TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/9 B3830/95, B3831/95

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Veröffentlicht am 09.06.1997
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BDG 1979 §38
BDG 1979 §40

Leitsatz

Keine willkürliche Abberufung von Beamten von ihrer bisherigen Verwendung infolge ihres für eine Vorgesetztenfunktion nicht mehr tragbaren Verhaltens

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer stehen als Gruppeninspektoren bei der Bundespolizeidirektion Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Bescheiden vom 20. bzw. 22. März 1995 wurden sie mit sofortiger Wirkung von ihrer bisherigen Verwendung als Gruppenführer-Stellvertreter des Referates 3 Dienstgruppe 2 bzw. 3 der Kriminalbeamten-Abteilung beim Sicherheitsbüro abberufen und wurden ihnen gleichzeitig Planstellen als Spezialsachbearbeiter bei den Kriminalbeamten-Abteilungen der Bezirkspolizeikommissariate Favoriten bzw. Donaustadt zugewiesen.

In der Begründung dieser - in allen wesentlichen Belangen gleichlautenden - Bescheide wird u.a. folgendes ausgeführt:

"Durch ein am 9.11.1994 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangtes privates Schreiben und einen Artikel in der Tageszeitung 'Kurier' wurde der Dienstbehörde bekannt, daß Sie als Erbe der verstorbenen Frau H. K. aufscheinen.

Dabei sind von Zeugen gerichtlich strafbare Verdachtsmomente aufgezeigt worden. Erhebungen mußten eingeleitet werden und führten am 20.12.1994 zur Erstattung einer Strafanzeige gegen Sie an die Staatsanwaltschaft des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Das Strafverfahren ... ist nunmehr wegen Verdachtes des teilweise vollendeten, teilweise versuchten schweren Betruges anhängig, weil Sie im Mai 1993 in Wien Verfügungsberechtigte von Bankinstituten durch Vortäuschen einer Verfügungsberechtigung zur Vornahme von Geldtransferierungen hinsichtlich der H. K. gehörenden Sparbücher mit einer Gesamteinlagesumme von 2,7 Mio Schilling mit Bereicherungsabsicht verleitet und die Einantwortung des Verlassenschaftsvermögens nach der verstorbenen H. K. durch Vorlage eines betrügerischen Testamentes zu erlangen versucht haben sollen.

...

Durch Zeitungsartikel ... wurde das Vertrauen der Allgemeinheit, daß Kriminalbeamte ihre Aufgaben objektiv, unparteiisch und uneigennützig erledigen, wesentlich beeinträchtigt. Am 24.2.1995 mußte daher gegen Sie Anzeige bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres ... erstattet werden.

...

Unter Bezugnahme auf die §§43, 44 und 45 BDG 1979 ist festzustellen, daß der Gruppenführer-Stellvertreter im Vertretungsfalle des Gruppenführers der unmittelbare Vorgesetzte der seiner Dienstgruppe zugeteilten Kriminalbeamten ist. Er hat dann darauf zu achten, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und entsprechend den geltenden Vorschriften und Weisungen erfüllen. ... In dieser Hinsicht ist eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ihnen und Ihren Vorgesetzten sowie der Dienstbehörde eingetreten.

...

Diese vorliegenden, schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen Ihre Person waren geeignet, das Vertrauen der Vorgesetzten und Dienstbehörde zu Ihrer Eigenschaft, eine Vorgesetztenfunktion ausfüllen zu können, zu erschüttern, weil Sie aufgrund dieser Tatsachen nicht mehr mit der notwendigen Akzeptanz bei Ihren Gruppenmitarbeitern rechnen können."

