich und ich habe noch ein bis zwei Jahre, bis zur vollständigen Auszahlung. Wenn ich befragt werde, ob auch meine Ehegattin eine ähnliche Erklärung bei der Bank abgegeben hat, so kann ich angeben, dass ich mich nicht daran erinnern kann. Der BfV verweist auf den bisherigen Akteninhalt.

Meine Frau hat auch einen Kredit aufgenommen, jedoch kann ich nur in Hinblick auf mich sprechen. Gegen meine Frau wurde kein Strafverfahren vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft an mich geführt. Meine Frau hat - genauso wie ich - ein Protokoll bei der Bank unterfertigt.

Wenn ich befragt werde, ob ich geahnt habe, dass meine Aussagen anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen am 05.06.2008 und 19.06.2008 nicht richtig sind, so kann ich das verneinen. Es war mir bewusst, dass die belangte Behörde Strafregisterauskünfte amtswegig einholt. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass die Behörde falsche Annahmen aus diesen Anfragen gewinnt. Es war mir bekannt, dass alle Daten erhoben werden im Rahmen einer EDV- Bearbeitung. Im Laufe dieser Ermittlungen im Jahr 2008 wurde zu keinem Zeitpunkt ein Dolmetscher eingeholt. Damals konnte ich Deutsch schlechter sprechen als heute.“

Der Beschwerdeführer gibt auf Befragen des Verhandlungsleiters an:

„Meine Großfamilie, also die Eltern und Geschwister leben alle in Ägypten, aber ich fliege nicht oft dorthin, zumal ich finanzielle Verpflichtungen in Österreich habe. Mein Leben ist hier in Österreich. Ich lebe seit 22 Jahren in Österreich.

Wenn ich befragt werde, ob es mir zum Zeitpunkt der Zusicherung und Verleihung der Staatsbürgerschaft im Juni 2008 bewusst war, dass ich davor möglicherweise gegen österreichische Gesetze verstoßen habe, so kann ich angeben, dass ich dies in Hinblick auf die Körperverletzung meiner Ehegattin nicht angenommen habe, zumal sie die Anzeige zurückgezogen hat und in Hinblick auf die Angelegenheit betreffend die Bank, ich dort die Verantwortung übernommen habe und das Geld auch zurückzahlen wollte.“

Der Beschwerdeführervertreter gibt an, dass keine Verpflichtung des Beschwerdeführers besteht, sich selbst zu belasten. Die Frage der belangten Behörde richtete sich ausschließlich auf bereits anhängige Verfahren. Die von ihm getätigten Aussagen waren aus seiner subjektiven Hinsicht richtig, insbesondere hinsichtlich des Vorwurfes bei den Banken war zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Erhebungen geschweige denn ein Verfahren anhängig. Eine Irreführungsabsicht der Behörde ist keinesfalls vorgelegen.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Vertreter des Beschwerdeführers begehrte zugleich die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.

Mit Schreiben vom 31.01.2019 teilte der Beschwerdeführervertreter dem erkennenden Gericht Folgendes mit:

„In oben bezeichneter Angelegenheit wurde dem Beschwerdeführer und dessen Vertreter das Verhandlungsprotokoll erst nach Verkündung und Entfernung des Dolmetschers zur Unterfertigung vorgelegt.

Auf Seite 3 des Protokolls ist die Antwort des Beschwerdeführers auf die (nicht protokollierte) Frage seines Vertreters wie folgt: ,,Hätten Sie angenommen, dass Sie mit Ihren Angaben die Behörde über Ihre anhängigen Verfahren täuschen können?“, dessen Antwort: ,,Ich bin davon ausgegangen, dass ich mit meiner Aussage die Behörde sowieso nicht täuschen kann“, nicht protokolliert worden.

