TE OGH 2019/2/26 11Os23/19w

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Valmir G***** und Baftijar G***** wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB, AZ 503 Hv 24/17k des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 4. Juli 2017, GZ 503 Hv 24/17k-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, des Angeklagten Baftijar G***** und dessen Verteidigers Dr. Wolf zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 4. Juli 2017, GZ 503 Hv 24/17k-30, verletzt in seinem Baftijar G***** betreffenden Strafausspruch § 1 Abs 4 TilgG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Baftijar G***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Baftijar G***** wird nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.

Der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe von 10 Monaten wird unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. Juni 2011, AZ 141 Hv 61/11s, wurde Baft(i)jar G***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1, Abs 2 StGB schuldig erkannt, der Ausspruch einer Strafe jedoch für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten (§ 13 Abs 1 JGG).

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 20. Juni 2012, GZ 522 Hv 42/12i, wurde – soweit hier relevant – Baftijar G***** der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB (idF vor BGBl I 2015/112) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter nachträglicher Straffestsetzung zum (zuvor einbezogenen – siehe jedoch Schroll in WK2 JGG § 16 Rz 19) Verfahren AZ 141 Hv 61/11s des Landesgerichts für Strafsachen Wien nach §§ 15 und 16 JGG zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen, gemeinsam ausgemessenen Strafe von acht Monaten verurteilt (vgl § 494a Abs 1 Z 3 StPO).

Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 21. September 2015, AZ 522 Hv 42/12i, wurde der Vollzug dieser Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen.

Mit (zufolge Rechtsmittelverzichts sogleich) rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 4. Juli 2017, GZ 503 Hv 24/17k-30, wurde – soweit hier relevant – Baftijar G***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach („§ 83 Abs 1 und“) § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

Nach dem Schuldspruch hat er am 9. Juli 2016 in W***** gemeinsam mit Valmir G***** „Arnold K***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem sie ihm Faustschläge in das Gesicht versetzten und mit den Füßen auf ihn eintraten, wodurch dieser einen Bruch des Nasenbeins mit einer Eindrückung der Nasenbeinpyramide, eine Prellung und Hautabschürfung des rechten Ellenbogens, eine Prellung des Mundes mit einer Rissquetschwunde im Bereich der Oberlippe, sowie eine Brustkorbprellung und eine Prellung der linken Gesäßregion erlitt, sohin dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung des Genannten herbeigeführt“.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht keinen Umstand als mildernd, als erschwerend hingegen „die einschlägige Vorstrafenbelastung“, insbesondere „die beiden Verurteilungen wegen minder schweren Raubes sowie wegen schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung“. Den Vollzug der Freiheitsstrafe erachtete es für „sowohl general- als auch spezialpräventiv indiziert“ und „ein Vorgehen nach dem XI. Hauptstück der StPO nicht angebracht“ (US 10 f).

Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 13. November 2017, GZ 503 Hv 24/17k-49, wurde die Freiheitsstrafe gemäß § 31a Abs 1 StGB auf 22 Monate herabgesetzt. Diese steht seit 9. Februar 2018 in Vollzug (ON 64).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, verletzt das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 4. Juli 2017, GZ 503 Hv 24/17k-30, in seinem Baftijar G***** betreffenden Strafausspruch das Gesetz.

Nach § 43 Abs 2 letzter Satz StGB ist bei endgültiger Nachsicht einer bedingt ausgesprochenen Strafe die Tilgungsfrist als Frist, deren Lauf beginnt, sobald die Strafe vollstreckt ist (§ 2 Abs 1 TilgG; Jerabek in WK2 StGB § 43 Rz 27), ab Rechtskraft des Urteils zu berechnen.

Nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG beträgt die Tilgungsfrist unter anderem fünf Jahre, wenn jemand zu einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Verurteilungen, die im Verhältnis des § 31 StGB (vgl Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 30) stehen, gelten nach § 4 Abs 5 erster Satz TilgG nicht als gesonderte Verurteilungen.

Kommt es – wie hier – zufolge neuerlicher Delinquenz (§ 15 Abs 1 erster Satz JGG) zu einer nachträglichen Straffestsetzung, ist § 4 Abs 5 TilgG analog anzuwenden, weil das Gesetz insoweit eine von der Fiktion gemeinsamer Aburteilung aller zu ahndenden Taten ausgehende Sanktionsfindung nach den Bestimmungen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen nach § 28 StGB vorsieht (§ 494a Abs 1 Z 3 StPO – vgl Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 3; Schroll in WK2 JGG § 15 Rz 7; zur sonst fehlenden Möglichkeit einer Tilgung einer Verurteilung nach § 13 Abs 1 JGG vgl Schroll in WK2 JGG § 16 Rz 25).

Demnach war die mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 20. Juni 2012, AZ 522 Hv 42/12i, unter nachträglicher Straffestsetzung zum Verfahren AZ 141 Hv 61/11s des Landesgerichts für Strafsachen Wien verhängte und in der Folge endgültig nachgesehenen Freiheitsstrafe mit 20. Juni 2017 getilgt. Bei der Strafbemessung im Verfahren AZ 503 Hv 24/17k des Landesgerichts Korneuburg hätte sie nicht als erschwerend gewertet werden dürfen (zur dadurch bewirkten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 713); Baftijar G***** hätte vielmehr als gerichtlich unbescholten zu gelten gehabt (§ 1 Abs 4 TilgG).

Zufolge nachteiliger Wirkung dieser Gesetzesverletzung sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, den Baftijar G***** betreffenden Strafausspruch aufzuheben.

Bei der Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend, dass Baftijar G***** (aus Eifersucht und Rache gegenüber einem vermeintlichen [!] Nebenbuhler – US 5) seinen Bruder Valmir G***** zur (angesichts des gemeinschaftlichen und für das ahnungslose Opfer völlig unerwarteten Versetzens von Schlägen und Fußtritten gegen den Körper und das Gesicht auch als es bereits zu Boden gekommen war – US 6 f) heimtückischen und qualvollen Tat (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB; vgl Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 20, 22) verführte (§ 33 Abs 1 Z 3 StGB; vgl Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 14). Als mildernd waren der ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB; vgl Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 7), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) und der Umstand, dass sich Baftijar G***** einer Antiaggressionstherapie unterzogen hat, zu veranschlagen.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen entspricht die ausgesprochene Freiheitsstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat.

Ein Teil dieser Freiheitsstrafe von zehn Monaten war zufolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 43a Abs 3 StGB bedingt nachzusehen. Einer gänzlichen bedingten Strafnachsicht stehen die Art der Tat sowie deren Gewicht und Sozialschädlichkeit erfassender Erfolgsunwert und der täterbezogene Handlungsunwert (vgl Jerabek in WK2 StGB § 43 Rz 20 ff) entgegen.

Textnummer

E124228

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00023.19W.0226.000

Im RIS seit

12.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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