2. Ihre gegen diese Bescheide erhobenen - gleichlautenden - Berufungen an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt begründeten die Beschwerdeführer im wesentlichen damit, daß sie keinerlei Dienstpflichten gemäß §43 BDG verletzt hätten. Zwar sei der Kontakt mit Frau H. K. ursprünglich durch ihre Stellung als Kriminalbeamte zustandegekommen; jedoch seien die von der Genannten erhaltenen Geldgeschenke nicht mit der amtlichen Stellung oder der Amtsführung der Beschwerdeführer in Bezug zu setzen. Es seien keine Täuschungshandlungen vorgenommen worden. Auch der Vorwurf, ein "frauduloses" Testament vorgelegt zu haben, gehe ins Leere. Allein der Umstand, daß in Zeitungsmeldungen die in Rede stehende Erbschaft in verzerrter Form dargestellt worden sei, lasse für den Dienstbereich noch keine Konsequenz ableiten.

3. Mit Bescheiden jeweils vom 6. September 1995 wies die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt die Berufungen der Beschwerdeführer ab und bestätigte die Entscheidungen der Dienstbehörde. Begründend wird dazu - in dem an den Beschwerdeführer zu B3830/95 gerichteten Bescheid - folgendes ausgeführt:

"Folgende, sich aus den vorliegenden Unterlagen sowie den Angaben des BW bei der mündlichen Verhandlung ergebenden Umstände waren in der Folge als für die Begründung der qualifizierten Verwendungsänderung maßgebliches wichtiges dienstliches Interesse zu qualifizieren:

Unbestritten ist zunächst im vorliegenden Fall, daß der BW über seinen Kollegen GrInsp. G. B., der H. K. anläßlich einer Amtshandlung kennengelernt hatte, mit dieser Frau in Kontakt kam. GrInsp. B. führte vor Jahren Erhebungen im Dienste der Strafjustiz, wobei H. K. Geschädigte war. Auch nach Abschluß dieser Amtshandlung war GrInsp. B. der H. K. in privaten Angelegenheiten behilflich. Im Laufe der Zeit stellte dieser Beamte auch den Kontakt zwischen der Frau und dem BW her. In weiterer Folge besuchten der BW und GrInsp. B. beinahe immer gemeinsam die Frau, die schließlich Vertrauen zu den beiden Beamten faßte. Bereits zu Lebzeiten schenkte H. K. dem BW sowie GrInsp. B. insgesamt neun Sparbücher mit einer Einlage von je öS 300.000,--.

Fest steht weiters, daß der BW in diesem Zusammenhang keinerlei Schenkungssteuer abführte. Abgesehen davon, daß es der BW unterlassen hat, seine Dienstbehörde von diesen Geldzuwendungen zu verständigen, hat er schon dadurch alleine, daß er wesentliche steuerrechtliche Bestimmungen völlig bewußt mißachtet hat, ein Verhalten gesetzt, das grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Mitarbeitern sowie der Dienstbehörde zu erschüttern.

Nach Auffassung des erkennenden Senates steht darüber hinaus völlig außer Zweifel, daß der BW über die Vermögensverhältnisse der Frau K. sowie über die Tatsache, daß der letzte Wille der Genannten auf Bestattung im Familiengrab auf dem Sieveringer Friedhof lautete, in Kenntnis war. Hinzu kommt, daß der BW - ebenso wie GrInsp. B. - von H. K. als testamentarischer Erbe eingesetzt wurde, was ihn jedoch nicht daran hinderte, die Frau in einem Armengrab der Gemeinde Wien bestatten zu lassen. ...

Auch wenn der BW in diesem Zusammenhang keine Gesetzesverletzungen begangen hat, so muß ihm alleine - von allfälligen moralischen Überlegungen abgesehen - jedenfalls daraus ein Fehlverhalten zur Last gelegt werden, als aufgrund der engen Verquickung der Kontakte zu Frau K. mit seiner beruflichen Tätigkeit eine seriösere, der bisherigen Stellung des BW als Gruppenführer-Stellvertreter entsprechendere Vorgangsweise angebracht gewesen wäre.

