TE Bvwg Beschluss 2018/6/25 L524 2146705-1

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §37
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L524 2146705-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2017, Zl. 1047331407-140248113/BMI-BFA_STM_RD, beschlossen:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz

VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 04.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.12.2014 gab der Beschwerdeführer an, dass er Araber und Moslem sei. Er sei ledig und stamme aus Bagdad. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass er wegen seiner Tätigkeit als Polizist und seiner Volksgruppenzugehörigkeit des Öfteren von der Regierung und anderen schiitischen Gruppierungen mit dem Umbringen bedroht worden sei; unter anderem von der Gruppierung Asaeb ahl el Hak.

2. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 06.12.2016 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass er für das Innenministerium gearbeitet habe und während der Arbeit bedroht worden sei. Er sei für die Verwaltung der Waffen zuständig gewesen und ein General habe von ihm gewollt, dass er defekte Waffen austausche solle, wofür ihm dieser Geld angeboten habe. Der Beschwerdeführer wäre dafür aber vor das Militärgericht gekommen. Er habe die Geschichte seinem Vorgesetzten gemeldet, wovon der General erfahren habe, der ihn später bedroht habe. Deshalb habe er den Irak verlassen. Im Falle einer Rückkehr würde er vor das Militärgericht kommen und müsste in das Gefängnis. Der Beschwerdeführer legte mehrere Dokumente, teils im Original, teils in Kopie vor.

3. Mit Bescheid des BFA vom 03.01.2017, Zl. 1047331407-140248113/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Zu A)

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde:

Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 06.12.2016 mehrere Beweismittel zur Untermauerung seines Fluchtvorbringens vor. Das BFA hat diese Beweismittel nicht übersetzt und sich in der Folge auch nicht inhaltlich mit den vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt. Im angefochtene Bescheid findet sich bloß der lapidare Hinweis, dass die in Kopie vorgelegten Beweismitteln mangels Überprüfbarkeit nicht berücksichtigt werden könnten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Auch mit nur in Kopie vorgelegten Beweismitteln hat sich das BFA auseinanderzusetzten. Auf einem der vorgelegten Dokumente findet sich zudem eine Notiz, wonach es sich dabei um einen Bescheid über eine unerlaubte Abwesenheit vom Dienst und eine Strafdrohung handeln würde. Damit hat sich das BFA nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Dadurch dass das BFA keine verständliche Übersetzung der Dokumente hat vornehmen lassen und sich mit dem Inhalt der Dokumente nicht befasst hat, hat das BFA jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen.

Auf Grund dieser Mängel ist es nicht möglich, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Das BFA hat daher im fortgesetzten Verfahren die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweismittel übersetzen zu lassen und sich im Anschluss damit inhaltlich auseinanderzusetzen. In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an das BFA ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Beweismittel,
Ermittlungspflicht, Fluchtgründe, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Übersetzung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L524.2146705.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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