TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 98/06/0052

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Gemeinde P, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Februar 1998, Zl. 03-12.10 P 15 - 98/21, betreffend die Aufhebung einer Berufungsentscheidung in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien:

1. HK und 2. EK, beide in P, sowie 3. MH und 4. UH, beide in P, vertreten durch D, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 30. November 1976 war der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei (in der Folge kurz: Bauwerber) die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses im Gemeindegebiet erteilt worden. In der Folge ergab sich, dass das Haus abweichend von der Baubewilligung hergestellt worden war und auch (teilweise) als Jausenstation verwendet wurde. Aus Anlass eines Benützungsbewilligungsverfahrens wurde den Bauwerbern aufgetragen, Austauschpläne vorzulegen und um die Bewilligung zur Änderung des Verwendungszweckes einzukommen (in den Verwaltungsakten wird auch mehrfach auf ein entsprechendes gewerberechtliches Verfahren Bezug genommen). In den Verwaltungsakten befinden sich Austauschpläne, die mit "Februar 1993" datiert sind (sie weisen keinen Genehmigungsvermerk auf).

Mit Eingabe vom 5. Mai 1994 (eingelangt am 10. Mai 1994) kamen die Bauwerber um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zwecks "Errichtung einer Garage sowie Genehmigung zur Änderung des Verwendungszweckes und Errichtung von Parkplätzen" ein. Im Anschluss daran ergab sich ein Schriftverkehr zwischen der Gemeinde, der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft und der belangten Behörde; auch wurden verschiedene Gutachten eingeholt. Aus den Akten ergibt sich die Widmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes als "Freiland". In einer Rechtsauskunft der belangten Behörde an die Gemeinde vom 7. Dezember 1995 heißt es u.a., gemäß § 25 Abs. 3 Z. 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (ROG) könnten Änderungen des Verwendungszweckes bei sonst rechtmäßig bestehenden Gebäuden bewilligt werden, wenn der bisherige Nutzungscharakter überwiegend erhalten bleibe. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich um ein rechtmäßig bestehendes Gebäude handeln müsse. Da das derzeit bestehende Wohngebäude "offenbar wesentlich vom bewilligten Bauplan abweichen" solle, wäre vorweg diese geänderte Ausführung einer Baubewilligung zuzuführen. Erst im Anschluss daran könnte das Baubewilligungsverfahren betreffend die Verwendungszweckänderung durchgeführt werden. Wie bereits im (vorangegangenen) Schreiben vom 21. November 1995 ausgeführt worden sei, seien "Zubauten für die neue Nutzung unzulässig". Da der aus dem Bauplan ersichtliche überdachte Gastgarten im Sinne des Steiermärkischen Baugesetzes zu werten sei, sei dieser nicht bewilligungsfähig.

Am 15. März 1996 kam es vor der erstinstanzlichen Baubehörde zu einer Bauverhandlung hinsichtlich des Baugesuches vom 5. Mai 1994 und eines früheren Ansuchens um Erteilung der Benützungsbewilligung zwecks (zitiert nach dem Betreff in der Verhandlungsschrift) "Errichtung einer Garage, Genehmigung von Ausführungsplänen und Änderung des Verwendungszweckes sowie Erteilung der Benützungsbewilligung". Die dritt- und die viertmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Nachbarn) erhoben gegen das Vorhaben Einwendungen. Sie machten geltend, sowohl im Bauverfahren als auch im gewerbebehördlichen Verfahren seien Gutachten eingeholt worden, die alle gegen die Errichtung einer Jausenstation in dieser Lage sprächen "und diese nicht nur als ungesetzlich, sondern auch als unzumutbar für uns Nachbarn" bezeichneten. Das fragliche Grundstück sei als "Freiland-landwirtschaftlich genutzte Fläche" gewidmet und sei daher "für den Zweck einer Jausenstation nicht geeignet" (wurde näher ausgeführt). Dazu komme noch, dass eine Änderung des Verwendungszweckes nur dann bewilligt werden könne, wenn es sich um ein rechtmäßig bestehendes Gebäude handle. Das bestehende Gebäude weiche jedoch erheblich von der erteilten Baubewilligung ab, sodass eine Bewilligung für die Änderung des Verwendungszweckes nicht in Betracht komme. Auch ergebe sich beim Betrieb dieser Jausenstation bei Tag und bei Nacht eine unzumutbare Lärmentwicklung (wurde näher ausgeführt).