Die weitere Protokollierung erfolgt sinngemäß zutreffend wie folgt: ,,Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass die Behörde falsche Annahmen aus diesen Anfragen gewinnt!“

Aus dem den Beschwerdeführer betreffenden fremdenrechtlichen Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. ..., den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten und Unterlagen sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Abfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit Antrag vom 23.12.2005 begehrte der Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Ihm wurde mit Bescheid vom 16.05.2008, zur Zahl ..., ausgefolgt am 05.06.2008, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von 2 Jahren ab Ausfolgung des Zusicherungsbescheides die Entlassung aus dem ägyptischen Staatsverband vorweise. Die Entlassung aus dem ägyptischen Staatsverband hat der Beschwerdeführer mit Bestätigung der ägyptischen Botschaft Wien vom 06.06.2008, bei der belangten Behörde eingelangt am 10.06.2008, nachgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde anschließend mit Bescheid vom 19.06.2008 zur Zahl ..., ausgefolgt am selben Tag, die österreichische Staatsbürgerschaft gem. § 11a Abs. 1 StbG 1985 in der damals geltenden Fassung verliehen.

Anlässlich der Ausfolgung des Zusicherungsbescheides vom 16.05.2008 am 05.06.2008 hat der Beschwerdeführer niederschriftlich bestätigt und die Erklärung unterschrieben, dass er nicht gerichtlich verurteilt ist und dass gegen ihn kein Strafverfahren und auch keine polizeiliche Untersuchung anhängig ist. Gleichlautende Erklärung unterschrieb der Beschwerdeführer ebenfalls anlässlich der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 19.06.2008.

Der Beschwerdeführer weist folgende rechtskräftige Verurteilungen auf:

1.) Urteil des Bezirksgerichtes C. vom 28.11.2008 zu Zl. ..., womit der Beschwerdeführer wegen Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat am 07.02.2008 seine Ehegattin, D. B., durch Versetzen eines Stoßes, wodurch diese einen Bluterguss unter dem linken Auge, einen massiven Bluterguss auf dem linken Auge und einen Bluterguss auf der Außenseite des rechten Oberarmes erlitten hat, die Genannte vorsätzlich leicht am Körper verletzt. Laut dem im Verfahrensakt aufliegenden Amtsvermerk des Stadtpolizeikommandos C. vom 07.02.2008 wurde am selben Tag, nach der Verübung der Tat, über dem Beschwerdeführer ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG betreffend die Wohnung in Wien, E.-gasse, ausgesprochen und der Beschwerdeführer von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt. In der Folge wurde am 13.02.2008 seitens des Bezirksgerichtes C. auch eine einstwillige Verfügung (Verbot des Rückkehrs in die Ehewohnung) gegen den Beschwerdeführer erlassen.

2.) Urteil des Landesgerichtes F. vom 22.02.2011 zu Zl. ..., womit der Beschwerdeführer wegen Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 und 153 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Zusatzfreiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat im Mai 2007 ein Lichtbild und einen Meldezettel zur Herstellung eines falschen Führerscheines und Meldezettels lautend auf den Namen „G. H.“ der I. J. übergeben, sowie in Kenntnis des Tatplanes und in Anwesenheit des K. L. einen Kreditvertrag mit dem Schriftzug des genannten Falschnamens unterfertigt, wodurch ihm ein Darlehensbetrag iHv EUR 33.500,-- in bar ausbezahlt und das Kreditinstitut mit einem jedenfalls EUR 3.000,-- übersteigenden Wert am Vermögen geschädigt wurde. Laut der aktenkundigen Beschuldigteneinvernahme vom 04.07.2008 wurden der Beschwerdeführer und seine Ehegattin Frau D. B. zur Einvernahme am 24.06.2008 geladen. Fr. D. B. gab in der Einvernahme vom 04.07.2008 an, dass sie Anfang des Jahres 2008 von „I.“ (I. J.) angerufen wurde und ihr mitgeteilt wurde, dass der Schwindel mit den Falschnamen aufgeflogen sei und sich beide bei der Bank melden sollten. Der Beschwerdeführer stimmte in der Einvernahme vom 04.07.2008 zu, dass dieser Anruf stattgefunden hat und gab jedoch gleichzeitig an, dass er von seiner Ehegattin nicht über die erforderliche Meldung bei der Bank informiert wurde. Aktenkundig ist auch ein Protokoll, welches bei der Sparkasse ... am 17.04.2008 in der Anwesenheit des Beschwerdeführers aufgenommen wurde. Darin ist wie folgt ausgeführt: „Der Schuldner bestätigt, dass er gemäß Kreditvertrag vom 19. Mai 2007 Konto Nr. ... BLZ ... unter falschem Namen H. G. und unter Vorlage gefälschter Urkunden (Lichtbildausweis, Meldezettel, Lohnbestätigung) einen Kredit über ursprünglich € 35.000.- aufgenommen hat. Der Schuldner ist sich der strafbaren Relevanz dieses Verhaltens bewusst und legt ein umfassendes Schuldanerkenntnis ab.“