Dem BW kam in seiner bisherigen Verwendung als Gruppenführer-Stellvertreter eine Vorgesetztenfunktion zu. An das Verhalten eines solcherart verwendeten Beamten sind speziell im Hinblick auf die in der Bestimmung des §45 Abs1 leg.cit. normierten speziellen Dienstpflichten für Vorgesetzte besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Das Gesamtverhalten des BW, in dem sich sehr augenfällig dokumentiert, daß er nicht nur bereit ist, sich über steuerrechtliche Bestimmungen hinwegzusetzen, sondern auch in seinen sonstigen Handlungen nicht die im Hinblick auf die Sensibilität der Angelegenheit notwendige Seriosität aufweist, läßt seine Verwendung als Gruppenführer-Stellvertreter im Sicherheitsbüro nicht tragbar erscheinen. Demnach (be)steht an der Abberufung des BW von der Verwendung als Vorgesetzter - als Gruppenführer-Stellvertreter hat er diesen in dessen Abwesenheit zu vertreten - ein wichtiges dienstliches Interesse, sodaß die vorgenommene qualifizierte Verwendungsänderung des BW zu Recht durchgeführt wurde."

Der an den Beschwerdeführer zu B3831/95 gerichtete Bescheid stimmt in allen für das hg. Verfahren maßgeblichen Belangen mit dem soeben wiedergegebenen überein.

4. Gegen diese Bescheide der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt wenden sich die vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten - in allen wesentlichen Belangen gleichlautenden - Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird. Zur behaupteten Rechtsverletzung wird darin vor allem folgendes ausgeführt:

"Die Ausführungen der belangten Behörde in der Bescheidbegründung dokumentieren nahezu willkürliches Handeln.

Der belangten Behörde ist ... zuzustimmen, daß für eine Abberufung eines Beamten im Sinne des §40 Abs2 Ziffer 2 BDG ein wichtiges dienstliches Interesse unter dem Gesichtspunkt des §39 Abs3 leg. cit. zu prüfen ist. Weiters ist zutreffend, daß die Tatbestände des §38 Abs3 leg. cit. demonstrativ aufgezählt wurden.

Daraus folgt, daß ein Verhalten eines Beamten dann (ein) eine Versetzung bzw. eine qualifizierte Verwendungsänderung rechtfertigendes, wichtiges dienstliches Interesse im Sinn der genannten Bestimmung begründet, wenn dieses Verhalten der Art und Schwere zufolge den im Absatz 3 aufgezählten Tatbeständen gleichzusetzen ist. Im vorliegenden Fall wird wohl die Ziffer 4 als Maßstab für die Beurteilung des Vorliegens des wichtigen dienstlichen Interesses heranzuziehen sein.

Ziffer 4 setzt für das Vorliegen eines wichtigen dienstlichen Interesses für eine Maßnahme nach §40 Abs2 Ziffer 2 BDG sowohl die Verhängung einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe voraus und qualifiziert diese Disziplinarstrafe, daß der Grund für die rechtskräftige Verhängung eine dienstliche Verletzung in einer Art und Schwere ist, die die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheinen läßt.

Daraus folgt aber schließlich, daß immer nur dann eine rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafe als wichtiges dienstliches Interesse zu qualifizieren ist, wenn eben die Art und Schwere eine entsprechende Qualifikation besitzt. Daraus folgt, daß die Tatsache einer rechtskräftig verhängten Disziplinarstrafe allein nicht kraft Gesetzes das Vorliegen eines wichtigen dienstlichen Interesses für eine Maßnahme nach §40 Abs2 Ziffer 2 BDG begründet.