Mit Bescheid der erstinstanzlichen Baubehörde vom 9. Juli 1996 wurde den Bauwerbern (zu I. und II. auf Grundlage der Steiermärkischen Bauordnung 1968 iVm § 119 Abs. 2 BauG)

I. "die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Garage und die Genehmigung von Ausführungsplänen mit Ausnahme der Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb, sowie mit Ausnahme der Nutzung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten" des mit Bescheides vom 30. November 1976 bewilligten Einfamilienwohnhauses erteilt,

II. die Teilbenützungsbewilligung in einem näher beschriebenen Umfang erteilt, und III. gemäß § 41 Abs. 4 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 die Nutzung der Kellerräumlichkeiten insbesondere als Küche, Gastraum, Schankraum, Gastraum II einschließlich des Vorgartens zu gastgewerblichen Zwecken "bis zur rechtskräftigen Erteilung der Änderung des Verwendungszweckes" untersagt.

Für das vorliegende Beschwerdeverfahren erscheinen insbesondere folgende Teile der Begründung dieses Bescheides (die offenbar auf den Ausführungen des der Bauverhandlung vom 15. März 1996 beigezogenen Amtssachverständigen beruht) erheblich:

"Nachträgliche Baubewilligung für den Auswechslungsplan vom 5. Mai 1994 (Errichtung einer Garage, baul. Änderungen des Einfamilienwohnhauses, Änderung des Verwendungszweckes im Kellergeschoß zum Betrieb eines Gastgewerbes und Errichtung eines Gastgartens im Vorgartenbereich):

Hinsichtlich der Änderung des Verwendungszweckes für den Gastgewerbebetrieb sowie der Errichtung eines Gastgartens ist anzuführen das diese Änderung dem ortsplanerischen Gutachten des Dipl. Ing. Max Pumpernig vom 7.2.1995 einer Genehmigungsfähigkeit nicht zugeführt werden können zumal die gegenständlichen Liegenschaft nach dem rechtskräftigem Flächenwidmungsplan 3.0 der Gemeinde Parschlug im Freiland gelegen ist und eine Änderung des Verwendungszweckes für gastgewerbliche Nutzung gem. § 25 Abs. 3 Ziff. lit. b mit Verbindung Abs. 6 Ziff. 4 Stmk ROG 1974 LGBl. Nr. 1/1995 nur bei rechtmäßig bestehenden Gebäuden bewilligt werden kann. (Siehe auch Stellungnahme des Amtes der Stmk. Landesregierung RA 3 vom 7.12.1995). Dies bedeutet, dass nach dem Gutachten zuerst die vom bisherigen Konsens (Bescheid vom 30.11.1976 Zl. 1585/76-153-9) abweichenden Baumaßnahmen einer rechtskräftigen Baubewilligung zuzuführen sind und erst in der Folge aufgrund des Gutachtens des Arch. Dipl. Ing. Sulzer, Leoben, vom 12.6.1995 Nr. 48/1995 demgemäß die gewerbliche Nutzung im untergeordneten Ausmaß erfolgt (36,98% für die Jausenstation und 63,02 % für Wohnzwecke) eine Bewilligung für die gewerbliche Nutzungsänderung erteilt werden könnte.

...

Hinsichtlich der Änderung des Verwendungszweckes im Untergeschoß zur gastgewerblichen Nutzung ist anzuführen, dass diese aus Sicht des bautechn. Amtssachverständigen bei Einhaltung der im ortsplanerischen Gutachten des Dipl. Ing. Max. Pumpernig vom 7.2.1995 Seite 4 lit a bis e erteilt werden kann, wenn die Genehmigung der Ausführungspläne hinsichtlich der bautechnischen Änderung in Rechtskraft erwachsen ist, da die untergeordnete Nutzung der Verwendungszweckänderung nach Maßgabe des Gutachtens des Dipl.Ing. Sulzer vom 12.6.1995 Nr. 48/1995 erwiesen ist.

Abschließend wird festgehalten, dass hinsichtlich der bautechnischen Änderungen wie sie im Befund und Gutachten festgestellt wurden von den Nachbarn M und UF, vertreten durch

Frau RA Dr. P... (Anm: das ist die dritt- und die

viertmitbeteiligte Partei), keine Einwendungen erhoben wurden, hinsichtlich der gastgewerblichen Nutzung steht fest, dass bei Einhaltung der Auflagen wie dem ortsplanerischen Gutachten dargestellt sind, subjektiv öffentliche Rechte der Nachbarn M und UH nicht verletzt sind, wenn ein Gastgarten nicht zur Ausführung gelangt, weshalb diese Einwendungen im Falle der Genehmigung der Änderung des Verwendungszweckes entsprechend zu behandeln wären."