3.) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.01.2013 zu Zl. ..., womit der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15 und 144 Abs. 1 und 145 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat am 03.08.2012 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, M. N. mit Gewalt und durch Drohung mit dem Tod bzw. mit einer erheblichen Verstümmelung zu einer Handlung zu nötigen versucht, die die Genannte am Vermögen schädigen sollte, indem er sie aufforderte, ihm EUR 4.000,-- zu übergeben, und ihr, als sie dies ablehnte, Ohrfeigen versetzte, ihr unter Vorhalt eines Küchenmessers androhte, sie zu zerstückeln, dann ihren Hals ergriff und den Kehlkopf so stark zusammendrückte, dass sie keine Luft bekam, sie in weiterer Folge aufforderte, ihren Arbeitgeber anzurufen und von diesem Geld zu verlangen, sie letztlich zur Wohnung des Arbeitgebers begleitete und dort wartete, um Bargeld von M. N. zu übernehmen, wobei es deshalb beim Versuch geblieben ist, weil die Genötigte von ihrem Arbeitgeber kein Geld bekam.

Die Tilgung betreffend diese Verurteilungen wird – weitere Straffreiheit vorausgesetzt – mit 11.11.2028 eintreten.

Dem Beschwerdeführer wurde seitens der Bundespolizeidirektion Wien am 31.12.2003 ein Aufenthaltstitel „Niederlassungsnachweis“, gültig bis 30.12.2013, erteilt.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

§ 69 AVG lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69 (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1.  der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.  neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.  der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4.  nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.

Gemäß § 64a Abs. 11 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, mithin dem 1. Juli 2011, anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 zu Ende zu führen.

§ 10 StbG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 lautet:

(1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1.  er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2.  er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3.  er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;

4.  gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5.  durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.  er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7.  sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und

8.  er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

(1a) Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.

(2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn

1.  bestimmte Tatsachen gemäß § 60 Abs. 2 Z 4, 5, 6, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 60 Abs. 3 FPG gilt;

2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;

3.  gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;

4.  gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG besteht;

5.  gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

6.  gegen ihn in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung gemäß § 54 FPG oder § 10 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, rechtskräftig erlassen wurde oder

7.  er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

(3) …

(4) …

(5) …

(6) …

§ 11a. Abs. 1 StbG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 lautet:

(1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1.  sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;

2.  die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und

3.  er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 oder 33 Fremder ist.

I. Wiederaufnahme des Verfahrens:

Die belangte Behörde begründet die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Annahme, der Beschwerdeführer habe die Zusicherung der Verleihung und die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erschlichen, zumal er objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hat, da er die Straftaten laut Pkt. 1. und 2 der Feststellung verschwiegen hat. Eine Erschleichung liegt nach Rechtsprechung des VwGH nur vor, wenn die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und eine Situation besteht, in der ihr nicht zugemutet werden kann, über die Richtigkeit und daher auch Vollständigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen (VwSlg 10.670 A/1982; VwGH 19. 12.2005, 2000/12/0051; 08. 06.2006, 2004/01/0470). Hat es aber die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen und blieb die Erschleichungshandlung auf Grund einer Sorgfaltswidrigkeit der Behörde unentdeckt (vgl. VwGH 19. 2. 1992, 91/12/0296), schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben von wesentlicher Bedeutung (bzw. ein Verschweigen) als ein Erschleichen des Bescheides iSd § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (VwGH 29.01. 2004, 2001/20/0346; 13. 12. 2005, 2003/01/0184; 08. 06. 2006, 2004/01/0470; vgl auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 69, RZ 14).