Die Ausführungen der belangten Behörde auf Seite 8 der Bescheidbegründung entsprechen daher meiner Ansicht nach nicht dem Willen des Gesetzgebers. Keineswegs kann es wohl so sein, daß der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung in einer Art durch die belangte Behörde qualifiziert wird, daß dieser Verdacht einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe in der Art und Weise entspricht, daß die Art und Schwere der begangenen Dienstpflichtverletzung zwingend eine Maßnahme nach §40 Abs2 Ziffer 2 BDG nach sich ziehen muß. Dies deshalb, da dem Fehlen des Grundsatzes der rechtskräftigen Disziplinarstrafe ja überhaupt noch nicht eine Entscheidung darüber vorliegen kann, ob ein angebliches Verhalten eine Dienstpflichtverletzung darstellt oder nicht. Anderenfalls könnte man die Meinung vertreten, daß ein volles Geständnis des Betroffenen unter Umständen eine Qualifikation im Sinne der Ziffer 4 möglich erscheinen läßt. Jedoch die Meinung zu vertreten, daß das Bestreiten eines Vorwurfes als Schutzbehauptung in jedem Fall eine Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen dienstlichen Interesses darstellt, ist eindeutig ein Akt der Willkür, da nach der österreichischen Rechtsordnung der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt. Ebenso erscheint die Argumentation der belangten Behörde unter Hinweis auf §38 Abs4 BDG mangelhaft, da im Rahmen der Ausführungen die belangte Behörde selbst treffend darauf hinweist, daß die Voraussetzungen für eine entsprechende Maßnahme nur dann gegeben ist, wenn ein anderer geeigneter Beamter, bei dem 'dies nicht der Fall ist', zur Verfügung steht. Die belangte Behörde hat es im gesamten Verfahren unterlassen, dazutun, daß sie die Frage geprüft hätte, einen entsprechenden anders qualifizierten Beamten zu ermitteln. Die belangte Behörde hat es im gesamten Verfahren unterlassen, darzutun, daß sie die Frage geprüft hätte einen entsprechenden anders qualifizierten Beamten zu ermitteln. Durch dieses Unterlassen dokumentiert die belangte Behörde neuerlich ein willkürliches Vorgehen in meiner Sache.

Da die belangte Behörde nicht in der Lage ist, mein Verhalten in der jetzigen Situation als Dienstpflichtverletzung rechtlich relevant festzustellen, ein Schuldeingeständnis von mir nicht vorliegt und die belangte Behörde es unterlassen hat, einen Beamten im Sinn des §38 Abs4 Satz 2 BDG zu eruieren, hat sie daher durch die ausgesprochene Versetzung willkürlich die Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes verletzt."

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jeweils eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden. In der im Verfahren B3830/95 erstatteten Gegenschrift, die in allen wesentlichen Belangen mit der im Verfahren zu B3831/95 abgegebenen Äußerung übereinstimmt, führt die Behörde u.a. folgendes aus:

"Wie der Verfassungsgerichtshof jüngst in einem Erkenntnis ausführte (vgl. B1166/93-7), falle der belangten Behörde ein willkürliches Vorgehen dann zur Last, wenn diese den von ihr anzuwendenden Normen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat. Derartiges hat aber die belangte Behörde nicht getan. Sie hat keineswegs einen 'Verdacht einer Dienstpflichtverletzung' in einer 'rechtskräftigen Disziplinarstrafe entsprechenden Art und Weise' qualifiziert, sondern hat aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie der Angaben des Beschwerdeführers vor der Berufungskommission am 6. September 1995 einen Sachverhalt als erwiesen angenommen und diesen rechtlich als ein Verhalten

beurteilt, welches es rechtfertigte, den Beschwerdeführer ... von

seiner bisherigen Verwendung ... abzuberufen ...

Im übrigen gab der Beschwerdeführer zu, daß er und G. B. wußten, daß H. K. in ihrem Familiengrab bestattet hätte werden wollen und sie von den erhaltenen Geldbeträgen von

ca. 1,3 Millionen weder dem Finanzamt etwas gemeldet noch eine Schenkungssteuer bezahlt haben ... Es liegt somit hinsichtlich des zu beurteilenden Sachverhaltes sogar ein Geständnis des Beschwerdeführers über jenes Verhalten vor, welches auch nach seiner Ansicht die Beurteilung als eine die Versetzung eines Beamten rechtfertigende Dienstpflichtverletzung zuläßt ...

Es geht daher der Vorwurf eines willkürlichen Vorgehens der belangten Behörde schon aus diesem Grund ins Leere, weil man sich bei dem dem Bescheid zugrundeliegenden Sachverhalt im wesentlichen auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers stützte.