Die Bauwerber erhoben gegen den Punkt I dieses Bescheides insoweit, als die Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb sowie die Nutzung des Vorplatzes als Gastgarten "keiner Bewilligung zugeführt" worden sei, sowie gegen Punkt III. dieses Bescheides Berufung. Mit einem als "Klarstellung der Berufung" bezeichneten Schriftsatz vom 5. August 1996 erklärten die Bauwerber, es werde "klargestellt", dass nur der Punkt III. des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides bekämpft werde und der Punkt I. dieses Bescheides unbekämpft bleibe.

In den Gemeindeakten findet sich weiters eine Eingabe der Bauwerber (ebenfalls) vom 5. August 1996 folgenden Wortlautes:

"Hiermit ersuchen wir um Fortsetzung des Baubewilligungsverfahrens hinsichtlich der Änderung des Verwendungszweckes".

Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 27. Februar 1997 wurde der Berufung der Bauwerber gegen den Bescheid vom 9. Juli 1996 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, aufgrund des Umstandes, dass der Spruchteil I. dieses Bescheides "infolge der Nichtbekämpfung der Berufungswerber (siehe Klarstellung der Berufung vom 5.8.1996) mittlerweile in Rechtskraft erwachsen" sei, sei "eine Abänderung des Spruches in Punkt III des Bescheides vom 9.7.1996 die sich zwangsläufig aus Spruch I ergibt, nicht möglich".

Mit dem am 26. März 1997 bei der Gemeinde eingelangten Antrag vom 24. März 1997 begehrten die Bauwerber die Bewilligung der Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb sowie des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten.

Die Nachbarn erhoben mit Schriftsatz vom 13. Mai 1997 rechtzeitig Einwendungen gegen dieses Vorhaben und verwiesen zunächst darauf, dass das nunmehrige Vorhaben bereits rechtskräftig abgewiesen worden sei (Hinweis auf den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Juli 1996 und auf den Berufungsbescheid vom 27. Februar 1997). Das neuerliche Ansuchen sei daher wegen entschiedener Rechtssache unzulässig. Im Übrigen sei das fragliche Grundstück als "Freiland-landwirtschaftlich genutzte Fläche" gewidmet. Die Flächenwidmung gestatte nicht die geplante Nutzung als Gastbetrieb. Überdies emittiere dieser Betrieb einen gesundheitsgefährdenden Lärm (wurde näher ausgeführt).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Mai 1997 wurde der Antrag vom 24. März 1997 "auf Änderung des Verwendungszweckes der Kellerräume als Gastgewerbebetrieb, und Nutzung des Vorplatzes als Gastgarten (...) mit Ausnahme der Nutzung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten "unter Vorschreibung verschiedener Auflagen baurechtlich bewilligt. Im Punkt I. dieser "Auflagen" heißt es: "Aufgrund der im Befund angeführten Unterlagen (Lärmgutachten etc.) kann der nördlich des Wohnhauses gelegene überdachte Gastgarten nicht bewilligt werden". In der Begründung des Bescheides heißt es hiezu:

"Der im Ansuchen angeführte Vorgarten als Gastgewerbebetrieb kann aufgrund des lärmtechnischen Gutachtens keiner Bewilligung zugeführt werden" (Hinweis auf Befund und Gutachten des Arch. DI E.S. vom 2. Oktober 1996).

Die Bauwerber erhoben gegen diesen Bescheid insoweit Berufung, als damit die angestrebte Nutzungsänderung hinsichtlich des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten nicht bewilligt wurde.

Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 24. Oktober 1997 wurde der Berufung Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass den Ansuchen der Bauwerber "vom 26.3.1997 (richtig: vom 24. März 1997, eingelangt am 26. März 1997)" um Änderung des Verwendungszweckes für das Kellergeschoß als Gastgewerbebetrieb und die Nutzung des Vorgartens als Gastgarten (...) entsprochen" werde, wobei die Vorschreibungen im erstinstanzlichen Bescheid mit Ausnahme des Punktes 1. der "Auflagen" vollinhaltlich aufrecht blieben.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 25 Abs. 3 Z. 3 ROG Änderungen des Verwendungszweckes bei sonst rechtmäßig bestehenden Gebäuden bewilligt werden könnten, wenn der bisherige Nutzungscharakter überwiegend erhalten bleibe. Dem Gutachten des DI S. vom 2. Oktober 1996 zufolge sei die Nutzfläche der Jausenstation inklusive Garage und Gastgarten geringer als jene Fläche, die auf den "Nutzungscharakter Wohnfläche" entfalle. Das bedeute, dass der überwiegende Nutzungscharakter beim nunmehr rechtmäßig bestehenden Gebäude, nämlich die Nutzung als Wohnfläche, erhalten bleibe und Bedenken "aus Sicht der Raumordnung nicht zu bestehen scheinen". Weiters sei im gewerberechtlichen Verfahren mit einem näher bezeichneten Bescheid des "Amtes der Steiermärkischen Landesregierung " (gemeint ist wohl ein im gewerberechtlichen Verfahren ergangener Berufungsbescheid) der im gewerberechtlichen Verfahren ergangene erstinstanzliche Bescheid vom 7. Juli 1995 abgeändert worden, wobei "hier ausdrücklich der Betrieb des überdachten Gastgartens der Anlage gestattet wurde".

Dagegen erhoben die Nachbarn Vorstellung an die belangte Behörde. Sie begründeten diese zusammengefasst mit den von diesem Gastgarten ausgehenden Lärmimmissionen und erachteten sich durch den Berufungsbescheid "in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Übereinstimmung des Objektes mit dem Flächenwidmungsplan verletzt".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber (das sind die Nachbarn) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindebehörden verwiesen.

Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, die Nachbarn hätten im zugrunde liegenden Bauverfahren mit dem Schriftsatz vom 13. Mai 1997 rechtzeitig eingewendet, dass das neuerliche Ansuchen um Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb bzw. um Genehmigung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten wegen entschiedener Rechtssache nicht zulässig sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei Voraussetzung für die Zurückweisung wegen entschiedener Sache die tatsächliche Identität der Sache. Entschiedene Sache liege somit vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hätten. Ein Nachbar als Partei des Verfahrens besitze grundsätzlich dass Recht, dass eine zu seinen Gunsten entschiedene Bausache nicht neuerlich aufgerollt werde. Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckten, seien zurückzuweisen. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur könne allerdings die Einwendung der entschiedenen Sache nur im Rahmen eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes mit Erfolg erhoben werden.

Mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 9. Juli 1996 sei das (erste) Bauansuchen betreffend die Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb sowie betreffend die Nutzung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten abgewiesen worden. Dies sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass eine Änderung des Verwendungszweckes für gastgewerbliche Nutzung gemäß § 25 Abs. 3 Z. 3 lit. b in Verbindung mit Abs. 6 Z. 4 ROG nur bei rechtmäßig bestehenden Gebäuden bewilligt werden könne. Hinsichtlich der Änderung des Verwendungszweckes im Untergeschoß sei ausgeführt worden, dass diese aus Sicht des bautechnischen Amtssachverständigen bei Einhaltung der im ortsplanerischen Gutachten des DI M.P. vom 7. Februar 1995 genehmigt werden könne, wenn die Genehmigung der Ausführungspläne hinsichtlich der bautechnischen Änderung in Rechtskraft erwachsen sei, weil "die untergeordnete Nutzung der Verwendungszweckänderung" nach Maßgabe des Gutachtens DI S. vom 12. Juni 1995 erwiesen sei. Abschließend sei festgehalten worden, dass hinsichtlich der bautechnischen Änderungen, die nicht im Befund und Gutachten festgestellt worden seien, von den Nachbarn keine Einwendungen erhoben worden seien. Hinsichtlich der gastgewerblichen Nutzung stehe fest, dass bei Einhaltung der Auflagen des ortsplanerischen Gutachtens subjektiv-öffentliche Rechte dieser Nachbarn nicht verletzt seien, wenn ein Gastgarten nicht zur Ausführung gelange, weshalb diese Einwendungen im Falle der Genehmigung der Änderung des Verwendungszweckes entsprechend zu behandeln wäre.