Ein "Erschleichen" eines Bescheides liegt dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG zu werten. Zusammengefasst müssen daher drei Voraussetzungen vorliegen: objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung, ein Kausalitätszusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde und Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen (VwGH 26.05.2003, 2001/12/0115; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 (Stand 1.4.2009, rdb.at) Rz 12).

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde im Zusammenhang der „Erschleichung“ insofern entgegen, als er die Irreführungsabsicht bestreitet und mangelnde Deutschkenntnisse behauptet.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, hat der Beschwerdeführer unzweifelhaft objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht,

da er die Straftat der Körperverletzung und des Betruges (Verschweigung entscheidungswesentlicher Umstände oder Tatsachen) verschwiegen hat. Diese Angabe war für die belangte Behörde wesentlich, weil sie für die Beurteilung eines möglichen Einbürgerungshindernisses iSd § 10 Abs. 1 Z 2 bzw. Z 6 StbG maßgeblich war. Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (Bescheid vom 16.05.2008, ausgefolgt am 05.06.2008) bekannt sein musste, dass gegen ihn sowohl wegen des Vergehens der Körperverletzung, sowie wegen des Betruges polizeiliche Ermittlungen laufen, selbst wenn er selber noch nicht offiziell von der Polizei geladen wurde.

Es muss ihm somit bereits zum damaligen Zeitpunkt bewusst gewesen sein, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, da er bereits am 07.02.2008 wegen Körperverletzung über eine Anzeigelegung verständigt wurde und im Protokoll der Sparkasse ... vom 17.04.2008 das Ablegen eines umfassenden Schuldanerkenntnisses seinerseits sowie die Einsicht der strafbaren Relevanz seines Verhaltens explizit festgehalten wurde.

 

Ein Kausalzusammenhang ist jedenfalls gegeben. Hätte der Beschwerdeführer die Straftaten bekannt gegeben, hätte die belangte Behörde den Bescheid nicht erlassen und das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses geprüft. Der Behörde war es in diesem Zeitpunkt auch nicht möglich, selbst Kenntnis von dieser Übertretung zu erlangen. Der Behörde lag eine Auskunft der Sicherheitsdirektion Wien vom 26.02.2008 vor. Der Behörde war es nicht möglich vor Bescheiderlassung noch einmal eine Auskunft einzuholen, zumal im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides diese Auskunft etwas mehr als 3 Monate alt. Im Hinblick auf die Bearbeitungsdauer einer Sicherheitsdirektions-Anfrage (die Anfrage wurde bereits am 14.12.2007 gestellt/abgefertigt) kann es der belangten Behörde nicht angelastet werden, dass sie vor Bescheiderlassung keine weitere Auskunft eingeholt hat. Daher wurde das Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu Recht vor der Zusicherung der Verleihung wiederaufgenommen.

II. Verhältnismäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer hat zwar nicht vorgebracht, dass die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens – und damit auch die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft - unverhältnismäßig gewesen sei, das erkennende Gericht sieht sich dennoch veranlasst, diesbezüglich Folgendes festzuhalten:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom 03.03.2010 in der Rechtssache C- 135/08, Rottmann, ist, wenn eine Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft verliert, "zu prüfen, ob die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt" (Randnrn. 54, 55 und 59).

Bei der Prüfung einer Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung sind -so der EuGH weiter - "die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen".

Ob nach der in den genannten Erkenntnissen angeführten Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Rottmann" fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Entziehung der Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, hat die belangte Behörde ausreichend geprüft.