...

Wenn der Beschwerdeführer meint, die Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides über die Beurteilung der Nichtbeachtung des letzten Willens der H. K. bezüglich ihrer Bestattung im Familiengrab und deren Bestattung in einem Armengrab der Gemeinde Wien würden nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, ist ihm folgendes zu erwidern:

Die Beachtung des letzten Willens eines Verstorbenen gehört nach Ansicht der Berufungskommission zu den grundlegenden sittlichen Normen unseres Kulturkreises. Den Verstoß des Beschwerdeführers gegen diese Pflicht hielt die belangte Behörde aber nicht deswegen, sondern wegen der engen Verquickung der Kontakte zu H. K. mit seiner beruflichen Tätigkeit für ein Fehlverhalten, weil von ihm eine seriösere, seiner Stellung als Kriminalbeamter entsprechende Vorgangsweise zu erwarten gewesen wäre.

Da der Gesetzgeber die vier Fälle des wichtigen dienstlichen Interesses in §38 Abs2 (gemeint wohl: Abs3) BDG 1979 lediglich demonstrativ aufgezählt hat, ... ließ auch der mit diesem Verhalten verbundene Ansehens- und Autoritätsverlust des Beschwerdeführers als Vorgesetzter mit Recht eine Abberufung von der genannten Verwendung im Sinne des §38 Abs2, §40 des BDG 1979 zu. Die belangte Behörde hat deshalb auch mit ihren Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides die genannten gesetzlichen Bestimmungen im Sinne und nach dem Willen des Gesetzgebers ausgelegt ...

Da es sich vorliegendenfalls um eine Verwendungsänderung des Beschwerdeführers und nicht um dessen Versetzung handelte, war auch keine Prüfung im Sinne des §38 Abs4 Satz 2 BDG vorzunehmen. Durch dieses 'Unterlassen konnte die belangte Behörde somit ebenfalls kein willkürliches Vorgehen in seiner Sache dokumentieren'."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, darüber läßt sich keine allgemeine Aussage machen. Ob Willkür vorliegt, kann nur aus dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982).

Keiner dieser Mängel liegt aber hier vor. Weder hat sich für den Verfassungsgerichtshof ergeben, daß das jeweilige Ermittlungsverfahren an einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leide, noch kann von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage oder gar von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein: Die belangte Behörde ist - ausgehend von den näheren Umständen der von ihr zu entscheidenden Fälle - zur Auffassung gelangt, daß aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführer deren Verwendung als Gruppenführer-Stellvertreter, somit in einer mit entsprechender Autorität und Vorbildwirkung versehenen Vorgesetztenfunktion, nicht mehr tragbar ist. Wenn sie im Hinblick darauf ein wichtiges dienstliches Interesse gemäß §40 Abs2 iVm §38 Abs2 und 3 BDG 1979 an der Abberufung der Beschwerdeführer von ihrer bisherigen Verwendung angenommen hat, so belastet dies die getroffene behördliche Entscheidung jedenfalls nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel; dies - mit Blick auf die hier vorliegenden Fälle - insbesondere deshalb, weil auch ein disziplinär nicht zu ahndendes Verhalten des Beamten ein wichtiges dienstliches Interesse begründen kann (VfSlg. 8450/1978).

Ob den Entscheidungen darüberhinaus auch eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zugrundeliegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in den - hier vorliegenden - Fällen, in denen eine Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur).

3. Die Beschwerdeführer sind somit aus den in den Beschwerden vorgetragenen Erwägungen nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

4. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VerfGG. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Aufwandes für die Vorlage der Verwaltungsakten sowie für die Erstattung der Gegenschriften waren nicht zuzusprechen, da dies im VerfGG nicht vorgesehen ist (VfSlg. 10003/1984).

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Versetzung, Verwendungsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3830.1995

Dokumentnummer

JFT_10029391_95B03830_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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