Der Bürgermeister habe somit im "ersten" (im Original unter Anführungszeichen) Baubewilligungsbescheid vom 9. Juli 1996 hinsichtlich der beabsichtigten gastgewerblichen Nutzung, die mit diesem Bescheid noch nicht bewilligt worden sei, eindeutig festgestellt, dass bei Einhaltung der Auflagen des ortsplanerischen Gutachtens subjektiv-öffentliche Rechte der nunmehrigen Vorstellungswerber (= Nachbarn) nicht verletzt würden, wenn ein Gastgarten nicht zur Ausführung gelange. Der Begründung sei zwar zu entnehmen, dass die gastgewerbliche Nutzung der Kellerräumlichkeiten bewilligungsfähig sei, soferne die vom bisherigen Konsens abweichenden Baumaßnahmen einer rechtskräftigen Baubewilligung zugeführt würden, die Nutzung des Gastgartens würde jedoch demnach subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn verletzen.

Der der Rechtskraft fähige Abspruch des Bescheides vom 9. Juli 1996 bestehe daher einerseits aus dem Spruch, mit dem u.a. das Baugesuch hinsichtlich der gastgewerblichen Nutzung des Vorplatzes und des Vordaches abgewiesen worden sei, andererseits aber auch aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, wonach bei Einhaltung der Auflagen des ortsplanerischen Gutachtens subjektiv-öffentliche Rechte der nunmehrigen Vorstellungswerber (= Nachbarn) dann nicht verletzt würden, wenn ein Gastgarten nicht zur Ausführung gelange. Insofern komme nunmehr den Vorstellungswerbern das Recht auf Beachtung der entschiedenen Sache im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren zu.

Da sich darüber hinaus keine Änderung der maßgebenden Sach- und Rechtslage ergeben habe, hätte das gegenständliche Bauansuchen betreffend die Verwendung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen werden müssen. Da die Berufungsbehörde dies verkannt habe, seien Rechte der Vorstellungswerber verletzt worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die Nachbarn, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Gemeinde macht zusammengefasst geltend, die belangte Behörde habe den Inhalt der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 9. Juli 1996 verkannt. In diesem Bescheid sei lediglich gesagt worden (gemeint: in den Passagen, auf die sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entscheidend gestützt habe), dass die Einwendungen der Nachbarn, die sich gegen eine Änderung des Verwendungszweckes des Vorgartens (Vorplatzes) richteten, erst in einem Verfahren über die Änderung des Verwendungszweckes, nicht aber im "Bauverfahren" zu behandeln sein würden. Daher könne die Rechtskraft des Bescheides vom 9. Juli 1996 einem bescheidmäßigen Abspruch über die Zulässigkeit der Änderung des Verwendungszwecks nicht entgegenstehen.

Die Beschwerdeführerin ist mit dieser Auffassung im Recht.

Zunächst ist zu prüfen, ob der Spruchabschnitt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 9. Juli 1996 überhaupt einen abweislichen Abspruch enthält. Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei, dass die darin enthaltene, an sich undeutliche Formulierung, es werde die Bewilligung "mit Ausnahme der Änderung des Verwendungszweckes in den Kellerräumen als Gastgewerbebetrieb, sowie mit Ausnahme der Nutzung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten" erteilt, nach den Umständen des Falles als abweislicher Ausspruch zu deuten ist (es hätte sich ja diesbezüglich um einen "Entscheidungsvorbehalt" handeln können, womit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die - positive - Bewilligung als Teilentscheidung ergehe und über den weiter gehenden Antrag erst gesondert entschieden werde). In diesem Sinne war auch die Formulierung im weiteren erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Mai 1997, wonach die Bewilligung zur Änderung des Verwendungszweckes (...) "mit Ausnahme der Nutzung des Vordaches und des Vorplatzes als Gastgarten" erteilt werde, (insofern) ebenfalls als abweislicher Abspruch zu verstehen.

Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven (Sach- und) Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1971, Slg. Nr. 8035/A, oder auch aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 92/06/0270, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Rechtsauffassung der belangten Behörde bei, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides vom 9. Juli 1996 zur Auslegung des hier bedeutsamen abweislichen Teil seines Spruchteiles I. heranzuziehen sind (wenngleich, worauf noch zurückzukommen sein wird, auch die weiteren Teile des Spruches bedeutsam sind). Die diesbezüglich nicht sonderlich deutliche und klare Begründung ist dahin zu verstehen, dass tragender Grund für die Abweisung - wie die belangte Behörde dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst auch zutreffend erkannt hat - der Umstand war, dass ein Abschluss des eigentlichen Baubewilligungsverfahrens überhaupt Voraussetzung für eine Bewilligung der Nutzungsänderung sei, mit anderen Worten, eine Genehmigung der Nutzungsänderung vor dem rechtskräftigen Abschluss des eigentlichen Baubewilligungsverfahrens nicht erfolgen könne (sodass dieser Teil des Gesuches gleichsam "vorerst" oder auch "dermalen" abzuweisen sei). Das wird aber auch durch den Wortlaut des Spruchteiles III. deutlich, wonach die Nutzung ua. des Vorgartens zu gastgewerblichen Zwecken "bis zur rechtskräftigen Erteilung der Änderung des Verwendungszweckes" untersagt wurde. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Antrag auf Bewilligung der Nutzungsänderung hinsichtlich des Gastgartens (sozusagen) "abschließend" abgewiesen worden wäre, spricht auch die Formulierung in der Begründung dieses Bescheides, es stehe fest, dass bei Einhaltung der Auflagen (...) subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn nicht verletzt seien, wenn ein Gastgarten nicht zur Ausführung gelangt, "weshalb diese Einwendungen im Falle der Genehmigung der Änderung des Verwendungszweckes entsprechend zu behandeln wären". Dieser Wortlaut ist dahin zu verstehen, dass es sich diesbezüglich um eine - unverbindliche - Absichtserklärung handelt, wie - aus der Sicht der erstinstanzlichen Behörde im Falle einer "Fortsetzung" des Verfahrens in Bezug auf die angestrebte Änderung des Verwendungszweckes nach rechtskräftigem Abschluss des eigentlichen Baubewilligungsverfahrens - vorzugehen sein werde. Ob diese Auffassung der erstinstanzlichen Behörde richtig war oder nicht, kann dahingestellt bleiben; entscheidend ist, dass nach dem Gesagten die belangte Behörde zu Unrecht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache angenommen hat.

Der angefochtene Bescheid ist aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt inhaltlich rechtswidrig:

Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kann ein Nachbar die Einwendung der entschiedenen Sache nur im Rahmen eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes mit Erfolg erheben (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 91/06/0065 = BauSlg. Nr. 280/1994; eine abweichende Beurteilung wäre zwar allenfalls bei besonderen prozessualen Konstellationen, insbesondere aufgrund der Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen denkbar, ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (kurz: BauG), die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

              6.              die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Das (von den Behörden so bezeichnete) "erste" Baubewilligungsverfahren (im Zuge dessen der erstinstanzliche Bescheid vom 9. Juli 1996 erging) wurde im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 119 Abs. 2 BauG (zutreffend) auf Grundlage der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO), durchgeführt.

§ 26 Abs. 1 Z. 1 BauG entspricht, soweit hier erheblich, (inhaltlich) der Bestimmung des § 61 Abs. 2 lit. b BO.

Entgegen der von den Nachbarn im Verfahren vor den Behörden des Verwaltungsverfahrens der Sache nach vertretenen Auffassung räumte ihnen die Steiermärkische Bauordnung 1968, insbesondere § 61 Abs. 2 lit. b BO nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes ein. Der Nachbar hat vielmehr nur ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die Widmungskategorie eingehalten wird, wenn die Widmungskategorie der zu bebauenden Grundfläche auch einen Immissionsschutz gewährleistet (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 90/06/0123). Dies gilt gleichermaßen nunmehr für § 26 Abs. 1 Z. 1 BauG. Die Widmung "Freiland" nach § 25 ROG gewährt aber dem Nachbarn keinen Immissionsschutz, weil eine entsprechende Anordnung dieser gesetzlichen Bestimmung nicht zu entnehmen ist (siehe dazu die in Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht3, E 45 zu § 26 BauG und E 16 zu § 25 ROG angeführte hg. Rechtsprechung).

Da somit den vorstellungswerbenden Nachbarn vorliegendenfalls kein Mitspracherecht hinsichtlich der mit der verfahrensgegenständlichen Nutzungsänderung zu erwartenden Immissionen zukam, bedeutete dies, dass die belangte Behörde bei der gegebenen Verfahrenslage nicht berechtigt war, in Stattgebung der Vorstellung der Nachbarn den Berufungsbescheid zu beheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückzuverweisen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Baubewilligung BauRallg6Zurückweisung wegen entschiedener SacheNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060052.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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