Laut Rechtsprechung des VwGH ist die Entziehung der Staatsbürgerschaft nur „ausnahmsweise unverhältnismäßig“ (VwGH 26.01.2012, 2009/01/0060). Der Verwaltungsgerichtshof geht - dem EuGH folgend - in Fällen, in denen die Verleihung der Staatsbürgerschaft erschlichen wurde, von der Erwägung aus, dass die Rücknahme der Staatsbürgerschaft nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 Z 1 (iVm Abs. 3) AVG grundsätzlich zulässig ist. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat in derartigen Fällen jedoch zu prüfen, ob fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist; bei dieser Prüfung ist der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wobei es Sache des Verleihungswerbers ist, konkret darzulegen, dass die Behörde diesen Beurteilungsspielraum überschritten hat (vgl. Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2014) 26 f, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens erweist sich als nicht unverhältnismäßig:

Im gegenständlichen Fall liegen zwischen der rechtskräftigen Verleihung am 19.06.2008 bis zum jetzigen Zeitpunkt 10 Jahre und 8 Monate. Dieser Zeitabstand würde somit für sich allein noch nicht die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme der Entziehung bewirken, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zeitraum von sechs Jahren zwischen dem Verleihungszeitpunkt und der Erlassung des angefochtenen Bescheides für sich nicht die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme zur Folge hat (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ro 2015/01/0002), und angesichts der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten auch ein mehr als zehnjähriger Zeitraum zwischen der Verleihung und Rücknahme der Staatsbürgerschaft die Unverhältnismäßigkeit der Rücknahme nicht begründen könnte.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer durch die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahren staatenlos wird, schadet auch nicht, zumal die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Z 1 des § 69 Abs. 1 AVG gestützt hat und § 24 StbG zufolge eine Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens nach dieser Bestimmung auch zulässig ist, wenn der Betroffene dadurch staatenlos wird (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ro 2015/01/0002).

Dem Beschwerdeführer wurde am 06.06.2008 sein Ansuchen, sich um die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu bewerben, vom ägyptischen Innenminister genehmigt. Gemäß Art. 18 des ägyptischen Staatsbürgerschaftsgesetzes steht es dem Innenminister frei, die ägyptische Staatsangehörigkeit demjenigen wieder zu verleihen, der sie durch den genehmigten Erwerb einer fremden Nationalität verloren hat. Die Wiederverleihung der ägyptischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer ist daher nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich möglich.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers ist bereits verstorben und zwei Kinder des Beschwerdeführers sind österreichische Staatsbürger kraft Abstammung von der Mutter. Der Beschwerdeführer selbst ist weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen, zumal ihm seitens der Bundespolizeidirektion Wien am 31.12.2003 ein (an sich unbefristeter) Aufenthaltstitel „Niederlassungsnachweis“, gültig bis 30.12.2013, erteilt wurde. Durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft am 19.06.2008 ist dieser Aufenthaltstitel (welcher seit 01.01.2006 als „Daueraufenthalt - Familienangehöriger“, bzw. seit 01.01.2014 als „Daueraufenthalt – EU“ weiter gegolten hat) gemäß § 10 Abs. 3 Z 2 Niederlassungs- uns Aufenthaltsgesetz (NAG) gegenstandslos geworden.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes bewirkt die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens das Wiederaufleben des zuletzt erteilten unbefristeten Aufenthaltstitels und beseitigt seine Gegenstandslosigkeit. Daher ist der Beschwerdeführer weiterhin im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen, hat freien Zugang zum Arbeitsmarkt, und kann die erfolgte Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens auch aus diesem Grund keinesfalls als unverhältnismäßig bezeichnet werden.

 

III. Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 StbG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, wurde der Beschwerdeführer durch ein inländisches Gericht insgesamt drei Mal wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt. Die Tilgung betreffend diese Verurteilungen wird – weitere Straffreiheit vorausgesetzt – erst mit 11.11.2028 eintreten.

Den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.12.2005 hat die belangte Behörde daher zu Recht abgewiesen, zumal das Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 StbG idF vor BGBl I Nr. 38/2011 vorliegt.

Daher war die Beschwerde abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Staatsbürgerschaft; Entziehung; Wiederaufnahme; Erschleichen eines Bescheides; Irreführungsabsicht; Kausalität; Verhältnismäßigkeit; Urteil Rottmann

Anmerkung

VwGH v. 6.4.2020, Ra 2019/01/0169; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.152.071.12739.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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